Neue Szene Epaper 2023-09

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26 Zoom EIN FREUNDSCHAFTSDIENST AN DER MENSCHHEIT! Roland van Oystern ist ein schräger Vogel, ein bunter Hund. Als Autor veröffentlicht er Bücher, schreibt u.a. für das Titanic-Magazin, spielt Gitarre und hat ein eigenes Label. Mit „Kritik am Mitmensch“ haben er und sein Kollege Ferdinand Führer ein Hörbuch veröffentlicht. Von Walter Sianos Roland, du bist Musiker, Schriftsteller, Labelinhaber, du schreibst Drehbücher, machst Hörspiele, drehst Videos, bist Autor beim Titanic-Magazin… In welcher Rolle fühlst du dich am wohlsten? Schreiben ist meine Haupttätigkeit, auch wenn das manchmal eine zähe Angelegenheit ist. Das meiste davon mache ich mit meinem Freund und Kollegen Ferdinand Führer, zusammen geht’s wesentlich besser und es macht auch mehr Spaß. Ihr habt auch zusammen eine Band. Mit ihm spiele ich Punkrock bei Club Déjà-vu. Meine Rolle dort mag ich sehr, ich komme in den Proberaum, bekomme die Akkorde gezeigt und darf dann mit im Lärm stehen. Ich muss kreativ nichts beitragen, angenehm! Foto: Walter Sianos Würdest du dich als Entertainer bezeichnen? Ja, man geht auf Lesungen, labert was, trägt Texte vor, das gehört eben zum Beruf. Anders gefragt… Bist du jemand, der Leute gerne zum Lachen bringt? Das ist dann jedenfalls zumindest eine erfreuliche Rückmeldung.
Zoom 27 Interview mit dem Augsburger Autor ROLAND VAN OYSTERN Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du krass traurige Augen hast? Ja, das höre ich nicht zum ersten Mal. Ist einfach so gewachsen. The tears of a clown… Ich habe zufällig gestern Abend die Autobiografie von Bernhard Paul, dem Gründer des Circus Roncalli fertiggelesen. Ich selber war noch nie im Zirkus und mein guter Kollege Clemens Marschall, den man auch unter dem Namen Rokko kennt und der auch der Macher des tollen Magazins „Rokko’s Adventures“ ist, ist zufällig der Ghostwriter dieser Autobiografie. Bernhard Paul ist aber auch berühmt in seiner Rolle als Clown Zippo. Kennst du den Gerdi von der Ballonfabrik? Der mit der Propellermütze? Ja genau, der wird auch gerade Clown. Mit dem habe ich mich für November verabredet, da gehen wir dann zusammen in den Circus Roncalli nach München. Das wird mein erstes Mal. Ich stehe nicht so auf Zirkus mit eingekesselten Tieren. Der Circus Roncalli ist tierfrei, dafür mit Elefanten-Hologrammen. Modernste Technik. Täuschend echt. Eventuell. Ich bin gespannt. Bist du Augsburger oder hat es dich hierher verschlagen? Ich bin 2003 hergezogen und habe mit meinem Kumpel Oli Kraus von Sputnik Booster in einer WG am Plärrer gewohnt. Ich bin in einem oberbayerischen namenlosen Kirchdorf aufgewachsen, wo die Leute die ganze Zeit damit beschäftigt sind, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen. Ich schreibe derzeit auch an einem Kindheitsroman, der in den Jahren 1991-95 in einem bayerischen Dorf spielt. Und dann, die übliche Karriere? Von der Schule geflogen, als Tellerwäscher und Taxifahrer gearbeitet und nebenbei die ersten Texte und Musik veröffentlicht? Ich habe noch auf Drängen meiner Eltern eine Ausbildung als Erzieher angefangen, die dann aber abgebrochen, mit 18 bekam ich den Kinderpfleger-Abschluss quasi geschenkt. Danach habe ich alles Mögliche gemacht, Nachtportier, Schwerstbehindertenassistent, Bürotrottel. Jetzt habe ich es richtig gut, mein alter Freund Gerald Fiebig hat mir einen Job im Abraxas gegeben, das ist wirklich der erste in meinem Leben, über den ich nie schimpfen muss. Ich kenne Leute, die sehr kreativ sind und unglaubliche Skills draufhaben, aber im normalen Leben etwas verloren umhertappsen. Bist du auch so jemand oder bist du mehr der strukturierte Typ? Inzwischen eher das Zweite. Ich habe es jetzt wirklich sehr gut, mein aktueller Job deckt meine laufenden Kosten und die restliche Kohle kommt vom Schreiben und von den Lesungen. Welche Rolle spielt dein Kollege Ferdinand Führer? Was hat er, was du nicht hast? Er ist zum Beispiel ein guter Sprücheklopfer, da wo ich lange überlegen muss, hat er immer einen Satz parat. Das ist gut, es nimmt den Druck raus, da kann ich mich gemütlich nach hinten lehnen. 2016 habt ihr zusammen ein Buch veröffentlicht. „Ein Tag Hagel und immer was zu essen da“. Dafür habt ihr euch 80 Tage in einem Haus in der rumänischen Pampa eingenistet. Da ist der erste Teil einer lebensumspannenden Trilogie. Für den Winter 2033/34 haben wir uns wieder verabredet, hoffentlich wieder in der gleichen Hütte. Mitte der 2050er dann nochmal, und danach kann dann heimgefahren und gestorben werden. Vielleicht nochmal ne letzte Lesetour. Ich weiß gar nicht mehr, wie und wann die Idee zum ersten „Hagel“-Buch entstanden ist. Dadurch, dass wir während unserer Lesetouren viel im Auto sitzen und irgendwas vor uns hinreden, entsteht so was. Ihr habt jeweils Tagebuch über den anderen geführt. Eigentlich ist es ein klassisches Lesebuch, die Tagebücher bilden den Rahmen, dazwischen stehen Kurzgeschichten, Gedichte und Texte ohne näheren Gattungsbegriff. Wir hatten uns immer so streng wie möglich im Blick und haben uns pausenlos observiert. Da gibt es natürlich auch Situationen, die peinlich waren. Klar. Und die fielen nicht durch das Lektorat des anderen? Nee, das wäre ja Quatsch, das war nicht erlaubt. 2021 ist euer Buch „Kritik am Mitmensch“ erschienen, das es jetzt auch als Hörbuch gibt. Ihr seid doch etwa keine Misanthropen? Hinten auf dem Buch klebt ein kleiner Sticker: „Für Misanthropen und die es werden wollen“. Das hat der Verlag gemacht, das war nicht abgesprochen, das Buch ist ein Freundschaftsdienst an der Menschheit, das hat der Anomale Circus in seiner Rezension richtig erkannt! Für die einen sind es Worte des Trostes, für die anderen vielleicht eine Art Ratgeber in Richtung Verhaltensoptimierung. Bei so richtigen Mitmenschen dringt man eh nicht durch. Uns ist wichtig, dass sich der Begriff „Mitmensch“ als Schimpfwort etabliert. Wenn man das Wort googelt oder im Duden sucht, soll da eines Tages „auch als Schimpfwort gebräuchlich“ stehen. An wie vielen Tagen im Jahr bist du unterwegs? Ich bin jemand, der Freude am Mitzählen hat. Ich bin mit Ferdinand seit 2013 unterwegs und wir hatten jetzt genau unsere 100. Lesung. Und was heckt ihr literarisch gerade so aus? Seit geraumer Zeit schwebt eine Fee über unseren Köpfen. Die ist für die Deutschen zuständig, allerdings ist sie nicht gut auf die Deutschen zu sprechen, obwohl sie selbst ein bisschen deutsch ist. In Titanic sind gerade die ersten drei Textepisoden erschienen. „Die deutsche Fee“ wird unser König Ubu, unser Soldat Schwejk, unser Pumuckl und soll auf sämtlichen Formaten erscheinen, also Hörspiel, Theater, alles. Das nächste Projekt wird ein Comicbuch, das hoffentlich im kommenden Jahr im Herbst erscheint. Gezeichnet wird es von Stefanie Schrank von der Band Locas in Love. Und dann wollen wir vor Weihnachten 2024 zu dritt auf Tour gehen. (ws)
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