14 Sean Scully, Ohne Titel, 4.28.97, Aquarell auf Bütten, 76 x 57,2 cm, © Sean Scully Zeichnungssammlung Bernd und Verena Klüser, München
Victor Hugo, Louise-Adolphe Soutter oder John Cage, deren grafi sche Arbeiten noch zu entdecken sind, entgingen dem Kennerblick nicht. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf der Kunst des 20. Jahrhunderts. Es ist die selbst gestellte Herausforderung, Neues kennen zu lernen und zu vertiefen, die Bernd und Verena Klüser - als Galeristen ausgewiesene Spezialisten im Bereich der modernen Kunst – weiter dazu veranlaßten, für die eigene Sammlung auch alte Kunst zu erwerben. Ihnen geht es um die Zeichnung als Medium, nicht um die historische Einordnung. Der Bezug zu heutigen modernen Ansätzen leitet den Blick auf die vorangegangenen Jahrhunderte und sucht nach Parallelen, wie an einem prominenten Beispiel deutlich wird: etwa der nervös suchenden Linie, die sich bei Palma Il Giovane genauso wie im graphischen Oeuvre Alberto Giacomettis nachverfolgen läßt. Die Zeichnung als autonomes Kunstwerk Auch die Themen verbinden historische und aktuelle Kunst, wobei es sich eher um philosophische und poetische Sentenzen handelt, als um das repräsentative Motiv oder die große Erzählung. Die Sammlungstätigkeit orientiert sich folglich nicht an Bildmotiven; relevant ist einzig die individuelle, künstlerische Umsetzung einer Bildidee in das Medium der Zeichnung. Eine grundlegende Eigenschaft der Zeichnung über die Jahrhunderte hinweg, die in dieser Sammlungsausstellung deutlich wird, ist, daß Künstler hier oftmals experimentelle Gestaltungsansätze wagen, die der Malerei oder Skulptur den Weg zu neuen Methoden weisen. Die „intime Nähe zum Arbeitsprozeß“ wird zwar erst in der aktuellen Kunst zum Programm, das Ringen um Idealform und persönlichem Stil wird jedoch bei Künstlern aller Jahrhunderte gerade in der Zeichnung offenbar. Deshalb ist das Faszinierende so vieler älterer Zeichnungen, daß sie, wie Bernd Klüser sagt, bereits vor dem Beginn der eigentlichen Moderne im 19. Jahrhundert erstaunlich modern sind. Die Zeichnung wird in dieser Sammlung als autonomes Kunstwerk begriffen, nicht als Beiwerk, etwa als Vorstufe zum elaborierten Gemälde. Sie ist eine intime, private, eine sehr persönliche Zwiesprache des Künstlers mit sich selbst, mit seiner Beobachtungsgabe, mit seinen künstlerischen Möglichkeiten und seinem technischen Können, mit seinen Ideen und Zielen, und mit einem eher zufällig in diesen Prozeß eintretenden Betrachter. „Eine Zeichnungsausstellung ist keine große Oper, sondern eher ein Kammerkonzert“, folgert Bernd Klüser. Weder spektakulär noch populistisch, lädt die Zeichnung zum ästhetischen Kunstgenuß, zum Nachdenken, zum kritischen Vergleichen und Erkenntnisgewinn ein. Opulentes Katalogwerk Zur Ausstellung erscheint im Verlag des Museums ein opulenter, zwei Bände umfassender Katalog, herausgegeben von Bernd Klüser, mit insgesamt 642 Seiten und zahlreichen Abbildungen, einem Interview mit dem Herausgeber, einem Einführungstext von Michael Semff, Leiter der Staatlichen Graphischen Sammlung München und ausführlichen Werktexten von Christian Quaeitzsch. Provenienzen und Indexe erschließen die Bände mustergültig. Der Preis von nur 50,- ist angesichts der hohen Qualität und des Umfanges der in Ganzleinen gebundenen und mit Schutzumschlägen versehenen beiden Katalogbände gering. Ein zusätzlicher großformatiger Einzelband im Softcover zum Werk Jorinde Voigts gibt hervorragend Einblick in deren humorvolle Arbeits- und Gedankenwelt, die spontan an den Federstrich Paul Floras erinnert. Der Band von 144 Seiten ist im Verlag Hatje Cantz erschienen und kostet 25,– Euro. Dr. Beate Eickhoff und Frank Becker Weitere Informationen unter: www.von-der-heydt-museum.de und www.hatjecantz.de Anton van Dyck (1599-1641), Diana und Acteon, circa 1618/20, Feder und Kreide, laviert, 9,5 x 22,3 cm, Sammlung Bernd und Verena Klüser 15