FORSCHUNGSSTELLE OSTEUROPA BREMEN
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In Goerkes epigrammartigen Kurzerzählungen, in denen die syntagmatische Achse<br />
zugunsten von paradigmatisch angeordneten Textaussagefeldern verschoben ist, werden<br />
sehr oft Metaphem durch Objektbezeichnungen ausgetauscht, ohne daß die an<br />
dem Tausch Beteiligten ihre Verwunderung darüber äußern ... Im Gegenteil, die im<br />
Text explizit genannten Figuren gehen mit ihren besprochenen Objekten so um, als<br />
ob die wenn/dann-Kausalität ausgeschaltet wird. Der Verlust der Quasi-Kausalität<br />
wird im Text durch das Einschieben von Handlungsmomenten (naturhafte Abläufe,<br />
Stimmen aus dem Off, innere Monologe, die die intendierten Handlungen der Protagonisten<br />
in Frage stellen) kompensiert. Die sich wiederholenden Begriffe im Kontext<br />
von angedeuteten Handlungen verweisen auf die Mechanik von alltäglichen<br />
Verrichtungen, die nicht realisiert werden. Auf der kulturologischen Ebene findet<br />
dabei ein ständiger Austausch von Wertbezeichnungen statt. Die in diesem Prozeß<br />
genannten Gegenstände, Symbole, Symbolträger u.a. werden .iuf die Kreisbahn des<br />
Welttheaters geschickt. In diesem globalen Theater haben sich skurrile Figuren versammelt.<br />
Der Politiker Boris (impliziter Verweis auf den russischen Politiker Jelzin),<br />
der mit seinem Minister für Etiquette und seiner Ehefrau Lisa die englischsprachigen<br />
Begrüßungsformeln für den Besuch der Königin Elisabeth übt, wobei er über die<br />
einfachsten grammatisch-syntaktischen Formen stolpert: der Erstbesteiger des Mount<br />
Everest nebst Sherpa Tensing. Sie unterhalten sich über den Zustand der Schmerzlosigkeit<br />
und entwickeln eine Philosophie des Zähneputzens; iranische Männerfiguren<br />
um Schah Reza Pahlewi, die sich im Traum der Erzählerin auf eine Jagd begeben;<br />
Safari-Touristen auf der gelenkten Suche nach einer Tierart, die die Bezeichnung<br />
'prety' trägt; der geheimnisvolle Chrystian Pst, der sich lautlos durch das Leben bewegt<br />
und "sich niemals nach irgendetwas sehnrw-. Diese absolute Feststellung<br />
schränkt der Text aber insofern wieder ein, als er von der "einzigen Freundin Chrystian<br />
Psts" zu berichten weiß. Es ist eine gewisse Anna M., die ihn jedoch nur selten<br />
besucht. Zum Austausch von Liebesbekundungen kommt es jedoch zwischen beiden<br />
nicht, da Anna alles schon erlebt hat und Chrystian sehr sparsam im Umgang mit<br />
Worten ist. Er beschränkt sich auf eine rätselhafte Botschaft. Sie setzt sich aus drei<br />
Bestandteilen zusammen, die am Ende einer Schnur befestigt sind: Traum über die<br />
Richtung, Traum über das Ziel und Traum über den Traum, so lauten sie. Weitere<br />
Erläuterungen über den Inhalt der Botschaft wie auch deren Zweck bleiben auch in<br />
dieser "Erzählung" ausgespart.<br />
VII. Postmoderne narrative Muster in der polnischen Prosa der neunziger Jahre<br />
Die dargestellten Inhalte in den vier Erzählbänden aus der polnischen Prosapalette<br />
der späten achtziger und des ersten Jahrfünfts der neunziger Jahre verweisen auf einen<br />
Teilzustand einer nationalen Literatur, die mit einer Reihe von obsoleten<br />
Merkmalen europäischer Kultur abrechnen will. Sie lebt mit dem Bewußtsein der<br />
Existenz auf einer narrativen Abfallhalde, auf der Geschichten (als endliche Abfolge<br />
von Ereignissen) sich als längst erzählte erweisen und auftretende Formelemente nur<br />
noch in ihrer sekundären Funktion (als Metakonstrukte) erzählerische Impulse anbieten.<br />
In der polnischen Prosa der späten siebziger Jahre hatte Tadeusz Konwicki<br />
163 Loc.cit., 141.<br />
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