24.02.2024 Aufrufe

Neue Szene Epaper 2024-03

DAS Stadtmagazin von Augsburgern für Augsburger und die bayrisch-schwäbische Region. Über interessante Menschen aus Politik, Sport, Kultur, Theater u.v.a.m.

DAS Stadtmagazin von Augsburgern für Augsburger und die bayrisch-schwäbische Region. Über interessante Menschen aus Politik, Sport, Kultur, Theater u.v.a.m.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ZOOM<br />

39<br />

Hazme, bist du eigentlich gelernte Schneiderin<br />

oder hast du dir deine Näh-Skills selbst<br />

angeeignet?<br />

Nach meinem Schulabschluss habe ich zuerst<br />

eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht und<br />

auch ein paar Jahre in dem Bereich gearbeitet.<br />

Zu meinem 18. Geburtstag hatte ich mir eine<br />

Nähmaschine gewünscht und damit schon so<br />

manches ausprobiert. Um aber meine vielen kreativen<br />

Ideen, die mir schon immer im Kopf herumgeschwirrt<br />

sind, realisieren zu können, wollte ich<br />

gerne professionell nähen lernen. Also habe ich<br />

mich dazu entschieden, noch eine Schneiderlehre<br />

anzufangen. Die habe ich dann beim Modehersteller<br />

Strenesse in Nördlingen absolviert.<br />

Seit wann begleitet dich deine Leidenschaft<br />

fürs Nähen, Basteln und Gestalten schon?<br />

Eigentlich schon seit meiner Kindheit. Meine<br />

Eltern sind mit wenig Geld in der Tasche aus<br />

der Türkei nach Augsburg geflohen und haben<br />

hier sieben Kinder großgezogen. Viel Spielzeug<br />

hatten wir also nicht zuhause. Deshalb haben<br />

meine Schwester und ich so ziemlich alles, was<br />

an Besitztümern da war, umfunktioniert, sodass<br />

wir damit spielen konnten. Auch damals haben<br />

wir z.B. schon Puppenkleider aus Verpackungsmaterial<br />

gebastelt. Not macht ja bekanntermaßen<br />

erfinderisch. Auch meine Eltern haben mir das<br />

mitgegeben, Dinge möglichst zu reparieren<br />

und wiederzuverwerten. Meine Mama ist da bei<br />

Lebensmitteln sehr erfinderisch und mein Papa<br />

hat schon immer gerne an Elektroschrott herumgeschraubt.<br />

Diese Faszination für das Thema Upcycling<br />

hast du dir bis heute bewahrt und bindest es<br />

in sämtlichen deiner Projekte und Workshops<br />

ein. Warum liegt dir das so am Herzen?<br />

Für mich bedeutet Upcycling, den Glanz<br />

in alltäglichen, für andere nicht unbedingt<br />

wertvollen Dingen zu sehen. Und was nicht von<br />

sich aus glänzt, wird eben glänzend gemacht. Ich<br />

lege viel Wert auf Nachhaltigkeit und möchte es<br />

einfach nicht einsehen, dass so viele schöne Dinge<br />

letztlich nur zum Wegschmeißen produziert<br />

werden. Wenn ich z.B. eine Verpackung mit<br />

einem besonderen, liebevoll gestalteten Design<br />

sehe, frage ich mich immer, was man daraus noch<br />

so alles machen könnte. Was Kleidung angeht,<br />

kann man mit einfachsten Upcycling-Techniken<br />

nicht nur viel reparieren, sondern vielleicht sogar<br />

ein neues Lieblingsteil kreieren. Das liebe ich so<br />

an meinen Workshops, dass ich den Leuten zeigen<br />

kann, wie einfach das oft geht.<br />

Was sind denn typische Materialien, die<br />

andere Leute vielleicht bedenkenlos wegschmeißen<br />

würden, die du gerne für kreative<br />

Projekte benutzt?<br />

Was ich z.B. liebe sind kaputte Regenschirme,<br />

weil sie aus wasserabweisendem Stoff bestehen,<br />

daraus kann man also super Badetaschen oder<br />

Fahrradsattelschoner machen. Außerdem verwende<br />

ich gerne kaputte Jeans, weil das ein sehr<br />

robuster Stoff ist, der sich toll verarbeiten lässt.<br />

Was ich mittlerweile auch viel nutze, sind ausgediente<br />

Veranstaltungsbanner, die mir verschiedene<br />

Festival-Veranstalter oder Kultureinrichtungen wie<br />

das Staatstheater oder tim schenken. Die Banner<br />

werden auch in meinen nächsten beiden Workshops<br />

zum Einsatz kommen.<br />

Hast du vielleicht ein paar Einsteiger-Tipps<br />

für diejenigen, die gerne weniger Sachen<br />

wegeschmeißen und mehr reparieren und<br />

weiterverwerten würden?<br />

Wenn man beispielsweise in einem Kleidungsstück<br />

ein kleines Loch entdeckt, kann man<br />

einfach einen coolen, auffälligen Knopf draufnähen.<br />

Oder wenn irgendwo ein Fleck ist, der sich<br />

nicht mehr rauswaschen lässt, dann klecks doch<br />

einfach richtig Farbe drauf oder mach einen<br />

schönen Patch drüber, dann wird das sofort zum<br />

Designerstück. Selbst mit einfachsten Handgriffen,<br />

wenig Zeit und Geld kann man schon so<br />

viele Dinge fixen.<br />

Der aktuelle Nachhaltigkeitstrend sorgt dafür,<br />

dass immer mehr Menschen ein größeres<br />

Bewusstsein für dieses Thema entwickeln.<br />

Macht sich das auch bei deinen Workshops<br />

bemerkbar?<br />

Absolut. Meine Kurse sind in letzter Zeit<br />

immer ruckzuck ausgebucht und die Nachfrage<br />

ist so groß wie noch nie. Das freut mich natürlich<br />

sehr, weil ich einfach merke, dass die Leute<br />

sich für das begeistern, was ich vermitteln will.<br />

Super finde ich auch, wenn Elternteile mit ihren<br />

Kindern kommen und ihnen so den Wert von<br />

kreativer Nachhaltigkeit vermitteln. Gerade jetzt,<br />

wo ich selbst mein erstes Kind erwarte, sehe auch<br />

ich mich in einer noch größeren Verantwortung,<br />

so nachhaltig wie möglich zu leben und ein Vorbild<br />

für die nächste Generation zu sein.<br />

Wer kommt neben Familien noch so zu deinen<br />

Kursen?<br />

An meinen Workshops kann jeder teilnehmen,<br />

ganz egal ob man schon Vorkenntnisse im<br />

Nähen hat oder nicht. Mir kommt es so vor, als<br />

würden sich immer mehr jüngere Menschen<br />

dafür begeistern, Dinge selber zu machen, was<br />

ich eine tolle Entwicklung finde. Ich liebe es, dass<br />

sich in den Workshops mehrere Altersgruppen<br />

durchmischen. Da trifft dann eine über 60-jährige<br />

Dame auf einen 13-jährigen Teenager und es entwickelt<br />

sich ganz schnell ein Austausch, sie geben<br />

sich gegenseitig Tipps und lernen voneinander.<br />

Das ist für mich total schön zu beobachten. Und<br />

ich selbst nehme dabei auch noch immer etwas<br />

mit und gehe mit neuen Perspektiven und Ideen<br />

nach Hause.<br />

Kreativität trifft auf Pädagogik – das ist eigentlich<br />

die ideale Kombi für dich, oder?<br />

Ganz genau! Wenn ich anderen Menschen<br />

beibringe, wie sie selbst etwas Kreatives gestalten<br />

können, vereinen sich die Erzieherin und die<br />

Schneiderin in mir zu einer Person. Dafür brenne<br />

ich und das ist auch der Grund, warum ich meinen<br />

Fokus weniger auf den Vertrieb von eigenen<br />

Produkten lege. Ich verkaufe zwar hin und wieder<br />

mal was von mir auf verschiedenen Märkten oder<br />

Veranstaltungen, aber das Wichtigste sind für<br />

mich auf jeden Fall die Seminare und Workshops.<br />

Jetzt geht es aber erstmal in die wohlverdiente<br />

Baby-Pause?<br />

Richtig, ab Ende Februar werde ich auf jeden<br />

Fall bis zum Spätsommer pausieren. Aber wer<br />

weiß, welche kreativen Projekte und Upcycling-<br />

Ideen sich im Alltag als Mama noch so in meinem<br />

Kopf entwickeln werden. (lina)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!