KURT 12/2023
KURT – Dein Magazin für Gifhorn Ausgabe Dez. 2023/Jan. 2024
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Stolpersteine<br />
Stolpersteine<br />
Doppelt gedemütigt<br />
und verstümmelt<br />
Heinrich Piepho lebte in Kästorfs Arbeiterkolonie – Zweimal zwangssterilisiert<br />
Sicherlich so anstrengend<br />
wie es ausschaut:<br />
Die Gemüseernte<br />
in der Kästorfer<br />
Arbeiterkolonie. Das<br />
Foto entstand 1937.<br />
Foto: Sammlung Archiv der Dachstiftung<br />
Diakonie<br />
Verfolgung, Verstümmelung, Ermordung – die Zahl der Opfer des<br />
Nationalsozialismus in und aus Gifhorn ist dreistellig. Stolpersteine<br />
in unserer Stadt erinnern an sie. Die Biographien stellt <strong>KURT</strong> in einer<br />
Serie vor. In einem Gastbeitrag schildert Dr. Steffen Meyer, Historiker<br />
und Archivar der Dachstiftung Diakonie, diesmal die Geschichte<br />
von Heinrich Piepho, der bereits zwangssterilisiert nach Kästorf<br />
in die Arbeiterkolonie kam – und dann noch ein weiteres Mal die<br />
Demütigungen und Qualen über sich ergehen lassen musste.<br />
MEISTERBETRIEB<br />
TRADITION<br />
QUALITÄT<br />
Von Steffen Meyer<br />
Heinrich Piepho wurde am<br />
9. März 1905 in Münder geboren.<br />
Er verließ die Schule nach<br />
der 5. Klasse und arbeitete gerade<br />
in einer Ziegelei, als ihn<br />
der Kreisarzt aus Springe im<br />
April 1934 zu einer amtsärztlichen<br />
Untersuchung einbestellte.<br />
Den Grund erfuhr Heinrich<br />
Piepho spätestens am Untersuchungstag:<br />
Eine namentlich<br />
WAS WIR BIETEN:<br />
STEILDÄCHER • FLACHDÄCHER<br />
FASSADE • SPENGLERARBEITEN<br />
DACHFENSTER EIN- & AUSBAU<br />
ENERGETISCHE SANIERUNG<br />
REPARATUR & WARTUNGSARBEITEN<br />
Julius Sprengel • 38518 Gifhorn, Rotstraße 5<br />
Tel: 0160. 2553292 • Email: dachdeckerei.js@gmx.de<br />
www.sprengel-dach.de<br />
nicht bekannte Person hatte<br />
ihn verdächtigt, erbkrank zu<br />
sein und im Sinne des Gesetzes<br />
zur Verhütung erbkranken<br />
Nachwuchses angezeigt.<br />
Der Kreisarzt klärte Piepho<br />
über das Gesetz auf und diagnostizierte<br />
nach einer Untersuchung<br />
mit anschließendem<br />
Intelligenztest „angeborenen<br />
Schwachsinn“, aus Sicht des<br />
Gesetzgebers eine Erbkrankheit,<br />
die es „auszumerzen“<br />
galt. Nach Aushändigung eines<br />
Merkblattes über die Unfruchtbarmachung<br />
und Feststellung<br />
der Geschäftsfähigkeit<br />
forderte der Kreisarzt Heinrich<br />
Piepho auf, selbst einen<br />
Antrag auf Unfruchtbarmachung<br />
zu stellen. Piepho kam<br />
dieser Aufforderung nach und<br />
nur wenige Tage später trafen<br />
seine vom Kreisarzt eingereichten<br />
Unterlagen beim Erbgesundheitsgericht<br />
Hannover<br />
ein. Das Gericht beschloss in<br />
einer Sitzung vom 4. Juni 1934<br />
die Unfruchtbarmachung, die<br />
am 18. August 1934 im Kreiskrankenhaus<br />
Hameln durchgeführt<br />
wurde.<br />
Die Spur von Heinrich Piepho<br />
verläuft sich nach seiner<br />
Sterilisation, bis er am 9. August<br />
1935 in den Kästorfer<br />
Anstalten eintraf. Laut Aufnahmebucheintrag<br />
war er vor<br />
seiner Ankunft als Arbeiter<br />
ohne festen Wohnsitz umhergewandert.<br />
Piepho bezog ein<br />
Quartier in der Arbeiterkolonie,<br />
wo er lebte und arbeite.<br />
Zu dieser Zeit erwartete Anstaltsvorsteher<br />
Martin Müller<br />
Besuch von Landesmedizinalrat<br />
Dr. Walter Gerson aus<br />
Göttingen, der sich für psychiatrische<br />
Untersuchungen in<br />
Kästorf angekündigt hatte. Wie<br />
bei den vorherigen Besuchen<br />
von Walter Gerson auch, traf<br />
Martin Müller im Vorfeld eine<br />
Vorauswahl und stellte Listen<br />
von Bewohnern zusammen,<br />
die nach seiner Einschätzung<br />
unter das Gesetz zur Verhütung<br />
erbkranken Nachwuchses<br />
fielen und von Gerson untersucht<br />
werden sollten. Auf einer<br />
Liste stand der Name von<br />
Heinrich Piepho.<br />
Die Untersuchung in der Arbeiterkolonie<br />
fand am 11. Sep-<br />
tember 1935 statt. Als Piepho<br />
an der Reihe war, konnte oder<br />
wollte er sich nicht zu seinem<br />
Sterilisationsverfahren aus<br />
dem Jahr 1934 äußern. So<br />
klärte Walter Gerson Heinrich<br />
Piepho über das Gesetz zur<br />
Verhütung erbkranken Nachwuchses<br />
auf, diagnostizierte<br />
„angeborenen Schwachsinn“<br />
und erstellte ein Sterilisationsgutachten.<br />
Bei der Intelligenzprüfung<br />
bereiteten Piepho die<br />
Fragen zur Orientierung, zum<br />
Schulwissen oder die speziellen<br />
Fragen aus dem Beruf nur<br />
wenige Probleme. Allerdings<br />
konnte er, wie schon ein Jahr<br />
zuvor, keine der zwölf Rechenaufgaben<br />
lösen.<br />
Das Gutachten reichte Anstaltsvorsteher<br />
Müller zusammen<br />
mit einer Anzeige beim<br />
Gifhorner Gesundheitsamt »<br />
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