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LA KW 14

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Grundbuchbestand vor Erwerb überprüfen<br />

Ersitzung eines Wohnungseigentumsobjekts trotz Unkenntnis des Grundbuchbestands<br />

Einer kürzlich vom Obersten<br />

Gerichtshof (OGH) entschiedenen<br />

Rechtssache lag nachfolgender<br />

Sachverhalt zugrunde:<br />

Der Schuldner verkaufte im Jahr<br />

1990 ein Wohnungseigentumsobjekt<br />

„samt allem rechtlichen und tatsächlichen<br />

Zugehör“ welches er mit der –<br />

im Kaufvertrag nicht erwähnten Garage<br />

– an die Erwerberin übergab. Im<br />

Grundbuch erfolgte daraufhin auch<br />

nur die Einverleibung des Eigentumsrechts<br />

an der Wohnung, welche in der<br />

Folge weitere vier Male „samt Garage“<br />

veräußert wurde. Alle Verkäufer<br />

und Erwerber gingen davon aus, dass<br />

die Garage Zubehör der Wohnung<br />

sei und mit dem Kauf auch an dieser<br />

sogenanntes (Zubehörwohnungs-)<br />

Eigentum erworben werde. Alle Erwerber<br />

und Verkäufer nutzten die<br />

Garage exklusiv und bezahlten die dafür<br />

vorgeschriebenen Betriebskosten<br />

und Annuitäten. Im Grundbuch war<br />

jedoch immer noch der Schuldner als<br />

Eigentümer vermerkt.<br />

Der Kläger war der letzte Erwerber<br />

des Objekts und begehrte dieser den<br />

Insolvenzverwalter des Schuldners zur<br />

Zustimmung zur Einverleibung seines<br />

ersessenen Eigentumsrechts an der<br />

Garage zu verpflichten. Nachdem das<br />

Erstgericht die Klage abgewiesen hatte,<br />

das Berufungsgericht der Klage hingegen<br />

stattgab, war der OGH mit der<br />

Frage befasst, ob die Unkenntnis des<br />

Grundbuchstands und des Inhaltes<br />

des Wohnungseigentumsvertrags die<br />

Redlichkeit des Erwerbers ausschließe.<br />

Das Höchstgericht legte folgende<br />

rechtliche Beurteilung dar: Grundsätzlich<br />

ist die Ersitzung eines bereits<br />

Dr. Michael Kössler, Mag. Stefan Weiskopf und Dr. Rainer Kappacher (v. l.) verfolgen gemeinsam ein Ziel: die Interessen<br />

ihrer Mandanten bestmöglich zu vertreten. <br />

Foto: Eva Beer<br />

bestehenden Wohnungseigentumsobjekts<br />

möglich. Voraussetzungen<br />

für die Ersitzung nach § <strong>14</strong>77 Allgemeines<br />

bürgerliches Gesetzbuch<br />

(ABGB) sind neben dem Zeitablauf<br />

echter und redlicher Besitz eines<br />

Rechts, das seinem Inhalt nach dem<br />

zu erwerbenden Recht entsprochen<br />

hat, und der Besitzwille.<br />

Redlichkeit verlangt den Glauben<br />

an einen gültigen Titel. Maßgeblich<br />

ist demgemäß das Vertrauen in die<br />

Rechtmäßigkeit der Besitzausübung,<br />

das beim Besitzerwerb und während<br />

der ganzen Ersitzungszeit vorhanden<br />

sein muss. Der gute Glaube geht<br />

verloren, wenn der Besitzer positiv<br />

Kenntnis erlangt, dass sein Besitz nicht<br />

rechtmäßig ist, oder zumindest solche<br />

Umstände erfährt, die Anlass geben,<br />

an der Rechtmäßigkeit der Besitzausübung<br />

zu zweifeln, wobei bereits<br />

leichte Fahrlässigkeit die Redlichkeit<br />

ausschließt. Da die Redlichkeit nach<br />

§ 328 ABGB vermutet wird, trifft den<br />

Gegner für die Fehlerhaftigkeit und<br />

Unredlichkeit des Besitzes die Behauptungs-<br />

und Beweislast. Der OGH betonte,<br />

dass die Qualifikation des Verhaltens<br />

des Besitzers als redlich oder<br />

unredlich immer von den Umständen<br />

des konkreten Falls abhängt.<br />

Dass im gegenständlichen Fall aus<br />

dem Grundbuch zu erkennen gewesen<br />

wäre, dass die Garage ein eigenes<br />

Wohnungseigentumsobjekt und bei<br />

der Wohnung kein Zubehör eingetragen<br />

ist, schließt die Redlichkeit nicht<br />

von vornhinein aus. Nachforschungspflichten<br />

bestehen grundsätzlich erst<br />

dann, wenn ein (indizierter) Verdacht<br />

besteht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse<br />

nicht dem Grundbuchstand<br />

entsprechen.<br />

Der Beklagte hatte zu keinem Zeitpunkt<br />

aufgezeigt, welchem Verdachtsmoment<br />

die Erwerber nachgehen hätten<br />

müssen. Darüber hinaus erachtete<br />

der OGH hinsichtlich der Feststellung<br />

des Berufungsgerichts, welches eine<br />

redliche Besitzausübung angenommen<br />

hatte, weil die Garage den jeweiligen<br />

Erwerbern übergeben wurde und diese<br />

sie exklusiv genutzt und alle Kosten getragen<br />

haben, keine Notwendigkeit der<br />

Korrektur im Einzelfall. Für die hier<br />

vorliegende uneigentliche Ersitzung<br />

nach § <strong>14</strong>77 ABGB reicht es demnach<br />

aus, dass die Garage der ersten Erwerberin<br />

im Zuge des Kaufs der Wohnung<br />

übergeben wurde und sie davon ausging,<br />

auch daran (Wohnungs-)Eigentum<br />

zu erwerben. <br />

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3./4. April 2024<br />

RUNDSCHAU Seite 21

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