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Werkstattpraxis Management
Die GVO in der Anwendung
Freie Wahl für
freie Autofahrer
Viele Werkstätten haben einen festen und langjährigen Kundenstamm,
und auch viele Autofahrer haben eine Stammwerkstatt.
Was passiert nun, wenn sich der Autofahrer einen neuen
fahrbaren Untersatz kauft? blinklicht fragte bei Marcus Sacré
nach, Partner von Osborne und Clarke und bekannt für seine
Beratungs- und Prozesstätigkeit für den Teilehandel, den Fachverband
(GVA) und die Teileindustrie.
Will ein Verbraucher sein Neufahrzeug innerhalb
der zweijährigen gesetzlichen
Sachmangelhaftungsfrist oder innerhalb
der vom Hersteller gegebenen Neufahrzeuggarantie
reparieren oder warten lassen,
so hat er die freie Wahl, ob er hierzu
entweder die Vertragswerkstatt des entsprechenden
Herstellers oder eine freie
Kfz-Werkstatt aufsucht. Dies hat die Europäische
Kommission im Zusammenhang
mit der Kfz GVO 1400/2002 für den
Kraftfahrzeugsektor festgelegt (Frage 37
des sogenannten Leitfadens zur GVO).
Dementsprechend stellt eine Verknüpfung
der Sachmangelhaftung des Verkäufers
oder der freiwilligen Herstellergarantie
an den Besuch von Vertragswerkstätten
einen Verstoß gegen europäisches
Kartellrecht (Art. 81 EG) dar. Dies
gilt für alle innerhalb der Europäischen
Union verkauften Neufahrzeuge, also inklusive
sogenannter EU-Reimporte.
Leasing wird anders behandelt
Dagegen sind in Bezug auf Leasing-
Fahrzeuge entsprechende Klauseln wirksam,
da es hier nicht um den Kauf eines
Fahrzeugs geht und der Leasinggeber
über die Behandlung seines Fahrzeugs
bestimmen kann.
Bei der Wartung und Reparatur müssen
die freien Werkstätten allerdings die aktuellen
Wartungspläne und die modellspezifischen
Inspektionspläne der Hersteller
verwenden.
Anderslautende Garantie- oder Gewährleistungsbedingungen
sind dementsprechend
im Neufahrzeugbereich unzulässig
und auch in der aktuellen Praxis so gut
wie unbekannt. Häufig denkt der Verbraucher
jedoch, die Herstellergarantie
stehe unter einer solchen Bedingung,
was aber durch einen Blick in die Garantiebedingungen
regelmäßig widerlegt
werden kann.
Garantie ist freiwillig
Jüngst sorgte jedoch eine Entscheidung
des Bundesgerichtshofes in Bezug auf
die Zulässigkeit einer Garantiebedingung
der Daimler-AG für Aufruhr (BGH, Urteil
vom 12.12.2007, VIII ZR 187/06). Es handelte
sich dabei um eine Durchrostungsgarantie,
nach welcher ein Rostschaden
bis zu 30 Jahre nach dem Erwerb kostenfrei
repariert werden sollte, wenn der
Käufer das Fahrzeug ab dem 5. Jahr
nach Erstauslieferung in regelmäßigen
Abständen in Mercedes-Benz-Werkstätten
warten ließ.
Dem Kläger, der einen Gebrauchtwagen
der Daimler-AG erworben hatte, wurde
die kostenlose Reparatur eines Rostschadens
mit Hinweis darauf verwehrt,
dass er die Wartungsarbeiten von einem
anderen Kfz-Meisterbetrieb hatte durchführen
lassen. Das Gericht prüfte daher,
ob diese Garantiebedingung den Verbraucher
unangemessen benachteiligt
und verneinte dies. Der Abschluss der
Garantie sei für beide Seiten freiwillig.
Die Verweisung des Kunden auf die Vertragswerkstätten
sei als Gegenleistung
für die in diesem Fall besonders langjährige
Gewährung der Garantie anzu-
sehen.
Widerspruch?
Auf den ersten Blick scheint sich der
BGH durch die Entscheidung in Widerspruch
zu der Rechtsauffassung der
Kommission zu begeben. Allerdings wird
bei näherem Hinsehen deutlich, dass
sich schon der Sachverhalt in wesentlichen
Punkten von der Situation bei
Neufahrzeuggarantien unterscheidet. Die
Durchrostungsgarantie sah praktisch keine
zeitliche Begrenzung vor, während die
von den Automobilherstellern abgegebene
Neuwagen-Garantie auf wenige
Jahre begrenzt ist.
Freie Wahl ohne Rechtsverlust
Hinzu kommt, dass sich der BGH ausdrücklich
nicht mit der KfZ-GVO und
dem Kartellrecht auseinandersetzte, weil
der klagende Autofahrer dazu nichts vorgetragen
hatte. Die Entscheidung hat
dementsprechend keine Auswirkungen
auf Garantiebedingungen bei Neufahr-
zeugen.
Der Autobesitzer hat weiterhin ohne
Rechtsverlust die freie Wahl zwischen
der Vertragswerkstatt des Herstellers
und der zumeist preiswerteren Wartung
oder Reparatur in einer freien Werkstatt.
54 blinklicht 2/2008