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BÖB WISSENSNETZWERK Fachinformation für das Rechnungswesen 94_2023

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RECHT<br />

Anspruch auf Entgeltfortzahlung<br />

aus Mutterschutz-RL bei<br />

Wochengeldfalle<br />

Mag. Christian Marchhart<br />

Arbeitsrecht, Handelsvertretungsrecht,<br />

Vertriebsrecht,<br />

Schadenersatz- und<br />

Gewährleistungsrecht,<br />

Versicherungsrecht<br />

office.st.poelten@ulsr.at<br />

http://www.ulsr.at<br />

Wird eine Arbeitnehmerin während einer Elternkarenz neuerlich schwanger und<br />

hat sie zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch mehr auf Kinderbetreuungsgeld,<br />

weil eine unbezahlte Karenz vorliegt, hat sie während des Beschäftigungsverbotes<br />

keinen Anspruch auf Wochengeld. Das Wochengeld ist eine Barleistung aus<br />

der Krankenversicherung. Ein Anspruch aus der Krankenversicherung setzt allerdings<br />

voraus, <strong>das</strong>s der Versicherungsfall der Mutterschaft vor dem auf <strong>das</strong> Ende<br />

der Versicherung nächstfolgenden Arbeitstag eingetreten ist.<br />

Praktisch bedeutet dies im Fall einer Karenzierung,<br />

<strong>das</strong>s der Anspruch auf Wochengeld<br />

nur dann besteht, wenn die Schwangerschaft<br />

noch während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld<br />

eingetreten ist. Ist <strong>das</strong> nicht der Fall,<br />

tappt die Dienstnehmerin in die sogenannte<br />

„Wochengeldfalle“.<br />

Seit 01.01.2016 besteht nach § 8 Abs. 4 AngG<br />

kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn<br />

sich die Angestellte vor Eintritt des Beschäftigungsverbots<br />

in einer mit dem Dienstgeber zur<br />

Kinderbetreuung vereinbarten Karenz befindet.<br />

Nach § 8 Abs. 4 AngG bleibt ein anfälliger<br />

Anspruch auf einen Zuschuss des Dienstgebers<br />

zum Krankenengelt aber unberührt. Eine<br />

Dienstnehmerin hat während des Beschäftigungsverbotes<br />

nach dem MSchG Anspruch auf<br />

<strong>das</strong> Entgelt, <strong>das</strong>s dem Durchschnittsverdienst<br />

gleich kommt, den sie während der letzten 13<br />

Wochen „vor Eintritt des Beschäftigungsverbotes“<br />

bezogen hat. Dadurch wollte der Gesetzgeber<br />

klarstellen, <strong>das</strong>s eine Dienstnehmerin,<br />

die sich noch aufgrund einer früheren Schwangerschaft<br />

in Karenz befindet, keinen Anspruch<br />

auf Entgeltfortzahlung hat. Daraus ergibt sich,<br />

<strong>das</strong>s in derartigen Konstellationen die Arbeitnehmerin<br />

nach geltender österreichischer Gesetzeslage<br />

weder Wochengeld aus der Krankenversicherung<br />

noch eine Entgeltfortzahlung<br />

gegenüber ihrem Arbeitgeber beanspruchen<br />

kann.<br />

Diese <strong>für</strong> die Arbeitnehmerin unbefriedigende<br />

Situation hat der OGH nun mehr in seiner<br />

Entscheidung vom 30.08.2022, 8 ObA 42/22t<br />

dahingehend korrigiert, als nunmehr die österreichische<br />

Regelung in § 8 Abs. 4 AngG dem<br />

Art.11 Z 2 lit. b der Mutterschutz – RL 29/85/<br />

EWG widerspricht, wonach während des Mutterschaftsurlaubes<br />

von zumindest 14 Wochen<br />

die Fortzahlung eines Arbeitsentgelts und/oder<br />

ein Anspruch auf eine angemessene Sozialleistung<br />

gewährleistet sein muss.<br />

Aufgrund der ausreichenden Bestimmtheit<br />

dieser Richtlinie entfaltet diese unmittelbare<br />

Wirkung zwischen der betroffenen Arbeitnehmerin<br />

und ihrem Dienstgeber. Zu beachten ist<br />

aber, <strong>das</strong>s der Entgeltfortzahlungsanspruch der<br />

Arbeitnehmerin nicht mit dem im AngG geregelten<br />

Zeitraum, sondern mit dem von der<br />

Richtlinie geschützten Zeitraum von 14 Wochen<br />

begrenzt ist.<br />

In Zukunft müssen daher Arbeitgeber bei derartigen<br />

Konstellationen damit rechnen, <strong>das</strong>s sie<br />

mit weiteren Entgeltfortzahlungsansprüchen<br />

konfrontiert werden können.<br />

36 <strong>BÖB</strong> Journal <strong>94</strong> | 23

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