28.12.2012 Aufrufe

Roșia Montană - Stadtgespräche Rostock

Roșia Montană - Stadtgespräche Rostock

Roșia Montană - Stadtgespräche Rostock

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

0.11 __ //// MASSENTIERHALTUNG<br />

Rettet das Landleben<br />

OLAF SPILLNER<br />

Sie haben lange gekämpft und am Ende trotzdem verloren: Die Schweinemastanlage in Alt Tellin kommt – und mit ihr ein berüchtigter<br />

Investor. Olaf Spillner fasst die Ereignisse der letzten Jahre zusammen und zeichnet dabei ein sehr kritisches Bild<br />

vom Agieren der verantwortlichen Behörden und gewählten Vertreter.<br />

Überleben außerhalb städtischer Ballungszentren wird schwieriger.<br />

Nach 1989 baute die Agrarindustrie in Nordostdeutschland<br />

9 von 10 landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen ab. Die Aufgabe<br />

der Tierproduktion und Investitionen in neue Landmaschinen<br />

für riesige Ländereien sparten Personalkosten. Abwandernde<br />

Arbeitssuchende hinterließen blühende Landschaften<br />

im Freiraum Ost. Das Gelb der Rapsblüte fand seinen Platz neben<br />

dem Blau der See und dem Grün der wenigen Wälder im<br />

Landeslogo von MV.<br />

Etwas weiter westwärts stiegen zeitgleich die Nitratwerte im<br />

holländischen Trinkwasser ins Unerträgliche. Der Schweineproduzent<br />

Adriaanus Straathof konnte im gülle-überdüngten<br />

Gelderland seine „Mistrechte“ verkaufen und seinen Gewinn<br />

in Vorpommern investieren. Er startete ohne Kadaverhaus in<br />

Medow bei Anklam und ließ Berge von Schweinen in der Sonne<br />

verwesen. Der wiederholt verurteilte Unternehmer tauchte<br />

2006 gemeinsam mit einem Vertreter der LMS Landwirtschaftsberatung<br />

Mecklenburg-Vorpommern/ Schleswig-Holstein<br />

GmbH und dem Geschäftsführer der Daberkower Landhof<br />

AG im Alt Telliner Gemeinderat auf. Mitgebracht hatte<br />

diese illustre Runde dessen stellvertretende Bürgermeisterin Silvia<br />

Ey, einer Referentin für Tierproduktion des Landesbauernverbandes<br />

MV, inzwischen auch Geschäftsführerin des Geflügelwirtschaftsverbandes<br />

MV.<br />

Straathofs Plan, hier am Tollensetal die größte Ferkelfabrik<br />

Europas zu errichten, wurde begrüßt. Der ausgesuchte Platz in<br />

der Gemeinde sei der beste im ganzen Lande, verkündete der<br />

Herr von der LMS. Die Daberkower Landhof AG könne auf<br />

10.000 Hektar Gülle abnehmen, erklärte deren Geschäftsführer<br />

Kossalla. Die amtierende rotschwarze Landesregierung hatte<br />

im gleichen Jahr die Veredlung ihres Tourismus- und Gesundheitslandes<br />

durch bodenungebundene Tierproduktion beschlossen.<br />

Genehmigungsverfahren im Bereich der Errichtung<br />

von Tierhaltungsanlagen sollten gestrafft und durch eine intensive<br />

Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden. Draußen vor<br />

der Tür aber demonstrierte bereits die Bürgerinitiative „Leben<br />

am Tollensetal“ gegen den Beschluss der Gemeindevertreter für<br />

die Ferkelfabrik, der später von der zuständigen Rechtsaufsicht<br />

kassiert wurde, da ein beteiligter Gemeindevertreter vom geplanten<br />

Verkauf des erforderlichen Grundstücks profitiert hätte.<br />

Denn seit der Wende 89 hatten auch ganz andere Menschen<br />

die Potentiale der Region erkannt und den Wunsch, unabhängig<br />

von diffusen Seilschaften hier eine neue Perspektive zu finden.<br />

Neben vielen Selbstständigen kamen junge Mütter, die für<br />

das Heranwachsen ihrer Kinder im Grünen der Stadt den Rükken<br />

gekehrt hatten und auch Ältere die ihren Lebensabend hier<br />

verbringen wollten. Außerdem Touristiker, denen die Attraktivität<br />

der Landschaft nicht entgangen war. Unter dem Motto<br />

„Rettet das Landleben“ fanden 2008 und 2009 Sternmärsche<br />

statt. Die Zugezogenen schafften es, von der Mehrheit der Einwohner<br />

Unterschriften gegen die Ferkelfabrik zu bekommen.<br />

Der Bürgermeister, der Wirt Frank Karstädt, versprach bei der<br />

Übergabe der Unterschriftenliste, alles dafür zu tun, dass die<br />

Anlage nicht gebaut würde.<br />

Stattdessen kam die damalige Vizelandtagspräsidentin Renate<br />

Holznagel (CDU) zu ihm in die Telliner Storchenbar und behauptete,<br />

dass die Gemeindevertretung zustimmen müssen,<br />

wenn ein Investor so einen Antrag stelle. 2009 wurde ihr vom<br />

Verteidigungsminister der Dienstgrad Oberstabsveterinär verliehen.<br />

Der Veredlungswunsch der Landesregierung wurde<br />

durchgesetzt. Die knappe Mehrheit für den Bauantrag der Ferkelfabrik<br />

kam aber nur durch Beteiligung des inzwischen unbefangenen<br />

Gemeindevertreters Olaf Juhnke zustande, dessen<br />

Frau dem Investor das Bauland schon verkauft hatte und deren<br />

Firma dort erst später Bauaufträge bekam.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!