EYECOM 01|24
DIE EYEWEAR-COMMUNITY
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„Mein Geruchssinn ist zwar nicht mehr so gut wie früher, aber das hier ist<br />
zum Beispiel eine Sapele-Uhr, deren Holz einen ganz besonderen Geruch<br />
hat“, erklärt er. „Nussbaum, Kirsche, Eiche und die meisten einheimischen<br />
Hölzer kann ich einfach anschneiden oder anschleifen und riechen. Einige<br />
Hölzer haben dagegen überhaupt keinen Geruch; dann sagt mir meine<br />
Frau, was es ist. Und sie klebt mir immer ein Stück Klebeband auf die<br />
spätere Sichtseite aller Werkstücke, so dass ich immer weiß, wo vorne<br />
und oben ist.“ Später lackiert sie auch die hölzernen Gehäuse der Uhren<br />
für ihn: Das könnte er zwar irgendwie auch selbst, aber er weiß, dass das<br />
Ergebnis nicht seinen Ansprüchen an Perfektion genügen würde.<br />
Eine von vielen Begleiterscheinungen bei vollständiger Erblindung<br />
heißt „Non24“. Den wenn es nicht einmal einen kleinen Rest an Sehvermögen<br />
gibt, der hell und dunkel unterscheiden kann, kommt der so genannte<br />
„zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmus“ aus dem Tritt; wie eine Uhr,<br />
die vor- oder nachgeht. „Bei mir heißt das, dass meine natürliche innere<br />
Uhr jeden Tag etwa fünf Minuten nachgeht“ erzählt Jim Morgan. „Das<br />
summiert sich. Nach einer Woche bin ich 30 Minuten im Rückstand. In<br />
meinem Fall ist das wirklich ein großes Problem. Manchmal kann ich wochenlang<br />
praktisch überhaupt nicht schlafen. Es gibt zwar Medikamente<br />
dagegen, aber auch die helfen nur begrenzt.“<br />
Trotz seines Könnens und seines Fachwissens macht sich Jims Frau<br />
Cathy immer noch ein wenig Sorgen um ihren Mann, wenn er in seiner<br />
Werkstatt ist. „Aber ich weiß, dass es das ist, was er liebt und was er gerne<br />
tut“, sagt sie. „Und es ist eine wunderbare Sache, dass wir jetzt Dinge für<br />
andere Menschen tun und sie inspirieren können.“<br />
Was Jim Morgan tut, tut er nicht für sich allein. Ihm ist besonders wichtig,<br />
andere Menschen zu ermutigen, auch nach einem Schicksalsschlag<br />
ihr Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen. „Bei behinderten<br />
Menschen, insbesondere bei jüngeren Blinden, ist es oft so, dass sie sofort<br />
aufgeben“, hat er immer wieder festgestellt. „Meine Botschaft an diese Menschen<br />
und an alle, die sich für meine Arbeit interessieren, lautet deshalb: Ihr<br />
könnt viel mehr tun, als ihr selbst glaubt. Und viel mehr, als andere denken.<br />
Wichtig ist, dass Ihr Euch vorstellen könnt, was ihr tun wollt, und dass ihr es<br />
dann einfach versucht. Dabei müsst Ihr auch lernen, Fehler zu machen und<br />
danach eine andere technische Möglichkeit zu finden. Aber vor allem: Habt<br />
Geduld und erwartet nicht, dass das erste Projekt perfekt ist.“<br />
„Ich weiß, wo meine Hände sind.<br />
Ich weiß, wo das Sägeblatt ist. Ich bin viel<br />
vorsichtiger und habe wahrscheinlich ein<br />
geringeres Unfallrisiko als früher.“<br />
Inzwischen hat Jim Morgan etwa 170 Uhren gebaut. Einige davon<br />
hängen in seinen beiden Häusern in Ohio und Florida; ein paar hat er<br />
verkauft oder im Auftrag angefertigt, um Holz und Spezialwerkzeug kaufen<br />
zu können. Weitere hat er an Familie und Freunde verschenkt – und<br />
an Menschen, die ihm nach seinem Unfall geholfen haben, wieder ins<br />
Leben zurückzukommen.<br />
Viele seiner Uhren spendet er aber auch für karitative Zwecke:<br />
Oft werden sie bei Auktionen versteigert, zum Beispiel, damit ein krebskrankes<br />
Kind einen neuen Rollstuhl bekommt. An andere zu denken,<br />
obwohl man selbst unverschuldet einen schweren Schicksalsschlag verkraften<br />
musste und dabei noch so freundlich und selbstlos zu sein wie<br />
Jim Morgan – das ist wahre menschliche Größe.<br />
www.theblindclockmaker.com<br />
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