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Neue Szene Epaper 2023-09

DAS Stadtmagazin in und um Augsburg seit über 30 Jahren am Puls der Stadt ...

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22<br />

ZOOM<br />

Leo Dietz<br />

Dr. Florian<br />

Freund<br />

Leo: Auch in unserer Fraktion, und da teile<br />

ich Florians Meinung, gibt es Köpfe, die das<br />

könnten. Sie müssen es aber auch wollen, weil<br />

man sich tatsächlich in diese Aufgabe reinfuchsen<br />

muss und sehr viel Zeit dafür benötigt. Es gibt in<br />

unserer Gesellschaft nur sehr wenige, die allein<br />

durch ihr berufliches Engagement über die nötige<br />

Zeit verfügen, gerade wenn dann der nächste<br />

Wahlkampf ansteht. Das ist nicht so einfach und<br />

durch mein betriebliches Handeln habe und hatte<br />

ich die komfortable Situation, mir die Freiheit<br />

nehmen zu können, die politischen Zeiten im<br />

Rathaus zu erfüllen.<br />

Was ist eure Motivation, Augsburg relativ<br />

häufig im Zug Richtung München zu verlassen?<br />

Ihr habt wohl beide nicht das Geld als<br />

Antrieb, da ihr beruflich erfolgreich seid.<br />

Florian: Politik wegen des Geldes zu machen,<br />

ist ein Fehler, insbesondere, wenn du woanders<br />

erfolgreich bist. Du musst also, und ich muss<br />

aufpassen, wie ich das formuliere, schon irgendeine<br />

andere Störung haben (lacht). Ich versuche es<br />

einmal so zu erklären: Ich hatte noch als Ortsvorsitzender<br />

der SPD in Göggingen so ein Schlüsselerlebnis<br />

an der Supermarktkasse, als mich eine ältere<br />

Frau ansprach: „Sind Sie nicht der junge Mann<br />

von der SPD?“ Wir haben uns dann länger unterhalten<br />

und meine Frau ist irgendwann mit dem<br />

Einkaufswagen schon mal zum Auto vorgelaufen.<br />

Als ich einige Zeit später nachgekommen bin, hat<br />

sie das ziemlich gut zusammengefasst: „Das hat<br />

dir jetzt gefallen, gell?“ Und sie hat recht, ich mag<br />

den Umgang mit Leuten, die Diskussionen und<br />

auch das Messen mit den politischen Gegnern.<br />

Wenn du darüber noch den Drive hast, etwas zu<br />

gestalten, auch wenn du den Erfolg nicht immer<br />

zugesprochen bekommst, dann bist du für diesen<br />

Job wie geschaffen. Dazu kommt, dass vieles, was in<br />

Augsburg möglich ist, nur deshalb passiert, weil in<br />

München jemand Druck gemacht hat. Ich möchte<br />

diese Rolle gerne zukünftig ausfüllen.<br />

Leo: Bei mir war der Einstieg in die Politik<br />

zu Beginn ausschließlich ein Spaß, als man mir<br />

angeboten hatte, einmal auf so einer Liste zu stehen.<br />

Ich habe dann aber schnell gemerkt, als ich in<br />

dieses System hineingewachsen bin, dass ich nicht<br />

immer nur von anderen Menschen Verantwortung<br />

einfordern kann, wenn ich nicht selber bereit bin,<br />

Verantwortung zu übernehmen. Jetzt sitze ich halt<br />

auf diesem Schiff, von dem ich auch gar nicht mehr<br />

herunterkomme. Das ist aber auch gut so, denn<br />

es macht mir unglaublich viel Spaß, politischen<br />

Einfluss zu nehmen, den man eigentlich gerade<br />

von mir gar nicht erwartet und ich bin gerne in<br />

einer Position, in der mich viele gar nicht so gerne<br />

sehen. Diese Leute habe ich mittlerweile mehr<br />

oder weniger zu mir gezwungen, denn meine<br />

größten Kritiker kamen von Anfang an aus dem<br />

eigenen Lager. Heute kommen sie halt nicht mehr<br />

an mir vorbei (lacht). Von der Familie, Erziehung,<br />

Überzeugung und meinem Geist her bin ich ganz<br />

klar ein CSUler, auch wenn man mir das nicht<br />

ansieht. Diese Tatsache und meine etwas andere<br />

Herangehensweise an politische Themen haben<br />

einen gewissen Systembrecher-Charakter!<br />

Uniklinik, Staatstheater, das 100 Millionen<br />

Förderprogramm für den Industriestandort<br />

Augsburg … Wie gut ist die bayerische Unterstützung<br />

für unsere Region?<br />

Leo: Augsburg ist mittlerweile eine Metropolregion<br />

und da ist es mir vollkommen wurscht,<br />

warum Geld nach Augsburg kommt, es ist nur<br />

wichtig, dass es nach Augsburg kommt. Dieses<br />

Geld wird gut investiert und es ist meiner Meinung<br />

nach noch kein Fördergeld hierhergekommen, das<br />

nicht richtig eingesetzt worden ist.<br />

Florian: Durch die Förderung beim Uniklinikum<br />

wurde eine der größten Ungerechtigkeiten<br />

beseitigt, die es in Bayern gab. Es war ein Drama,<br />

dass wir die einzige Bezirkshauptstadt waren, die<br />

keine Universitätsklinik hatte. Bei der Wirtschaftsförderung<br />

sehe ich allerdings deutlich Luft nach<br />

oben, da muss viel mehr gehen, gerade wenn wir<br />

den Wohlstand sichern und von der Einkommenssituation<br />

besser werden wollen. Wir erleben<br />

steigende Mietpreise, obwohl wir eine der ärmsten<br />

Großstädte in Bayern sind. Wir müssen dafür<br />

sorgen, dass wir nach verschiedenen Strukturwandeln<br />

eine Industriestadt bleiben. Der Weggang<br />

der Textilindustrie führt heute noch in vielen<br />

Fällen zu niedrigen Renten. Das darf sich nicht<br />

wiederholen. Wir erleben durch den Wegfall eines<br />

Teils der verarbeitenden Industrie wie von Fujitsu<br />

oder Osram respektive Ledvance wieder einen<br />

Strukturwandel. Da haben wir einen Arbeitsplätze-Wegfall<br />

von vielen gut bezahlten Jobs im<br />

Bereich IG Metall oder IGBCE zu verkraften und<br />

müssen dies kompensieren, indem wir bei Ansiedlungsoffensiven<br />

wieder eine stärkere Rolle spielen.<br />

Davon verstehe ich tatsächlich schon durch meine<br />

berufliche Vita einiges und werde mich hier sehr<br />

gut einbringen können.<br />

Ich denke, es ist auch die Zeit, ein paar Worte<br />

über die scheidenden Abgeordneten zu<br />

verlieren. Leo, wie beurteilst du die Arbeit von<br />

Harry Güller in den vergangenen Jahren?<br />

Leo: (Stutzt) Gute Idee, dass der eine die<br />

Arbeit des Vorgängers vom anderen beurteilen<br />

soll. Aber ich muss dich enttäuschen, ich kann die<br />

Arbeit von Herrn Güller nicht beurteilen, weil<br />

wir keinerlei Schnittpunkte haben. Würdest du<br />

mich allerdings nach dem Schaffen von Johannes<br />

Hintersberger fragen, würde ich seine herausragende<br />

Arbeit für den Wahlkreis in den letzten 20<br />

Jahren hervorheben, dafür müssten wir dann aber<br />

tatsächlich ein eigenes Interview führen.<br />

Florian: Harald Güller ist einer der besten<br />

Landtagsabgeordneten, die dieser Landtag je<br />

hatte, weil er sich gerade bei Widerständen immer<br />

ganz erheblich für die Region eingesetzt hat. Ich<br />

bin sicher, dass die Kollegen von der CSU das<br />

auch getan haben, aber die entscheidende Frage<br />

ist halt, wie es dann im bayerischen Landtag ist:<br />

Gehen die Patsche-Händchen bei den entscheidenden<br />

Abstimmungen auch zum Wohle der<br />

Region Augsburg nach oben oder tun sie das<br />

etwa aus Gründen eines Fraktionszwangs nicht?<br />

Das haben wir leider bei den Abgeordneten der<br />

CSU in der Vergangenheit immer wieder erlebt<br />

und ich wünsche mir vor diesem Hintergrund in<br />

Zukunft ein großes parteienübergreifendes „Wir“<br />

unter den Landtagsabgeordneten.<br />

Leo: Für mich ist es grundsätzlich wichtig, dass<br />

jeder, der nach dem 08. Oktober Augsburg und<br />

die Region im Landtag vertreten wird, mit seinem<br />

Mandat auch ein echter Mehrwert für den Wahlkreis<br />

sein wird. Die Menschen müssen also durch<br />

uns und unsere Vertretung im Landtag einen<br />

echten Gewinn haben, leider sieht man es aber nur<br />

allzu oft, dass einige Vertreter einfach nur da sind<br />

und eben nicht für ihre Region kämpfen.<br />

Ihr habt beide verschiede Mittel, eure politischen<br />

Ziele umzusetzen. Während ich Florian<br />

eher als laut und umtriebig wahrnehme, hast<br />

du, Leo, mit dem Vorwurf zu kämpfen, dich<br />

zu selten zu Wort zu melden.<br />

Leo: Meine Stärke ist es nicht, bei öffentlichen<br />

Sitzungen als Lautsprecher aufzutreten. Ich<br />

möchte nicht reden, sondern machen und dazu<br />

ist es notwendig, im Vorfeld bereits verbindliche<br />

Mehrheiten zu schaffen. Am Tag des Ausschusses<br />

werden Dinge entschieden, die zuvor besprochen<br />

worden sind, nicht wenn die Öffentlichkeit dabei<br />

ist. Wenn es aber nötig sein wird, werde ich mich<br />

im Landtag zu Wort zu melden, da kannst du<br />

ganz beruhigt sein.<br />

Florian: Diese Einschätzung teile ich so<br />

nicht, denn gerade in unserer schwarz-grünen<br />

Stadtregierung hat der Stadtrat als Ort des<br />

Austauschs und der Diskussion massiv verloren,<br />

weil es keinen Verhandlungsraum mehr gibt. Das<br />

liegt daran, dass sich beide Regierungsparteien im<br />

Vorfeld so frontal in ihren Positionen gegenüberstehen,<br />

dass sie nur noch damit beschäftigt sind,<br />

den im Vorfeld ausgehandelten Kompromiss mit<br />

Gewalt verteidigen zu müssen, ob es Sinn macht<br />

oder nicht. Ich werde also weiterhin sichtbar um<br />

gute Lösungen ringen, weil das die Wähler:innen<br />

von uns erwarten.<br />

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