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Grundbuchbestand vor Erwerb überprüfen<br />
Ersitzung eines Wohnungseigentumsobjekts trotz Unkenntnis des Grundbuchbestands<br />
Einer kürzlich vom Obersten<br />
Gerichtshof (OGH) entschiedenen<br />
Rechtssache lag nachfolgender<br />
Sachverhalt zugrunde:<br />
Der Schuldner verkaufte im Jahr<br />
1990 ein Wohnungseigentumsobjekt<br />
„samt allem rechtlichen und tatsächlichen<br />
Zugehör“ welches er mit der –<br />
im Kaufvertrag nicht erwähnten Garage<br />
– an die Erwerberin übergab. Im<br />
Grundbuch erfolgte daraufhin auch<br />
nur die Einverleibung des Eigentumsrechts<br />
an der Wohnung, welche in der<br />
Folge weitere vier Male „samt Garage“<br />
veräußert wurde. Alle Verkäufer<br />
und Erwerber gingen davon aus, dass<br />
die Garage Zubehör der Wohnung<br />
sei und mit dem Kauf auch an dieser<br />
sogenanntes (Zubehörwohnungs-)<br />
Eigentum erworben werde. Alle Erwerber<br />
und Verkäufer nutzten die<br />
Garage exklusiv und bezahlten die dafür<br />
vorgeschriebenen Betriebskosten<br />
und Annuitäten. Im Grundbuch war<br />
jedoch immer noch der Schuldner als<br />
Eigentümer vermerkt.<br />
Der Kläger war der letzte Erwerber<br />
des Objekts und begehrte dieser den<br />
Insolvenzverwalter des Schuldners zur<br />
Zustimmung zur Einverleibung seines<br />
ersessenen Eigentumsrechts an der<br />
Garage zu verpflichten. Nachdem das<br />
Erstgericht die Klage abgewiesen hatte,<br />
das Berufungsgericht der Klage hingegen<br />
stattgab, war der OGH mit der<br />
Frage befasst, ob die Unkenntnis des<br />
Grundbuchstands und des Inhaltes<br />
des Wohnungseigentumsvertrags die<br />
Redlichkeit des Erwerbers ausschließe.<br />
Das Höchstgericht legte folgende<br />
rechtliche Beurteilung dar: Grundsätzlich<br />
ist die Ersitzung eines bereits<br />
Dr. Michael Kössler, Mag. Stefan Weiskopf und Dr. Rainer Kappacher (v. l.) verfolgen gemeinsam ein Ziel: die Interessen<br />
ihrer Mandanten bestmöglich zu vertreten. <br />
Foto: Eva Beer<br />
bestehenden Wohnungseigentumsobjekts<br />
möglich. Voraussetzungen<br />
für die Ersitzung nach § <strong>14</strong>77 Allgemeines<br />
bürgerliches Gesetzbuch<br />
(ABGB) sind neben dem Zeitablauf<br />
echter und redlicher Besitz eines<br />
Rechts, das seinem Inhalt nach dem<br />
zu erwerbenden Recht entsprochen<br />
hat, und der Besitzwille.<br />
Redlichkeit verlangt den Glauben<br />
an einen gültigen Titel. Maßgeblich<br />
ist demgemäß das Vertrauen in die<br />
Rechtmäßigkeit der Besitzausübung,<br />
das beim Besitzerwerb und während<br />
der ganzen Ersitzungszeit vorhanden<br />
sein muss. Der gute Glaube geht<br />
verloren, wenn der Besitzer positiv<br />
Kenntnis erlangt, dass sein Besitz nicht<br />
rechtmäßig ist, oder zumindest solche<br />
Umstände erfährt, die Anlass geben,<br />
an der Rechtmäßigkeit der Besitzausübung<br />
zu zweifeln, wobei bereits<br />
leichte Fahrlässigkeit die Redlichkeit<br />
ausschließt. Da die Redlichkeit nach<br />
§ 328 ABGB vermutet wird, trifft den<br />
Gegner für die Fehlerhaftigkeit und<br />
Unredlichkeit des Besitzes die Behauptungs-<br />
und Beweislast. Der OGH betonte,<br />
dass die Qualifikation des Verhaltens<br />
des Besitzers als redlich oder<br />
unredlich immer von den Umständen<br />
des konkreten Falls abhängt.<br />
Dass im gegenständlichen Fall aus<br />
dem Grundbuch zu erkennen gewesen<br />
wäre, dass die Garage ein eigenes<br />
Wohnungseigentumsobjekt und bei<br />
der Wohnung kein Zubehör eingetragen<br />
ist, schließt die Redlichkeit nicht<br />
von vornhinein aus. Nachforschungspflichten<br />
bestehen grundsätzlich erst<br />
dann, wenn ein (indizierter) Verdacht<br />
besteht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse<br />
nicht dem Grundbuchstand<br />
entsprechen.<br />
Der Beklagte hatte zu keinem Zeitpunkt<br />
aufgezeigt, welchem Verdachtsmoment<br />
die Erwerber nachgehen hätten<br />
müssen. Darüber hinaus erachtete<br />
der OGH hinsichtlich der Feststellung<br />
des Berufungsgerichts, welches eine<br />
redliche Besitzausübung angenommen<br />
hatte, weil die Garage den jeweiligen<br />
Erwerbern übergeben wurde und diese<br />
sie exklusiv genutzt und alle Kosten getragen<br />
haben, keine Notwendigkeit der<br />
Korrektur im Einzelfall. Für die hier<br />
vorliegende uneigentliche Ersitzung<br />
nach § <strong>14</strong>77 ABGB reicht es demnach<br />
aus, dass die Garage der ersten Erwerberin<br />
im Zuge des Kaufs der Wohnung<br />
übergeben wurde und sie davon ausging,<br />
auch daran (Wohnungs-)Eigentum<br />
zu erwerben. <br />
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3./4. April 2024<br />
RUNDSCHAU Seite 21