Christkatholisch_2024-2
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Hintergrund<br />
«Eine Wirtschaft,<br />
die nicht dient, dient<br />
zu nichts»<br />
Unternehmensethische Reflexionen<br />
Unternehmensethik beschäftigt sich als Teil der Wirtschaftsethik<br />
mit der Frage der Verantwortung von Unternehmen für die Individuen,<br />
die Gesellschaften und die Umwelt. Es geht immer zugleich<br />
um individuelle, soziale und ökologische Verantwortung.<br />
Von Stephan Feldhaus<br />
Peter Ulrich hat in diesem Zusammenhang in seinen<br />
wirtschaftsethischen Entwürfen den Begriff der «lebensdienlichen<br />
Ökonomie» geprägt. Das ökonomische<br />
Handeln des Menschen hat keinen Selbstzweck und<br />
folgt keinen inhärenten Gesetzmässigkeiten, sondern<br />
dient immer der Erfüllung von Zielen, die Einzelne oder<br />
Gruppen für sich selbst oder andere setzen.<br />
Dazu passt das, wie wir gemeinhin Wirtschaft definieren.<br />
Im ursprünglichen Sinn beschreibt der Begriff<br />
Wirtschaft nämlich alle personellen und materiellen<br />
Aufwendungen und Erträge, die dazu dienen, den Unterhalt<br />
des Menschen zu sichern – zum Beispiel mittels<br />
Jagd, Ackerbau oder Handel und Gewerbe. Im<br />
modernen Sinne ist Wirtschaft oder Ökonomie die<br />
Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen, die<br />
der planvollen Deckung der Nachfrage, also der Befriedigung<br />
der Bedürfnisse aller einzelnen Menschen<br />
dienen. Zu den wirtschaftlichen Einrichtungen gehören<br />
Unternehmen sowie private und öffentliche Haushalte.<br />
Zu den Handlungen des Wirtschaftens zählen<br />
alle menschlichen Aktivitäten, die mit dem Ziel einer<br />
bestmöglichen Bedürfnisbefriedigung planmässig und<br />
effizient über knappe Ressourcen entscheiden. Die<br />
Notwendigkeit zum Wirtschaften ergibt sich aus der<br />
Knappheit der Güter einerseits und der Unbegrenztheit<br />
der menschlichen Bedürfnisse andererseits.<br />
Im ganz ursprünglichen wie im modernen Sinn hat<br />
also alles wirtschaftliche Handeln letztlich einen «dienenden»<br />
Charakter. Menschen setzen ökonomische<br />
Prozesse ein, um selbstgesetzte Ziele zu erreichen.<br />
Wäre es nicht also völlig legitim zu sagen: «Eine Wirtschaft,<br />
die nicht dient, dient zu nichts!»?<br />
Doch an eine dienende Funktion der Wirtschaft denkt<br />
heute wohl niemand, wenn wir im allgemeinen<br />
Sprachgebrauch von «der» Wirtschaft reden. «Die<br />
Steuerreform schadet der Wirtschaft», «Die Wirtschaft<br />
benötigt einen flexiblen Arbeitsmarkt» oder<br />
«KI – richtig eingesetzt - stärkt die Wirtschaft». Man<br />
kann heute leicht den Eindruck gewinnen, «die» Wirtschaft<br />
existiere als eigenständige Grösse mit eigenen<br />
Erwartungen und Bedürfnissen; und mehr noch,<br />
die Menschen wären für die Wirtschaft da und nicht<br />
umgekehrt. Wir reden von «der» Wirtschaft, als hätten<br />
die Menschen die Bedürfnisse der Wirtschaft zu<br />
erfüllen, ihr zu «dienen».<br />
In den Debatten über Nachhaltigkeit sprechen wir gar<br />
von einem «magischen Dreieck» und setzen neben<br />
«Gesellschaft» und «Umwelt» «die Wirtschaft» als eigenständige<br />
Zielgrösse. Völlig gleichberechtigt treten<br />
neben soziale und ökologische Ziele und Erfordernisse<br />
rein ökonomische Ziele und Erfordernisse. Damit<br />
suggerieren wir, dass es vom Menschen unabhängige,<br />
in sich gegebene Gesetzmässigkeiten gibt, die es mit<br />
den Erfordernissen der Gesellschaft und den Bedingungen<br />
der Umwelt auszutarieren gelte.<br />
Wenn wir aber «die» Wirtschaft als eigenständige<br />
Grösse konstruieren, die ganz eigenen innewohnenden<br />
Zielen folgt, verlieren wir mehr und mehr aus den<br />
Augen, dass die Wirtschaft mit all den ökonomischen<br />
Prozessen und Gesetzmässigkeiten lediglich ein Mittel<br />
ist, mit dem wir die von uns selbst gesetzten Ziele<br />
zu erreichen suchen. Und diese individuellen, gesellschaftlichen<br />
oder unternehmerischen Ziele müssen<br />
wir Menschen als Konsumenten oder Produzenten,<br />
als Private oder als politisch oder unternehmerisch<br />
Verantwortliche selbst definieren, die Ziele gibt<br />
uns «die» Wirtschaft nicht vor.<br />
Ob und wie stark beispielsweise der Umsatz eines<br />
Unternehmens steigen soll und der zu erzielende Ge<br />
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<strong>Christkatholisch</strong> Nr. 2, <strong>2024</strong>