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„Emotionen als Schlüssel zu einer glaubwürdigen KI“<br />
Dr. Gero Vierke, Sie haben Ihr Unternehmen nach eigenen<br />
Angaben nicht zuletzt deshalb gegründet, weil Sie mit dem<br />
momentanen Entwicklungsstand von KI in Video- und Computerspielen<br />
unzufrieden waren. Was hat am meisten gestört?<br />
Viele so genannte Künstliche Intelligenzen in Computerspielen<br />
verhalten sich zu <strong>of</strong>fensichtlich künstlich und zu wenig intelligent.<br />
Häufi g ist das Verhalten der Computergegner oder –mitspieler<br />
durch Scripts im Voraus festgelegt. Dadurch verhalten<br />
sie sich immer gleich und sind dementsprechend leicht zu<br />
durchschauen. Die Computergegner koordinieren sich meistens<br />
nicht untereinander und der Anspruch von vielen Spielen<br />
besteht nur in Ressourcenvorteilen der Gegner. Das heißt, die<br />
KI hat zum Beispiel Zugriff auf mehr Geld oder Rohst<strong>of</strong>fe als<br />
der Spieler, ist ihm jedoch spielerisch eigentlich nicht gewachsen.<br />
Die Storylines sind meist linear. Weder das Verhalten der<br />
Bots noch der Spielablauf als Ganzes sind dynamisch, so dass<br />
es sich bei vielen Spielen nicht lohnt, sie ein zweites Mal zu<br />
spielen, wenn sie einmal durchgespielt sind.<br />
Eine Ihrer wichtigsten Innovationen sind Bots und Agenten,<br />
die emotional und nicht nur rational agieren. Wie wird das<br />
erreicht? Warum ist es wichtig für die Erfahrung des Spielers?<br />
Die Bots haben natürlich keine Emotionen. Sie tun nur so. Sie<br />
verhalten sich nicht immer rational, sondern werden auch von<br />
irrationalen Parametern gesteuert, etwa von Zuneigung oder<br />
Aggressivität. Werden diese fest vorgegeben, sind es sozusagen<br />
Charaktereigenschaften. Ein Bot mit einer hohen Grundaggressivität<br />
sucht meistens die Konfrontation, selbst wenn<br />
es nicht vernünftig ist. Variable irrationale Parameter entsprechen<br />
dann den Emotionen. Wenn etwa ein Spieler einem Bot<br />
wiederholt etwas Gutes tut, fängt der Bot vielleicht an, ihn zu<br />
mögen und ihn zu unterstützen. Ein gewisses Zufallselement<br />
ist auch notwendig, so dass das Verhalten der KI zwar mit<br />
Emotionen erklärbar aber nicht vorhersehbar ist. Spielen ist<br />
nun mal ein emotionaler Prozess. Der Spieler will Spaß haben,<br />
sich abreagieren und mit anderen in den Wettbewerb treten.<br />
Wenn die KI diese Emotionen nicht erwidert, sondern das Spiel<br />
nur als mathematisches Optimierungsproblem betrachtet und<br />
sich dementsprechend rein rational verhält, wird der Spielspaß<br />
des Spielers gestört. Deshalb muss die KI so tun, als hätte sie<br />
Emotionen.<br />
Was hat sich in den letzten Jahren in der KI-Forschung geändert?<br />
Gab es eine bahnbrechende Neuerung, die alles verändert<br />
hat? Steht eine an?<br />
Eine grundsätzliche Neuerung sehe ich da eigentlich nicht. Da<br />
jedoch in den allermeisten Fällen die KI in Spielen der Forschung<br />
um mindestens zehn Jahren hinterherhinkt, ist bei der<br />
Entwicklung noch viel Raum für Neuerungen. Es steht immer<br />
mehr Rechenleistung, Speicherplatz und Netzwerkbandbreite<br />
zur Verfügung. Dadurch wird es möglich, komplexe und ressourcenintensive<br />
Algorithmen auch auf „normalen“ Rechnern<br />
zu realisieren. Es ist sogar möglich, komplexe KI-Architekturen<br />
zu realisieren, also unterschiedlichste Verfahren wie reaktives<br />
Verhalten, rational geplantes Vorgehen, Teamplay, Emotionen<br />
sowie Lernverfahren zu integrieren. Auf diese Weise werden<br />
die Bots menschenähnlicher und letztendlich glaubwürdiger.<br />
Was sind die größten Herausforderungen beim Arbeiten an der<br />
Engine?<br />
Die größte Herausforderung besteht darin, mit den knappen<br />
Ressourcen Speicherplatz und Rechenzeit auszukommen.<br />
Wenn viele Bots in intelligenter Weise gesteuert werden müssen<br />
und gleichzeitig eine aufwendige Grafi k den Hauptteil der<br />
Rechenleistung beansprucht, muss die KI sehr sorgfältig auf<br />
Performanz optimiert werden.<br />
Besteht nicht auch die Gefahr, dass Spiele durch zu smarte<br />
Gegner zu schwierig werden?<br />
Es ist weitaus leichter, eine gute KI auszubremsen als eine<br />
schlechte zu verbessern. Man kann die Fähigkeiten der KI<br />
herabsetzen, indem man ihr Informationen vorenthält oder<br />
die Tiefe der Vorberechnung limitiert. Außerdem kann die KI<br />
absichtlich Fehler machen oder sich für den zweitbesten Weg<br />
entscheiden. Das macht sie wiederum menschenähnlicher und<br />
auch schwache Spieler haben eine Chance. Es geht also nicht<br />
darum, perfekte und unbesiegbare Bots zu bauen, sondern<br />
darum, den Spieler möglichst gut zu unterhalten. Und der<br />
Spieler sucht eine Herausforderung, die seinen Fähigkeiten<br />
entspricht. Wer immer gewinnt, wird bald gelangweilt. Wer<br />
immer verliert, wird frustriert. Die optimale KI passt sich an<br />
die Fähigkeiten des Spielers an, so dass der Spieler immer das<br />
Gefühl hat, einen ebenbürtigen Gegner zu haben.<br />
Wie lässt sich der Informationsstand von Bots und Agenten<br />
regulieren, um unfaire Vorteile gegenüber dem Spieler zu<br />
vermeiden?<br />
Man kann die Agenten von der Game-Engine abkoppeln und<br />
nur dieselben Informationen zur Verfügung stellen, die auch<br />
der Spieler hat. Die Agenten erhalten ihre Informationen über<br />
Sensoren (Sicht, Geräusche, Gerüche), die den menschlichen<br />
Sinnen entsprechen und die unterschiedlich fein eingestellt<br />
werden können. So werden Reichweite und Präzision des<br />
Informationsfl usses kontrolliert. Die Sensoren können auch<br />
während des Spielgeschehens beeinfl usst werden. Beispielsweise<br />
kann der Sichtsensor eines Agenten der in dichten Nebel<br />
gerät eingeschränkt werden.<br />
Das Gespräch führte Hias Wrba.<br />
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STORIES: KÜNSTLICHE INTELLIGENZ