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pdf Seite 65–117 - terramare - Archäologische Dienstleistungen

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die bis auf eine Ausnahme nahezu senkrecht stehen.<br />

Die Balken sind grob vierkantig zugerichtet,<br />

nur vereinzelte Exemplare sind vollständig<br />

überarbeitet oder lassen gar keine Bearbeitung<br />

erkennen. Die Erhaltung ist überwiegend gut,<br />

lediglich die Balkenköpfe sind in einzelnen Fällen<br />

nach oben verjüngt und rundlich verwittert,<br />

während andere durch den annähernd planen<br />

Abschluss noch die Spuren vom Abriss der<br />

Brücke von 1882 erkennen lassen. Die mittlere<br />

Balkenstärke (Kantenlänge oder Durchmesser)<br />

beträgt 19,12 cm und liegt nahe an dem Modal-<br />

und dem Medianwert von jeweils 20 cm.<br />

Die mittlere Abweichung vom genannten Mittelwert<br />

beträgt 5 cm. Die Pfeiler sind demnach<br />

zwar nicht normiert, aber doch sehr gleichmäßig<br />

gearbeitet.<br />

Einen guten Vergleich stellen vermutlich die<br />

Pfähle der Böschungsbefestigung an der Zollbrücke<br />

dar, die 2000/2001 bei Sanierungsarbeiten<br />

gezogen wurden. Von diesen Pfählen sind<br />

21 zu einem Kunstwerk arrangiert, das zwischen<br />

dem Max-Plank-Institut in Magdeburg und der<br />

benachbarten Jerusalembrücke über die Elbe betrachtet<br />

werden kann. Die Pfähle sind, wie die<br />

Brückenpfosten, grob zugerichtet und weisen einen<br />

annähernd viereckigen Querschnitt von ca.<br />

25 cm auf. Die maximale Länge liegt bei 4 m,<br />

soll ursprünglich aber bis zu 5 m betragen haben.<br />

Ein wesentliches Detail sind die aus jeweils<br />

vier Eisenbändern geschmiedeten, spitz zulaufenden<br />

Pfahlschuhe, die, mit eisernen Nägeln an<br />

der Basis befestigt, das Einrammen der Pfosten<br />

belegen. Die Eichenbalken weisen ca. 250 Jahrringe<br />

auf und wurden um 1750 gefällt (freundl.<br />

mündl. Mitt. Dr. Th. Gatzky, Magdeburg).<br />

Die Pfosten der Brücke gruppieren sich in vier<br />

Felder von 29, 55, 30 und 10 Stück, die mit<br />

Abständen von 11 m bis 14 m vom östlichen<br />

Ufer bis zur Mitte des Flussarmes reichen. Die<br />

Breite der Felder liegt zwischen 1 m und 2 m<br />

bei einer gleichfalls variablen Länge von bis zu<br />

17 m. Im Detail sind nur vage Pfostenreihen<br />

über die gesamte Länge eines Feldes zu erkennen,<br />

so dass zahlreiche Reparaturen belegt sind.<br />

Mit der Verdopplung der Felderbreite von 1 m<br />

auf 2 m ist zudem mit dem Neubau mindestens<br />

eines Pfeilers neben seinem Vorgänger zu rechnen.<br />

Gegebenenfalls deutet sich hierin aber auch<br />

ein vollständiger Neubau der gesamten Brücke<br />

an, wofür die leicht veränderten Fluchten der<br />

Pfostenreihen im ersten und zweiten Pfahlfeld<br />

sprechen. Die Ausrichtung beträgt im einen Fall<br />

etwa 111°, im anderen etwa 98°, gemessen von<br />

Norden im Uhrzeigersinn. Da die Ausrichtung<br />

sich stets nach der Strömung gerichtet haben<br />

Die „Lange Brücke“ in Magdeburg<br />

Befund-Nr. Labor-Nr. Holzart Beginn Ende Fälldatum<br />

170 49341 Eiche 1619 1666 1686<br />

149 49342 Eiche 1669 1756 1776<br />

– 1792 Eiche 1614 1806 1826<br />

Abb. 1: Die Ergebnisse dendrochronologischer Untersuchungen an drei Pfosten<br />

der Brückenkonstruktion (schriftliche Mitteilung K.-U. Heussner [Berlin],<br />

mündliche Mitteilung T. Weber [Magdeburg]).<br />

wird, kann dies als Hinweis auf einen Neubau<br />

und einen veränderten Flusslauf gewertet werden.<br />

Die naturwissenschaftliche Datierung anhand<br />

der geborgenen Holzproben ergab Fälldaten<br />

um/nach 1686 und um/nach 1776 (Abb. 1).<br />

Diese Daten sind um eine früher entnommene<br />

Probe mit einem Fälldatum um/nach 1826 zu<br />

ergänzen. Damit ergibt sich eine unregelmäßige<br />

Datenreihe über alle Jahrhunderte der Bestandszeit<br />

bis zum systematischen Abriss der Brücke<br />

nach dem vollendeten Neubau der heutigen<br />

Anna-Ebert-Brücke im Jahr 1882.<br />

Historische Quellen<br />

Für die Datierung und die Interpretation des archäologischen<br />

Befundes können zahlreiche historische<br />

Quellen herangezogen werden. Vorrangig<br />

ist der Kostenvoranschlag des Magdeburger<br />

Bürgermeisters Otto von Guericke zu nennen,<br />

der 1632, als Ingenieur in schwedischen Dienst<br />

genommen, den Auftrag für eine grundlegende<br />

Vermessung der Stadt und den Wiederaufbau<br />

der Festungswerke und Brücken erhielt (Abb.<br />

2. Stadtarchiv MD Lit. V, Nr. 22 [zitiert nach<br />

Hoffmann 1850, 201, Anm. 1]). Die Lohnkosten<br />

für 2 Meister, 10 Gesellen und 10 Tagelöhner<br />

werden pro Tag mit 5,5 Talern, die Bauzeit<br />

mit mindestens einem Jahr angegeben und die<br />

gesamten Kosten mit 5515 Talern veranschlagt<br />

(Stadtarchiv MD Lit. B, Nr. 219 [zitiert nach<br />

Hoffmann 1850, 201, Anm. 1]). Bei 300 Arbeitstagen<br />

im Jahr ergeben sich Lohnkosten<br />

von 1650 Talern, die verbleibenden 3865 Taler<br />

wurden vermutlich für Baumaterial, Werkzeug,<br />

Transport- und Lagerkosten, Bootsmiete und<br />

vermutlich Planungskosten für Guericke selbst<br />

veranschlagt.<br />

Für die Ausführung der Brücke sind gleichermaßen<br />

präzise Angaben bekannt. Sie sollte aus 24<br />

gedoppelten Jochen gebildet werden, die jeweils<br />

aus 23 mit Eisenschuhen bewehrten Eichenpfählen<br />

von 13,8 bis 15 m Länge bestehen. Die Pfähle<br />

sollten in drei Reihen gesetzt und mit drei eisernen<br />

Bolzen verbunden werden. Die gedoppel-<br />

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