0.30 __ //// TUE GUTES UND REDE DARÜBER Wie funktioniert IBQ? Arbeitssuchende MigrantInnen müssen sich genau wie Deutsche bei der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter melden. Von dort werden sie in das IBQ-Programm vermittelt, das migra zusammen mit dem BILSE-Institut und weiteren Bildungsträgern durchführt. In der ersten Phase erfassen die BeraterInnen von migra alle wichtigen Daten wie Aufenthaltsstatus, Berufsabschlüsse, beruflichen Werdegang, relevante persönliche Fähigkeiten, Sprachkenntnisse, Integrationskurse, Weiterbildungen und den Berufswunsch. Gemeinsam mit den TN wird das berufliche Profil erarbeitet. In einer Dokumappe werden Nachweise über Qualifikationen, Fähigkeiten und Kompetenzen der TeilnehmerInnen systematisch zusammengetragen. Spätestens beim Bewerben ist diese Mappe dann eine echte Hilfe. In der ersten Phase, die bis zu 10 Einzeltermine umfassen kann, werden die TeilnehmerInnen aber auch über Berufsbilder und das Ausbildungssystem in Deutschland informiert. Manche TeilnehmerInnen kommen auch mit einer ganz bestimmten Frage in die Erstberatung: Eine Apothekerin mit mehrjähriger Berufserfahrung aus dem russischsprachigen Raum wollte wissen, ob ihr Abschluss Chancen auf eine Anerkennung hat. Die Recherche beim Landesprüfungsamt für Heilberufe ergab, dass leider keine Möglichkeiten der kompletten Anerkennung vorliegen. Um ihre beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu überprüfen, können die TeilnehmerInnen in der zweiten Phase an einer vierwöchigen Kompetenzfeststellung teilnehmen. In der ersten Woche erfolgt ein individuelles Profiling. Über gruppendynamische Prozesse werden personelle Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Kommunikationsverhalten ermittelt. Außerdem werden Medienkompetenzen und Sprachkenntnisse abgeprüft. Die TeilnehmerInnen recherchieren zu möglichen Berufen und vergleichen ihre individuellen Stärken und Kompetenzen mit den Anforderungen ihres angestrebten Berufsbildes. Die fachliche Kompetenzfeststellung erfolgt dann im Rahmen eines dreiwöchigen Praktikums in einem Betrieb. BILSE und migra können dafür auf ein Netzwerk an Partnern aus dem Handwerk, sozialen Einrichtungen und dem öffentlichen Dienst zurückgreifen. Wenn jemand als Automechaniker arbeiten möchte, erfolgt das Praktikum in einer Autowerkstatt. Dabei wird ermittelt, ob derjenige grundsätzlich kann, was in einer Autowerkstatt notwendig ist und wo noch Defizite liegen. Am Ende der Phase II wird gemeinsam mit den TeilnehmerInnen ein Berufswegeplan erarbeitet. Es werden weitere Schritte zum Beispiel für Aus- oder Weiterbildungen abgesteckt. Der Übergang in Phase III erfolgt sehr individuell. Wenn die fachliche Einschätzung gut ist, aber die Sprachkompetenz fehlt, dann werden den TeilnehmerInnen Kurse für berufsbezogenes Deutsch empfohlen. Vermittelungsfähige TeilnehmerInnen erhalten ein Jobcoaching: Sie werden aktiv bei der Arbeitsplatzsuche unterstützt und können an Bewerbungstrainings teilnehmen. Wieder andere TeilnehmerInnen werden in berufliche Weiterbildungen, Umschulungen oder in eine Ausbildung vermittelt. Hier zahlt sich die enge Zusammenarbeit mit der Ar- beitsagentur und dem Jobcenter aus, die die Qualifizierungsmaßnahmen finanzieren. Wie vielfältig und individuell die Unterstützung und Begleitung sein kann, zeigt folgendes Beispiel: Frau M. aus Russland ist Bibliothekarin mit 20jähiger Berufserfahrung. Ihr Abschluss wurde durch das Kulturministerium anerkannt. Sie hat einen berufsbezogenen Fachsprachkurs – gefördert von der Otto-Benecke-Stiftung – absolviert. Ein Praktikum in der Uni-Bibliothek bescheinigt ihr eine hohe fachliche Kompetenz. Frau M. bemüht sich nun zusammen mit migra darum, ein weiteres Praktikum zum Erlernen eines EDV-gestützten Bibliothekssystems zu absolvieren. Kenntnisse dieses Programms würden die Chancen von Frau M. auf dem Arbeitsmarkt enorm erhöhen, da das Beherrschen dieses Programms Bestandteil der Ausbildung in Deutschland ist. Seit 2009 haben 556 MigrantInnen das IBQ-Programm vollständig durchlaufen. Insgesamt 336 Personen (60%) konnten auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt geführt werden, davon 160 in versicherungspflichtige Tätigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt sowie 8 Personen in die Existenzgründung. Auch wenn das Durchlaufen des Programms nicht sofort in den ersten Arbeitsmarkt mündet, wird ein Fundament gelegt, das den Teilnehmenden Berufswege und Perspektiven aufzeigt. Uta Wehebrink von migra e.V. arbeitet seit 15 Jahren im Bereich der beruflichen Beratung für MigrantInnen in <strong>Rostock</strong>. Sie findet, dass sich das Klima in <strong>Rostock</strong> insgesamt sehr gewandelt hat: „Früher war es oft schwierig, einen Praktikumsplatz zu finden. Jetzt sind Praktikumsplätze kein Problem mehr und ich spüre insgesamt eine viel größere Offenheit.“ Im Fall der Afrikanerin, die Altenpflegerin werden will, bemüht sich Uta Wehebrink übrigens gerade um einen Praktikumsplatz in einer anderen Einrichtung. Ihr geht es in erster Linie um die Feststellung der Eignung der jungen Frau für diesen Beruf, aber auch darum, das genannte Argument zu entkräften und diskriminierende Denkmuster aufzubrechen. ¬ -- Weitere Informationen unter www.migra-mv.de
FOTOS: ANDREA KRÖNERT