Die Malteser Zeitung 3/2023
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
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IMFOKUS<br />
MENSCHENWÜRDE<br />
UND MENSCHENRECHTE<br />
Vor 75 Jahren wurde die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ veröffentlicht.<br />
Von Matthias Beck<br />
Der Begriff „Menschenrecht“ ist ein juristischer<br />
Begriff, während der Begriff der Menschenwürde<br />
ein ethischer Begriff ist. In demokratischen Staaten<br />
sollte bei wichtigen Entscheidungen vor Gesetzgebungsverfahren<br />
eine ethische Diskussion<br />
geführt werden. <strong>Die</strong> Ethik fragt, was legitim ist zu<br />
tun, und das Recht, was legal ist. Das ist nicht dasselbe.<br />
In manchen Ländern ist die Todesstrafe noch<br />
legal, die Ethik fragt, ob es auch legitim ist.<br />
Der Begriff der Menschenwürde kommt in der griechischen<br />
Philosophie nicht vor. In der Nikomachischen<br />
Ethik bei Aristoteles geht es um die vier wichtigen<br />
Tugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß. Vor<br />
allem die Gerechtigkeit, bei der es unter anderem darum<br />
geht, dem anderen Menschen gerecht zu werden, kommt<br />
nahe heran an das, was später im Christentum mit<br />
Nächstenliebe gemeint ist und bei Immanuel Kant mit<br />
der Menschenwürde beschrieben wird: Jeder Mensch<br />
soll um seiner selbst willen geachtet werden. Bei Cicero<br />
(106–43 v. Chr.) taucht der Begriff der Menschenwürde<br />
in seiner Schrift „De officiis“ auf, die von den Pflichten<br />
des Politikers handelt. Hier wird Würde als eine Bezeichnung<br />
für jemanden verstanden, der ein hohes Amt innehat<br />
oder sich um den Staat verdient gemacht hat. Es<br />
handelt sich dabei um eine Vorstellung von Würde, die<br />
dem Menschen aufgrund seiner Leistungen oder seines<br />
hohen Amtes angetragen wird.<br />
Im Judentum kommt die Hochschätzung des Menschen<br />
dadurch zum Ausdruck, dass vom Menschen als dem Ebenbild<br />
Gottes gesprochen wird. Paulus, der Jude und zugleich<br />
römischer Bürger war und griechisch sprach, konnte die<br />
verschiedenen Kulturen ein Stück weit zusammenführen.<br />
Er sprach davon, dass vor Gott alle Menschen gleich sind.<br />
Da kommt etwas von der Tugendlehre des Aristoteles mit<br />
der Gerechtigkeit ins Spiel, aus dem römischen Reich ein<br />
erster Zugang zur Menschenwürde, die Gottebenbildlichkeit<br />
des Menschen aus dem Judentum sowie die Menschwerdung<br />
des göttlichen Logos in der Person Jesu Christi.<br />
<strong>Die</strong>ser hebt die Unterschiede zwischen den Menschen auf:<br />
„Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven<br />
und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid<br />
einer in Christus Jesus“ (Gal 3,28).<br />
Im Mittelalter ist es vor allem Pico della Mirandola (1463–<br />
1494), der sich mit Fragen der Menschenwürde im Zusammenhang<br />
mit dem freien Willen des Menschen gegenüber<br />
den „festgestellten“ Tieren auseinandersetzt. Schließlich<br />
führt der Weg zu Immanuel Kant (1724–1804), der die<br />
Begriffe „Würde“ und „Wert“ unterscheidet. Der Begriff<br />
„Wert“ stammt ursprünglich aus der Ökonomie. Etwas<br />
hat einen bestimmten Wert, einen Preis, es kostet etwas.<br />
So hat Kant den Unterschied zwischen Würde und Wert<br />
herausgearbeitet. „Im Reiche der Zwecke hat alles entweder<br />
einen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, an<br />
dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt<br />
werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist,<br />
mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.“ 1<br />
Um es zu verdeutlichen: Ein Glas hat einen Preis und kostet<br />
z.B. zwei Euro. Wenn es herunterfällt und zerspringt,<br />
kauft man sich ein neues Glas. Es hat einen Preis und<br />
kann durch ein Äquivalent ersetzt werden. Wenn – um<br />
es drastisch zu sagen – ein neugeborenes Kind vom Wickeltisch<br />
fällt und stirbt, wäre es zynisch, den Eltern zu<br />
sagen: Ihr könnte ja ein neues Kind zeugen. Jeder Mensch<br />
ist einmalig und einzigartig. Ein solch einmaliger Mensch<br />
kann durch nichts Anderes ersetzt werden. Das besagt der<br />
moderne Begriff der Menschenwürde, dass jedem einzelnen<br />
Menschen diese Würde von innen her zukommt und<br />
nicht von außen zugeschrieben wird.<br />
Ein zweites Zitat Kants ist für diesen Zusammenhang<br />
von Bedeutung: Dinge haben einen „relativen Wert, …<br />
4<br />
DIE MALTESER 3/<strong>2023</strong>