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gab Juli 2023

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66 KULTUR<br />

FILMFEST<br />

FOTO: ONIR<br />

„PINE<br />

CONE“<br />

eine schwule<br />

indische<br />

Biografie<br />

Mit „Pine Cone“ präsentiert das Indische Filmfest Stuttgart<br />

den aktuellen Spielfilm des indischen Regisseurs<br />

und Gay-Aktivisten Onir. Der Film feierte Anfang Juni<br />

Premiere in Indien.<br />

„Pine Cone“ erzählt die Lebensgeschichte eines schwulen Inders<br />

über die Dauer von 20 Jahren und in drei wichtigen (Lebens-)<br />

Stadien, die nicht nur die private Entwicklung, sondern auch die<br />

aktuelle Diskussion um die Homo-Ehe aufgreift und damit die sich<br />

wandelnde Situation für queere Menschen in Indiens Gesellschaft<br />

widerspiegelt. Der Film trägt autobiografische Züge, denn seine<br />

Hauptfigur Sid Mehra ist ebenso wie Onir ein Filmemacher. Alles<br />

beginnt 1999, dem Jahr des ersten Gay Pride Indiens. Mehra ist<br />

kurz davor die Schule zu beenden und erlebt sein Coming-out<br />

samt erster Liebe. Zehn Jahre später erkundet er die schwule Welt<br />

per Chatroom und im echten Leben und verliebt sich zum zweiten<br />

Mal. Wieder zehn Jahre später lebt Sid Mehra in einer glücklichen<br />

Beziehung und zieht Zwischenbilanz. Die Hauptrolle spielt der<br />

geoutete Schauspieler Vidur Sethi, was „Pine Cone“ zusätzlich zu<br />

einer großen Ausnahme im Mainstream-Hindi-Kino macht. „Der<br />

Film feiert den queeren Blick, die queeren Menschen und queeres<br />

Begehren“, sagt Onir im Gespräch mit Hans-Peter Jahn vom Indischen<br />

Filmfest Stuttgart. „Ich will auch dem Publikum zeigen, dass<br />

es nichts Schmutziges ist, queere Intimität oder Begehren<br />

darzustellen“. Für Indien immer noch ein Wagnis: Obwohl der<br />

aus dem Jahr 1861 stammende Paragraf 377, der „sexuelle<br />

Handlungen wider die Natur“ unter Strafe stellt, 2018 abgeschafft<br />

wurde, ist Homosexualität in Indien nach wie vor<br />

stark tabuisiert. Treibende Kräfte dies zu reformieren sind hier<br />

unter anderem die Medien und die indische Filmindustrie, die<br />

Homosexualität immer wieder positiv darstellen. Sie stießen<br />

auch die aktuelle Diskussion um eine mögliche indische Homo-Ehe<br />

inklusive Adoptionsrecht an, was allerdings von der<br />

rechtskonservativen Regierungspartei BJP sowie den religiösen<br />

Organisationen im Land vehement abgelehnt wird.<br />

Aktivist Onir hatte Schwierigkeiten „Pine Coine“ zu finanzieren;<br />

der Film musste als unabhängige Produktion mit Hilfe einiger<br />

Freunde als Partner und einer minimalen Crew gedreht<br />

werden. „Ich habe keine Plattform oder Studio gefunden,<br />

die mich unterstützen, da den meisten die Geschichte ‚zu<br />

schwul‘ war und für ein größeres Publikum nicht geeignet“,<br />

erklärt Onir.<br />

Ähnlich erging es Onir mit seinem wegweisenden autobiografischen<br />

Buch „I’m Onir & I’m Gay“: „Das Buch hat bei den<br />

Kritikern sehr gut abgeschnitten und ist in seiner Kategorie<br />

ein Bestseller bei Penguin India“, so Onir. Trotzdem wurde er<br />

von Literaturfestivals ausgeschlossen und konnte sein Buch<br />

nicht diskutieren.<br />

Trotz der Schwierigkeiten thematisiert Onir in seinen Filmen<br />

regelmäßig Homosexualität; erstmals 2004 mit „My Brother …<br />

Nikhil“, der das ebenfalls tabubehaftete Thema HIV und Aids<br />

behandelte. Das Indische Filmfest Stuttgart, das in diesem<br />

Jahr sein 20. Jubiläum feiert, begleitet schon seit langem die<br />

Arbeiten des Regisseurs. „Pine Cone“ feierte am 7. Juni seine<br />

Premiere beim queeren Filmfest Kashish in Mumbai – nur<br />

einen Monat später ist der Film in Stuttgart zu sehen. *bjö<br />

19. – 23.7., Indisches Filmfestival, Innenstadtkinos,<br />

Königstr. 22 / Ecke Bolzstr. 4, Stuttgart, „Pine Cone“ von<br />

Onir läuft am 21.7. um 18 Uhr im EM-Kino. Der Regisseur<br />

wird zur Vorführung anwesend sein, mehr Infos über<br />

www.indisches-filmfestival.de

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