24 ZOOM Im Gespräch mit den Augsburger Grünen- Kandidaten Stephanie Schuhknecht und Cemal Bozoğlu Grünes Licht für eine zweite Amtszeit? Stephanie Schuhknecht und Cemal Bozoğlu sind bereits 2018 für die Grünen in den Bayerischen Landtag eingezogen und möchten es auch bei der anstehenden Wahl nochmal wissen. Während sich Bozoğlu für Strategien gegen Rechtsextremismus einsetzt und die Themenbereiche Asyl und Migration betreut, engagiert sich Schuhknecht für nachhaltige Wirtschaftspolitik und kümmert sich um die Förderung von Start-Ups und Gründer:innen. Wir haben mit den beiden über ihren Arbeitsalltag im Landtag, die politische Konkurrenz und eine mögliche Regierungsbeteiligung gesprochen. Von Lina Frijus-Plessen
ZOOM 25 E s sind nur noch wenige Wochen bis zur Landtagswahl. Wie ergeht es euch beiden bisher im Wahlkampf? Schuhknecht: Die ganz heiße Wahlkampfphase steht uns noch bevor, die startet ungefähr mit dem Schulbeginn. Momentan sind wir in der Phase, in der alle Vorbereitungen abgeschlossen sind und jetzt müssen wir das Ding nur noch auf die Straße bringen. Das wird zwar eine anstrengende Zeit, die mir persönlich aber immer großen Spaß macht. Dabei versuchen wir bewusst, in verschiedenen Augsburger Stadtteilen sichtbar zu sein, weil wir nicht nur dort präsent sein wollen, wo uns schon viele Augsburger:innen wählen. Denn wir müssen auch diejenigen Menschen ansprechen und überzeugen, die bisher noch nicht Grün gewählt haben. Bozoğlu: Wir beide haben den Landtagswahlkampf 2018 ja schon einmal erfolgreich durchgemacht. Damals haben wir gemeinsam das Ergebnis der Grünen in Augsburg verdoppelt. Stephanie Schuhknecht und Cemal Bozoğlu Diesen Erfolg zu halten, ist unser großes Ziel, auch wenn wir wissen, dass es dieses Mal nicht so leicht sein wird. Uns ist bewusst, dass sich der Rückenwind, den wir damals hatten, inzwischen etwas gedreht hat und jetzt eher von vorne weht. Trotzdem gehen wir mit Selbstbewusstsein und Ruhe in die letzte Wahlkampfphase. Die Stimmung in der Partei ist gut und wir konzentrieren uns jetzt einfach auf unsere Arbeit. Wie habt ihr denn die letzten fünf Jahre im Bayerischen Landtag erlebt? Schuhknecht: In dieser Legislaturperiode waren wir als Grüne zum ersten Mal die zweitgrößte Fraktion und damit Oppositionsführerin im Landtag. Das bedeutet, dass wir immer als zweite Partei das Wort ergreifen und damit direkt auf die CSU antworten dürfen. Ich denke, wir haben diese Rolle gut ausgefüllt und immer versucht, kritisch, aber konstruktiv zu bleiben. Was ich oft frustrierend fand, ist dass unsere Anträge oder Gesetzesvorlagen inhaltsunabhängig immer pauschal von der Regierungsfraktion abgelehnt wurden, einfach nur weil sie von uns kamen. Bozoğlu: Rückblickend kann ich sagen, dass unsere Fraktion, obwohl sie zu über zwei Dritteln aus neuen Abgeordneten bestand, sehr gut aufgestellt war und ich wirklich gerne darin gearbeitet habe. Der Wechsel vom Augsburger Stadtrat in den Landtag war allerdings erst mal eine Umstellung für mich, weil es doch große Unterschiede in der Arbeitsweise gibt. Im Stadtrat geht es meist um konkrete Fragen und viele Entscheidungen werden einstimmig getroffen, ohne diese klaren Fronten zwischen Regierung und Opposition wie im Landtag. Könnt ihr unseren Leser:innen mal einen kleinen Einblick geben, wie der Arbeitsalltag als Landtagspolitiker:in aussieht? Bozoğlu: Letztes Jahr saß ich in drei Ausschüssen und war deshalb von Montagmorgen bis Donnerstagabend in München und habe dort auch übernachtet. Das sind immer sehr vollgepackte, eng getaktete Arbeitstage. Die erste Sitzung beginnt meistens um <strong>09</strong>.00 Uhr und die letzte geht manchmal auch bis Mitternacht. Schuhknecht: Der Monat ist immer zweigeteilt in drei Plenarwochen wie Cemal sie beschrieben hat und eine sogenannte Infowoche, während der man im eigenen Stimmkreis ist und dort Termine wahrnimmt, z.B. Unternehmensbesuche oder Bürgersprechstunden. Zwischendurch fällt natürlich auch viel Bürokram und Vorbereitungsarbeit an. Das mache ich persönlich oft abends, wenn mein Sohn schon schläft. Wegen ihm habe ich mich auch bewusst dagegen entschieden, während der Plenarwochen jeweils drei Tage in München zu bleiben und stattdessen zu pendeln. Während ihr schon fünf Jahre Landtagserfahrung sammeln konntet, treten bei anderen Parteien heuer einige „Neulinge“ an, z.B. Leo Dietz für die CSU oder Anna Rasehorn und Florian Freund von der SPD. Schuhknecht: Naja, als richtige Newcomer würde ich sie nicht bezeichnen, alle drei sind schließlich erfahrene Kommunalpolitiker:innen. Wir kennen uns persönlich aus der Zeit, in der wir gemeinsam im Stadtrat saßen und ich bin mir sicher, dass die drei ihren Job gut machen werden, falls sie es in den Landtag schaffen. Ich denke allerdings schon, dass es für Cemal und mich ein Vorteil ist, dass wir einfach schon wissen, was auf uns zukommt und bereits Routine in der Landtagsarbeit haben. Wie man hört, wollen sowohl Dietz als auch Freund ihre Sitze im Stadtrat weiterhin behalten, falls sie in den Landtag gewählt werden. Wie beurteilt ihr diese Entscheidung? Bozoğlu: Das sehe ich problematisch. Aus meiner Sicht ist das nicht miteinander vereinbar, weil man dann immer irgendwo Abstriche machen muss. Landtagsabgeordneter zu sein ist nun mal ein Vollzeitjob, bei dem man meiner Meinung nach nicht noch nebenher den politischen Aufgaben im Stadtrat gerecht werden kann. Stephanie und ich haben damals nach der Wahl in den Landtag unsere Stadtratsmandate abgegeben und das war für uns auch die richtige Entscheidung. Schuhknecht: Natürlich muss jede Person und Fraktion für sich selbst entscheiden, ob sie das will. Aber auch ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf lange Sicht gut funktioniert, allein schon deshalb, weil sich die Sitzungszeiten in München und Augsburg ständig überschneiden. Inwiefern möchtet oder könnt ihr auch speziell Augsburger Interessen im Landtag vertreten? Schuhknecht: Wie vorhin schon erwähnt haben wir leider bisher keine Möglichkeit, Mehrheiten für Einzelprojekte im Haushalt zu schaffen. Was aber funktionieren kann, ist auch den Regierungsfraktionen Augsburger Themen, die uns am Herzen liegen, schmackhaft zu machen. Als z.B. das Habitat im Glaspalast Geld für einen Umbau brauchte, habe ich einen Abgeordneten der Regierungsfraktionen überzeugen können, dem Habitat selbst mal einen Besuch abzustatten. Er fand das Projekt toll und so floss dann auch tatsächlich Geld dorthin. Bozoğlu: Als Oppositionsführer achten wir natürlich darauf, dass Versprechen in Bezug auf Augsburg, die im Wahlkampf angekündigt wurden, auch in die Tat umgesetzt werden. Und wir üben Druck aus, wenn Augsburger Interessen nicht berücksichtigt oder in unserem Sinn falsch angegangen werden. So manche Stimmen sagen, die Grünen hätten auf bayerischer Landesebene keine Chance mitzuregieren und sich längst mit ihrer Rolle als ewige Opposition arrangiert. Wie steht ihr zu dieser Aussage? Schuhknecht: Selbstverständlich wollen wir nicht für immer in der Oppositionsrolle bleiben, sondern haben das klare Ziel vor Augen, mitzuregieren. Deshalb bereiten wir uns auch aktiv auf Koalitionsverhandlungen vor. Und unrealistisch ist das nicht, bei der letzten Landtagswahl wäre es ja rechnerisch möglich gewesen, eine schwarzgrüne Koalition zu bilden. Das ist letztlich nur daran gescheitert, dass sich die CSU nicht getraut hat, das mit uns zu machen. Dabei würde so eine Veränderung Bayern wirklich guttun und man sieht ja auch in anderen Bundesländern, dass schwarz-grün durchaus erfolgreich funktioniert. Bozoğlu: Am Ende des Tages werden die Bürger:innen entscheiden, wer in Bayern regieren soll. Wir werden auf jeden Fall mit voller Kraft daran arbeiten, ein bestmögliches grünes Ergebnis zu erreichen – und dann schauen wir weiter. (lina)