Die Malteser Zeitung 3/2023
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
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PERSÖNLICHKEITEN<br />
Umgerechnet ca. Euro 17 Mio. stellte er für hilfsbedürftige<br />
Kinder in seinem Nachlass für Hilfeleistungen zur Verfügung.<br />
Eine Aquarell-Darstellung Vincenz von Vincenz Graf Graf Morzins. Morzin.<br />
talons, wurden Teil des Erscheinungsbildes von Verwaltung,<br />
Militär und dem Ritterorden. Ähnlich der sogenannten<br />
„Generalsborte“ wurden die Aufschläge mit<br />
einer mehrfach gewundenen Borte versehen, die bis in<br />
unsere Tage erhalten blieb.<br />
Der 1803 in Pilsen (Böhmen) geborene Vincenz Morzin<br />
verbrachte seine letzten Lebensjahre in Wien, am<br />
Kärntner Ring 15. Dort starb er am 19. Mai 1882, im<br />
Alter von 79 Jahren. Sein Requiem in der Augustinerkirche<br />
versammelte noch einmal die Hofgesellschaft<br />
und hohe Militärs wie auch den Wiener Bürgermeister<br />
Eduard Uhl. Von der Augustinerkirche aus wurde er zum<br />
Zentralfriedhof zu seinem Familiengrab überführt.<br />
Überraschung im Nachlass<br />
<strong>Die</strong> Überraschung war bei vielen sehr groß, als bekannt<br />
wurde, dass er sein gesamtes Vermögen der Stadt Wien<br />
vermacht hatte, zur Betreuung von kranken, unversorgten<br />
Kindern. <strong>Die</strong> Beweggründe dafür lassen sich heute<br />
nicht mehr rekonstruieren, aber sie deuten auf eine<br />
selbstbewusste Sprache hin, die sich der Not der Gesellschaft<br />
der Gründerzeit bewusst war. Aus diesem Geist<br />
handelte auch der <strong>Malteser</strong>ritter Jaromir Baron Mundy,<br />
der das österreichische Sanitätswesen von Grund auf erneuerte.<br />
Leider ist das Testament von Morzin nicht mehr<br />
vorhanden. Nachlassakte des Adels, besonders jene, die<br />
einen Fideikommiss kannten, wurden gesondert archiviert<br />
und lagerten im Justizpalast. Dort verbrannten sie<br />
im Zuge der Ausschreitungen im Jahre 1927.<br />
Nachdem der Nachlass geregelt war, setzte Bürgermeister<br />
Uhl im Dezember 1887 ein Komitee ein und<br />
begann verschiedene Initiativen. Statt der zunächst<br />
kolportierten Summe von 800.000 Gulden stand letztlich<br />
ein Betrag von 1 Million Gulden zur Verfügung.<br />
<strong>Die</strong>s würde heute, konservativ geschätzt, einer Summe<br />
von Euro 17 Millionen entsprechen. <strong>Die</strong> Stadt Wien<br />
zeigte ihre Dankbarkeit nicht nur in einer guten Verwendung<br />
des Vermögens, das kranken und hilfsbedürftigen<br />
Kindern zugutekam – so gründete sie etwa<br />
ein Institut für 100 Kinder im heutigen 10. Bezirk. Sie<br />
benannte auch einen Platz in der Nähe von Salzgries<br />
und Franz-Josefs-Kai, direkt vor dem sehr angesehenen<br />
Hotel Metropol, nach Vincenz Morzin. (Der Vorschlag,<br />
eine Straße im 5. Bezirk nach ihm zu benennen,<br />
war im Gemeinderatsausschuss nach kurzer Diskussion<br />
vom Tisch.) Das Familiengrab am Wiener Zentralfriedhof<br />
wurde zum Ehrengrab umgewidmet.<br />
In der Person von Vincenz Graf Morzin steht uns ein<br />
eigenständiger Charakter gegenüber, der offen war für<br />
soziale Veränderungen. Vielleicht war er auch ein<br />
Mann zwischen verschiedenen Epochen, die von der<br />
Zeit von Kaiser Franz über den Vormärz zur Gründerzeit<br />
reichten. Er war Offizier, <strong>Malteser</strong>ritter, dem kaiserlichen<br />
Hof ein Leben lang verbunden und letztlich<br />
ein mitfühlender Christ, der die Mahnung des Seligen<br />
Gerhard umsetzte, den Menschen in der oft existenziellen<br />
und alltäglichen Not beizustehen.<br />
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DIE MALTESER 3/<strong>2023</strong>