Christkatholisch_2024-2
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Hintergrund<br />
«Krise kann ein produktiver<br />
Zustand sein. Man muss ihr<br />
nur den Beigeschmack der<br />
Katastrophe nehmen.»<br />
Max Frisch (1911 – 1991)<br />
«The Chinese use two brush strokes to write the word ‹crisis›. One brush<br />
stroke stands for danger; the other for opportunity. In a crisis, be aware of<br />
the danger – but recognize the opportunity ! »<br />
«Die Chinesen verwenden zwei Pinselstriche, um das Wort ‹Krise› zu<br />
schreiben. Ein Pinselstrich steht für Gefahr; der andere für Gelegenheit,<br />
für Chance. Seien Sie sich in einer Krise der Gefahr bewusst – aber<br />
erkennen Sie gleichzeitig die Chance!»<br />
John F. Kennedy (1917–1963)<br />
man von diesem Bodycount (Anzahl der Todesopfer)<br />
Abschied genommen – es gibt also kein hartes Mass<br />
mehr, wann ein Ereignis eine Katastrophe oder Krise<br />
ist.<br />
So neu sind die derzeitigen Krisen nicht.<br />
Ausserdem wiederholen sich manche Krisen: Pandemie,<br />
Kriege oder Naturkatastrophen. Dasselbe hatten<br />
wir schon vor 20 Jahren, wenn auch in umgekehrter<br />
Reihenfolge: Am Ende dieser Serie war 2002<br />
die Pandemie mit Sars, zuvor gab es im Sommer<br />
2002 schwere Hochwasser an der Elbe, davor den<br />
Zusammenbruch der New Economy und im September<br />
2001 die Terroranschläge in New York und auf<br />
das Pentagon. Die Terroristen schlugen dann auch<br />
in Madrid oder London zu. So neu sind die derzeitigen<br />
Krisen also nicht.<br />
Warum wird heute in dem Fall rascher und häufiger<br />
von einer Krise gesprochen?<br />
Früher dauerte es länger, bis man eine Krise wahrgenommen<br />
hat – und die nächste und die übernächste.<br />
Damals hat man am Abend vor dem Fernseher<br />
erstmals mitbekommen, dass etwas passiert war. Am<br />
nächsten Tag stand dazu dann etwas in der Zeitung.<br />
Heute hat man das Gefühl, eine Krise jage die<br />
nächste.<br />
Heute gibt einem das Handy ständig Alarmmeldungen,<br />
dass dies oder das passiert sei. Dabei ist die<br />
Schwelle für eine solche Eilmeldung relativ tief. Entsprechend<br />
hat man das Gefühl, dass eine Krise die<br />
nächste jage und man gar nicht mehr dazukommt,<br />
durchzuatmen. Angesagt wäre also eine Art kollektives<br />
Debriefing, ein gemeinsames Nachbereiten von<br />
Ereignissen. Doch solche Signale fehlen derzeit.<br />
Kann die Krise auch zum Dauerzustand werden?<br />
Eigentlich nicht. Denn man versucht ja jeweils, eine<br />
Krise zu überwinden. Zudem haben wir im Körper einen<br />
Mechanismus eingebaut, um uns gegen die Krisen<br />
zu stemmen. Das sind die drei R: Resilienz, Redundanz<br />
und Robustheit. Dank dieser Automatismen<br />
lösen sich viele Krisen irgendwann quasi von selbst.<br />
Die drei R zur Krisenbewältigung?<br />
Was bedeutet das?<br />
Resilienz bedeutet eine Art Stehaufmännchen-Qualität<br />
– man will sich also von der Krise nicht auf den<br />
Boden legen lassen, sondern aufstehen und weiterarbeiten.<br />
Redundanz heisst, man sucht nach Umwegen<br />
um die Krisen herum. Robustheit wiederum bedeutet,<br />
dass man aus Krisen lernt und Fehler, die man<br />
gemacht hat, beim nächsten Mal nicht mehr macht.<br />
Was kann man angesichts des vorherrschenden<br />
Gefühls der Dauerkrise tun, um robust zu bleiben?<br />
Man muss Menschen in Krisenzeiten kommunikativ,<br />
im Gespräch, mitnehmen. Eine Art Krisenmanager<br />
muss ihnen den Weg zeigen, damit sie immer wieder<br />
Mut fassen können – das nennt man den Silberstreifen<br />
am Horizont. In der Krise sind Kommunikation<br />
und Führung wichtig, ebenso ein gewisses Grundmass<br />
an Optimismus.<br />
Ist dies angesichts der vielen Bedrohungen nicht<br />
etwas zu idealisierend?<br />
Ich meine einen Grundoptimismus, der ein Auf und<br />
Ab aushält. Das heisst nicht, dass wir den Kopf in<br />
den Sand stecken, dass wir passiv die Hände in den<br />
Schoss legen und andere machen lassen. Man sollte<br />
diesen Grundoptimismus nicht verlieren. Es ist<br />
noch jedes Mal gut gegangen und es konnte Neues<br />
realisiert werden – egal, ob es Kriege oder Wirtschaftskrisen<br />
waren. Ich habe in meiner mehr als<br />
25-jährigen Tätigkeit als Krisenmanager mehrere<br />
Pandemien oder Flugzeugabstürze erlebt und bei der<br />
Bewältigung und Aufarbeitung der Krise geholfen.<br />
Das Gespräch führte Amir Ali<br />
Quelle: Radio SRF 4 am 1. 12. 2023<br />
<strong>Christkatholisch</strong> Nr. 2, <strong>2024</strong> 17