Neue Szene Epaper 2024-03
DAS Stadtmagazin von Augsburgern für Augsburger und die bayrisch-schwäbische Region. Über interessante Menschen aus Politik, Sport, Kultur, Theater u.v.a.m.
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Zoom 25<br />
Wie praktisch, wenn man seinen Nachbarn interviewt, muss man nicht mal Schuhe anziehen. Franz Dobler ist jemand,<br />
der eine unglaubliche Credibility genießt. Er schreibt Bücher und „Radio-Tatort“-Hörspiele, tritt mit Bands<br />
auf, ist DJ und war schon zwei Mal beim TV-Tatort als Darsteller zu sehen. Sein Roman „Ein Schlag ins Gesicht“<br />
wurde von der Regisseurin Nina Grosse verfilmt, die Hauptrolle spielte dabei Iris Berben und der Streifen lief zur<br />
Primetime im ZDF. Mitte Februar erschien sein neuester Roman „Ein Sohn von zwei Müttern“.<br />
Von Walter Sianos<br />
Franz, jetzt kennen wir uns schon über 30 Jahre<br />
und sind seit über einer Dekade Nachbarn.<br />
Man mag es kaum glauben, aber heute ist<br />
unser erstes gemeinsames Interview…<br />
Ich war letztes Jahr mal dein Kandidat für die<br />
Rubrik „Das Allerletzte“, aber wir feiern tatsächlich<br />
heute unsere Premiere im Interviewformat.<br />
Bevor wir loslegen, lass uns kurz das Haus<br />
verlassen. Anfang Februar fand die größte<br />
Demo seit Jahrzehnten in Augsburg statt. Wie<br />
hast du den Tag erlebt?<br />
Natürlich war ich auch auf dem Rathausplatz<br />
und habe mich sehr gefreut, dass so viele<br />
Menschen teilgenommen haben. Diese gewaltige<br />
Resonanz gegen die Faschisten war für mich eine<br />
Überraschung. Als Mitglied des Augsburger<br />
Flüchtlingsrats finde ich es aber schon auch<br />
erschreckend, mit welchen zum Teil auch rechten<br />
Parolen – Stichwort Migrationspolitik – etablierte<br />
Parteien in den letzten Monaten auf die AfD<br />
reagieren. Das ist schon eine ziemlich schlimme<br />
Entwicklung.<br />
Du bist ein sehr politischer Mensch. Lebst du<br />
seit dem 3. Februar etwas beruhigter?<br />
Die bundesweiten Demos sind ein starkes<br />
Zeichen, gerade im Osten. Dort muss man schon<br />
etwas mehr Mut aufbringen als bei uns, wenn man<br />
für die gute Sache auf die Straße geht. In Augsburg<br />
ist die AfD zwar eher schwach, aber wie wir in<br />
diesen Tagen erfahren haben, fand ja in Dasing ein<br />
konspiratives Treffen der rechtsextremen <strong>Szene</strong> statt.<br />
Lass uns einige Jahrzehnte zurückspulen. Du<br />
stammst aus dem Allgäu und dein Leben hat<br />
sich immer im Bermudadreieck Schongau –<br />
München – Augsburg abgespielt. Wieso bist<br />
du 1991 ausgerechnet in Augsburg gelandet?<br />
Davor habe ich zwölf Jahre mit Frau und Kind<br />
in München gelebt, aber 1991 wurden die<br />
Mietpreise schwindelerregend hoch, sodass wir<br />
uns für einen Umzug entschieden haben. Wir<br />
kannten Augsburg zu dieser Zeit kaum, obwohl<br />
wir Ende der 80er immer wieder mal ins Bootleg<br />
gefahren sind, weil dort so coole Konzerte stattfanden.<br />
Einmal wurde ich zu einer Lesung eingeladen,<br />
dort haben wir Peter Bommas und Pulle<br />
Pupeter kennengelernt. Da sind wir dem Charme<br />
der Stadt erlegen: Why not, lass uns dort hinziehen.<br />
Würdest du mit dem Know-how diesen Schritt<br />
erneut gehen?<br />
Augsburg ist eine angenehme Stadt, mit einem<br />
guten Angebot. Aber grundsätzlich bin ich ein<br />
Anti-Lokalpatriot, Sätze wie „ich liebe Augsburg“<br />
finde ich komisch. Was soll das bedeuten, man<br />
kann doch nicht die ganze Stadt lieben.<br />
Ich finde schon, denn ich bin glühender Lokalpatriot.<br />
Was bedeuten die sechs Buchstaben<br />
Heimat für dich?<br />
Ein Spruch von mir lautet „Heimat ist da, wo<br />
man sich aufhängt“. Der Begriff löst bei mir immer<br />
so einen gewissen Zwiespalt aus, am ehesten würde<br />
ich Heimatgefühle mit Erinnerungen aus der<br />
Kindheit verbinden. Tatsache ist aber auch, dass<br />
ich in meinem 64-jährigen Leben nicht wirklich<br />
weit herumgekommen bin.<br />
Du hast in bestimmten Kreisen eine unglaubliche<br />
Credibilty, wie schafft man das?<br />
Freut mich zu hören (schmunzelt)… Ich<br />
wurde mit Punk sozialisiert und auch wenn ich<br />
mich im Laufe meines Lebens verändert habe,<br />
schlummert diese Attitude immer noch in mir.<br />
Ich höre zwar heute kaum noch Punk-Platten, aber<br />
gewisse Einflüsse sind ein Leben lang hängengeblieben<br />
und das war in meinen Büchern oder den<br />
CDs, die ich bei Trikont herausgegeben habe,<br />
immer spürbar.<br />
Was ist schöner, Credibility oder ein dickes<br />
Bankkonto?<br />
(Lacht)… Am besten beides. Es gibt eine fiese<br />
Definition von „Wer ist ein echter Künstler?“ Die<br />
Antwort lautet: „Derjenige, der sein Geld damit<br />
verdient.“ Aber das ist gleichzeitig blöd, denn wie<br />
soll man das bewerten? Als ich mit dem Schreiben<br />
angefangen habe, war ich mir total unsicher, wie<br />
das alles funktionieren soll. Ich hatte Glück.<br />
Du bist jemand, der auf vielen Hochzeiten<br />
tanzt. Du schreibst Romane, Biografien,<br />
Krimis, du trittst mit Bands auf, legst auf,