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Beim Fußball gibt es wegweisende Vereine. Auch virtuell betrachtet.<br />
Dort dominiert der FC Schellhase, mit nur zwei Spielern. Das Vereinsheim<br />
steht in Nordrhein-Westfalen. Gleich nebenan von Schalke 04, in<br />
Gelsenkirchen. Ein Besuch beim FC Bayern der eSport-Szene.<br />
An der Zimmertür hängt ein Poster. „Gemeinsam stark für<br />
Deutschland“ steht darauf. Das Poster zeigt ein Foto von den<br />
„FIFA“-Twins. Sie grinsen, tragen schicke Trainingsjacken und<br />
um den Hals ihre Goldmedaillen. Das Motiv füllte nach ihrem<br />
WM-Sieg Seiten in Sportzeitschriften und hing an Bushaltestellen<br />
im ganzen Land – als Werbekampagne für einen großen<br />
PC-Hersteller. Die Sponsoren lieben Daniel und Dennis.<br />
Die Medien auch. Weil die beiden so bodenständig sind. Weil<br />
an ihnen jedes Nerd-Klischee abperlt. Weil sie so wunderbar<br />
anschaulich erklären können, um was es in ihrem Sport<br />
geht. Und weil sie solche bescheidenen Sätze sagen wie Daniel:<br />
„Andere fi nanzieren sich ihr Studium durch Nebenjobs. Wir<br />
spielen eben Computer.“<br />
DATENBANKEN ÜBER DIE TAKTIK DES GEGNERS<br />
Die Popularität hat auch ihre Nachteile: Nach dem ersten WM-<br />
Titel mussten sie so viele Auftritte absolvieren, dass sie kaum<br />
dazu kamen, mit der neuen „FIFA“-Version zu trainieren. Die<br />
folgende Saison war ein Flop. Auch mit ihrem Ansehen beim<br />
Rest der eSport-Szene ist das so eine Sache: „Es ist ein bisschen<br />
wie bei Bayern München“, meint Daniel. Sie bekommen<br />
viel Anerkennung für ihre internationalen Erfolge. Aber wenn<br />
der Gegner Schellhase heißt, entdecken selbst unterlegendste<br />
Gegner ungeahnte Kräfte. Die Kontrahenten studieren die Videos<br />
ihrer Spiele besonders genau, ihre Taktik und ihre Tricks.<br />
„Man muss schon vorher wissen, was der Gegner als nächstes<br />
macht“, sagt Daniel. Sie informieren sich über die Taktik<br />
ihrer Konkurrenten und legen kleine Datenbanken an. „Das ist<br />
mehr wie Rasenschach“, meint Dennis. Damit ihre Gegner ihr<br />
Spiel nicht so leicht voraus sehen können, trainieren Daniel<br />
und Dennis vor allem gegeneinander. Immer wieder üben sie<br />
Flankenläufe und Kopfbälle – fast alle Tore werden auf Pr<strong>of</strong>i -<br />
Niveau auf diesem Weg erzielt. Damit die Bewegungsabläufe<br />
perfekt klappen, braucht es viel Zeit. Zwei Stunden täglich<br />
trainieren sie mindestens. Vor wichtigen Turnieren auch vier<br />
Stunden. Deshalb soll mit der Pr<strong>of</strong>i spielerei am Ende des Studiums<br />
Schluss sein. Dann sind die beiden 25. In Korea, Heimatland<br />
des hochbezahlten Pr<strong>of</strong>i -eSports, enden die Karrieren<br />
der Spieler in der Regel schon mit 20. In dem Alter werden die<br />
meisten jungen Männer zum Militärdienst einberufen.<br />
DER GROSSE VORTEIl: NERVENSTÄRKE<br />
Mit ihren 22 Jahren gehören die Schellhase-Brüder zu den<br />
Routiniers. Ihr großer Vorteil: die Nervenstärke. Die fehle den<br />
meisten jungen Spielern, meint Daniel. Und bei den wichtigen<br />
Spielen entscheiden die Nerven. Wenn Fans auf der Videowand<br />
zuschauen und Stimmung machen, wenn Spannung in der Luft<br />
liegt, wie in einem richtigen Stadion während eines Endspiels.<br />
In solchen Situationen hat vor allem Dennis seine größten Momente.<br />
So wie im vergangenen Jahr, als er zum zweiten Mal im<br />
World-Cyber-Games-Finale stand. Im Video sieht man Dennis<br />
ruhig in seiner Kabine sitzen. Er lässt sich nichts anmerken,<br />
hat alles um sich ausgeblendet und wirkt fast entspannt. Am<br />
Ende nimmt er seinen Kopfhörer ab, geht zu seinem Gegner<br />
und gibt ihm artig die Hand. Erst dann lässt er alles heraus.<br />
Den ganzen Druck. Die ganze Freude. Er reißt die Arme nach<br />
oben. Der neue Weltmeister.<br />
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SCHWERPUNKT: STRATEGEN