Ausgabe 11/2023
Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 1. November 2023
Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 1. November 2023
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<strong>11</strong>/<strong>2023</strong> Vor 50 Jahren · 31<br />
Der Jodlerclub Alpeblueme war im November 1973 zu Gast in Japan.<br />
(Bild. Archiv Alpeblueme)<br />
des Lindenhofzentrums. «Uneinigkeiten<br />
bestanden bei den Öffnungszeiten und in<br />
diesem Zusammenhang auch bei der Frage<br />
des Elternhaus-Ersatzes. Mit einer Jugendberatungsstelle<br />
und Einzelbetreuung konnten<br />
sich nur wenige befreunden. Die durch<br />
die Teestube geförderte und von Aussenstehenden<br />
propagierte Umwandlung in eine<br />
Auffangstation lehnte die Mehrheit von Patronats-<br />
und Aufsichtskommission ab.»<br />
Zwei der aus der Leitung Ausgetretenen<br />
reagieren mit einem Leserbrief auf den Eröffnungsbericht,<br />
in der Hoffnung «dadurch<br />
etwas Stoff zum Nachdenken und Diskutieren<br />
über das komplexe Thema Jugendhaus<br />
zu liefern». Sie geben ihrer Meinung<br />
Ausdruck, dass ein Jugendhaus «primär für<br />
jene da sein sollte, welche es benötigen».<br />
Und das seien nicht jene, die ihre Freizeit<br />
selber gestalten können. Daher solle der<br />
Schwerpunkt so gesetzt werden, «dass der<br />
passive Besucher möglichst oft und vielseitig<br />
auf eine sinnvolle Freizeitgestaltung aufmerksam<br />
gemacht wird». Dafür sollen die<br />
Öffnungszeiten erweitert und die Jugendlichen<br />
animiert werden, im Leiterteam mitzuarbeiten.<br />
Ein weiterer Punkt ist die Idee<br />
einer Lindenhof-unabhängigen Beratungsstelle<br />
für Jugendliche mit Problemen. Doch<br />
«die Standpunkte waren unvereinbar und<br />
die Auseinandersetzungen begannen schon<br />
teilweise die Existenz des Jugendhauses zu<br />
gefährden», weshalb die beiden im Interesse<br />
des Fortbestands des Jugendhauses aus<br />
der Leitung austraten. Im Zeitungsbericht<br />
zur Wiedereröffnung zeigen sich die verbleibenden<br />
Leitungsmitglieder zuversichtlich<br />
und «sehen sich in der Lage, den Betrieb zu<br />
garantieren». Ein Betrieb mit Angeboten wie<br />
Film-, Disco- und Gruppenabende im Lindenhof,<br />
Turnen im Sportzentrum, Theaterbesuchen,<br />
Hilfsaktionen für soziale Institutionen<br />
und den legendären Flohmärkten auf<br />
dem Obstmarkt zur Jugi-Finanzierung. Doch<br />
bereits im Dezember ist das Lindenhof-Zentrum<br />
erneut vorübergehend geschlossen.<br />
Der Grund: Es habe sich gezeigt, dass eine<br />
jugendliche Leitung die anfallenden Probleme<br />
nicht bewältigen könne. Wir wollen diese<br />
Querelen an dieser Stelle nicht weiterverfolgen.<br />
Tatsache ist, das Jugi besteht heute<br />
noch – allerdings nicht mehr als AJZ, aber<br />
noch immer im Lindenhof. Das 1898 errichtete<br />
Haus übrigens beherbergte ursprünglich<br />
ein alkoholfreies Restaurant und im Keller<br />
eine öffentliche Badeanstalt und diente ab<br />
1925 als Mädchenheim. 1988 geht das Gebäude<br />
in Gemeindebesitz über. Das Jugi wird<br />
zunächst vom Verein für Freizeitgestaltung<br />
geführt, welcher 2008 aufgrund personeller<br />
Probleme die Schliessung bekannt geben<br />
muss. Der Gemeindechronik von 2008 ist zu<br />
entnehmen, dass der Gemeinderat um eine<br />
Nachfolgeregelung bemüht sei und der Einwohnerrat<br />
beschlossen habe, das «Jugi unter<br />
eigener Regie wieder zu eröffnen». Das geschieht<br />
bereits im Herbst des selben Jahres.<br />
(Infos zum aktuellen Programm des Jugendzentrums<br />
Herisau: instagram.com/jugendzentrum.herisau)<br />
Alpeblueme jodelt für kaiserliches Ehepaar<br />
Zurück zum November 1973, zu dem Monat,<br />
in dem der Herisauer Jodlerclub Alpeblueme<br />
nach Japan reist. Wie es dazu kam? Ein kurzer<br />
Rückblick, veröffentlicht in der Appenzeller<br />
Zeitung, gibt Aufschluss. Gegründet<br />
1937, nahm 1945 der Komponist und Musiker<br />
Fred Kaufmann den Club «unter seine Fittiche<br />
und der noch junge Chor blühte förmlich<br />
auf». «Der Name Alpeblueme wurde zu<br />
einem Qualitätsbegriff ersten Ranges. Fernsehauftritte<br />
im In- und Ausland, ehrenvolle<br />
Verpflichtungen in Israel, Jugoslawien, Spanien,<br />
Italien, Frankreich, Holland, Deutschland<br />
oder Tunesien und oftmals fiel dem<br />
Club die Ehre zu, die Schweiz an offiziellen<br />
Anlässen zu vertreten.» 1971 dann wird der<br />
Jodelclub «für würdig befunden», dem japanischen<br />
Kaiser während seines Besuchs in<br />
der Schweiz einen Jodelvortrag zu präsentieren.<br />
Zeitungen aus aller Welt berichten<br />
darüber und bald darauf «folgten die ersten<br />
Angebote aus dem Land der aufgehenden<br />
Sonne, die jedoch alle an den gewaltigen<br />
Kosten scheiterten». Im Frühjahr 1973 dann<br />
meldet sich die Japan Air Lines, welche mit<br />
dem Engagement des Jodlerclubs den Tourismus<br />
von Japan in die Schweiz ankurbeln<br />
will. Vorgesehen sind unter anderem Auftritte<br />
in Tokio, Osaka, Hiroshima, Fukuoka,<br />
Sendai, Nagasaki, Sapporo, Okinawa ebenso<br />
wie Fernseh- und Radiosendungen, offizielle<br />
Empfänge bei Industrie und Behörden und<br />
ein Besuch beim japanischen Kaiser. Der<br />
Jodlerclub Alpeblueme sagt zu, gemeinsam<br />
mit ihm auch das Alphorntrio Bülach.<br />
In der Folge werden in der Appenzeller<br />
Zeitung vom November Berichte des reisenden<br />
Jodlerclubs veröffentlicht. So etwa jener<br />
vom 8. November: «Bei unserer Ankunft in<br />
Tokio wurden wir mit Transparenten, Vertretern<br />
der Behörde, Presse, Fernsehen und<br />
Radio empfangen. […] Im besten Hotel der<br />
Stadt bezogen wir Logis. Wir werden wie<br />
Fürsten bedient und behandelt.»<br />
Der Höhepunkt der vierwöchigen Reise<br />
ist das Konzert am 12. November im Kaiserpalast.<br />
«Diese Ehre hebt unser Ansehen in<br />
jeder Hinsicht. Das Präsent, das wir dem Kaiser<br />
übergeben werden, stammt übrigens aus<br />
der Hand von Hans Koster, Buchenstrasse,<br />
Herisau. Ein typischer Appenzellerkopf in<br />
Holz geschnitzt.» Der Jodlerclub seinerseits<br />
erhält Silberlöffel mit dem kaiserlichen Familienwappen<br />
und die Kaiserin verabschiedet<br />
sich gemäss Zeitungsbericht mit folgenden<br />
Worten: «Mit ihrem sauberen Auftreten,<br />
ihrer Tracht und ihrer Musik haben sie eine<br />
Brücke der Herzlichkeit und des gegenseitigen<br />
Verständnisses zwischen Japan und<br />
Europa gebaut.»<br />
Und der Jodlerclub schreibt: «Wenn in den<br />
kommenden Jahren die appenzellische Fremdenverkehrs-Statistik<br />
massive japanische<br />
Veränderungen aufweist, dürfte dies verständlich<br />
sein.» Gemäss dem Bundesamt für<br />
Statistik sind diese «massiven Veränderungen»<br />
in den 1970er-Jahren nicht aufgetreten.<br />
Unbestritten aber ist, dass die Mitglieder des<br />
Jodlerclubs «mit einem riesigen Chratten<br />
an Erinnerungen und Eindrücken» aus dem<br />
Land der aufgehenden Sonne im Dezember<br />
1973 heil nach Herisau zurückkehren.<br />
Eva Schläpfer