medizin&technik 01.2024
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Dr. Ralph Wilken leitet den Bereich Oberflächen<strong>technik</strong> am<br />
Fraunhofer IFAM in Bremen und ist an der Entwicklung der<br />
Plaslon-Technologie beteiligt. Die damit aufgebrachten<br />
Schichten bieten PFAS- typische Eigenschaften<br />
stimmte Eigenschaften auch ohne fluorhaltige<br />
Moleküle erzeugen lassen.<br />
„Es kommt natürlich immer darauf an,<br />
welche Eigenschaften ein Produkt haben<br />
soll“, sagt Dr. Ralph Wilken, der am<br />
Fraunhofer IFAM den Bereich Oberflächen<strong>technik</strong><br />
leitet. „PFAS bieten eine einzigartige<br />
Kombination von Eigenschaften,<br />
die man nicht ohne weiteres mit einem<br />
anderen Verfahren nachbilden kann.“<br />
Aber: Nicht in jeder Anwendung werden<br />
alle diese Eigenschaften gebraucht, sondern<br />
meist nur eine oder einige wenige.<br />
Seit zehn Jahren Projekte zur<br />
PFAS-Substition in der Medizin<br />
Und manche, wie Gleitfähigkeit, Härte<br />
oder Abriebbeständigkeit, können die<br />
Fraunhofer-Experten mit einem von ihnen<br />
entwickelten plasmabasierten Verfahren<br />
hervorrufen. Das ist auch für die Medizin<strong>technik</strong><br />
interessant. „Seit etwa zehn Jahren<br />
arbeiten wir dazu mit Herstellern von<br />
Implantaten, Kathetern oder auch Instrumenten<br />
für die minimal-invasive Chirurgie<br />
zusammen“, sagt Wilken.<br />
Technisch sind die Dinge zum Teil<br />
schon weit vorangekommen. „Aber bis so<br />
ein Medizinprodukt zertifiziert ist und auf<br />
den Markt kommt, kann es – je nach Klassifizierung<br />
des Produktes – leicht drei bis<br />
acht Jahre dauern“, sagt Wilken. Sein Kollege<br />
Dr. Kai Borcherding, Geschäftsfeldleiter<br />
Medizin<strong>technik</strong> und Life Sciences<br />
am Fraunhofer IFAM, ergänzt: „Die Unternehmen,<br />
mit denen wir bisher zusammenarbeiten,<br />
haben diese langen Zeitspannen<br />
im Blick und deswegen frühzeitig<br />
begonnen, nach Alternativen zu fluorhaltigen<br />
Verbindungen zu suchen.“<br />
Den Anstoß für entsprechende Projekte<br />
gab vor rund 20 Jahren die Erkenntnis,<br />
dass Reste fluorhaltiger Trennmittel aus<br />
Formen auf den darin hergestellten Produkten<br />
verblieben. Insbesondere dann,<br />
wenn die Produkte wie bei kohlefaserverstärkten<br />
Kunststoffbauteilen, kurz CFK,<br />
mithilfe von Reaktivharzen hergestellt<br />
werden. Sehr leistungsfähige Trennschichten<br />
stellen die IFAM-Mitarbeiter<br />
heute auf siliziumorganischer Basis her<br />
und haben diese weiter optimiert. Von<br />
Fluor ist hier nicht mehr die Rede.<br />
„Als erstes haben wir die trennenden und<br />
hydrophoben Eigenschaften erreicht“,<br />
sagt Wilken. „Dann haben wir auf die Festigkeit<br />
hin optimiert. Heute überstehen<br />
die Schichten 10000 Durchläufe.“ Auch<br />
die Temperaturbeständigkeit, die zum<br />
Beispiel für die Anwendung in Pfannen erforderlich<br />
ist, wurde erreicht. „Wir können<br />
also eine PTFE-Beschichtung ersetzen.“<br />
Aktuell sollen die Schichten noch<br />
abriebbeständiger werden und auch hydrophobe<br />
Eigenschaften bekommen.<br />
Die Schichten erzeugen die Bremer mit<br />
einer Niederdruckplasmatechnologie, der<br />
Plasma Enhanced Chemical Vapour Deposition,<br />
kurz PECVD. Die Schichten sind interessant<br />
für die Luftfahrt- und Automobilindustrie,<br />
für die Hersteller von Haushaltsgeräten<br />
und Elektronik sowie für die<br />
Medizin<strong>technik</strong>. „In diesem Bereich machen<br />
die Projekte aus der Medizin<strong>technik</strong><br />
schon jetzt etwa zwanzig Prozent aus“,<br />
sagt Wilken. Das Verfahren bezeichnen<br />
die IFAM-Ingenieure als Plaslon-Technologie<br />
und haben ihre Erfindung durch Patente<br />
geschützt. Nach Wilkens Einschätzung<br />
ist das Institut damit weit vorn beim<br />
Ersatz von PFAS.<br />
Produkte mit Plaslon-Beschichtung besitzen<br />
gute Gleiteigenschaften, sie können<br />
chemisch resistent und antiadhäsiv<br />
sein, zum Teil auch sehr gut elektrisch isolieren.<br />
Sie sind härter als PFAS – und laut<br />
Wilken ist mit der siliziumorganischen<br />
Verbindung sogar die bei PFAS geschätzte<br />
oleophobe Eigenschaft teilweise erreichbar.<br />
Ähnliche Erkenntnisse liegen zur optischen<br />
Transparenz vor. „Bei der elektrischen<br />
Isolation wiederum müssen wir<br />
schauen, was sich zum Beispiel im Umfeld<br />
eines Gewebes erreichen lässt und welche<br />
Isolationseigenschaften vorgegeben<br />
sind“, sagt Wilken. Die Schicht ist durch<br />
verschiedene Verfahren sterilisierbar.<br />
Auch die Frage nach der Entsorgung<br />
oder resultierenden Emissionen braucht<br />
niemanden zu schrecken. Kommt ein mit<br />
siliziumorganischen Verbindungen beschichtetes<br />
Produkt an sein Lebensende,<br />
lässt es sich verbrennen. Von der Beschichtung<br />
bleiben „toxikologisch unbedenkliche<br />
Silikate, also quasi Sand“. Alles<br />
in allem hat das Plaslon-Verfahren der<br />
Medizin<strong>technik</strong> Wilkens Meinung nach<br />
eine Menge zu bieten. „Wir freuen uns natürlich,<br />
dass schon Hersteller auf uns aufmerksam<br />
geworden sind und uns kontaktiert<br />
haben.“<br />
Wilken und seine Kollegen stellen ihr<br />
Wissen zu den Möglichkeiten der Plaslon-<br />
Beschichtungstechnologie inzwischen<br />
auch in einem weiteren Projekt zur Verfügung:<br />
Darin arbeiten Fachleute vom<br />
Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit<br />
und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt<br />
mit 21 Teilnehmern aus der Industrie<br />
zusammen.<br />
Ihr Ende 2023 gestartetes Verbundprojekt<br />
zum Ersatz von PFAS in der Industrie<br />
bringt zunächst vor allem Recherche -<br />
arbeit mit sich. Die Beteiligten stellen zusammen,<br />
welche Aufgaben bisher PFAS<br />
Weitere Informationen<br />
Zur ECHA und zu Neuigkeiten zum<br />
möglichen PFAS-Verbot:<br />
https://hier.pro/x4VfF<br />
Fraunhofer IFAM (Plaslon):<br />
https://hier.pro/XmcC7<br />
Fraunhofer LBF, Verbundprojekt:<br />
https://hier.pro/Dfgfq<br />
Medical Mountains, Handout PFAS:<br />
https://hier.pro/PgbA2<br />
Review „PFAS: forever chemicals...“:<br />
https://hier.pro/4qfUL<br />
(Bild: Fraunhofer IFAM)<br />
01/2024 medizin&<strong>technik</strong> 19