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BÖB WISSENSNETZWERK Fachinformation für das Rechnungswesen 94_2023

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CONTROLLING<br />

Was im Zusammenhang mit der<br />

Auswirkungs-Wesentlichkeit noch<br />

von großer Bedeutung ist: Die ESRS<br />

widmen ausführliche Darstellungen<br />

dem Konzept der Sustainability<br />

Due Diligence. Damit sind Mechanismen<br />

gemeint, wie sie v.a. die UN<br />

Guiding Principles on Business and<br />

Human Rights und die OECD Guidelines<br />

for Multinational Enterprises<br />

darlegen. Die ESRS können Unternehmen<br />

nicht verpflichten, solche<br />

Mechanismen zu implementieren.<br />

Sie halten aber dennoch fest: „The<br />

materiality assessment of a negative<br />

impact is informed by the sustainability<br />

due diligence process defined in<br />

the international instruments of the<br />

UN Guiding Principles on Business<br />

and Human Rights and the OECD<br />

Guidelines for Multinational Enterprises.“<br />

16 Dies lässt sich doch wiederum<br />

als De-facto-Verpflichtung interpretieren<br />

– denn anderenfalls wird<br />

es Unternehmen kaum gelingen, die<br />

Aussagekraft ihrer Wesentlichkeitsanalyse<br />

gegenüber dem externen<br />

Prüfer nachzuweisen.<br />

Finanzielle Wesentlichkeit<br />

Als Maßstäbe <strong>für</strong> die Beurteilung<br />

gelten <strong>das</strong> Ausmaß der finanziellen<br />

Effekte sowie die Einwtrittswahrscheinlichkeit.<br />

Dabei handelt es<br />

sich um Dimensionen, die bereits<br />

aus dem (finanziellen) Risikomanagement<br />

in Unternehmen bekannt<br />

sind – und zu deren Implementierung<br />

entsprechende Instrumente<br />

vorliegen. Diese sind auch <strong>für</strong> die<br />

Wesentlichkeitsbeurteilung im Rahmen<br />

des Grundsatzes der doppelten<br />

Wesentlichkeit heranzuziehen.<br />

Entsprechend führen die ESRS an<br />

erster Stelle an, <strong>das</strong>s Prognosen bei<br />

der Ermittlung der finanziellen Wesentlichkeit<br />

aufzustellen sind. Problematischer<br />

ist allerdings eine zweite<br />

Forderung, die im Zusammenhang<br />

mit der Ermittlung der finanziellen<br />

Wesentlichkeit ausgeführt wird:<br />

„Risks and opportunities may derive<br />

from past events or future events and<br />

may have effects in relation to:<br />

(a) assets and liabilities already recognised<br />

in financial reporting or that<br />

may be recognised as a result of future<br />

events; or<br />

(b) factors of value creation that do<br />

not meet the financial accounting<br />

definition of assets and liabilities<br />

and/or the related recognition criteria<br />

but contribute to the generation<br />

of cash flows and more generally to<br />

the development of the undertaking.<br />

The latter factors are generally referred<br />

to as ‘capitals’ in frameworks promoting<br />

a multi-capital approach; the<br />

capitals may in some cases (but not<br />

in all cases) meet the criteria for recognition<br />

and reporting in financial<br />

statements.“ 17<br />

Mit dieser Forderung verlassen die<br />

ESRS den Rahmen der etablierten<br />

Finanzberichterstattung und die<br />

Methoden, die etwa aus dem Kontext<br />

des Jahresabschlusses <strong>für</strong> Wesentlichkeitsbeurteilungen<br />

bekannt<br />

sind. Die Referenz auf <strong>das</strong> Kapitalienkonzept<br />

und die nicht näher spezifizierten<br />

Rahmenwerke zu deren<br />

Konkretisierung, aber auch auf die<br />

„Wertschöpfung“ eines Unternehmens<br />

als letztendliche Folge erinnert<br />

an <strong>das</strong> Berichtskonzept des Integrated<br />

Reporting. Dessen bisher nur geringe<br />

Verbreitung liegt aber gerade in<br />

der schwierigen Operationalisierbarkeit<br />

bzw. im hohen Abstraktionsgrad<br />

begründet, der selbst börsennotierte<br />

Unternehmen vor Herausforderungen<br />

stellt. Wie dies nun <strong>für</strong> den neuen<br />

Rahmen der ESRS konkretisiert<br />

werden kann, bleibt offen.<br />

Etwas konkreter wird demgegenüber<br />

eine zweite Anforderung im Hinblick<br />

auf Kapitalien: Hervorgehoben<br />

wird auch, <strong>das</strong>s die Abhängigkeiten<br />

von solchen Kapitalien häufig die<br />

Grundlage <strong>für</strong> finanzielle Auswirkungen<br />

darstellen. Z.B. <strong>das</strong>s ein Unternehmen<br />

<strong>für</strong> seine Geschäftstätigkeit<br />

auf bestimmte natürliche oder<br />

personelle Ressourcen angewiesen<br />

ist. 18 Diese Abhängigkeiten müssen<br />

entsprechend gewürdigt werden.<br />

Fazit<br />

Mit den nunmehr vorliegenden Leitlinien<br />

von CSRD und ESRS nimmt<br />

<strong>das</strong> Konzept der doppelten Wesentlichkeit<br />

Kontur an – und es lässt<br />

sich erkennen, <strong>das</strong>s diese in vielerlei<br />

Hinsicht beträchtliche Weiterentwicklungen<br />

der gegenwärtig noch<br />

verbreiteten Praktiken unumgänglich<br />

werden lässt. Die verschiedenen Perspektiven<br />

auf Sachverhalte im Nachhaltigkeits-Kontext<br />

werden klarer<br />

als bisher herausgearbeitet und auch<br />

voneinander abgrenzbar. Erstmals<br />

liegen Parameter vor, zu denen Nachweise<br />

bei den getroffenen Beurteilungen<br />

gefordert sind; die Gewichtung<br />

dieser Parameter im Verhältnis zueinander<br />

wird ebenso umrissen. Die<br />

Schlussfolgerungen hieraus sollten<br />

Unternehmen nun zeitnahe in ihre<br />

Analysen integrieren.<br />

Ob bei der Weiterentwicklung der<br />

Berichterstattung von Unternehmen,<br />

die heute schon der Berichtspflicht<br />

gem. NFRD unterliegen,<br />

oder im Zuge einer frühzeitigen<br />

Vorbereitung der zukünftig erstmals<br />

berichtspflichtigen Unternehmen in<br />

Form von „ersten Probeberichten“:<br />

De facto sollte jede Wesentlichkeitsanalyse,<br />

die heute von europäischen<br />

Unternehmen durchgeführt wird,<br />

sich an den nunmehr vorliegenden<br />

Leitlinien von CSRD und ESRS<br />

orientieren. Nicht immer sind diese<br />

schon zur Gänze selbsterklärend und<br />

es ist in den nächsten Jahren noch<br />

mit weiteren Klarstellungen bzw.<br />

Ergänzungen zu rechnen. Die vorliegende<br />

Basis ist jedoch eine hinlänglich<br />

ausgearbeitete, mit der sich<br />

bereits arbeiten lässt.<br />

16 EFRAG, ESRS 1 (November 2022), Tz. 48. Siehe dazu weiters Kap. 4 von ESRS 1.<br />

17 EFRAG, ESRS 1 (November 2022), Tz. 52.<br />

18 Vgl. EFRAG, ESRS 1 (November 2022), Tz. 54.<br />

46 <strong>BÖB</strong> Journal <strong>94</strong> | 23

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