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FORSCHUNGSSTELLE OSTEUROPA BREMEN

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1. 2. Die Schaffung literarischer Mdrkte<br />

Die Hinwendung zur Kulturgeschichte unter dem Aspekt ihrer Regionalität» hat in<br />

einer Reihe von Prosa-Subgattungen (Tagebücher, Briefe, Essays, Autobiographien)<br />

zu einem erstaunlichen Anstieg der verlegten Titel geführt. Bevor wir diese Strömung<br />

auf der polnischen Literaturlandkarte der neunziger Jahre ausführlicher beschreiben,<br />

soll ein wertender Blick auf eben entstandene Verlage und deren Produktions- und<br />

Vertriebsstrategien die Chancen für die Veröffentlichung von Prosaliteratur verdeutlichen.<br />

Nach der Umstrukturierung der polnischen Staatsverlage und der Entstehung von<br />

Privatverlagen, ein schwieriger Prozeß>, der in beiden Bereichen auch im belletristischen<br />

Sektor zu einer branchenbedingten Profilierung geführt hat, gilt seit über fünf<br />

Jahren das marktwirtschaftliche Prinzip der Kosten-Nutzen-Rechnung. In der Regel<br />

hat es eine Handlungsmaxime zu Folge: welcher Buchtitel aufgelegt werden, hängt<br />

von dem jeweiligen "Marktwert" seiner Verfasser ab. Wer sich aufgrund von nachgewiesenen<br />

literarischen Fähigkeiten trotzdem auf dem engen nationalen Markt<br />

durchsetzen will, ist von finanziellen Starthilfen (Kulturfonds, Stiftungen, private<br />

Sponsoren) und von der Risikobereitschaft engagierter Verleger abhängig, die mit<br />

Hilfe aufsehenerregender Titel ein besonderes Verlagsprofil kreieren wollen. Auf<br />

dem sich etablierenden polnischen Büchermarkt hat infolge der Verlagerung des<br />

Konsumenteninteresses vom gedruckten Text hin zum bewegten Bild die gezielte<br />

Suche nach Leserprofilen begonnen. Es gilt nunmehr, die an traditionelle belletristische<br />

Kost gewöhnten Leserschichten (ein hoher Prozentsatz unter ihnen ist über 45<br />

Jahre) meist mit Angeboten der polnischen Exilliteratur zu locken. Jüngere Leser<br />

hingegen, die vorwiegend über das Bild zur Information stoßen, sollen mit medialen<br />

Mitteln verführt werden. Sie sind in der Zwischenzeit das professionelle Rüstzeug<br />

des polnischen Buchhandels geworden: grelle Buchaufmachung, markige Werbesprüche<br />

und spektakuläre Fernsehauftritte neuer "Literaturstars". Solche amerikanischen<br />

Werbestrategien haben in der polnischen Verlagslandschaft der mittneunziger<br />

Jahre ein überraschend breites Spektrum an erzählerischen Genres gefördert. Es<br />

enthält neben einer umfangreichen Palette übersetzter Titel aus den Katalogen angloamerikanischer<br />

Verlagsgiganten (sex-and-crime stories, science fiction, love stories,<br />

encyclopaedia) auch eine wachsende Zahl von polnischen Büchern, die von mittleren<br />

und kleineren Verlagsagenturen mit strengem literarischen Profil ediert werden.<br />

Sie setzten ihre Hoffnung auf das große Nachholbedürfnis an Literatur, die die alten<br />

Staatsverlage entweder aus kulturpolitischen Erwägungen nicht auflegen durfte oder<br />

jahrzehntelang überhaupt nicht mehr in irgendwelchen Verlagsprogrammen aufgetaucht<br />

war. Es handelte sich dabei um Titel, die einige Untergrundverlage in den<br />

siebziger und achtziger Jahren in geringen Auflagen einem eingeschränkten Leserkreis<br />

zugänglich machen konnte. Die Verfasser der dokumentarischen und belletri-<br />

33 Vgl. dazu die schnell anwachsende Anzahl von fiktionalen und nichtfiktionalen Texten in<br />

den späten achtziger und frühen neunziger Jahren zu den Bereichen 'östliche Grenzlandkultureri'<br />

(Kresy), zu den Masuren und den Errnsländern, der deutschen, ukrainischen, litauischen<br />

und weißrussischen Minderheit in Polen wie auch zur Renaissance der aus dem Deutschen<br />

übersetzten belletristischen Titel zur nieder- und oberschlesischen Siedlungsgeschichte.<br />

34 Vgl."Kultur im Umbruch. Polen. Tschechoslowakei. Sowjetunion" (Hg.) Forschungsstelle<br />

Osteuropa. Bremen 1992. Dort unter 'Polen', 34-40.<br />

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