Neue Szene Epaper 2023-09
DAS Stadtmagazin in und um Augsburg seit über 30 Jahren am Puls der Stadt ...
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ZOOM<br />
29<br />
Egal ob Theater, Konzertreihe, Kunstausstellung oder Festival: neben den Künstler:innen und Kreativen, die im<br />
Scheinwerferlicht stehen, läuft im Kulturbereich doch nichts ohne die Organisations- und Vernetzungstalente,<br />
die hinter den Kulissen die Fäden in der Hand halten – so wie Elke Seidel. Seit 22 Jahren gestaltet sie mit großer<br />
Leidenschaft die Augsburger Kulturszene mit und sorgt dafür, dass Visionen Wirklichkeit werden. Wir haben sie<br />
zum Abschluss einer veranstaltungsreichen Sommersaison zum Interview getroffen. Von Lina Frijus-Plessen<br />
Foto: Fabian Schreyer<br />
Kannst du dich noch an deinen ersten Berührungspunkt<br />
mit der Augsburger Kulturbranche<br />
erinnern?<br />
Begonnen hat für mich alles in der Kresslesmühle.<br />
Meine Mutter ist früher häufig in die<br />
Mühle gegangen und war gut mit den Leuten<br />
dort vernetzt. Als ich 15 war, hat sie mich an<br />
Silvester dorthin mitgenommen. Der damalige<br />
Leiter Hansi Ruile hat mich direkt als Türsteherin<br />
eingesetzt und ich durfte für den Abend<br />
die Einlassstempel kontrollieren – das war mein<br />
erster Job in der Kresslesmühle (lacht). Später<br />
habe ich dort auch tatsächlich Praktika gemacht<br />
und in der Künstlerbetreuung des Theaterfestivals<br />
La Piazza mitgearbeitet. Witzigerweise läuft<br />
die Mühle ja inzwischen unter dem Dach des<br />
Kulturamts. So schließt sich also der Kreis.<br />
Was fasziniert dich besonders an der Arbeit<br />
im Kulturbereich?<br />
Ich hatte schon immer eine gewisse Affinität<br />
zu Künstler:innen, weil die einfach mit ganz<br />
anderen Augen und einer eigenen Sensibilität<br />
auf die Welt blicken. Mit solchen Menschen zu<br />
arbeiten, macht mir großen Spaß und bereichert<br />
auch den eigenen Blick total. Ich empfinde es<br />
als sehr erfüllend, in diesem Bereich die Rolle<br />
des Ermöglichers einzunehmen, Projekte und<br />
Veranstaltungen zu organisieren, Künstler:innen<br />
und Kulturschaffende zu vernetzen und einfach<br />
das, was sich andere so in den Kopf setzen, mit<br />
auf die Spur zu bringen.<br />
Wenn du mal auf deine langjährige Erfahrung<br />
in der städtischen Kulturarbeit<br />
zurückblickst, inwiefern hat sich Augsburgs<br />
kulturelle Landschaft verändert und was<br />
zeichnet sie heute aus?<br />
In Augsburg gab es eigentlich schon immer<br />
eine sehr starke Kulturszene und auch eine tolle<br />
Off-<strong>Szene</strong>. Viele kulturelle Veranstaltungen, wie<br />
der Jazzsommer oder die Lange Kunstnacht,<br />
sind schon vor 20, 30 Jahren entwickelt worden<br />
und haben sich nach und nach von kleinen<br />
Underground-Initiativen zu großen, etablierten<br />
Formaten gemausert. Da hat sich im Laufe der<br />
Zeit wahnsinnig viel verstetigt und etabliert.<br />
Die lokale Kulturlandschaft wurde kontinuierlich<br />
gestärkt und die Stadt nimmt heute<br />
definitiv mehr Geld in die Hand als früher,<br />
um z.B. auch die freie Kulturszene zu fördern.<br />
Für mich ist die aktuelle Augsburger Kulturszene<br />
vor allem durch eine große Lebendigkeit<br />
geprägt, die man gerade diesen Sommer wieder<br />
besonders gespürt hat.<br />
Das Kulturamt ist für eine Vielzahl verschiedener<br />
Kulturorte und -projekte zuständig. Welche<br />
Aufgaben übernimmt du dort als Leiterin?<br />
Meine Arbeit lässt sich grob in drei Bereiche<br />
aufteilen. Einen großen Anteil macht die<br />
Personalführung unserer 33 Mitarbeitenden aus.<br />
Noch mehr Zeit fließt aber in die inhaltliche<br />
Entwicklung unserer Festivals und Kulturprojekte,<br />
bei der ich auch darauf achte, wie man die<br />
Bedürfnisse und Wünsche der Politik, der Leute<br />
aus der Kulturszene und der Stadtgesellschaft<br />
möglichst gut zusammenführen kann. Und<br />
drittens kümmere ich mich gemeinsam mit dem<br />
Kulturreferat um die städtische Kulturförderung<br />
und begleite auch den Kunstförderpreis.<br />
Gibt es dabei bestimmte Bereiche oder<br />
Projekte, die dir ganz besonders am Herzen<br />
liegen?<br />
In meiner Zeit im abraxas habe ich das Medienkunstfestival<br />
lab.30 mit auf die Beine gestellt<br />
und da hängt bis heute mein Herz dran, weil<br />
dort einfach immer wieder ganz neue, spannende<br />
Ideen und Werke entstehen, die einen total überraschen.<br />
Und auch die Lange Kunstnacht macht<br />
mir immer wieder wahnsinnig Spaß. Wenn einen<br />
Abend lang alle Türen offenstehen, kann man so<br />
viele neue Einblicke bekommen und die Stadt<br />
nochmal mit ganz anderen Augen erkunden.<br />
Auch die diesjährige Kunstnacht war dank der tollen,<br />
lauschigen Atmosphäre wieder ein richtiges<br />
Highlight für mich.<br />
In welchen Aspekten läuft es aus deiner Sicht<br />
momentan nicht ganz so rund im Augsburger<br />
Kulturbetrieb?<br />
Ich würde sagen, wir sind im Vergleich zu<br />
anderen Städten personell sehr auf Kante. Wir<br />
haben ein super Team, das mit großer Leidenschaft<br />
bei der Sache ist, aber nachdem wir auch<br />
alle nicht jünger werden, könnten wir gut und<br />
gerne Verstärkung gebrauchen. Zudem belastet<br />
natürlich die Inflation auch unsere Kulturbudgets<br />
drastisch. Und ich denke, Augsburg könnte<br />
sich noch mehr bewusstwerden, was es für kulturelle<br />
Schätze und hochkarätige Künstler:innen<br />
hat und das auch einfach etwas selbstbewusster<br />
und wertschätzender nach außen tragen.<br />
Wie viel Augsburg kulturell zu bieten hat, hat<br />
man auch wieder in den letzten Wochen und<br />
Monaten an der unglaublichen Vielfalt von<br />
Veranstaltungen gesehen. Ich stelle mir das<br />
ziemlich anstrengend für Kulturschaffende<br />
wie dich vor, so viele Events in einem so kurzen<br />
Zeitraum zu koordinieren.<br />
Das stimmt, die Sommermonate sind wirklich<br />
pickepacke voll mit Veranstaltungen. Manche<br />
Leute sagen sogar, es seien mittlerweile zu viele.<br />
Und klar, gerade am Wochenende findet einiges<br />
parallel statt. Aber ich finde, es kann eigentlich<br />
gar kein Zuviel an Kulturangeboten geben, das ist<br />
schon ein ziemliches Luxusproblem (lacht). Ein<br />
großer zusätzlicher Stressfaktor war dieses Jahr<br />
allerdings das unberechenbare Wetter. Bei vielen<br />
Open-Air-Events mussten wir bangen, ob sie<br />
tatsächlich stattfinden können. Darauf werden wir<br />
uns angesichts des Klimawandels leider auch in<br />
den kommenden Jahren einstellen müssen.<br />
Wie geht es denn eigentlich nach eurer<br />
Sommerpause im Kulturamt weiter, welche<br />
Projekte stehen als nächstes an?<br />
Als erstes steht der Künstler:innenempfang im<br />
Glaspalast ins Haus – ein neu ins Leben gerufener<br />
Netzwerkabend des Kulturreferats und Kulturamts,<br />
zu dem die gesamte Augsburger Kunst- und<br />
Kulturszene eingeladen ist, um ganz ungezwungen<br />
miteinander ins Gespräch zu kommen. Danach<br />
folgt die Verleihung des Kunstförderpreises, die<br />
ich auch immer sehr bereichernd finde, weil man<br />
dort jedes Jahr ganz besondere Menschen mit den<br />
unterschiedlichsten Talenten kennenlernt.<br />
Nimm uns doch mal gedanklich mit: Wie sähe<br />
für dich der perfekte Kulturtag in Augsburg<br />
aus?<br />
Ich würde den Tag mit einem Kaffee in der<br />
Sonne beginnen, z.B. im Café 13 oder in einem<br />
tollen Upcycling-Café, wo sich vielleicht junge<br />
Leute einen Leerstand erobert haben. Anschließend<br />
würde ich mir die Zeit nehmen, mich mal<br />
ganz in Ruhe durch die städtischen Kunstsammlungen<br />
und Museen, den Kunstverein und<br />
andere Galerien treiben zu lassen und zwischendurch<br />
einen Stopp in der wunderschönen<br />
Moritzkirche einlegen. Abends würde ich mir<br />
gerne irgendein schräges Schauspielstück in der<br />
brechtbühne anschauen, danach noch eine Weile<br />
am Tresen darüber quatschen und schließlich<br />
glücklich ins Bett fallen. (lina)