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Ausgabe 11/2023

Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 1. November 2023

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30 · Vor 50 Jahren <strong>11</strong>/<strong>2023</strong><br />

ALPEBLUEME GRÜSST AUS JAPAN<br />

UND JUGI BEWEGT DIE GEMÜTER<br />

Worüber berichteten die Lokalzeitungen im November 1973? Was bewegte die Gemüter in Herisau?<br />

Eine Auswahl der News von damals mit den Schwerpunkten Jugendzentrum Lindenhof<br />

und der Reise des Jodlerclubs Alpeblueme ins Land der aufgehenden Sonne.<br />

Meine Erinnerung an den November 1973<br />

betrifft nicht Herisau alleine. Es sind die<br />

autofreien Sonntage. Als Folge des Jom-<br />

Kippur-Kriegs (6. bis 24. Oktober 1973) und<br />

der folgenden Ölkrise gilt in der Schweiz ab<br />

dem 25. November an drei Sonntagen absolutes<br />

Fahrverbot. Gemäss Medienberichten<br />

macht die Bevölkerung daraus ein Volksfest:<br />

Freies Fahrrad- und Rollschuhfahren auf den<br />

Strassen, Picknick und Pferdefuhrwerke auf<br />

der Autobahn. Eine Einmaligkeit bis heute.<br />

Die Forderung nach jährlich zwölf autofreien<br />

Sonntagen wird nämlich vom Volk 1978<br />

deutlich abgelehnt, ebenso jene für jährlich<br />

vier autofreien Tage im Jahr 2003.<br />

Keine Weihnachtsbeleuchtung<br />

Zurück zum November 1973: In St. Gallen<br />

wird die erste Autogastankstelle der<br />

Schweiz und die Eröffnung des Neumarkts 3<br />

gefeiert, im Kubel beginnen die Bauarbeiten<br />

für das neue Kavernenkraftwerk, in Waldstatt<br />

wird die katholische Kirche eingeweiht<br />

und der Dalai Lama besucht das Pestalozzi<br />

Dorf in Trogen. Auch in Herisau geschieht<br />

einiges. Noch immer wird in der Tageszeitung<br />

fast täglich vom neuen Sportzentrum<br />

berichtet – vom Rheumaschwimmen, von<br />

den ersten Wettkämpfen auf dem Eis und im<br />

Wasser oder auch von der «zweitgrössten<br />

und modernsten» Sauna der Schweiz. Bei<br />

der kommunalen Abstimmung wird unter<br />

anderem der Vorlage zur Eingemeindung<br />

der privaten Kindergärten wie auch dem<br />

13. Monatslohn für Gemeindeangestellte<br />

zugestimmt. An der Bachstrasse feiert das<br />

Café Wyss sein 25-Jahr-Jubiläum und im Altersheim<br />

Ebnet werden die Ausbau- und Renovationsarbeiten<br />

abgeschlossen, die «verbesserte<br />

Arbeitsbedingungen und für die<br />

gegenwärtig 109 Pensionäre wohnliche und<br />

den heutigen Verhältnissen entsprechende<br />

gediegene und saubere Räumlichkeiten»<br />

schaffen. Und die Umgebungsarbeiten «verleihen<br />

dem Heim eine freundliche Note».<br />

Insgesamt erwecke das neue Heim nun<br />

«jenen Eindruck, der einem modernen und<br />

freundlichen Herisau wohl ansteht».<br />

Eine kleine Randnotiz in der Appenzeller<br />

Zeitung schliesslich lässt an den Gemeinderatsentscheid<br />

vom 2022 denken. Der Verein<br />

für Weihnachtsbeleuchtung teilt mit, dass<br />

die Strassen und Plätze im Zentrum von Herisau<br />

nicht das gewohnte Festbeleuchtungsbild<br />

tragen werden. Der Vereine wolle damit<br />

«dem Willen zur aktiven Mithilfe im gegenwärtigen<br />

sehr aktuellen Energiesparen Ausdruck<br />

geben».<br />

Ein fast autonomes Jugendzentrum<br />

Soviel zu den Kurzmeldungen. Nun zur Berichterstattung<br />

zu zwei subjektiv ausgewählt<br />

Themen. Das Jugi zuerst. In einem<br />

Leserbrief beschweren sich gemäss Unterschrift<br />

«einige Jugendliche», dass das Lindenhofzentrum<br />

schon seit längerem geschlossen<br />

sei. Und sie fragen sich: «Wird das<br />

Lindenhofzentrum überhaupt in absehbarer<br />

Zeit wieder eröffnet? War der Hinweis ‹wegen<br />

Umbau geschlossen› eventuell nur ein<br />

Vorwand? Hängt die Schliessung vielleicht<br />

mit dem Austreten von sieben Mitgliedern<br />

(von 15) aus der Leitung zusammen?»<br />

Um diese Geschichte weiterzuverfolgen,<br />

muss wohl der jüngeren Leserschaft kurz<br />

über das Lindenhofzentrum von damals berichtet<br />

werden. Herisau könnte in dieser<br />

Beziehung eine Vorreiterrolle zugeschrieben<br />

werden. Während in den 1980er-Jahren<br />

der Ruf nach einem autonomen Jugendzentrum<br />

(AJZ) etwa in Zürich zum sogenannten<br />

«Operhauskrawall» führt und auch in Städten<br />

wie Bern, Basel oder Lausanne zahlreiche<br />

Jugendliche für einen freien kulturellen<br />

Raum demonstrieren, verfügte Herisau bereits<br />

ab 1971 über ein (fast) autonomes Jugendzentrum,<br />

«das stark vom Gedankengut<br />

der 68er-Bewegung und der Hippiekultur<br />

geprägt war». Das Jugi war zuerst für ein<br />

Jahr in der Villa Krauthammer beheimatet,<br />

dann im Haus zum Lindenhof, an der Gossauerstrasse<br />

59. Der Gemeindechronik in<br />

den Appenzellischen Jahrbüchern von 1972<br />

ist zu entnehmen: «Im Lindenhof wurde ein<br />

Jugendzentrum eingerichtet, in welchem<br />

versucht wird, den Jugendlichen auf mancherlei<br />

Weise zu einer sinnvollen Gestaltung<br />

ihrer Freizeit zu verhelfen. [...] Gemäss Programm<br />

soll auch ernsthaft versucht werden,<br />

Brücken zu schlagen zwischen der jungen<br />

und der älteren Generation. Der Vorstand,<br />

meist Leute gesetzten Alters, trägt die Verantwortung<br />

für das Zentrum, während die<br />

jugendliche Hauskommission für die Gestaltung<br />

des Programms zuständig ist.»<br />

Unvereinbare Standpunkte<br />

Kaum eröffnet ist das Jugi 1973 wegen Umbauarbeiten<br />

bereits wieder geschlossen<br />

– und hinter den Kulissen brodelt es. Fast<br />

die Hälfte der Leitung hat den Rücktritt<br />

eingereicht. In einem Zeitungsbericht zur<br />

Wiedereröffnung im November 1973 werden<br />

diese wie folgt begründet: Zwei infolge<br />

Wegzugs von Herisau, einer wegen Zeitmangels<br />

während der Lehrzeit und vier infolge<br />

grundsätzlich verschiedener Ansichten<br />

über die Aufgaben und Möglichkeiten<br />

Foto des Aufenthaltsraums im Jugendzentrum, veröffentlicht in der Appenzeller Zeitung im November 1973.

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