Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
66 KULTUR<br />
FILMFEST<br />
FOTO: ONIR<br />
„PINE<br />
CONE“<br />
eine schwule<br />
indische<br />
Biografie<br />
Mit „Pine Cone“ präsentiert das Indische Filmfest Stuttgart<br />
den aktuellen Spielfilm des indischen Regisseurs<br />
und Gay-Aktivisten Onir. Der Film feierte Anfang Juni<br />
Premiere in Indien.<br />
„Pine Cone“ erzählt die Lebensgeschichte eines schwulen Inders<br />
über die Dauer von 20 Jahren und in drei wichtigen (Lebens-)<br />
Stadien, die nicht nur die private Entwicklung, sondern auch die<br />
aktuelle Diskussion um die Homo-Ehe aufgreift und damit die sich<br />
wandelnde Situation für queere Menschen in Indiens Gesellschaft<br />
widerspiegelt. Der Film trägt autobiografische Züge, denn seine<br />
Hauptfigur Sid Mehra ist ebenso wie Onir ein Filmemacher. Alles<br />
beginnt 1999, dem Jahr des ersten Gay Pride Indiens. Mehra ist<br />
kurz davor die Schule zu beenden und erlebt sein Coming-out<br />
samt erster Liebe. Zehn Jahre später erkundet er die schwule Welt<br />
per Chatroom und im echten Leben und verliebt sich zum zweiten<br />
Mal. Wieder zehn Jahre später lebt Sid Mehra in einer glücklichen<br />
Beziehung und zieht Zwischenbilanz. Die Hauptrolle spielt der<br />
geoutete Schauspieler Vidur Sethi, was „Pine Cone“ zusätzlich zu<br />
einer großen Ausnahme im Mainstream-Hindi-Kino macht. „Der<br />
Film feiert den queeren Blick, die queeren Menschen und queeres<br />
Begehren“, sagt Onir im Gespräch mit Hans-Peter Jahn vom Indischen<br />
Filmfest Stuttgart. „Ich will auch dem Publikum zeigen, dass<br />
es nichts Schmutziges ist, queere Intimität oder Begehren<br />
darzustellen“. Für Indien immer noch ein Wagnis: Obwohl der<br />
aus dem Jahr 1861 stammende Paragraf 377, der „sexuelle<br />
Handlungen wider die Natur“ unter Strafe stellt, 2018 abgeschafft<br />
wurde, ist Homosexualität in Indien nach wie vor<br />
stark tabuisiert. Treibende Kräfte dies zu reformieren sind hier<br />
unter anderem die Medien und die indische Filmindustrie, die<br />
Homosexualität immer wieder positiv darstellen. Sie stießen<br />
auch die aktuelle Diskussion um eine mögliche indische Homo-Ehe<br />
inklusive Adoptionsrecht an, was allerdings von der<br />
rechtskonservativen Regierungspartei BJP sowie den religiösen<br />
Organisationen im Land vehement abgelehnt wird.<br />
Aktivist Onir hatte Schwierigkeiten „Pine Coine“ zu finanzieren;<br />
der Film musste als unabhängige Produktion mit Hilfe einiger<br />
Freunde als Partner und einer minimalen Crew gedreht<br />
werden. „Ich habe keine Plattform oder Studio gefunden,<br />
die mich unterstützen, da den meisten die Geschichte ‚zu<br />
schwul‘ war und für ein größeres Publikum nicht geeignet“,<br />
erklärt Onir.<br />
Ähnlich erging es Onir mit seinem wegweisenden autobiografischen<br />
Buch „I’m Onir & I’m Gay“: „Das Buch hat bei den<br />
Kritikern sehr gut abgeschnitten und ist in seiner Kategorie<br />
ein Bestseller bei Penguin India“, so Onir. Trotzdem wurde er<br />
von Literaturfestivals ausgeschlossen und konnte sein Buch<br />
nicht diskutieren.<br />
Trotz der Schwierigkeiten thematisiert Onir in seinen Filmen<br />
regelmäßig Homosexualität; erstmals 2004 mit „My Brother …<br />
Nikhil“, der das ebenfalls tabubehaftete Thema HIV und Aids<br />
behandelte. Das Indische Filmfest Stuttgart, das in diesem<br />
Jahr sein 20. Jubiläum feiert, begleitet schon seit langem die<br />
Arbeiten des Regisseurs. „Pine Cone“ feierte am 7. Juni seine<br />
Premiere beim queeren Filmfest Kashish in Mumbai – nur<br />
einen Monat später ist der Film in Stuttgart zu sehen. *bjö<br />
19. – 23.7., Indisches Filmfestival, Innenstadtkinos,<br />
Königstr. 22 / Ecke Bolzstr. 4, Stuttgart, „Pine Cone“ von<br />
Onir läuft am 21.7. um 18 Uhr im EM-Kino. Der Regisseur<br />
wird zur Vorführung anwesend sein, mehr Infos über<br />
www.indisches-filmfestival.de