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18 Hebammenversorgung<br />
Zwischen Windeln und Wehen<br />
Eine Allgäuer Hebamme und eine Studentin der Hebammenwissenschaften berichten über die Glücksmomente,<br />
ihre tägliche Routine und das Nachwuchsproblem der Fachkräfte<br />
E Neben der Geburtshilfe gehört die Vor- und Nachsorge zum Arbeitsalltag von Hebammen. <br />
Fotos (2): Klinikverbund Allgäu<br />
<br />
Von Veronika Frank<br />
„Ich könnte mir aktuell nichts Schöneres<br />
vorstellen, als Hebamme zu<br />
sein“, erzählt Dorothea Einsiedler,<br />
auch wenn sie die harten Zahlen<br />
und Fakten in Bezug auf ihren Beruf<br />
kennt. Nur 50 Prozent sind in<br />
dem Bereich nach fünf Jahren noch<br />
tätig. „Viele packen den Druck im<br />
Kreißsaal nicht“, erklärt sie. Dies und<br />
andere branchentypische Besonderheiten<br />
verriet sie ihrer Bekannten<br />
Evelyn Greiter. Der Realitätscheck<br />
schreckte die junge Frau jedoch<br />
nicht ab. Sie wechselte ihren beruflichen<br />
Kurs und studiert nun Hebammenwissenschaft.<br />
Der Grund dafür<br />
liegt in den immateriellen und unbezahlbaren<br />
Dingen.<br />
Die Glücksmomente<br />
eindruckend zu sehen, welche Kraft<br />
hinter der Geburt und in den Frauen<br />
steckt. Wir versuchen, sie darin zu<br />
Neben dem hohen Arbeitsaufkommen<br />
– Kempten zählt circa 2000 Geburten<br />
pro Jahr, Immenstadt hingegen<br />
650 – erleben Hebammen große<br />
Wertschätzung. Die werdenden<br />
Mütter sind dankbar um jede Hilfe<br />
und bringen den Geburtshelfenden<br />
sehr viel Vertrauen entgegen. „Wir<br />
sind dabei, wie aus einem Paar eine<br />
Familie wird“, erzählt Einsiedler. Dieser<br />
besondere Augenblick und auch<br />
das Erleben von neuem Leben sind<br />
die Momente, die den zwei Frauen<br />
sehr viel zurückgeben. „Es ist be-<br />
bestärken“, erzählt<br />
Greiter.<br />
Beide sind fasziniert,<br />
wie detailliert<br />
der weibliche<br />
Körper aufgebaut<br />
ist, wie alle Fäden<br />
zusammenlaufen<br />
und dennoch keine<br />
Geburt der anderen<br />
gleicht. Die<br />
zwei Hebammen<br />
lernen deshalb nie<br />
aus. Vielmehr versuchen<br />
sie die Signale<br />
des Körpers<br />
der werdenden<br />
Mütter zu verstehen<br />
und die Frauen<br />
ebenfalls dafür<br />
zu sensibilisieren.<br />
Der Heimvorteil<br />
Wer im Allgäu eine Hebamme<br />
sucht, muss sich zwar - überspitzt<br />
gesagt – schon während der Familienplanung<br />
um eine freie Hebamme<br />
bemühen, hat aber dafür die Chance,<br />
ganzheitlich betreut zu werden.<br />
Das heißt: Ein und dieselbe<br />
Hebamme begleitet eine Frau von<br />
Beginn der Schwangerschaft bis<br />
über die Geburt hinaus. Das liegt<br />
„Es ist beeindruckend<br />
zu sehen, welche<br />
Kraft hinter der<br />
Geburt und in den<br />
Frauen steckt. Wir<br />
versuchen, sie darin<br />
zu bestärken.“<br />
Evelyn Greiter,<br />
Hebammenstudentin<br />
zum einen an dem überschaubaren<br />
Hebammen-Team im Allgäu, zum<br />
anderen an der Anzahl der Krankenhäuser.<br />
So<br />
kann es vorkommen,<br />
dass durch<br />
Zufall eine Hebamme<br />
im Kreißsaal<br />
im Dienst ist,<br />
die man bereits<br />
kennt. Für Mütter<br />
und Hebammen<br />
ist das eine „Winwin-Situation“.<br />
Einen lokalen Unterschied<br />
in der<br />
Branche gibt es<br />
auch bei ihrer Zielgruppe.<br />
Erstgebärende<br />
Mütter sind<br />
in Städten meist<br />
älter wie auf dem<br />
Land. Man könnte<br />
annehmen, dass<br />
es dadurch weniger Risikoschwangerschaften<br />
im Allgäu gibt. Doch<br />
die Station in Kempten betreut viele<br />
von diesen. Intensive Arbeitsstunden<br />
paaren sich im Allgäu folglich<br />
mit einer hohen Nachfrage und einem<br />
Mangel an Fachkräften.<br />
Presswehen und anderer Druck<br />
„Es kann sein, dass man in seiner<br />
Schicht einen leeren Kreißsaal übernimmt<br />
und auf einmal vier Frauen<br />
gleichzeitig unter starken Wehen<br />
auftauchen“, erzählt Einsiedler.<br />
Multitasking bei hohem Stresslevel<br />
gehört dabei zum Alltagsgeschäft.<br />
Hebammen müssen nämlich nicht<br />
nur die Geburt betreuen, sondern jeden<br />
Schritt und jede Interaktion minütlich<br />
dokumentieren. Sie machen<br />
das, um sich vor Klagen zu schützen.<br />
Eine Berufshaftpflichtversicherung<br />
ist in der Geburtshilfe daher<br />
Pflicht. Diese müssen die Hebammen<br />
selbst finanzieren und deshalb<br />
in ihr Budget einplanen, auch wenn<br />
der GKV-Spitzenverband einen Teil<br />
davon erstattet.<br />
Hebammen arbeiten größtenteils<br />
als Selbstständige. In einem Zusammenschluss<br />
decken sie eigenständig<br />
die Dienste im Kreißsaal<br />
ab. „Wir treffen uns einmal<br />
im Monat und schreiben den<br />
Dienstplan“, erklärt Einsiedler. Sie<br />
überlegen dabei, wie viel Personal,<br />
sie wann einsetzen. „Das ist<br />
ganz schön schwierig, weil das<br />
Arbeitsaufkommen nicht planbar<br />
ist“, erklärt Einsiedler. „Aber es<br />
ist gut, dass die Kinder noch kommen<br />
können, wann sie wollen“,<br />
fügt Greiter hinzu. Für den Notfall<br />
gibt es einen Bereitschaftsdienst,<br />
der bei „Not am Mann“ gerufen<br />
werden kann.