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58 KULTUR<br />
FOTO: PETER MOORE<br />
FOTO: JENS GERBER (BESCHNITTEN)<br />
Otto Piene „Anemones: An Air Aquarium“, 1976, Neuproduktion, <strong>2023</strong>,<br />
Plastik (TPU-Folie), Gebläse und Schaltkasten, © Otto Piene estate /<br />
VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2023</strong><br />
AUSSTELLUNG<br />
PLASTIK:<br />
Euphorie und<br />
Ernüchterung<br />
Die aktuelle Ausstellung in der<br />
Schirn präsentiert künstlerische<br />
Positionen rund um ein weltweit<br />
verbreitetes Material: Plastik.<br />
Billig, synthetisch hergestellt und trotzdem<br />
oftmals Larger Than Life. In den<br />
1950er Jahren als zukunftsweisende<br />
technische Entwicklung gefeiert, stehen<br />
heute vor allem die umweltschädlichen<br />
Auswirkungen von Plastikkonsum und<br />
Wegwerfkultur im Vordergrund. Das war<br />
für die Arbeit von Künstler*innen nicht<br />
anders: Löste das künstliche Material<br />
wegen der völlig neuen gestalterischen<br />
Möglichkeiten zunächst Euphorie und Experimentierfreude<br />
aus, beschäftigte man<br />
sich später ebenfalls mit den negativen<br />
Auswirkungen von Plastik. Die Ausstellung<br />
zeigt beide Seiten.<br />
der nicht verrottet. Der deutsche Künstler<br />
Otto Peine schuf 1976 mit „Anemones“<br />
eine schillernde Unterwasserwelt als begehbares<br />
Kunstwerk; für die Schirn-Ausstellung<br />
erlebt das Werk eine Neuauflage<br />
mit bitterem Beigeschmack: die seinerzeit<br />
als poetisch gelesene Arbeit wird heute<br />
vom Wissen über die Verschmutzung der<br />
Weltmeere durch Mikroplastik überlagert.<br />
HazMatLab „Coral Cluster“, 2021/22, PLA und Hocker, Courtesy the artists<br />
Dass Plastik bis heute trotzdem nichts<br />
an Faszination verloren hat, zeigen die<br />
Arbeiten des Frankfurter Künstlerinnenkollektivs<br />
HazMatLab: Sandra Havlicek,<br />
Tina Kohlmann und Katharina Schücke<br />
experimentieren mit synthetischem<br />
Schleim, industriellen Nagellacken oder<br />
dem 3D-Druckverfahren; in der Schirn ist<br />
ihre Skulptur „Coral Cluster“ zu sehen, ein<br />
buntes Gebilde, das an Rauchwolken einer<br />
thermischen Explosion erinnert. Plastic<br />
Fantastic? Der Betrachter entscheidet! *bjö<br />
Der französische Bildhauer César kippte<br />
bei seinen Happenings der 1960er literweise<br />
Polyurethanschaum auf den Boden.<br />
Die Künstler*innen der italienischen Arte<br />
Povera der 1960er Jahre untersuchten das<br />
Verhältnis von Natur und Künstlichkeit;<br />
Piero Gilardi zeigt mit „Tappeti“ künstliche<br />
Nachbildungen der Natur, die täuschend<br />
echt wirken. Gino Marotta schuf mit<br />
„Eden Artificiale“ ein keimfreies, künstliches<br />
Paradies aus Acrylglas. Die Künstler<br />
des Nouveau Réalisme interessierten sich<br />
hingegen schon sehr früh für das, was<br />
vom gefeierten Material übrigbleibt: Müll,<br />
FOTO: VG BILD-KUNST, BONN <strong>2023</strong><br />
Noch bis 1.10., Schirn, Römerberg,<br />
Frankfurt, www.schirn.de<br />
Mittwochs und donnerstags „Late Night“<br />
mit 2for1 ab 18 Uhr; an beiden Tagen ist<br />
die Schirn bis 22 Uhr geöffnet. Tipps:<br />
4.7., 19 Uhr, Führung mit der Kuratorin<br />
Martina Weinhart, 12. <strong>Juli</strong>, 19 Uhr, Führung<br />
in englischer Sprache.<br />
Piero Gilardi „Palmeto“, 1987, Polyurethanschaum,<br />
bemalt mit Flüssigkautschuk, © <strong>2023</strong> Design Museum<br />
Brussels / VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2023</strong>