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FORSCHUNGSSTELLE OSTEUROPA BREMEN

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"unverzichtbaren Voraussetzungen des modemen Denkens", die Octavio Paz in dem<br />

Begriff 'Sehnsucht nach der wahren Präsenz' gebündelt habe.!?" Gegen die<br />

"Bestimmung des Seins als Präsenz" richtete sich Jacques Derridas Kritik an der diesem<br />

Begriff innewohnenden Metaphysik.!" Es handele sich dabei um ein<br />

"flüchtigets), transitorischeis), sich selbst nie präsente(s) Sein", in dem sich sowohl<br />

die besondere Erfahrung eines Ichs manifestiere, "das sich als Funktion der Sprache<br />

zu thematisieren versteht" 172, als auch die alltägliche Erfahrung geworden sei, die<br />

nicht mehr zum Bestandteil der ästhetischen Modeme gehöre. Dieses Erfahrungspotential<br />

widerspiegele sich in einem postmodernen Einstellungswandel, in dem das<br />

durch die Macht des Systems kolonialisierte Subjekt seine Kreativität unter völlig<br />

neuen Bedingungen entfalten müßte.<br />

Auf dem Hintergrund der hier explizierten Aporien der westlichen Literaturkritik ist<br />

das Textsubjekt in der sich herausbildenden polnischen postmodernen Prosa einer<br />

doppelten Belastungsprobe ausgesetzt. Potentiell stehen ihm bei deren Bewältigung<br />

mehrere narrative Möglichkeiten zur Verfügung. In der fiktionalen Auseinandersetzung<br />

mit der mythegraphischen und geschichtlich orientierten Prosa der mittleren<br />

und älteren Generation (Adam Zagajewski, Stefan Chwin, Piotr Szewc, Jaroslaw Marek<br />

Rymkiewicz, Andrzej Kusniewicz, Julian Stryjkowski u.a.) spielt es mit dem Vorschein<br />

einer Authentizität, die das auktoriale Ich in die Handlung einbezieht und<br />

ihm undankbarerweise aber eine karnevaleske Rolle zuschanzt. Die dabei zum Zuge<br />

kommenden erzählerischen Strategien knüpfen an das Repertoire der westlichen<br />

Postmoderne an. Es handelt sich, wie zum Beispiel bei Andrzej Bieleckis End&Fin<br />

Company (vgl. Kapitel Ill), um autothematische und dekonstruktivistische Verfahren,<br />

in deren Verlauf das Subjekt sich immer wieder mit seiner Funktion im Erzählgefüge<br />

auseinandersetzt. Dabei demontiert es sowohl seine eigene Position als auch die<br />

des auktorialen Ichs. Ergebnis der Autothernatisierung der im Text entfalteten Handlungsstrategien<br />

ist eine Kompensation. Der "Roman" wird mit solch abstrakten Begriffen<br />

wie 'Revolution'. 'Zeit', 'Kosmos', 'Raum' aufgeladen, deren semiotische<br />

Dimension insofern nur eingeschränkt zur Entfaltung kommt, als die im Text mit<br />

Bedeutung aufgeladenen Zeichen immer wieder ihre Relevanz aufgeben. Sie bewegen<br />

sich in den Übergangszonen zwischen dem Verweis auf die objekthafte Welt<br />

und einer im Text inszenierten Narrativität, zu deren Verfahren es gehört, mögliche<br />

Welten hervorzubringen.<br />

Was in den erzählenden Texten der Abschnitte III bis VI ein auffälliges Merkmal<br />

der Sujetbildung ist, erregte in der poststrukturalistischen Literaturwissenschaft seit<br />

geraumer Zeit eine nicht geringe Aufmerksamkeit. Wie Umberto EC0 173 unter Ver-<br />

170 Zit. nach Habermas, Jürgen: Die Modeme - ein unvollendetes Projekt. In: ders.: Kleine politische<br />

Schriften I-IV. Frankfurt/. 1981, 447, unter Verweis auf Schütze: Aporien ..., loc.cit.,<br />

218.<br />

1i 1 Vgl. Derrida, Jacques: Die Struktur, das Zeichen und das Spiel im Diskurs der Wissenschaften<br />

vom Menschen, in: ders.: Die Schrift und die Differenz, Frankfurt/M. 1976, 424, unter<br />

Verweis auf Schütze: Aporien ... , loc.cit., 218.<br />

172 Zit. naeh Schütze: Aporien ..., loe.eit., 214.<br />

173 Die Grenzen der Interpretation". Aus dem Italienischen von Günther Memmert, München<br />

1992, dort vor allem S. 256-281.<br />

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