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Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

auch Sie werden es bemerkt haben: Mitleid ist in Verruf geraten.<br />

Kranke, Behinderte, Menschen, die einen schweren Schicksalsschlag erlitten<br />

haben, versichern meist vehement: ‚Wir wollen kein Mitleid‘.<br />

Vielleicht, weil dieser Begriff mittelalterliche Bilder von barmherzigen<br />

Spendern heraufdämmern lässt, die dem elenden Bettler vor der<br />

Kirchentür von der Höhe ihres Wohlergehens ihr ‚Mitleid‘ in Gestalt<br />

einer kleinen Münze hinabreichen.<br />

An die Stelle des Mitleids hat man heute die Empathie gestellt,<br />

die Fähigkeit, sich in Situation und Lage eines Anderen hineinzuversetzen.<br />

Das Fremdwort klingt sachlicher, scheint irgendwie cooler als das<br />

sentimentalitätsverdächtige Mitleid. Leider fehlt es in unsrer Gesellschaft<br />

an allen Ecken an Empathie, etwa wenn jugendliche Gewalttäter ihre<br />

wehrlosen Oper immer grausamer zurichten, oder wenn ein Mann<br />

ein Kind umbringt, weil er sich über seinen Chef geärgert hat.<br />

Der Andere, in den hineinzuversetzen Empathie ermöglichen sollte,<br />

bleibt in solchen Fällen ausgeblendet, wird zum bloßen Objekt.<br />

Aber vielleicht ist es gerade auch unsere Weigerung, in diesem Bereich Gefühle<br />

zuzulassen, vielleicht sogar die Ablehnung des Mitleids,<br />

wodurch etwas wie Empathie bei uns immer seltener wird.<br />

Denn eine auf das rein Verstandesmäßige beschränkte Empathie<br />

ist ein Papiertiger. Wo mangelnde Phantasie und Trägheit des Herzens<br />

die gefühlsmäßige Reaktion verhindern, die auf das verstandesmäßige<br />

Erfassen einer Situation erfolgen müsste, kann Empathie keine positiven<br />

Folgen haben. Was unsere Gesellschaft wieder braucht, ist Mitfühlen<br />

mit dem andern und Mitleiden – denn nicht anderes bedeutet Mitleid.<br />

Kein Almosengeben, das die Distanz zum Leidenden, zu all den Armen,<br />

Vertriebenen, Kranken und Verletzten in aller Welt und in unserer Nähe<br />

aufrechterhalten soll. Sondern Mitleiden fremder Schmerzen:<br />

‚Fac me vere tecum fl ere‘, wie es im Stabat mater heißt – ‚Lass mich<br />

wahrhaft mit dir weinen‘. Es ist nicht den Christen vorbehalten.<br />

Wir sollten es wieder zulassen – es würde unsere Welt zu einem weniger<br />

kalten Ort machen. Überall und hier.<br />

Dorothea Renckhoff<br />

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