smartLiving Magazin Stuttgart | Ausgabe 03/2023
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Immobilien<br />
<strong>smartLiving</strong>.<br />
ARCHITEKTUR. IMMOBILIEN. WOHNEN. LIFESTYLE.<br />
Dedy weiter: „Die Wärmewende und der Ausbau der Wärmenetze<br />
sind kein Sprint, sondern ein Marathon auf dem Weg zu<br />
klimaneutralen Städten. Die Wärmeplanungen werden in den<br />
Städten mit Hochdruck vorangetrieben. Eine deutschlandweite<br />
kommunale Wärmeplanung wird bis spätestens 2028 angestrebt,<br />
das scheint machbar. Wichtig ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren,<br />
dass die Fristen gut aufeinander abgestimmt werden<br />
und die Rahmenbedingungen auch langfristige Investitionen ermöglichen.<br />
Neben der individuellen Förderung für Hauseigentümer<br />
sollte auch der Aus- und Umbau der kommunalen Wärmenetze<br />
gefördert werden.“<br />
Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen<br />
Handwerks (ZDH)<br />
Auch der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen<br />
Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, zeigt sich zuversichtlich: „Mit<br />
der erzielten Einigung der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/<br />
Die Grünen und FDP ist ein wichtiger Schritt gelungen, um die<br />
Novelle des Gebäudeenergiegesetzes an wesentlichen Stellen zu<br />
verbessern. Entscheidend ist jetzt, dass die vereinbarten „Leitplanken“<br />
der Ampelparteien keine reinen Absichtserklärungen<br />
bleiben, sondern sachgerecht in Gesetzesform gegossen und ausformuliert<br />
werden.“<br />
Für den Handwerkspräsidenten wurden bei den Änderungen<br />
am Gesetzentwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) zentrale<br />
Forderungen des Handwerks aufgegriffen: „Dazu gehört etwa<br />
die richtige „Reihenfolge“, wonach erst beim Vorliegen einer<br />
kommunalen Wärmeplanung die Verpflichtung zum Einsatz<br />
von 65 Prozent Erneuerbaren Energien greift. Das entzerrt<br />
die Fristen und dürfte auch dazu führen, dass die kommunale<br />
Wärmeplanung und deren rechtliche und politische Vorgaben<br />
für Bestandsgebäude richtigerweise vorangeht. Auch ist das Bekenntnis<br />
zu einer echten Technologieoffenheit richtig und positiv.<br />
Dass insbesondere Holzpellets und die Nutzung von Holzabfällen<br />
für holzverarbeitende Betriebe weiter möglich sind, ist gut<br />
und wichtig.“<br />
Richtigerweise sehen für den Handwerksverband die Leitplanken<br />
der Ampel-Fraktionen zur weiteren Beratung des Gebäudeenergiegesetzes<br />
vor, „die Ausnahmeregelungen wie beispielsweise<br />
die Regelung zur 80-Jahres-Grenze zu überarbeiten und<br />
plausibler zu gestalten: Das muss nun auch umgesetzt werden.<br />
Hier empfiehlt sich, anstelle einer altersorientierten Grenze eher<br />
auf die Bonität abzustellen und das Förderkonzept daran zu orientieren.“<br />
Wesentlich sei nun, dieses Beschlusspapier rasch in<br />
ein konkretes Gesetz zu bringen. „Hieran wird sich zeigen, ob<br />
es gelingt, die entstandene Verunsicherung unter den Betrieben<br />
und ihren Kundinnen und Kunden zu beseitigen und so schnell<br />
für Planungssicherheit zu sorgen“, meint Jörg Dittrich.<br />
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands<br />
der Wohnungswirtschaft GdW<br />
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW erkennt<br />
die Bemühungen in dem von der Ampel-Koalition gefundenen<br />
Kompromiss beim Gebäudeenergiegesetz (GEG) und begrüßt<br />
die nun etwas abgemilderten Fristen für den vorgesehenen<br />
Heizungsaustausch. Es bestehe aber noch große Unklarheit<br />
in den bekannt gewordenen Leitlinien der Koalitionspartner,<br />
insbesondere bei der notwendigen Förderung sowie der Modernisierungsumlage.<br />
„Es ist enorm wichtig für den Erfolg der gesamten Energiewende,<br />
dass die Vorgaben für einen Heizungstausch künftig an das<br />
Vorliegen einer kommunalen Wärmeplanung vor Ort gekoppelt<br />
werden. Nur so entsteht echte Planungs- und Investitionssicherheit<br />
für die sozial orientierten Wohnungsunternehmen. Völlig<br />
unklar ist allerdings, was mit der angedeuteten verbesserten<br />
Förderkulisse sowie möglichen Anpassungen der Modernisierungsumlage<br />
gemeint ist. Das muss im jetzt anstehenden parlamentarischen<br />
Verfahren dringend im Sinne der sozial orientierten<br />
Vermieter und ihrer Mieter geklärt werden, so dass sie<br />
bei der Wärmewende nicht komplett überfordert werden“, sagt<br />
GdW-Präsident Axel Gedaschko.<br />
Mieter und Vermieter dürften laut GdW beim geforderten Heizungstausch<br />
im Rahmen des GEG keinesfalls gegenüber selbstnutzenden<br />
Eigentümern benachteiligt werden. Die Förderung<br />
für privaten Wohnraum muss eins zu eins auf die sozial orientierten<br />
Wohnungsunternehmen übertragen werden und eins zu<br />
eins den Mietern zugute kommen.<br />
„Zum jetzigen Zeitpunkt steht noch völlig in den Sternen, wie<br />
die dringend notwendige Förderung aussehen wird. Was keinesfalls<br />
geschehen darf, ist, dass sozial orientierte Vermieter, die für<br />
einen Teil ihrer Sanierungsprojekte einen erhöhten Fördersatz<br />
in Anspruch nehmen, für ihre weiteren Projekte mit einer abgesenkten<br />
Modernisierungsumlage bestraft werden. Denn gerade<br />
die sozial orientierten Wohnungsunternehmen mit geringen<br />
Durchschnittsmieten von im Schnitt nur 6,22 Euro pro Quadratmeter<br />
stehen angesichts der massiven Investitionen jetzt schon<br />
mit dem Rücken zur Wand und können das finanziell nicht abfedern.<br />
Das dafür notwendige Eigenkapital existiert bei ihnen<br />
schlicht nicht“, sagt Gedaschko.<br />
Mit Blick auf die enormen Investitionssummen, die für die<br />
Umstellung der Energieversorgung in den kommenden Jahren<br />
notwendig sind, müssten gerade in dieser entscheidenden Phase<br />
alle an einem Strang ziehen und ihren finanziellen Beitrag zur<br />
Energiewende leisten. Es darf daher gerade jetzt keine Abstriche<br />
bei der Modernisierungsumlage geben, sondern die finanziell<br />
schwächeren Haushalte müssen gezielt und sozial gerecht<br />
entlastet werden. Notwendig ist hierfür, über eine allgemeine<br />
Grundförderung von 40 Prozent hinaus, ein zielgerichteter Förderaufschlag<br />
von weiteren 20 Prozent für die sozial orientierten<br />
Vermieter, bei denen die Mieter zu einem Quadratmeterpreis<br />
von unter 7 Euro wohnen. „Diese Förderung wird eins zu eins an<br />
die Mieter zu ihrer Entlastung weitergereicht und ist damit das<br />
wirksamste denkbare Instrument für eine soziale Umsetzung der<br />
Wärmewende“, sagt Gedaschko.<br />
SCHARFE KRITIK VON UMWELTVERBÄNDEN<br />
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert aufs Schärfste die<br />
Gesetzesänderungen. Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin:<br />
„Dieses Gebäudeenergiegesetz ist kein Meilenstein, sondern<br />
ein Tiefpunkt für die Klimapolitik dieser Bundesregierung. Am<br />
schwersten wiegt, dass die Wärmewende bei Bestandsgebäuden<br />
auf einen Zeitpunkt nach 2028 und damit auf eine nächste Regierung<br />
verschoben wird und das sogar bei einem großen Teil<br />
der Neubauten, wo es besonders einfach umsetzbar ist. Das ist<br />
klimapolitischer Irrsinn! Darüber hinaus wird das Märchen von<br />
wasserstofffähigen Gasheizungen aufrechterhalten und die klima-<br />
und umweltschädliche Verbrennung von Holz ermöglicht.<br />
Gasheizungen können sogar bis 2045 mit fossilem Gas betrieben<br />
werden, wenn Sie nur einen Sticker ‚H2-Ready‘ tragen. Müllverbrennung<br />
wird entgegen jeder Vernunft weiterhin als angeblich<br />
erneuerbare Energie geadelt. Diese Einigung trägt die Handschrift<br />
der FDP, die sich an entscheidenden Punkten durchsetzen<br />
konnte. Der Klimaschutz bleibt dabei auf der Strecke und<br />
Verbraucherinnen und Verbraucher werden weiterhin mit dem<br />
Risiko hoher Energiekosten ihrer Gasheizungen alleine gelassen.<br />
Wir fordern die Abgeordneten des Bundestages auf, dieses Gesetz<br />
mit diesen katastrophalen Folgen abzulehnen.“<br />
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin<br />
der Deutschen Umwelthilfe (DUH)<br />
Im Kompromiss zum Gebäudeenergiegesetzes (GEG), sieht<br />
Greenpeace Energieexperte Andree Böhling den Klimaschutz<br />
erneut aufgeschoben und eine Kostenfalle für Haushalte: „Mit<br />
diesem aufgeweichten Heizungsgesetz rückt das Erreichen der<br />
Regierungsziele beim Klimaschutz in weite Ferne. Wenn zunächst<br />
die kommunale Wärmeplanung abgeschlossen werden<br />
soll, dann werden bis 2028 in den meisten Kommunen weiter<br />
klimaschädliche Gasheizungen eingebaut.“<br />
Böhling ist sich sicher, dass der absurde FDP-Fetisch vermeintlicher<br />
Technologieoffenheit viele Haushalte in eine Kostenfalle<br />
treibe. „Wer sich im Irrglauben an wasserstoff-fähige Gasheizungen<br />
jetzt noch eine Verbrennerheizung zulegt, wird künftig jeden<br />
Monat bis zu doppelt so viel zahlen, wie ein vergleichbarer Haushalt<br />
mit Wärmepumpe.“<br />
Andree Böhling, Campaigner Climate and Energy Greenpeace<br />
Germany e. V.<br />
8<br />
Fotsos: wikipedia-hawekam; GdW/Urban Ruths<br />
Fotos: Obs/Deutsche Umwelthilfe e. V.; Isadora Tast/Greenpeace<br />
9