FORSCHUNGSSTELLE OSTEUROPA BREMEN
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Kurskorrektur bei der Einschätzung der jungen polnischen Prosa." Für ihn kristallisieren<br />
sich in dem breiten Spektrum der Neuerscheinungen vor allem vier Texte<br />
heraus: End & Fin Company (Krzysztof Bielecki), Narracje (Tornasz Sektas), Miasto<br />
twarzy (Jan Witold Suliga) und Oko (Zbigniew Batko).<br />
An ihnen lasse sich die Karriere einer postmodernen polnischen Prosa ableiten, die<br />
bereits fünfzehn Jahre dauere." Das diffuse postmoderne Paradigma habe sich seit<br />
Beginn der achtziger Jahren in literaturwissenschaftlichen, publizistischen und kultursoziologischen<br />
Fachbereichen entfaltet. Vier wesentliche Textverfahren seien hervorzuheben:<br />
die Autoreflexion der Protagonisten, die Generierung der Textsubjekte<br />
während des Schreibprozesses, die Darstellung der Textwelt mit Hilfe von diskursiven<br />
Mitteln auf verschiedenen Textebenen, der ständige Austausch von Teiltexten<br />
und die Verschiebung von isolierten Syntagmen in andere Textabschnitte.'?<br />
Ein wichtiges Forum für solche Erzählforrnen bildete in den späten achtziger Jahren<br />
die damals noch inoffizielle Zeitschrift brul.ion. Sie wurde die publizistische Heimstätte<br />
für einige der oben genannten Autorinnen. Seit Beginn der neunziger Jahre<br />
hat sich die Bühne, auf der die bunte Schar der "Postmodernen" ihre Literatur zelebriert,<br />
beträchtlich erweitert. Mit der Gründung von Kresy (Lublin), Czas kultury<br />
(Posen), Tytul (Gdansk/Danzig), Ogrod (Warschau), Nowy Nurt (Posen) und Fa-Art<br />
(Warschau) hat sich die Kultur- und Literaturszenerie auch dezentralisiert. Flankiert<br />
von der altbewährten Warschauer Literaturzeitschrift Tworczosc und dem theoretischen<br />
Fachblatt Teksty dtugie+, das sich vor allem mit dem 20. Jahrhundert beschäftigt,<br />
hat die literarische Kommunikation im postkommunistischen Polen vielfaltigere<br />
Formen angenommen. Auffällig ist dabei, daß im Umkreis der genannten Zeitschriften<br />
noch keine literarischen Gruppierungen entstanden sind, obwohl die polnische<br />
Literaturlandschaft der Nachkriegszeit bis zu Beginn der achtziger Jahre durch eine<br />
Reihe von professionellen Literaturkreisen gekennzeichnet war. 32 Ist dieses Phänomen<br />
darauf zurückzuführen, daß die Zeit der programmatischen Erklärungen und<br />
ästhetischen Profilsuche vorbei ist? Oder erweisen sich der härter gewordene Konkurrenzkampf<br />
um den Platz in den Spalten der eben entstandenen Literaturzeitschriften<br />
bzw. die erste Buchveröffentlichung als Hindernis auf dem Wege zu einer<br />
offeneren literarischen Kommunikation? Die auf Auswege aus ihrer schwierigen materiellen<br />
Lage drängenden jungen Autoren haben in den neunziger Jahre bei ihrer<br />
literarischen Themensuche erste Erfolge zu verzeichnen. Nicht zuletzt unter der<br />
Einwirkung des politischen Umbruchs, der eine weitgehende Dezentralisierung in<br />
der polnischen Kulturlandschaft brachte, bemühen sie sich um die Aufarbeitung von<br />
Geschichte unter regionalen Blickwinkeln.<br />
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Unilowski, Krzysztof: ° potrzebie rewizji, in: Kresy (1991) Nr. 1 (21), 188f.<br />
Der Begriff postmoderne bzw. postmodemistische Literatur (in der Fachdiskussion werden beide<br />
Adejktiva verwendet) taucht seit den frühen achtziger Jahren im Zusamamenhang mit der<br />
editorischen Tätigkeit von Henryk Bereza in der Redaktion von "Tworczosc" auf.<br />
,,0 potrzebie rewizji", loc.cit., 189.<br />
Die Nachfolgezeitschrift der bekannten "Teksty" aus den siebziger und frühen achtziger Jahre.<br />
Vgl. dazu Glebicka, Ewa: Grupy literackie w Polsee 1945-1980, Warschau 1983. - Außerdem<br />
Fleischer, Michael: Die polnische Lyrik nach 1945, Essen 1986.