Ausgabe 10/2023
Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 4. Oktober 2023
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4 · Porträt <strong>10</strong>/<strong>2023</strong><br />
FÜR MARCO WANNER STEHT<br />
DER MENSCH IM ZENTRUM<br />
Vor drei Jahren stieg er als Arbeitsagoge in der «dreischiibe» im Standort St. Gallen ein.<br />
Marco Wanner im Gespräch über seinen beruflichen Wechsel vom KV in einen sozialen<br />
Beruf, über die Bedeutung von Erfolg und eine optimale Work-Life-Balance.<br />
Zivildienst zog ich eine Ausbildung zum Lehrer<br />
in Betracht», erklärt er. Schlussendlich<br />
entschied er sich dennoch auf seinem Lehrberuf<br />
zu bleiben. Kurz darauf fiel ihm ein Stellenausschrieb<br />
als Arbeitsagoge bei der «dreischiibe»<br />
ins Auge. «Da ich die <br />
kannte, bewarb ich mich und bekam die Stelle».<br />
Seither betreute Wanner gemeinsam mit<br />
seinem Vorgesetzten über <strong>10</strong>0 Mitarbeitende,<br />
die in einer Integrationsmassnahme der<br />
IV sind – Personen, die aufgrund psychischer<br />
Erkrankungen aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
ausgeschieden sind und anhand eines<br />
Integrationsprogrammes der «dreischiibe»<br />
den Sprung zurück ins Berufsleben anstreben.<br />
«Die «dreischiibe» hat sich auf die Betreuung<br />
von Menschen mit einer psychischen<br />
Erkrankung spezialisiert», erklärt Wanner.<br />
immer in einem Zusammenhang, doch ich bin<br />
kein Therapeut». Und dennoch sehe Wanner<br />
private Instabilitäten und Schwierigkeiten als<br />
Mitgrund für die beschwerliche Situation von<br />
vielen Mitarbeitenden. Einige fänden in der<br />
Arbeit bei der «dreischiibe» Erholung, da der<br />
real erlebte Stress im privaten Leben ausgesiedelt<br />
werden könne. «Eine grosse Mehrheit<br />
befindet sich gleichzeitig in therapeutischer<br />
Behandlung», bestätigt der Arbeitsagoge.<br />
Viele seien sich bewusst, dass die Integrationsmassnahme<br />
bei der «dreischiibe» eine<br />
grosse Chance für eine Reintegration in den<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt darstellen kann.<br />
«Meine Aufgabe ist es, diese Leute beim<br />
Stabilisierungs- und Aufbauprozess des Arbeitspensums<br />
und der Leistungsfähigkeit zu<br />
unterstützen», so Wanner. Im Idealfall könne<br />
nach einigen Monaten bei der «dreischiibe»<br />
wieder ein Einstieg im allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
erfolgen. Die Realität sehe jedoch oft<br />
anders aus. «Einem Mitarbeiter mitteilen zu<br />
müssen, dass ein Entscheid der IV negativ<br />
ausgefallen ist und daher die «dreischiibe»<br />
ihre Unterstützung für die Person stoppen<br />
muss, ist das Erdrückendste in meinem Alltag»,<br />
erklärt Wanner.<br />
Ausgleich findet Wanner im Fussball.<br />
Marco Wanner kann gut mit Menschen. Diese<br />
Eigenschaft kommt sowohl in seiner Tätigkeit<br />
als Arbeitsagoge, aber auch in seiner Freizeit<br />
zum Tragen. Schon als Kind und später in seiner<br />
Jugend war der Herisauer selten für sich<br />
allein. Viel lieber verbrachte er seine Freizeit<br />
im Fussballclub oder mit seinen Freunden<br />
in anderweitigem Rahmen. «Ich bin und war<br />
immer ein extrovertierter Mensch», so Wanner.<br />
Bevor er seine kaufmännische Lehre bei<br />
der Migros Ostschweiz absolvierte, durchlief<br />
er die Primarschule Ifang und die Sekundar-<br />
(Bild: Podo Gessner)<br />
schule Herisau. Seine soziale Seite entfaltete<br />
sich jedoch erst nach seiner Schulkarriere. Als<br />
Zivildienstleistender assistierte Wanner nach<br />
seiner Berufsausbildung die Lehrerschaft verschiedenster<br />
Schulhäuser in Herisau. Im Zivildienst<br />
habe er zum ersten Mal eine Arbeit<br />
ausgeübt, bei welcher der Mensch im Fokus<br />
steht und nicht ein Produkt. Die Tätigkeit seines<br />
Vaters als Personalchef habe womöglich<br />
auf Marco Wanner abgefärbt. «Nach meinem<br />
Berufsalltag und Herausforderungen<br />
Marco Wanner ist die direkte Bezugsperson<br />
von durchschnittlich zehn Personen, die sich<br />
in einer Integrationsmassnahme befinden.<br />
Er gibt den Mitarbeitenden eine Struktur<br />
und hilft ihnen bei allfälligen Problemstellungen<br />
im Arbeitsalltag. Die Menschen, die<br />
von dieser Hilfe profitieren, erledigen für<br />
«Ich bin und<br />
war immer ein<br />
extrovertierter<br />
Mensch.»<br />
die «dreischiibe» vor allem administrative<br />
Arbeiten, wie die Buchhaltung oder das Bezahlen<br />
von Rechnungen. Mit ihnen ist er in<br />
stetigem Kontakt und führt einmal wöchentlich<br />
ein Gespräch. «Mein Kompetenzbereich<br />
beschränkt sich nicht nur auf Gespräche. Ich<br />
unterstütze sie im Büroalltag beim Tagesgeschäft.<br />
Wir versuchen bei unserer täglichen<br />
Arbeit so nahe wie möglich am Arbeitsmarkt<br />
zu agieren. Das unterscheidet mich von einem<br />
Sozialarbeiter», erläutert Wanner. Nicht<br />
selten stellen bereits die Besprechungen eine<br />
Herausforderung dar. Sobald private Themen<br />
zur Sprache kommen, müsse Wanner eine<br />
Grenze ziehen: «Arbeit und Privates stehen<br />
Fortschritte motivieren<br />
Meist nehmen die Prozesse seiner Mitarbeiter<br />
bei der «dreischiibe» viel Zeit in Anspruch<br />
und laufen über mehrere Monate. «Für die<br />
Betroffenen ist es bereits ein Erfolg, wenn ihr<br />
Arbeitspensum um eine Stunde pro Tag erhöht<br />
werden konnte oder die Konzentrationsfähigkeit<br />
über Wochen hinweg besser wird»,<br />
sagt Wanner. Es sind auch die kleinen, aber<br />
stetigen Fortschritte, die Wanner eine Art<br />
Motivation verabreichen. Ob er als Arbeitsagoge,<br />
die therapeutische Unterstützung<br />
oder andere Gründe für eine Verbesserung<br />
ausschlaggebend waren, sei schlussendlich<br />
nicht relevant. «Das Zusammenspiel aus beruflicher<br />
und therapeutischer Unterstützung<br />
ist entscheidend», so Wanner. Wertschätzung<br />
werde ihm und seinen Gleichgestellten gegenüber<br />
oft in Form von direkter Dankbarkeit<br />
entgegnet. Ein ehemaliger Arbeiter der «dreischiibe»,<br />
dessen Fall dem Wunschszenario<br />
eines jeden entspricht und ein festes Standbein<br />
in der allgemeinen Arbeitswelt wiedererlangen<br />
konnte, schickt dem Arbeitsagogen<br />
jährlich eine Weihnachtskarte. Dieses Echo<br />
verleiht dem Herisauer die Bestätigung, auf<br />
dem richtigen Weg zu sein.<br />
Fussball zum Ausgleich<br />
Doch für Marco Wanner ist die Arbeit nicht<br />
alles. Noch heute nimmt der Fussball einen<br />
beachtlichen Teil seiner Freizeit in Anspruch.<br />
Seit seinem sechsten Lebensjahr kickt Wanner<br />
nebst dem Pausenplatz oder dem Garten