05.01.2013 Aufrufe

Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam

Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam

Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

§ 1671 [Getrenntleben bei <strong>elterliche</strong>r <strong>Sorge</strong>]<br />

1<br />

(1) <strong>Leben</strong> <strong>Eltern</strong>, <strong>denen</strong> <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> <strong>gemeinsam</strong> zusteht, nicht nur vor-<br />

übergehend getrennt, so kann jeder <strong>Eltern</strong>teil beantragen, dass ihm das Familien-<br />

gericht <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> oder einen Teil der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> allein<br />

überträgt.<br />

(2) Dem Antrag ist stattzugeben, soweit<br />

1. der andere <strong>Eltern</strong>teil zustimmt, es sei denn, dass das Kind das vierzehnte Le-<br />

bensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht, oder<br />

2. zu erwarten ist, dass <strong>die</strong> Aufhebung der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>Sorge</strong> und <strong>die</strong> Übertragung<br />

auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.<br />

(3) Dem Antrag ist nicht stattzugeben, soweit <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> auf Grund<br />

anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.<br />

Schrifttum: Bach/Gildenast, Internationale Kindesentführung, 1999; Balloff,<br />

Beratung, Unterstützung und Mitwirkung im Scheidungsfall bei der Ausgestaltung<br />

der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> und des Umgangsrechts, ZfJ 1995, 160; ders., Methodische<br />

Grundlagen der gerichtsgebun<strong>denen</strong> Sachverständigentätigkeit in Familiensachen,<br />

FPR 1998, 207; ders., Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>, wenn jeder der beiden El-<br />

ternteile allein mit den Betreuungs-, Versorgungs- und Erziehungsaufgaben über-<br />

fordert ist, FPR 1999, 164; ders., Allgemeine Kommunikationsregeln sowie Ge-<br />

sprächstechniken mit Kindern und Jugendlichen bei strafrechtlich relevantem Hin-<br />

tergrund, FPR 2000, 3; Balloff/Walter, Gemeinsame <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> als Regel-<br />

fall? Einige theoretische und empirische Grundannahmen, FamRZ 1990, 445; Berg-<br />

mann/Gutdeutsch, Zur Anordnung der Kindesanhörung im Scheidungsverfahren ohne<br />

<strong>Sorge</strong>rechtsantrag, FamRZ 1999, 422; Born, Gemeinsames <strong>Sorge</strong>recht: Ende der "mo-<br />

dernen Zeiten"? FamRZ 2000, 396; ders., Umfangreicher Aufenthalt beim anderen<br />

<strong>Eltern</strong>teil - keine Auswirkungen auf den Barunterhalt? NJW 2007, 1859; Bruch, Das<br />

Haager Kindesentführungsabkommen – erreichte Fortschritte, künftige Herausforde-<br />

rungen, DEuFamR 1999, 90; Böhmer/ Siehr/Finger, Das gesamte Familienrecht/Das<br />

internationale Recht, fortlfd. Loseblattausgabe; Breuer, Gemeinsame Elterliche<br />

<strong>Sorge</strong> - Geltung für ausl. Staatsangehörige in Deutschland, FPR 2005, 74; Büch-<br />

ler/Cantieni/Simoni, Die Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> nach Scheidung de lege<br />

ferenda - ein Vorschlag, FAMPRAch 2007, 2007; Büdenbender, Elterliche Entschei-<br />

dungsautonomie für <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> nach geltendem Recht und nach dem Ent-<br />

wurf eines Kindschaftsrechtsreformgesetzes, AcP 197 (1997), 197; Büte, Elterli-<br />

che <strong>Sorge</strong> und Umgangsrecht Teil 1, FuR 2006, 49 und Teil 2, FuR 2006, 117;<br />

ders., Elterliche <strong>Sorge</strong> und Umgangsrecht - Entwicklung der Rechtsprechung im<br />

Jahre 2006 Teil 1, FuR 2007, 62 und Teil 2, FuR 2007, 110; Büttner, Änderungen<br />

im Familienverfahrensrecht durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz, FamRZ 1998,<br />

585; Cantieni, Gemeinsame <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> nach Scheidung, 2007; Carl/Esch-


2<br />

weiler, Kindesanhörung - Chancen und Risiken, NJW 2005, 1681; Coester, Das Kin-<br />

deswohl als Rechtsbegriff, 1983; ders., Gemeinsames <strong>Sorge</strong>recht nach Scheidung?<br />

Verfassungsrechtliche Überlegungen und internationale Erfahrungen, EuGRZ 1982,<br />

256; ders., Neue Aspekte zur <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n Verantwortung nach Trennung<br />

und Scheidung, FuR 1991, 70; ders., Die Bedeutung des Kinder- und Jugendhilfege-<br />

setzes (KJHG) für das Familienrecht, FamRZ 1991, 253; ders., <strong>Eltern</strong>recht des<br />

nichtehelichen Vaters und Adoption, FamRZ 1995, 1245; ders., <strong>Eltern</strong>autonomie und<br />

Staatsverantwortung bei der Pflege und Erziehung von Kindern, FamRZ 1996, 1181;<br />

ders. Neues Kindschaftsrecht in Deutschland, DEuFamR 1999,3; Coester-Waltjen,<br />

Einführung in <strong>die</strong> Reform des Kindschaftsrechts, JURA 1998, 436; Derleder, Die<br />

Beratung von Ehegatten im Trennungskonflikt – Überlegungen zur Struktur eheli-<br />

cher Trennungskrisen und zum erforderlichen Beratungsangebot, FPR 1998, 213;<br />

ders., Das Jahrhundert des deutschen Familienrechts, KJ 2000, 1; Dethloff, Re-<br />

form des Kindschaftsrechts, NJW 1992, 2200; Dettenborn, Die Beurteilung der Kin-<br />

deswohlgefährdung als Risikoentscheidung, FPR 2003, 293; Dickmeis, Gefahren für<br />

das Kindeswohl ehelicher Kinder, ZfJ 1991, 164; ders., Familiengerichtsbarkeit<br />

versus Familientherapie? ZfJ 1995, 55; ders., <strong>Eltern</strong>automonie und Staatsverant-<br />

wortung bei der Pflege und Erziehung von Kindern, FamRZ 1996, 1181; ders.,<br />

Strukturen des deutschen Kindschaftsrechts im Kontext der europäischen Rechts-<br />

entwicklung, ZfJ 1998, 41; ders., Neues Kindschaftsrecht in Deutschland, DEuFamR<br />

1999, 3; Diederichsen, Ehegattenunterhalt im Anschluss an <strong>die</strong> Ehescheidung nach<br />

dem 1. EheRG, NJW 1977, 353; ders., Die Reform des Kindschafts- und Beistand-<br />

schaftsrechts, NJW 1998, 1977; Ehinger, Die Regelung der elterl. <strong>Sorge</strong> bei psy-<br />

chischer Erkrankung eines <strong>Eltern</strong>teils oder beider <strong>Eltern</strong> im Überblick, FPR 2005,<br />

253; <strong>die</strong>s., Bedeutung des Streits der <strong>Eltern</strong> über <strong>die</strong> Religionszugehörigkeit ih-<br />

res Kindes im <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren, FPR 2005, 367; Enders, Elterliche <strong>Sorge</strong> im<br />

Verbund – Anwaltsgebühren, FuR 2000, 466; Fegert, Kindeswohl – Definitionsdomäne<br />

der Juristen oder der Psychologen? in: Dreizehnter Deutscher Familiengerichts-<br />

tag, Brühler Schriften zum Familienrecht, Bd. 11, 2000, S. 33; Finger, Gemeinsa-<br />

me <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> nach der Ehescheidung – eine Umfrage bei den hessischen Fa-<br />

miliengerichten, DRiZ 1985, 91; ders., Zur <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> nach<br />

der Scheidung – eine Nachfrage bei den hessischen Familiengerichten, DRiZ 1988,<br />

12; ders., § 1632 Abs. 4 BGB – Zuordnungskonflikte bei Pflegekindern, FuR 1998,<br />

37 und 80; ders., Scheinehen – Die Entschließung des Rates der Europäischen Uni-<br />

on zum Ausländerrecht, FuR 1998, 289; ders., Gutachten in gerichtlichen <strong>Sorge</strong>-<br />

und Umgangsrechtsverfahren – Erwartungen an psychologische Sachverständige, FPR<br />

1998, 224; ders., Schutz von Pflegekindern bei Zuordnungskonflikten (§ 1632 Abs.<br />

4 BGB), JR 1998, 275; ders., §§ 1626 a ff., 1672 BGB idF KindRG – verfassungs-<br />

widrig? FamRZ 2000, 1204; ders., Die <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> des nichtehelichen Vaters


3<br />

– verfassungswidrige Reform? ZfJ 2000, 183; ders., § 1684 BGB - Umgangsverweige-<br />

rung und ihre Folgen, FuR 2006, 299; Fthenakis, Kindeswohl – gesetzlicher Ans-<br />

pruch und Wirklichkeit, in: Fünfter Deutscher Familiengerichtstag, Brühler<br />

Schriften zum Familienrecht, Bd. 3, 1984, S. 33; ders., Zum Stellenwert der Bin-<br />

dungen des Kindes als sorgerechtsrelevantes Kriterium gem. § 1671 BGB, FamRZ<br />

1985, 662; ders. (Hrsg.), 5 Jahre <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> nach der Scheidung<br />

– Bericht über das Symposium in München am 3. 11. 1987 im Staatsinstitut für<br />

Frühpädagogik und Familienforschung, 1989; Fthenakis/Niesel/Kunze, Ehescheidung.<br />

Konsequenzen für <strong>Eltern</strong> und Kinder, 1982; Grandel, Zum "vereinfachten" Schei-<br />

dungsverfahren, FF 2006, 304; Gruber, Die "ausländische Rechtshängigkeit" im<br />

Scheidungsverfahren, FamRZ 1999, 1563; Gutdeutsch/Rieck, Kindesentführung im<br />

Ausland verboten – im Inland erlaubt? FamRZ 1998, 1488; Hannemann/Kunkel, Der<br />

Verfahrenspfleger - Das unbekannte Wesen, FamRZ 2004, 1833; Harnack/ Beck, Zur<br />

Mitwirkung des Jugendamtes im familienrechtlichen Verfahren – diagnostische Auf-<br />

gaben der Fachkräfte sozialer Arbeit, FPR 1998, 230; Haußleiter, Umzug des Min-<br />

derjährigen bei <strong>gemeinsam</strong>er <strong>Sorge</strong>, NJW-Spezial 2004, 151; Heiderhoff, Die Be-<br />

rücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit in Ehescheidungsverfahren, Diss.<br />

1998; Hessler, Die Berücksichtigung der Zugehörigkeit eines <strong>Eltern</strong>teils zu den<br />

Zeugen Jehovas im <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren, NJW 1997, 2930; Birgit Hoffmann, Mitwir-<br />

kung des Jugendamtes im familiengerichtlichen Verfahren und Leistungen der Ju-<br />

gendhilfe, insbes. bei <strong>Sorge</strong>rechts- und Umgangskonflikten, FF 2006, 127; Ber-<br />

thold Huber, Kindeswohl und Ausländerrecht, Arnoldshainer Texte Bd. 107, S. 47;<br />

Peter Huber, Die <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> zwischen Veränderung und Kontinuität, FamRZ<br />

1999, 1625; Jopt, Jugendhilfe und Trennungsberatung, ZfJ 1998, 286; Jopt/<br />

Behrend, Das Parental Alienation Syndrome (PAS) – Ein Zwei-Phasen-Model, ZfJ<br />

2000, 223 und 258; Kaltenborn, Die personalen Beziehungen des Scheidungskindes<br />

als sorgerechtsrelevantes Entscheidungskriterium, FamRZ 1987, 990; Kodjoe, Zum<br />

Wohle des Kindes – Je jünger, desto weniger Kontakt? ZfJ 1997, 233; Kodjoe/<br />

Koeppel, The Parental Alienation Syndrome (PAS), DAVorm. 1998, 9; Kostka, Die<br />

Begleitforschung zur Kindschaftsrechtsreform - eine kritische Betrachtung, FamRZ<br />

2004, 1924; <strong>die</strong>s., Elterliche <strong>Sorge</strong> und Umgang bei Trennung und Scheidung - un-<br />

ter besonderer Berücksichtigung der Perspektive des Kindes, FPR 2005, 89; Lempp,<br />

Die Ehescheidung und das Kind, 1976; ders., Das <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Sorge</strong>recht aus kin-<br />

derpsychiatrischer Sicht, ZfJ 1984, 305; ders., Die Bindungen des Kindes und ih-<br />

re Bedeutung für das Wohl des Kindes gem. § 1671 BGB, FamRZ 1984, 741; Limbach,<br />

Gemeinsame <strong>Sorge</strong> geschiedener <strong>Eltern</strong>, 1988; <strong>die</strong>s., Die <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Sorge</strong> geschie-<br />

dener <strong>Eltern</strong> in der Rechtspraxis – Eine Rechtstatsachenstu<strong>die</strong>, 1989; Limbrock,<br />

Das Umgangsrecht im Rahmen des Haager Kindesentführungsübereinkommens und des<br />

Europäischen <strong>Sorge</strong>rechtsübereinkommens, FamRZ 1999, 1631; Lipp, Das <strong>elterliche</strong>


4<br />

<strong>Sorge</strong>recht für das nichteheliche Kind nach dem Kindschaftsrechtsreformgesetz<br />

(KindRG), FamRZ 1998, 65; Logar, Halt der Männergewalt – Wegweisende Gesetze in<br />

Österreich, Streit 1999, 99; Aida Lorenz, Schulverweigerung, FPR 2007, 33; Mac-<br />

coby/Mnookin, Die Schwierigkeiten der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung, FamRZ 1995, 1; Mach-<br />

Hour, Deutsch-ausländische Familien im Spannungsfeld zwischen Ausländerrecht und<br />

Familienrecht, FamRZ 1998, 139; <strong>die</strong>s., Das Ausländergesetz im Licht der Kind-<br />

schaftsrechtsreform, FamRZ 2000, 1341; Magnus/Dietrich, Gemeinsame <strong>elterliche</strong><br />

<strong>Sorge</strong> nach der Scheidung – eine Erhebung beim Familiengericht Hamburg-Mitte,<br />

FamRZ 1986, 416; Menne, Der Anwalt des Kindes - Entwicklungstendenzen und Pers-<br />

pektiven im Recht der Verfahrenspflegschaft, FamRZ 2005, 1035; Motzer, Die ge-<br />

richtliche Praxis der <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung seit der Neufassung von § 1671<br />

BGB, FamRZ 1999, 1101; ders., Rechtsprechung zur Elterlichen <strong>Sorge</strong> und zum Um-<br />

gangsrecht seit 2004, FamRZ 2006, 73; ders., Die Entwicklung des Rechts der el-<br />

terlichen <strong>Sorge</strong> und des Umgangs seit 2002, FamRZ 2004, 1145; Motzer/Kugler,<br />

Kindschaftsrecht mit Auslandsbezug, 2003; Neuhaus, Gemeinsames <strong>Sorge</strong>recht nach<br />

Scheidung? FamRZ 1980, 1089; Oelkers, Die Rechtspr. zur <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> – Eine<br />

Übersicht über <strong>die</strong> letzten 5 Jahre, FamRZ 1995, 1097; ders., Das neue <strong>Sorge</strong>recht<br />

in der familienrechtlichen Praxis, FuR 1999, 349 und 413; ders., <strong>Sorge</strong>- und Um-<br />

gangsrecht in der Praxis, 2000; Oelkers/Kraeft, <strong>Sorge</strong>rechtsübertragung auf einen<br />

Zeugen Jehovas? FuR 1997, 161; Peschel-Gutzeit, Das missverstandene PSA - wie<br />

<strong>Sorge</strong>rechtsentzug und Geschwisterkoppelung das Wohl der Kinder gefährden, FPR<br />

2003, 271; Pflüger, Therapie, Beratung und Mediation – Aufgaben von Psychologen<br />

außerhalb gerichtlicher Verfahren, FPR 1998, 241; Philippi, Doppelte Schei-<br />

dungsprozesse im In- und Ausland, FamRZ 2000, 525; ders., Das Verfahren in<br />

Scheidungssachen und Folgesachen nach neuem Recht, FPR 2006, 406; ders., Tren-<br />

nung von Scheidung und Scheidungsfolgesachen nach § 628 ZPO; insbes. § 1378 Abs.<br />

2 BGB, FuR 2006, 340; Prinz zu Wied, Das Vermittlungsverfahren nach § 52 a FGG,<br />

FuR 1998, 193; Pötz-Neuburger, Ein Jahr <strong>Sorge</strong>rechtsreform: Entwicklungen und Er-<br />

fahrungen, Streit 1999, 147; Proksch, Scheidungsfolgenvermittlung (Divorce Me-<br />

diation) – ein Instrument integrierter familiengerichtlicher Hilfe – Vorschläge<br />

zu einem kooperativen Entscheidungsmodell am Beispiel der Scheidungsfolgensache<br />

"<strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong>", FamRZ 1989, 916; Raack/Raack, Homeschooling - <strong>Sorge</strong>rechts-<br />

eingriff wegen Schulpflichtverletzung aus religiösen Gründen, FF 2006, 295; Ra-<br />

baa, Kindeswohl im <strong>Eltern</strong>konflikt – Wege zur Konfliktlösung in der Familienkri-<br />

se, Diss. 1988; Recker, Der Paradigmenwechsel bei der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>, DAVorm.<br />

1996, 671; Rauscher, Gemeinsames <strong>Sorge</strong>recht nach der Scheidung – Was bewirkt das<br />

Kinder- und Jugendhilfegesetz? NJW 1991, 1087; Roth/Döring, Zur geplanten Revi-<br />

sion des Haager Minderjährigenschutzabkommens von 1961, FuR 1999, 195; Rummel,<br />

Das Kindeswohl in der Neufassung des § 1671 II 2 BGB, DAVorm. 1998, 753; Salgo,


5<br />

Der Anwalt des Kindes, 1993; ders., 10 Jahre UN-Konvention über <strong>die</strong> Rechte des<br />

Kindes – Auswirkungen am Beispiel von Art. 12, Kind-Prax 1999, 179; ders., Zwi-<br />

schenbilanz der Entwicklungstendenzen bei der Verfahrenspflegschaft für Kinder<br />

und Jugendliche, FPR 2006, 7; Salzgeber/Partale, Relevanz von Alkoholproblemen<br />

bei <strong>Sorge</strong>- und Umgangsregelungen aus psychologischer und psychiatrisch-<br />

psychologischer Sicht, FuR 1991, 324; Kristina Sauer, Verwertbarkeit eines im<br />

Betreuungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachtens im <strong>Sorge</strong>rechtserzie-<br />

hungsverfahren, FamRZ 2005, 1143; Schade/Friedrich, Die Rolle des psychologi-<br />

schen Gutachters nach Inkrafttreten des neuen KindschaftsrechtsG, FPR 1998, 237;<br />

Schellhorn, Sozialrechtliche Leistungen zur Ermöglichung des Umgangsrechts, FuR<br />

2007, 193; Schlaus, Fehlende persönliche Anhörung des Kindes durch den ausländi-<br />

schen Richter - ein Anerkennungshindernis? FPR 2006, 228; Schüller, Zum Anwalts-<br />

zwang für den Antrag auf Übertragung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>, ein un-<br />

vermutetes Problem des neuen Kindschaftsverfahrensrechts, FamRZ 1998, 1287; Die-<br />

ter Schwab, Kindschaftsrechtsreform und notarielle Vertragsgestaltung, DNotZ<br />

1998, 437; ders., Elterliche <strong>Sorge</strong> bei Trennung und Scheidung der <strong>Eltern</strong> – Die<br />

Neuregelung des Kindschaftsrechtsreformgesetzes, FamRZ 1998, 457; ders., Einget-<br />

ragene <strong>Leben</strong>spartnerschaft – Ein Überblick, FamRZ 2001, 385; Schwab/Wagenitz,<br />

Einführung in das neue Kindschaftsrecht, FamRZ 1997, 1377; Siehr, Die Rechtslage<br />

der Minderjährigen im internationalen Recht und <strong>die</strong> Entwicklung in <strong>die</strong>sem Be-<br />

reich – zur Revision des Haager Minderjährigenschutzabkommens, FamRZ 1996,<br />

1047; Söhnen, Die Cochemer Praxis in Umgangs- und <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren, ZfE<br />

2005, 340; Söpper, Rechtsprechungsübersicht zur Vergütung des Verfahrenspfle-<br />

gers, FamRZ 2002, 1535; Steindorff-Classen, Das subjektive Recht des Kindes auf<br />

seinen Anwalt, 1998; Veit, Die <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Sorge</strong> wider Willen, FS Schwab, S. 947;<br />

Vogel, Ausgewählte Probleme aus dem Recht der elterl. <strong>Sorge</strong> bei getrennt leben-<br />

den <strong>Eltern</strong>, FPR 2005, 65; Weychardt, Die familienrechtliche Regelung der elter-<br />

lichen Verantwortung, ZfJ 1999, 268 und 326; Wiesner, Konsequenzen der Reform<br />

des Kindschaftsrechts für <strong>die</strong> Jugendhilfe, ZfJ 1997, 29; Wüstenberg, Genitalver-<br />

stümmelung und <strong>elterliche</strong>s Aufenthaltsrecht, FamRZ 2007, 692.<br />

Übersicht<br />

I. Normzweck ........................................................ 1-9<br />

1. Grundzüge von § 1671 ............................................. 1-4<br />

2. Ziele ............................................................ 5<br />

3. Entstehungsgeschichte ............................................ 6-9<br />

a) 1. EheRG ......................................................... 6<br />

b) <strong>Sorge</strong>RG .......................................................... 7<br />

RdNr.


6<br />

c) KindRG ........................................................... 8-9<br />

II. Fortbestand der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> für gemein-<br />

schaftliche Kinder; "Regel" und "Ausnahme" ....................... 10-21<br />

1. Gemeinschaftliche Kinder ......................................... 10<br />

2. Trennung/Scheidung – Aufhebung der Ehe ........................... 11-12<br />

3. Regel – Ausnahme ................................................. 13<br />

4. Gerichtliche Feststellung der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> ...... 14<br />

5. Anordnung des Fortbestands der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>Eltern</strong>sorge ........... 15<br />

6. Gestaltungsmöglichkeiten für das Gericht ......................... 16-20<br />

a) Gemeinsame <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> ...................................... 16<br />

b) Alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> eines <strong>Eltern</strong>teils ..................... 17<br />

c) Aufteilung in Einzelbereiche ..................................... 18<br />

d) Festgelegte Einzelbefugnisse bei sonst bestehender <strong>gemeinsam</strong>er<br />

<strong>Eltern</strong>sorge ...................................................... 19<br />

e) Vermögenssorge ................................................... 20<br />

7. Wirkungen der gerichtlichen Entscheidung ......................... 21<br />

III. Allgemeine Gesichtspunkte für eine gerichtliche Regelung der<br />

<strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> ................................................ 22-53<br />

1. Gleichrangigkeit von Mutter und Vater ............................ 22-27<br />

a) Erwerbstätigkeit und Betreuungssituation ......................... 22-24<br />

b) Teilnahme dritter Personen ....................................... 25<br />

c) Alter und Geschlecht des Kindes .................................. 26<br />

d) Ausl. Recht ...................................................... 27<br />

2. Förderungsprinzip ................................................ 28-29<br />

3. Kontinuitätsgrundsätze ........................................... 30-36<br />

a) Allgemeines. ..................................................... 30-33<br />

b) Persönlich ....................................................... 34<br />

c) Sachlich/örtlich ................................................. 35<br />

d) <strong>Leben</strong>salter des Kindes ........................................... 36<br />

4. Kindesbindungen/<strong>Eltern</strong>bindungen .................................. 37-41<br />

5. Geschwisterbindungen ............................................. 42-45<br />

6. Kindesbindungen an andere Verwandte, insbes. an<br />

<strong>die</strong> Großeltern ................................................... 46<br />

7. Kindeswille; Kindesentscheidung; Kindesvorstellungen ............. 47-53<br />

a) Allgemeines. ..................................................... 47-48<br />

b) Kindeswille und Kindesalter ...................................... 49<br />

c) Zuneigung; Abneigung ............................................. 50-52<br />

d) Vollendung des 14. <strong>Leben</strong>sjahres des Kindes ....................... 53


IV. Alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> für einen <strong>Eltern</strong>teil nach<br />

7<br />

§ 1671 Abs. 2 .................................................... 54-124<br />

1. Antrag und Antragsberechtigung ................................... 54-61<br />

a) Antrag ........................................................... 54-57<br />

b) Antragsberechtigung .............................................. 58-60<br />

c) Bisherige Alleinsorge ............................................ 61<br />

2. Zustimmung des anderen <strong>Eltern</strong>teils ............................... 62-64<br />

3. Widerspruch des 14 Jahre alten Kindes ............................ 65-67<br />

4. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 .............................................. 68-117<br />

a) Verhältnis zu Nr. 1 .............................................. 68-69<br />

b) Entscheidungskriterien für Nr. 2 ................................. 70-117<br />

aa) Kooperations-/Konfliktfähigkeit der <strong>Eltern</strong> ....................... 71-72<br />

bb) § 1671 Abs. 4 aF nach der Entscheidung des BVerfG ................ 73<br />

cc) Übertragung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf den<br />

Antragsgegner .................................................... 74<br />

dd) Zweckmäßigkeitserwägungen ........................................ 75<br />

ee) Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> für einen <strong>Eltern</strong>teil ............. 76-116<br />

(1) Häme und besondere Gemeinheit; Missbrauch von <strong>Eltern</strong>aufgaben ..... 77-78<br />

(2) Gleichgültigkeit ................................................. 79<br />

(3) Sonstige Untätigkeiten ........................................... 80<br />

(4) Äußere <strong>Leben</strong>sverhältnisse ........................................ 81<br />

(5) Vorbildfunktion .................................................. 82<br />

(6) Fehlende Kooperationsfähigkeit/Kooperationsbereitschaft .......... 83-84<br />

(7) Gewalttätigkeiten ................................................ 85<br />

(8) Missbrauch der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> ................................. 86<br />

(9) Wille des Kindes ................................................. 87<br />

(10) Aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei Ausländern .................... 88<br />

(11) Behinderung des Umgangsrechts .................................... 89<br />

(12) Kindesentführung ................................................. 90<br />

(13) Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppierung/Sekte; Schulver-<br />

weigerung ........................................................ 91<br />

(14) Politisches Engagement ........................................... 92<br />

(15) Erziehungsstile .................................................. 93<br />

(16) Ausbildungsziele und –inhalte .................................... 94<br />

(17) Körperliche oder geistige Behinderung eines <strong>Eltern</strong>teils .......... 95<br />

(18) Krankheiten ...................................................... 96<br />

(19) Unterschiedliche kulturelle Verwurzelung ......................... 97<br />

(20) Umzug; Wechselmodell ............................................. 98<br />

(21) Entführungsgefahren .............................................. 99


8<br />

(22) Alkoholismus ..................................................... 100<br />

(23) Drogenabhängigkeit ............................................... 101<br />

(24) Transsexualität .................................................. 102<br />

(25) Homosexualität; andere sexuelle Neigungen eines <strong>Eltern</strong>teils ...... 103<br />

(26) Neue Partnerschaft ............................................... 104<br />

(27) Wiederheirat eines Partners ...................................... 105<br />

(28) Abstammungsfragen ................................................ 106<br />

(29) Anfechtung der Vaterschaft; Einwilligung in <strong>die</strong> Adoption ......... 107<br />

(30) Partnerlosigkeit ................................................. 108<br />

(31) Geschwisterbindungen ............................................. 109<br />

(32) Vermögensstraftaten; Strafanzeigen ............................... 110<br />

(33) Selbstmordabsichten .............................................. 111<br />

(34) Alter und Geschlecht des Kindes .................................. 112<br />

(35) Minderjährigkeit eines <strong>Eltern</strong>teils/Geschäftsunfähigkeit .......... 113<br />

(36) Berufliche Entwicklung/ berufliche Abwesenheit eines<br />

<strong>Eltern</strong>teils ...................................................... 114-115<br />

(37) Vorrang für <strong>die</strong> Mutter? .......................................... 116<br />

ff) <strong>Eltern</strong>einigung ................................................... 117<br />

5. Alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> für Teilbereiche ..................... 118-121<br />

a) Voraussetzungen .................................................. 118<br />

b) Schulische Betreuung/ärztliche Versorgung ........................ 119<br />

c) Aufenthaltsbestimmungsrecht ...................................... 120-121<br />

6. Gesonderte Zuweisung der Vermögenssorge für ein gemeinschaftliches<br />

Kind ............................................................. 122-123<br />

7. Sonstige Rechtsbefugnisse des sorgeberechtigten Teils,<br />

§§ 823, 1004. .................................................... 124<br />

V. Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> nach § 1671 Abs. 3 ................ 125-130<br />

1. Verhältnis zu § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 ........................... 125-126<br />

2. Gerichtliche Entscheidung nach Abs. 3 ............................ 127<br />

3. Insbesondere: Bestellung eines Pflegers oder Vormunds ........... 128-130<br />

VI. Verfahren ........................................................ 131-172<br />

1. Zuständigkeit .................................................... 131-137<br />

a) Sachlich ......................................................... 131<br />

b) Örtlich ......................................................... 132-133<br />

c) Internationale Zuständigkeit ..................................... 134<br />

d) Internationale Zuständigkeit für Verbundsachen ................... 135-136<br />

e) Anerkennung ausländischer Entscheidungen ......................... 137<br />

2. Entscheidungsverbund, amtswegige Folgesache ...................... 138-139<br />

3. Verfahrensdauer .................................................. 140


9<br />

4. Anwaltszwang ..................................................... 141<br />

5. Gerichtliche Vorentscheidungen ................................... 142-146<br />

a) Elterliche <strong>Sorge</strong> ................................................. 142<br />

b) Vormundschaft bzw. Pflegschaft ................................... 143<br />

c) Verfahrensablauf; Beweisregeln - Vollstreckung ................... 144-146<br />

6. Sozialpflegerische Beratung ...................................... 147<br />

7. Anhörung der Verfahrensbeteiligten ............................... 148-150<br />

a) In erster Instanz ................................................ 148-149<br />

b) In der Beschwerdeinstanz ......................................... 150<br />

8. Mitwirkung des Jugendamtes ....................................... 151<br />

9. Öffentliche Hilfen; insbesondere Beratung und Unter-<br />

stützung bei Trennung und Scheidung .............................. 152<br />

10. Vermittlungsaufgaben des Gerichts, § 52 FGG ...................... 153<br />

11. Anwalt des Kindes ................................................ 154<br />

12. Rechtsmittel ..................................................... 155-166<br />

a) Statthaftigkeit .................................................. 155<br />

b) Form und Frist ................................................... 156-157<br />

c) Änderungsbefugnis des FamG ....................................... 158<br />

d) Beschwerdeberechtigung ........................................... 159-160<br />

e) Anschlussbeschwerde .............................................. 161<br />

f) Amtsgrundsätze im Beschwerdeverfahren ............................ 162<br />

g) Beschwerde gegen <strong>die</strong> Einsetzung eines Verfahrenspflegers ......... 163<br />

h) Weitere Beschwerde ............................................... 164<br />

i) Außerordentliche Beschwerde; § 321 a ZPO - Untätigkeitsbeschwerde 165<br />

13. Abänderung von <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidungen ......................... 166<br />

14. Einstweilige Anordnung ........................................... 167-169<br />

a) Ablauf ........................................................... 167-168<br />

b) Amtsermittlungsgrundsätze ....................................... 169<br />

15. Prozesskostenhilfe ............................................... 170<br />

16. Kosten; Kostenausgleich; Kostenerstattung ........................ 171<br />

17. Geplante Änderungen .............................................. 172<br />

VII. <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren mit Auslandsbezug ........................... 173<br />

VIII. Art. 234 § 11 EGBGB ............................................. 174<br />

I. Normzweck<br />

1 1. Grundzüge von § 1671. Durch das KindRG ist § 1671 einschneidend verändert<br />

worden. Für <strong>Eltern</strong>, <strong>die</strong> sich trennen oder scheiden lassen, ist nun grundsätz-<br />

lich der Fortbestand der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> vorgesehen, <strong>die</strong> das<br />

BVerfG zuvor (zu § 1671 Abs. 4 aF) nur "ausnahmsweise" und unter engen Voraus-


10<br />

setzungen (insbesondere: im Einverständnis beider <strong>Eltern</strong>teile mit Billigung des<br />

FamG) zugelassen hatte. 1 Regelungsanträge müssen im Übrigen nicht mehr aus-<br />

drücklich bei Gericht gestellt werden; unterbleiben sie, behalten beide Partei-<br />

en ihre <strong>gemeinsam</strong>en Befugnisse für <strong>die</strong> Kinder. Amtswegige Folgesache ist damit<br />

allein der Versorgungsausgleich. Im Übrigen knüpfen <strong>die</strong> gesetzlichen Vorschrif-<br />

ten nicht erst an <strong>die</strong> Scheidung verheirateter Partner an, sondern schon an ihre<br />

Trennung. Schließlich sind auch nichteheliche <strong>Eltern</strong> erfasst, <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>erklä-<br />

rungen nach §§ 1626 a ff. abgegeben haben und so weiterhin <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e el-<br />

terliche <strong>Sorge</strong> ausüben, wenn sie auseinandergehen, während sonst für sie §§<br />

1626 a Abs. 2, 1672 gelten und <strong>die</strong> Mutter <strong>die</strong> alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> hat;<br />

fehlt eine entsprechende Abstimmung, kann das FamG dem Vater bei der Trennung<br />

nur mit Zustimmung der Mutter <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong>sorge übertragen, zu verfassungsrech-<br />

tlichen Bedenken § 1672 RdNr. 11 ff.<br />

2 § 1671 Abs. 2 gibt dem FamG <strong>die</strong> Befugnis, falls sich <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> nicht geeinigt<br />

haben oder einigen können und entspr. Anträge bei ihrer Trennung/Scheidung<br />

stellen, <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> insgesamt oder in einzelnen Ausschnitten einem<br />

von ihnen zuzusprechen. Mit der Abweisung eines Antrags bleibt <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e<br />

<strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> dagegen wie sonst fortbestehen, wenn nicht ausdrücklich weite-<br />

re und abweichende Anordnungen des Gericht erfolgen. Ist § 1666 erfüllt, dazu<br />

Abs. 3, ist eine eigene <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung von Amts wegen zu treffen, <strong>die</strong><br />

sich am Kindeswohl orientiert, zuweilen aber als "Verengung des legislatori-<br />

schen Ansatzes" eingeschätzt wird, 2 da Entscheidungsgrundlage wie sonst § 1666<br />

sei. 3 Zulässig ist schließlich <strong>die</strong> gerichtliche Feststellung des Fortbestandes<br />

der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>, dazu RdNr. 14, aber ob so Anerkennungsfähig-<br />

keit einer dt. Regelung im Ausland erreicht werden kann, wenn dort <strong>die</strong>se Auf-<br />

teilung von <strong>Eltern</strong>befugnissen nicht vorgesehen ist, ist fraglich. 4 - Insgesamt<br />

soll mit <strong>die</strong>sen Vorschriften jedenfalls "das neue Konzept (der) <strong>gemeinsam</strong>en El-<br />

ternsorge nach Trennung und Scheidung begünstigt" werden. 5 Doch ist damit al-<br />

lein noch kein Verhältnis von Regel und Ausnahme verbindlich festgelegt. Ohne-<br />

1 NJW 1983, 101.<br />

2 Dazu Schwab FamRZ 1998, 457, 465 f.<br />

3 Vgl. dazu Palandt/Diederichsen RdNr. 1 (zu § 1671 Abs. 3 vgl. unten RdNr. 125<br />

f.).<br />

4 Dazu im Verhältnis zur Türkei Krüger IPrax 2004, 550 mit einer knappen Übersicht<br />

über <strong>die</strong> Rspr. des türk. Kassationshofs; andererseits kann in der Türkei ein dt.<br />

Ehescheidungsurteil auch "zum Teil" anerkannt werden, also etwa zum Scheidungsausspruch,<br />

während <strong>die</strong> Parteien über <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong> dann erneut ein Verfahren<br />

führen müssen, falls ausl. Gerichte (eben in der Türkei) zuständig sind, zu weiteren<br />

Einzelheiten Fn. 43.<br />

5 So Schwab FamRZ 1998, 457, 462; einschränkend allerdings BGH NJW 2000, 203 =<br />

FamRZ 1999, 1646 mit Bspr. Born FamRZ 2000, 396, Anm. Coester DEuFamR 2000, 53<br />

und Oelkers MDR 2000, 31; ausführliche Übersicht bei Staudinger/Coester RdNr. 4<br />

f.


11<br />

hin hat der BGH in der Zwischenzeit erhebliche Einschränkungen angebracht 6 und<br />

für <strong>die</strong> Praxis damit <strong>die</strong> Richtung gewiesen; nach wie vor scheiden danach <strong>Eltern</strong><br />

als (<strong>gemeinsam</strong>e) <strong>Sorge</strong>rechtsinhaber aus, wenn sie in ständigem Streit leben und<br />

ihnen jede, nahezu jede oder zumindest jede ausreichende Kooperations- und<br />

Konfliktfähigkeit fehlt, zu weiteren Einzelheiten RdNr. 71 f. Dann ist einem<br />

von ihnen <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> allein zu übertragen, wenn <strong>die</strong>s im Interesse des<br />

Kindes geboten erscheint.<br />

3 Durch gerichtliche Anordnung oder Vereinbarung der <strong>Eltern</strong> ist, wenn <strong>die</strong> Dinge<br />

nicht ohnehin schon geklärt sind, festzulegen, wo sich das Kind tatsächlich<br />

aufhält, aufhalten soll und seinen <strong>Leben</strong>smittelpunkt findet. Von <strong>die</strong>ser Ent-<br />

scheidung hängen wichtige weitere, materiell-rechtliche Folgen ab (Prozess-<br />

standschaft für Unterhaltsstreitigkeiten nach § 1629 Abs. 3; 7 Unterhaltshöhe<br />

bzw. Kürzungen für den sonst zu leistenden Unterhalt; 8 Krankenversicherung,<br />

Haushaltsfreibetrag, 9 polizeil. Anmeldung/Wohnsitz, Schulpflichtigkeit, um nur<br />

einige Beispiele zu nennen). 10 Gelingt keine Einigung der <strong>Eltern</strong>, kann das Ge-<br />

richt auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht regeln und einem von ihnen zuweisen<br />

und so über <strong>die</strong> Bestimmung des <strong>Leben</strong>smittelpunktes hinausgehen, obwohl im Übri-<br />

gen <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Eltern</strong>sorge erhalten bleibt. Auch sonst können Teilbereiche<br />

aus der umfassenden <strong>Sorge</strong>befugnis herausgenommen und besonders zugeordnet wer-<br />

den, 11 während nach früherem Recht eine Ausgliederung nur für <strong>die</strong> Vermögenssorge<br />

vorgesehen war, zu weiteren Einzelheiten RdNr. 18 f.<br />

6 BGH NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646 mit Bspr. Born FamRZ 2000, 396, Anm. Coester<br />

DEuFamR 2000, 53 und Oelkers MDR 2000, 31; ausführlich zum Verhältnis von Regel<br />

und Ausnahme Staudinger/Coester RdNr. 113 ff., 118 und 131 f.<br />

7 Dazu auch OLG Koblenz NJW 2006, 3649 - wechselt das Kind zum anderen <strong>Eltern</strong>teil<br />

und soll Klage auf Unterhalt erhoben werden, ist ein Ergänzungspfleger zu bestellen,<br />

denn <strong>die</strong> Vertretungsbefugnis des bisher allein sorgeberechtigten <strong>Eltern</strong>teils<br />

ist beendet.<br />

8 Vgl. dazu OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 74.<br />

9 Knapp Breithaupt Streit 1999, 119, 129; vgl. (noch zum alten Recht) AG Landstuhl<br />

FamRZ 1998, 313 (§ 1629 Abs. 2 S. 2 ist für <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> nicht<br />

entsprechend anwendbar), aA OLG Hamm FamRZ 1998, 313 (§ 1629 Abs. 2 S. 2 ist entsprechend<br />

anwendbar); vertretungsberechtigt ist dann der <strong>Eltern</strong>teil, der das Kind<br />

tatsächlich betreut, weitere Einzelheiten bei § 1629 RdNr. 94 f.; zu § 1629 und<br />

zum unterhaltsrechtlichen Wechselmodell BGH FamRZ 2006, 1015; zur Abgrenzung BGH<br />

NJW 2007, 1882 mit Bespr. Born NJW 2007, 1859 = FamRZ 2007, 707 mit Anm. Luthin -<br />

<strong>die</strong> Betreuungszeiten müssen tatsächlich hälftig verteilt sein, und jede Abweichung<br />

von <strong>die</strong>ser Regel führt dazu, dass Unterhalt wie sonst verlangt werden kann<br />

und geschuldet ist.<br />

10 Zur Zuständigkeit eines <strong>Eltern</strong>teils, Ansprüche gegen den anderen bei Bezug von<br />

Unterhaltsvorschüssen geltend zu machen, Kemper DAVorm. 1999, 447, 448. Kindergeld<br />

wird jeweils zur Hälfte beim Unterhalt gutgebracht, vgl. dazu § 1612 b Abs.<br />

5, aber neues Unterhaltsrecht sieht eine andere Abrechnung (keine Differenzierung<br />

mehr wie bisher) vor.<br />

11 Erste Übersicht bei Palandt/Diederichsen RdNr. 4 f. mit Nachw.; vgl. auch Schwab<br />

FamRZ 1998, 457, 460 und 466.


12<br />

4 Verfahrensrecht mit seinen Veränderungen folgt den materiell-rechtlichen Vorga-<br />

ben in §§ 1671 ff., zu weiteren Einzelheiten unten RdNr. 131 ff., zur geplanten<br />

Neuregelung RdNr. 172 (kurze Übersicht). Insbesondere ist der (frühere) Verfah-<br />

rensverbund zwischen Scheidung und <strong>elterliche</strong>r <strong>Sorge</strong> aufgelöst. In der Antrag-<br />

schrift ist lediglich (noch) anzugeben, ob aus der Ehe <strong>gemeinsam</strong>e Kinder her-<br />

vorgegangen sind; sinnvoll ist sicherlich auch, <strong>die</strong> Vorstellungen der <strong>Eltern</strong> im<br />

Einzelnen zu schildern und damit dem Gericht Hinweise zu geben. Im Übrigen soll<br />

§ 623 ZPO sicherstellen, dass vor Abschluss des Scheidungsverfahrens <strong>die</strong> el-<br />

terl. <strong>Sorge</strong> geregelt ist; einem Abtrennungsantrag ist aber selbst dann stattzu-<br />

geben, wenn <strong>die</strong>ses Verhältnis tatsächlich gerade umgekehrt wird, etwa weil <strong>die</strong><br />

<strong>Sorge</strong>rechtsregelung dem Abschluss des Verfahrens zur Ehescheidung folgt, wobei<br />

nicht einmal Ausnahmen für "Missbrauchsfälle" gelten sollen. 12<br />

5 2. Ziele. Fortbestand der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>, dazu § 1671 Abs. 1,<br />

soll zu weniger Streit unter den <strong>Eltern</strong> und engagierterer Übernahme von Verant-<br />

wortung durch (meist) Väter führen, <strong>die</strong> ihren Kindern erhalten bleiben. Damit<br />

sollen Konflikte zwischen den <strong>Eltern</strong> entschärft werden oder gar nicht erst ent-<br />

stehen, weil nicht einer von ihnen von vornherein und fast schon sicher als<br />

Verlierer behandelt wird und der andere sich als Gewinner fühlen kann. Im Übri-<br />

gen besteht <strong>die</strong> für Kinder gute und wichtige Chance, Kontakt zu beiden <strong>Eltern</strong> 13<br />

zu behalten und in der Verbindung mit ihnen bessere Aussicht für eine glückli-<br />

che und zufriedene Zukunft zu entwickeln. 14 Nebenziel ist sicherlich auch, <strong>die</strong><br />

(bisher nicht sonderlich gute) "Zahlungsmoral" für Unterhaltsleistungen zu ver-<br />

bessern.<br />

6 3. Entstehungsgeschichte. a) 1. EheRG. Nach § 1671 Abs. 4 aF (idF 1. EheRG), in<br />

Kraft seit 1.7.1977, "sollte" in der Regel <strong>die</strong> elterl. "Gewalt" einem <strong>Eltern</strong>-<br />

teil allein übertragen werden. Maßstab war schon damals allein das Kindeswohl.<br />

Grundsätzlich sollte der betreuende Ehegatte Personen- und Vermögenssorge<br />

einschl. der Vertretung des Kindes erhalten; von <strong>die</strong>ser Regel sollte nur dann<br />

abgewichen werden, wenn <strong>die</strong>s wegen entgegenstehender Interessen des Kindes aus-<br />

drücklich erforderlich war. 15<br />

12 Dazu <strong>die</strong> Übersicht bei MünchKomm/Finger § 623 ZPO RdNr. 48 und 49 jeweils mit<br />

Nachw.<br />

13 BT-Drucks. 13/4899 S. 62.<br />

14 BT-Drucks. 13/4899 S. 63; dort ist auf amerikanische Untersuchungen Bezug genommen,<br />

<strong>die</strong> das zunächst gezeichnete schöne Bild doch erheblich eintrüben, vgl. etwa<br />

Maccoby/Mnookin FamRZ 1995, 1; auch der Schluss ist eher zurückhaltend: "Die Vorteile<br />

der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>Sorge</strong> werden heute eher in einer längerfristigen Bewusstseinsänderung<br />

gesehen: Die Kinder haben nicht das Gefühl, einen <strong>Eltern</strong>teil zu<br />

verlieren, und <strong>die</strong> Väter fühlen sich von der Verantwortung für ihre Kinder nicht<br />

länger ausgeschlossen". Übersicht über internet-Adressen bei INTERNET@aktuell für<br />

Juristen 2001, 50 ff.<br />

15 NJW 1983, 101.


13<br />

7 b) <strong>Sorge</strong>RG. 1981 wurde § 1671 Abs. 4 erneut geändert. Ziel war, das Wohl des<br />

Kindes klarer als früher zur Geltung zu bringen und bei der gerichtlichen Ent-<br />

scheidung zum bestimmenden Maßstab werden zu lassen, 16 vgl. auch § 1697 a. Dabei<br />

wurde Abs. 4 verschärft und zu einer Regelung umgestaltet, <strong>die</strong> für das FamG na-<br />

helegte, sich bei der Entscheidung zur <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> nach der Scheidung für<br />

einen und damit in der Sache auch gegen den anderen <strong>Eltern</strong>teil auszusprechen<br />

und ihm allein <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> zu übertragen, 17 so dass <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e el-<br />

terliche <strong>Sorge</strong> beider <strong>Eltern</strong>teile praktisch ausschied. Eher skeptisch wurden<br />

Möglichkeiten und Fähigkeiten der <strong>Eltern</strong> bewertet, sich angesichts oft heftiger<br />

persönlicher Konflikte und erbitterter Streitigkeiten miteinander zu verständi-<br />

gen und das notwendige Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft aufzubringen, da<br />

eine klare Trennung beider Ebenen – Streit als Eheleute; Zusammenarbeit als El-<br />

tern – oft nicht möglich sei und ständige Grenzüberschreitungen Nachteile für<br />

<strong>die</strong> künftige Entwicklung des Kindes befürchten ließen. Allerdings brachte kurz<br />

danach das BVerfG 18 wesentliche Einschränkungen aus verfassungsrechtlicher Sicht<br />

an; verfassungskonforme Auslegung. Zumindest für Ausnahmen sollte eine abwei-<br />

chende <strong>Sorge</strong>rechtsregelung möglich bleiben, insbesondere dann, wenn beide El-<br />

tern <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> fortführen wollten und sie aus Sicht des<br />

entscheidenden Richters dazu auch in der Lage waren, zu den Schwächen <strong>die</strong>ser<br />

Lösung vgl. gleich RdNr. 8.<br />

8 c) KindRG. Seit dem 1.7.1998 ist § 1671 nochmals umgestaltet, vgl. dazu schon<br />

RdNr. 1 und 2. 19 Wird eine abweichende gerichtl. Regelung nicht notwendig,<br />

bleibt <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e elterl. <strong>Sorge</strong> beider <strong>Eltern</strong>teile erhalten. Damit hat <strong>die</strong><br />

Neuregelung <strong>die</strong> Vorgaben des BVerfG aufgenommen, ist ihnen andererseits aber<br />

nur zu Teilen gefolgt, denn sie wiesen eine offenkundige Schwäche 20 auf: Verwei-<br />

gerte sich ein <strong>Eltern</strong>teil entschieden und unbelehrbar, konnte <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e<br />

<strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> nicht gegen seinen Widerstand aufrechterhalten bleiben, wobei<br />

nicht einmal seine Gründe und <strong>die</strong> Berechtigung seiner Ablehnung überprüft wer-<br />

den konnten; allenfalls konnten Eingriffe gegen ihn nach § 1666 erfolgen, aber<br />

kaum mit dem Ziel, <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e elterl. <strong>Sorge</strong> durch gerichtl. Entscheidung<br />

erst herzustellen.<br />

9 Auch Art. 21 EGBGB ist seit dem 1.7.1998 geändert. Dt. autonomes Kollisions-<br />

recht knüpft seitdem Rechtsbeziehungen des Kindes zu seinen <strong>Eltern</strong> über seinen<br />

16 BT-Drucks. 8/2788 S. 40, 61.<br />

17 BT-Drucks. 8/2788 S. 40, 61.<br />

18 NJW 1983, 101.<br />

19 Mit erheblichen Einschränkungen in der Sache BGH NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646<br />

mit Bspr. Born FamRZ 2000, 396 und Anm. Coester DEuFamR 2000, 53 sowie Oelkers<br />

MDR 2000, 31.<br />

20 Vgl. Weychardt ZfJ 1999, 268 und 326; Übersicht über wichtige Internet-Adressen<br />

bei INTERNET@aktuell für Juristen 2001, 50 ff.


14<br />

gewöhnlichen Aufenthaltsort wie das Haager Übereink. über <strong>die</strong> Zuständigkeit der<br />

Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjäh-<br />

rigen v. 5.10.1961 21 (MSA) an; dort sind Bedürfnisse des Kindes zu erfüllen, und<br />

dort können Behörden und Gerichte mit besonderer Tatkraft tätig werden. Ohnehin<br />

überschneiden sich oft <strong>die</strong> Anwendungsbereiche unserer Rechtsbestimmungen und<br />

des MSA häufig, 22 so dass unterschiedliche Rechtsanwendung wenig sachgerecht wä-<br />

re.<br />

II. Fortbestand der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> für gemeinschaftliche Kinder;<br />

"Regel" und "Ausnahme"<br />

10 1. Gemeinschaftliche Kinder. § 1671 erfasst gemeinschaftliche, leibliche und<br />

angenommene, vgl. § 1754 Abs. 1, Kinder der Eheleute/von unverheirateten El-<br />

tern, <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e elterl. <strong>Sorge</strong> ausüben, vgl. sonst § 1626 a Abs. 2 (al-<br />

leinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> der Mutter), und sich trennen bzw. scheiden lassen,<br />

RdNr. 11. Nicht einbezogen sind dagegen Pflegekinder, vgl. zu den Voraussetzun-<br />

gen ihres Verbleibs in der Pflegefamilie § 1632 Abs. 4, selbst wenn den Pflege-<br />

eltern einzelne Ausschnitte aus der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> übertragen sind, 23 vgl.<br />

dazu § 1630 Abs. 3. Jedenfalls muss das Kind bereits geboren sein; vorher kann<br />

keine gerichtliche <strong>Sorge</strong>rechtsregelung erfolgen. 24<br />

11 2. Trennung/Scheidung – Aufhebung der Ehe. <strong>Leben</strong> <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> nicht nur vorüber-<br />

gehend voneinander getrennt, kann einer von ihnen Anträge nach § 1671 Abs. 1<br />

mit dem Ziel stellen, ihm <strong>die</strong> alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> zu übertragen, wenn<br />

beiden bisher <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Eltern</strong>sorge zustand und eine gerichtl. Anordnung<br />

nach seinen Vorstellungen dem Kindeswohl entspricht. <strong>Sorge</strong>rechtsanträge können<br />

aber auch erst mit einem Scheidungs- oder Aufhebungsantrag verbunden werden,<br />

wobei für das Aufhebungsverfahren allerdings <strong>die</strong> Verbundvorschriften nicht maß-<br />

geblich sind. Einzelheiten für <strong>die</strong> Trennung der Eheleute bestimmt § 1567, so<br />

dass für sie auch eine Aufteilung der Räumlichkeiten in der Ehewohnung ausrei-<br />

chen kann. 25 Dagegen bleibt § 1567 Abs. 2 ohne Bedeutung, 26 denn <strong>die</strong> Bestimmung<br />

21 BGBl. 1971 II S. 217, in Deutschland in Kraft seit 17.9.1971.<br />

22 Die Bestimmungen des KSÜ sind noch nicht in Kraft getreten, in dt. Übersetzung<br />

abgedruckt in RabelsZ 62 (1998), 502, dargestellt bei Siehr RabelsZ 62 (1998),<br />

464; vgl. auch Roth/Döring FuR 1999, 195; zum Vorentwurf – inhaltlich gleich –<br />

Siehr FamRZ 1996, 1047. Sonst ist <strong>die</strong> Union inzwischen in den Bereichen, in <strong>denen</strong><br />

sie selbst gesetzgeberisch tätig geworden ist, der Haager Konferenz für internat.<br />

Privatrecht beigetreten, wobei sich Folgerungen für <strong>die</strong> Außenkompetenz der Mitgliedstaaten<br />

zu entsprechenden Abschlüssen ergeben, vgl. dazu ABl. EU 2006 L 297<br />

S. 1.<br />

23 Dazu Palandt/Diederichsen RdNr. 8.<br />

24 AG Lüdenscheid FamRZ 2005, 51, also etwa für eine Trennung oder Scheidung der<br />

<strong>Eltern</strong> bereits in der Schwangerschaft der Mutter.<br />

25 Palandt/Diederichsen RdNr. 10 im Anschluss an Schwab FamRZ 1998, 457, 461.<br />

26 Schwab FamRZ 1998, 457, 461.


15<br />

ist auf das Scheidungsverfahren hin konzipiert 27 und soll Versöhnungsversuche<br />

fördern. Kindesinteressen und sein Wohl können dagegen frühere Eingriffe not-<br />

wendig erscheinen lassen. Mindestzeiten für <strong>die</strong> Trennung sind bei der <strong>Sorge</strong>-<br />

rechtsregelung nicht vorgesehen; 28 vielmehr genügt "der ernsthafte – sc. dem an-<br />

deren mitgeteilte oder ihm zumindest ohne weiteres erkennbare – Wille ... eines<br />

Ehegatten, <strong>die</strong> häusliche Gemeinschaft auf Dauer zu beenden." 29 Bloße Absichten<br />

der Partner, <strong>die</strong> sie nicht in <strong>die</strong> Wirklichkeit umgesetzt haben, bleiben dagegen<br />

ebenso bedeutungslos wie Anträge bei Gericht auf Wohnungszuweisung nach § 1361<br />

b, 30 um in der Ehewohnung allein und/oder mit den Kindern und ohne den Ehepart-<br />

ner leben zu können. 31 Allenfalls kann ein <strong>Eltern</strong>teil dann Anträge nach § 1628<br />

mit dem Ziel stellen, 32 ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ein Kind/<strong>die</strong><br />

Kinder zu übertragen, 33 um auszuziehen, <strong>die</strong> Trennung herbeizuführen und nun Sor-<br />

gebefugnisse allein geltend machen zu können. Sind <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> trotz ihrer Tren-<br />

nung in der Lage, <strong>Sorge</strong>angelegenheiten für <strong>die</strong> Kinder einvernehmlich zu lösen<br />

und ist nicht zu erkennen, dass sich <strong>die</strong>s zum Nachteil des Kindes ändern wird,<br />

kann für eine gleichwohl betriebene Auseinandersetzung nach § 1671 das Rechts-<br />

schutzbedürfnis fehlen. 34<br />

12 Haben <strong>die</strong> Partner zu keiner Zeit zusammengelebt, sind <strong>die</strong> erklärten oder deut-<br />

lich gewor<strong>denen</strong> Trennungsabsichten eines Teils maßgeblich; 35 wichtig kann <strong>die</strong>s<br />

vor allem für unverheiratete <strong>Eltern</strong> werden, wenn ihnen <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e elterl.<br />

<strong>Sorge</strong> nach beiderseitiger <strong>Sorge</strong>erklärung zusteht.<br />

13 3. Regel-Ausnahme. Schon während des Gesetzgebungsverfahrens ist über <strong>die</strong> prak-<br />

tischen Auswirkungen der Neufassung von § 1671 heftig diskutiert worden, wobei<br />

für <strong>die</strong> jetzige Regelung meist ein "praktischer Vorrang" 36 in Anspruch genommen<br />

27 Schwab FamRZ 1998, 457, 461.<br />

28 Schwab FamRZ 1998, 457, 461.<br />

29 Schwab FamRZ 1998, 457, 461 unter Bezug auf § 1567 Abs. 1 S. 1.<br />

30 Zu den Veränderungen zu § 1361 b vgl. <strong>die</strong> Übersicht bei Logar Streit 1999, 99 und<br />

Finger ZRP 2000, 274; BR-Drucks. 11/01 und BT-Drucks. 14/5429.<br />

31 Schwab FamRZ 1998, 457, 461.<br />

32 Schwab FamRZ 1998, 457, 461 im Anschluss an BT-Drucks. 13/4899 S. 98.<br />

33 Schwab FamRZ 1998,457, 461.<br />

34 OLG Bamberg FamRZ 1997, 104, allerdings noch zu § 1672 aF.<br />

35 So auch Palandt/Diederichsen RdNr. 10.<br />

36 So etwa BT-Drucks. 13/4899 S. 61 f.; "starke Begünstigung" der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n<br />

<strong>Sorge</strong> stellt Schwab FamRZ 1998, 457, 462 fest; noch weitergehend Palandt/<br />

Diederichsen RdNr. 18 – normativer Regelfall; zu ersten Erfahrungen aus anwaltlicher<br />

Sicht vgl. den Bericht von Pötz-Neuburger Streit 1999, 147, vgl. zu <strong>die</strong>ser<br />

Einschätzung auch OLG Stuttgart FamRZ 1999, 39; OLG Bamberg ZfJ 1999, 393 und eine<br />

unveröffentlichte Entscheidung des OLG Frankfurt, berichtet bei Weychardt ZfJ<br />

1999, 268, 272; vgl. Oelkers § 1 RdNr. 42 ff. mit Nachw. auch über <strong>die</strong> bisherige<br />

statistische Verbreitung; vgl. im Übrigen Staudinger/Coester RdNr. 113 ff., 118<br />

und 131 (zum Verhältnis von Regel und Ausnahme mit weit. Nachw.) und Bamberger/<br />

Roth/Veit RdNr. 2 (normtechnisch ist <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e elterl. <strong>Sorge</strong> als Regelfall<br />

konstruiert).


16<br />

wurde, der andererseits nicht gleich und zwingend zu einer bestimmten, von vor-<br />

nherein klaren Abfolge von "Regelfall" und "Ausnahme" führen sollte. Inzwischen<br />

hat der BGH allerdings eigene Schwerpunkte gesetzt; 37 damit ist <strong>die</strong> Streitfrage<br />

für <strong>die</strong> Anwendungspraxis im Wesentlichen geklärt. Nach seiner Auffassung bringt<br />

auch <strong>die</strong> jetzige Regelung des "Rechts der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> durch das Kind-<br />

schaftsrechtsreformG... kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne (mit sich),<br />

dass eine Priorität zugunsten der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> bestehen und<br />

<strong>die</strong> Alleinsorge eines <strong>Eltern</strong>teils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio in Be-<br />

tracht kommt 38 "; zusammengefasst sind dabei subjektive und objektive Komponenten<br />

(Kooperationsfähigkeit und <strong>die</strong> Bereitschaft dazu). 39 Im Übrigen bestehen nicht<br />

einmal eine "gesetzliche Vermutung .. dafür, dass <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong><br />

<strong>Sorge</strong> im Zweifel <strong>die</strong> für das Kind beste Form der Wahrnehmung <strong>elterliche</strong>r Ver-<br />

antwortung" ist, 40 dazu und zu den Einschränkungen vgl. RdNr. 71 f.; andere Lö-<br />

sungen können danach ebenso gut sein, denn sein Wohl wird maßgeblich, das sich<br />

auf seine künftige und gute Entwicklung bezieht.<br />

14 4. Gerichtliche Festlegung der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>. In § 1671 ist <strong>die</strong><br />

gerichtliche Feststellung der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> nicht vorgesehen,<br />

sollte aber, § 256 ZPO, möglich sein, insbesondere wenn in einem Abänderungs-<br />

verfahren nach § 1696 eine frühere <strong>Sorge</strong>rechtsregelung (auch aus dem Ausland)<br />

aufgehoben werden soll, weil beide <strong>Eltern</strong>teile nun zusammenarbeiten und Verant-<br />

wortung tragen wollen. 41<br />

15 5. Anordnung des Fortbestands der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>Eltern</strong>sorge. Verlangt ausländi-<br />

sches Recht eine gerichtliche Entscheidung zur <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>, kann <strong>die</strong>se<br />

Anordnung ergehen, um <strong>die</strong> Anerkennung des Scheidungsurteils im Heimatland zu<br />

37 BGH NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646 mit Bspr. Born FamRZ 2000, 396, Anm. Coester<br />

DEuFamR 2000, 53 und Oelkers MDR 2000, 31.<br />

38 BGH NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646 mit Bspr. Born FamRZ 2000, 396, Anm. Coester<br />

DEuFamR 2000, 53 und Oelkers MDR 2000, 31 im Anschluss an BT-Drucks. 13/4899 S.<br />

63; plastisch ist <strong>die</strong> Formulierung von Gernhuber/Coester-Waltjen § 65 RdNr. 49-<br />

51: "Zwischen Scylla und Charybdis kann eine sachgerechte Entscheidung nur unter<br />

Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten gestellt werden. Wesentlich erfolgversprechender<br />

als eine verordnete Kooperation (mit oder ohne <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Sorge</strong>)<br />

ist ein Hinwirken aller Beteiligten (unter Ausschöpfung aller Beratungs- und Vermittlungsmöglichkeiten)<br />

auf eine beiden <strong>Eltern</strong> tragbar erscheinende Lösung", folgen<br />

Hinweise auf das Cochemer Modell, dazu Veit FS Schwab S. 947, 956 f.; Söhnen<br />

ZFE 2005, 340; sehr ausf. in der Zwischenzeit KompaktKomm/Ziegler RdNr. 21 mit<br />

Fn. 33-35.<br />

39 KompaktKomm/Ziegler RdNr. 26.<br />

40 So BGH NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646.<br />

41 Zu <strong>die</strong>ser Situation Palandt/Diederichsen RdNr. 7 im Anschluss an Schwab FamRZ<br />

1998, 457, 460; vgl. auch Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 90 f. Bei <strong>gemeinsam</strong>er<br />

<strong>elterliche</strong>r <strong>Sorge</strong> kann ein <strong>Eltern</strong>teil nur dann <strong>die</strong> Herausgabe des Kindes von<br />

dem anderen verlangen, wenn ihm das Kind widerrechtlich vorenthalten wird, dazu<br />

OLG Brandenburg NJW-RR 2007, 1589.


17<br />

erleichtern, 42 aber wir können ausl. Gerichte dabei nicht festlegen. 43 Ist <strong>die</strong><br />

Entscheidung aus Deutschland dort nicht anerkennungsfähig, kann eine Regelung<br />

zur <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> nachfolgen.<br />

16 6. Gestaltungsmöglichkeiten für das Gericht. 44 a) Gemeinsame <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong>.<br />

Stellen <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> keinen Regelungsantrag zur <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> oder weist das<br />

FamG einen Antrag zur Zuweisung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> zurück, bleibt<br />

<strong>die</strong>se wie bisher für beide <strong>Eltern</strong>teile erhalten; zudem kann gerichtl. Feststel-<br />

lung ergehen, § 256 ZPO, dass das <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Sorge</strong>rechts fortbesteht, dazu ge-<br />

rade RdNr. 14.<br />

17 b) Alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> eines <strong>Eltern</strong>teils. Ist das FamG überzeugt, dass<br />

nur <strong>die</strong> Übertragung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf einen <strong>Eltern</strong>teil dem<br />

Wohl des Kindes gerecht wird, muss es einem entspr. <strong>Sorge</strong>rechtsantrag nach Abs.<br />

2 stattgeben oder hat nach Abs. 3 von Amts wegen vorzugehen, so dass der andere<br />

<strong>Eltern</strong>teil vom <strong>Sorge</strong>recht ausgeschlossen und auf Umgangs- und Auskunftsrechte<br />

nach §§ 1684, 1686 verwiesen bleibt.<br />

18 c) Aufteilung in Einzelbereiche. Im Übrigen kann <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> in Ein-<br />

zelbereiche aufgegliedert und so jeweils in Ausschnitten dem einen oder dem an-<br />

deren <strong>Eltern</strong>teil übertragen werden, wobei nicht einmal <strong>gemeinsam</strong>e Reste fortbe-<br />

stehen müssen. 45 Maßstab ist dabei wie stets das Wohl des Kindes, vgl. § 1697<br />

a, doch müssen <strong>die</strong> Bereiche abgrenzbar und von einer gewissen Bedeutung sein.<br />

Bei einem beabsichtigten Wechsel aus der bisherigen (etwa: türk.) in <strong>die</strong> dt.<br />

Staatsangehörigkeit sind dabei nicht nur Nebensächlichkeiten betroffen, so dass<br />

insoweit <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong> (in <strong>die</strong>sem Teilbereich) einem <strong>Eltern</strong>teil allein ein-<br />

geräumt werden kann/muss, 46 um <strong>die</strong> beabsichtigten Folgen zu erzielen. Reichen<br />

gerichtliche Eingriffe in <strong>die</strong>ser Form aus, kann <strong>die</strong> alleinige elterl. <strong>Sorge</strong><br />

nicht insgesamt dem anderen Ehegatten zugewiesen werden, Verhältnismäßigkeits-<br />

grundsätze, Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, 47 der für <strong>die</strong> nicht erfassten Befugnisse da-<br />

mit weiterhin mit dem anderen berechtigt und verantwortlich bleibt.<br />

42 Finger FuR 1998, 398, 402; Krüger IPrax 2004, 505 und gleich Fn. 42.<br />

43 Für das Verhältnis zur Türkei etwa Krüger IPrax 2004, 550 mit einer Übersicht<br />

über <strong>die</strong> Rspr. des türk. Kassationshofs; allerdings beschränken sich <strong>die</strong> Gerichte<br />

in der Türkei oft bei der Anerkennung einer ausl. gerichtl. Entscheidung auf<br />

"Teile", so dass für den aus ihrer Sicht offenen Rest dann (wieder) <strong>die</strong> maßgeblichen<br />

Streitfragen ungelöst und in einem anschließenden, gesonderten Verfahren zu<br />

klären sind, dazu Süß/Ring/Kiliç Eherecht in Europa Länderbericht Türkei RdNr.<br />

100 mit Nachw.<br />

44 Zu Einzelheiten Schwab FamRZ 1998, 457.<br />

45 Zu <strong>die</strong>sen Gestaltungsmöglichkeiten Palandt/Diederichsen RdNr. 4 und 7 im Anschluss<br />

an Schwab FamRZ 1998, 457.<br />

46 OLG Hamm FamRZ 2006, 1058.<br />

47 BVerfG FamRZ 2004, 1015; ausf. OLG Frankfurt 3 UF 54/07 und OLG Saarbrücken 9 WF<br />

90/07.


18<br />

19 d) Festgelegte Einzelbefugnisse bei sonst bestehender <strong>gemeinsam</strong>er <strong>Eltern</strong>sorge.<br />

Schließlich kann <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> im Kern weiterhin bestehen, aber das FamG<br />

kann Einzelbefugnisse jeweils gesondert behandeln und einem <strong>Eltern</strong>teil zuwei-<br />

sen, 48 wobei <strong>die</strong> Aufteilung abgestimmt zu erfolgen hat, 49 denn <strong>die</strong> Übertragung<br />

einzelner Sachgebiete trotz <strong>gemeinsam</strong>er <strong>Eltern</strong>sorge wird schnell an Grenzen<br />

stoßen, 50 weil Zusammenhänge zu beachten sind, <strong>die</strong> nicht durchbrochen werden<br />

sollten (religiöse Kindererziehung etwa wird häufig mit schulischen Fragen zu-<br />

sammenhängen, Gesundheitsfürsorge und <strong>Leben</strong>smittelpunkt des Kindes werden von<br />

der alltäglichen Betreuung durch den <strong>Eltern</strong>teil dort abhängen; ärztliche Be-<br />

treuung wird auf das tatsächliche Zusammenleben des Kindes mit einem <strong>Eltern</strong>teil<br />

Rücksicht nehmen müssen, u.ä.); oft wird <strong>die</strong> Ausbildung eines Kindes mit seinem<br />

Aufenthalt und letztlich mit seiner Ausstattung durch Unterhalt 51 verbunden<br />

sein, und auch <strong>die</strong>se wechselseitigen Ausrichtungen sind zu erhalten. Von der<br />

<strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> und Verantwortung kann vor allem das Aufenthalts-<br />

bestimmungsrecht gelöst werden; so ist erreicht, dass das Kind ohne ständige<br />

Störungen durch den anderen bei einem <strong>Eltern</strong>teil leben kann, zur Festlegung des<br />

tatsächlichen <strong>Leben</strong>smittelpunkt des Kindes RdNr. 2, 52,53 zudem § 1629 Abs. 2 S.<br />

2. 54 Verlegt ein <strong>Eltern</strong>teil, bei dem <strong>die</strong> Kinder leben, seinen eigenen Auf-<br />

enthaltsort, gewinnt bei Kleinkindern durchgängig <strong>die</strong> persönliche Betreuungs-<br />

kontinuität ihr Übergewicht vor dem Erhalt der sozialen Umwelt (Ortskontinui-<br />

48 Palandt/Diederichsen RdNr. 4 mit Nachw. im Anschluss an BT-Drucks. 13/4899 S. 99;<br />

zur Übertragung der Entscheidungsbefugnis bei Streit der <strong>Eltern</strong> über <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />

der Behandlung eines hyperkinetischen Syndrom ihres Kindes OLG Bamberg,<br />

FPR 2003, 333.<br />

49 Schwab FamRZ 1998, 457, 459.<br />

50 Schwab FamRZ 1998, 457, 459; Beispiele auch bei Schwab/Motzer (Handbuch) III<br />

RdNr. 81 f.<br />

51 Schwab FamRZ 1999, 457, 459; zur Gesundheitsfürsorge vgl. Schwab FamRZ 1998, 457,<br />

465.<br />

52 OLG Nürnberg MDR 1999, 300 als Beispiel; ausführlich Schwab/Motzer (Handbuch) III<br />

RdNr. 63 f.; üben <strong>die</strong> dauerhaft getrennt lebenden <strong>Eltern</strong> eines minderjährigen<br />

Kindes <strong>die</strong> Personensorge <strong>gemeinsam</strong> aus, liegt der Hauptwohnsitz des Kindes bei<br />

dem <strong>Eltern</strong>teil, bei dem es sich hauptsächlich aufhält, während es bei dem anderen<br />

<strong>Eltern</strong>teil nur einen Nebenwohnsitz unterhält, OVG Bautzen NJW 2006, 1306; wird<br />

einem <strong>Eltern</strong>teil nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, hat <strong>die</strong>s allein<br />

dagegen noch keinen Einfluss auf den Wohnsitz des Kindes, OLG Karlsruhe FamRZ<br />

2006, 486. Nach AG Kandel FamRZ 2007, 1824 können <strong>die</strong> sorgeberechtigten <strong>Eltern</strong><br />

des Kindes den Wohnsitz durch Vereinbarung bestimmen. Ist einem <strong>Eltern</strong>teil das<br />

Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, ist sein Verhalten nicht mehr widerrechtlich,<br />

wenn er mit den Kindern tatsächlich in einen anderen Mitgliedstaat des<br />

HKindEntÜ umzieht, dazu OLG Koblenz FamRBint 2008, 5.<br />

53 Zu den Gesichtspunkten dabei Palandt/Diederichsen RdNr. 4.<br />

54 Zu <strong>die</strong>ser Bestimmung beim unterhaltsrechtlichen Wechselmodell vgl. BGH FamRZ<br />

2006, 1015, wobei Betreuungszeiten aber tatsächlich gleichmäßig zwischen den <strong>Eltern</strong><br />

verteilt sein müssen, vgl. BGH NJW 2007, 1882 mit Bespr. Born NJW 2007, 1859<br />

= FamRZ 2007, 707 mit Anm. Luthin.


19<br />

tät). 55 Ist <strong>die</strong> Übersiedlung mit den Kindern ins Ausland geplant, kann anderer-<br />

seits <strong>die</strong> Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den in Deutschland<br />

bleibenden <strong>Eltern</strong>teil in Frage kommen, selbst wenn <strong>die</strong>ser nicht sorgeberechtigt<br />

ist, zu weiteren Einzelheiten RdNr. 98 und 99, um einen Umzug zu verhindern<br />

oder wenigstens von seiner Zustimmung abhängig werden zu lassen. Umgekehrt kann<br />

allerdings auch notwendig werden, dem <strong>Eltern</strong>teil, der auswandern will, <strong>die</strong><br />

Handlungsbefugnisse einzuräumen, <strong>die</strong> er für sich und sein Kind braucht, damit<br />

<strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>en Pläne überhaupt verwirklicht werden können. Art. 8 EMRK erfor-<br />

dert jedenfalls nicht <strong>die</strong> Aufrechterhaltung der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>,<br />

wenn zwischen den <strong>Eltern</strong> sonst Abstimmung praktisch nicht möglich ist und Mut-<br />

ter und Kind im weit entfernten Ausland leben wollen, vgl. zu weiteren Einzel-<br />

heiten RdNr. 98. Unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit kann oft aber<br />

<strong>die</strong> Übertragung einzelner Befugnisse auf den Antragsteller ausreichen, ohne<br />

dass <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong> insgesamt betroffen ist und dem anderen <strong>Eltern</strong>teil mehr<br />

nimmt als unbedingt notwendig wäre, dazu schon RdNr. 18; bei Eilbedürftigkeit<br />

kann eine entspr. einstwAnO nach § 620 Nr. 1 ZPO ergehen, <strong>die</strong> Rechtsverluste<br />

durch Entscheidung in der Hauptsache vermeidet, <strong>die</strong> sich auf vorläufige Rege-<br />

lungen zum Schutze des Kindes beschränkt. 56<br />

20 e) Vermögenssorge. Schon früher konnte für <strong>die</strong> Vermögenssorge für ein Kind eine<br />

besondere gerichtl. Anordnung getroffen werden; innerhalb der Vermögenssorge<br />

waren (und sind) weitere Aufteilungen – Grundbesitz; Gesellschaftsbeteiligun-<br />

gen; werbende Unternehmen – möglich und häufig geboten, vgl. dazu RdNr. 122 f.<br />

Wie sonst können sich <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> über <strong>die</strong> wesentlichen Fragen dabei einigen.<br />

Dann fehlt für einen entsprechenden Regelungsantrag bei Gericht das erforderli-<br />

che Rechtschutzbedürfnis.<br />

21 7. Wirkungen der gerichtlichen Entscheidung. Gestaltungswirkungen erzielen nur<br />

statusändernde Gerichtsentscheidungen. Heiraten <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> (einander) wieder,<br />

wird eine zuvor getroffene <strong>Sorge</strong>rechtsregelung gegenstandslos; vielmehr werden<br />

beide mit ihrer Eheschließung wieder sorgeberechtigt und verantwortlich für ih-<br />

re <strong>gemeinsam</strong>en Kinder. Ist ein Vormund oder Pfleger tätig, bleibt seine Bestel-<br />

lung dagegen wirksam, denn <strong>die</strong> tatsächlichen Voraussetzungen für seine Einset-<br />

zung müssen sich nicht geändert haben; 57 doch kann auf Antrag oder von Amts we-<br />

gen Aufhebung nach § 1696 erfolgen und geboten sein.<br />

III. Allgemeine Gesichtspunkte für eine gerichtliche Regelung der <strong>elterliche</strong>n<br />

<strong>Sorge</strong><br />

55 OLG Köln NJW 1999, 224.<br />

56 OLG Hamm FamRZ 1999, 393; ebenso Palandt/Diederichsen RdNr. 4.<br />

57 Zu § 1684 und den Regeln der EMRK (Besuchsbefugnisse zwischen nichtehelichem Vater<br />

und Kind) EuGHMR FamRZ 2001, 341.


20<br />

22 1. Gleichrangigkeit von Mutter und Vater. a) Erwerbstätigung und Betreuungssi-<br />

tuation. Inzwischen ist (nahezu) einhellig anerkannt, dass Mutter und Vater für<br />

<strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> bei einer gerichtl. Entscheidung gleichrangig sind; sie<br />

sind das ja auch in ihrer jeweiligen Bedeutung für <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes,<br />

solange sie zusammenleben. Sicherlich können Erwerbstätigkeit und tatsächliche<br />

Betreuungssituation Einfluss gewinnen, doch müssen stets besondere Auswirkungen<br />

für das Kind und seine Entwicklung festgestellt werden können. Letztlich wirken<br />

sich damit allerdings doch Unterschiede aus, <strong>die</strong> aus der gesellschaftlichen<br />

Rollen- und Aufgabenverteilung folgen - meist arbeiten <strong>die</strong> Väter, während <strong>die</strong><br />

Mütter zumindest in den ersten <strong>Leben</strong>sjahren der Kinder Betreuungsaufgaben wahr-<br />

genommen haben. Die schlichte Ankündigung eines Vaters, er werde seine Erwerbs-<br />

tätigkeit reduzieren, 58 wenn er <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> erhalte, stellt zwar äußere<br />

Chancengleichheit mit einer ebenfalls teilzeitbeschäftigten Mutter her, reicht<br />

aber für sich häufig nicht aus, sondern muss zusätzlich auf ihre Ernsthaftig-<br />

keit und Realisierbarkeit überprüft werden. Fremdbetreuung sollte hinter der<br />

Betreuung durch einen <strong>Eltern</strong>teil zurücktreten, denn so muss das Kind (wiederum:<br />

meist) erst neue Bindungen aufbauen und Vertrauen gewinnen. Bestehen aber lie-<br />

bevolle und tragfähige Beziehungen zu einem "neuen" Partner, einem Stiefeltern-<br />

teil, einem Verwandten oder einem anderen Betreuer (Tagesmutter, Kindermädchen<br />

etc., Großeltern, <strong>die</strong> in der Nähe wohnen und für das Kind bisher besonders ver-<br />

traut waren), können gerade sie <strong>die</strong> Übertragung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf den<br />

<strong>Eltern</strong>teil rechtfertigen, der sie für sich zusätzlich ins Feld führen kann, da-<br />

zu auch RdNr. 24. Im Übrigen lässt sich oft nur so wirklich Gleichbehandlung<br />

berufstätiger Väter mit nicht berufstätigen Müttern erreichen, vgl. auch gleich<br />

RdNr. 23.<br />

23 Betreuungsmöglichkeiten und äußere <strong>Leben</strong>sumstände können für den Fortbestand<br />

der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> besonderes Gewicht gewinnen, weil damit Lö-<br />

sungen möglich sind, <strong>die</strong> an <strong>die</strong> tatsächliche <strong>Leben</strong>sführung anknüpfen und den<br />

Bedürfnissen des Kindes gerecht werden. Auch <strong>die</strong> Aufteilung der <strong>elterliche</strong>n<br />

<strong>Sorge</strong> und <strong>die</strong> Zuweisung einzelner Teile an den einen oder den anderen <strong>Eltern</strong>-<br />

teil können sich so rechtfertigen lassen. 59 Andererseits können gerade sie für<br />

<strong>die</strong> Zuweisung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> an einen Partner Grundlage wer-<br />

den, wenn der andere schon seit längerer Zeit kaum Bedeutung für <strong>die</strong> Entwick-<br />

lung des Kindes hat.<br />

24 Sind beide <strong>Eltern</strong> in gleichem Maße erziehungsgeeignet und erziehungsfähig, kann<br />

das Verhältnis zu den Großeltern 60 den Ausschlag geben, wenn sie bisher für <strong>die</strong><br />

58 Dazu OLG Frankfurt FamRZ 1990, 550.<br />

59 Motzer FamRZ 1999, 1101, 1102.<br />

60 Dazu OLG Hamm FamRZ 1996, 1096.


21<br />

Betreuung der Kinder zuständig waren und weiterhin sein sollen. Dabei kann ihre<br />

längerfristige Bedeutung für <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes in den Vordergrund<br />

rücken, so dass auch ihr <strong>Leben</strong>salter und ihre besondere Belastungsfähigkeit<br />

wichtige Gesichtspunkte werden; sie dürfen sich nicht überfordern bzw. überfor-<br />

dern lassen. Andererseits sollte nicht selbstverständlich <strong>die</strong>se Form von Fami-<br />

lienbetreuung den Vorzug erhalten; Aufnahme in eine junge Stieffamilie kann für<br />

das Kind häufig bessere Möglichkeiten bieten.<br />

25 b) Teilnahme dritter Personen. Auch <strong>die</strong> Teilnahme dritter Personen an der Be-<br />

treuung des Kindes kann wichtig werden, denn manchmal stellt nur sie <strong>die</strong> ver-<br />

antwortliche Versorgung durch einen <strong>Eltern</strong>teil sicher. Zuweilen sind ältere<br />

Menschen Kindern gegenüber zu nachsichtig (oder umgekehrt zu intolerant); des-<br />

halb ist eine andere Lösung oft besser, 61 etwa <strong>die</strong> Aufnahme in eine junge Stief-<br />

familie, dazu schon knapp RdNr. 24. Sicherlich darf ein <strong>Eltern</strong>teil nicht allein<br />

wegen seiner "raschen Wiederverheiratung" bei der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung bevorzugt<br />

werden. Doch verbietet sich auch seine Benachteiligung; unerheblich ist, ob der<br />

neue Partner zur "Zerstörung" der Ehe beigetragen hat, denn im Vordergrund<br />

steht das Kind und seine gute Entwicklung, nicht das Verhältnis unter den ehe-<br />

maligen Gatten. Hat ein Ehegatte während der Trennungsphase <strong>die</strong> Kindeserziehung<br />

der Großmutter überlassen und kann das Kind vom anderen <strong>Eltern</strong>teil gut betreut<br />

und erzogen werden, stehen Kontinuitätsgrundsätze einer Übertragung der elter-<br />

lichen <strong>Sorge</strong> auf <strong>die</strong>sen nicht entgegen.<br />

26 c) Alter und Geschlecht des Kindes begründen auch sonst keine Vorrechte eines<br />

<strong>Eltern</strong>teils, <strong>die</strong> ihre grundsätzliche Gleichstellung in der Folgezeit wieder<br />

entwerten, etwa für <strong>die</strong> Mutter und bei Kleinkindern; beide Gesichtspunkte kön-<br />

nen aber bei der Gesamtabwägung herangezogen werden, wobei ausgeschlossen wer-<br />

den muss, dass so doch wieder (angeblich) natürlich begründete Vorrangverhält-<br />

nisse entstehen und bedeutsam werden.<br />

27 d) Ausländisches Recht. Wenden wir in einem Scheidungsverfahren für <strong>die</strong> Rege-<br />

lung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> ausl. Recht an, weil Art. 21 EGBGB nicht eingreift<br />

und das MSA ohne Bedeutung bleibt, 62 lebt das Kind aber hier in Deutschland,<br />

können Rechtsbestimmungen dort gegen unseren ordre public verstoßen, Art. 6<br />

EGBGB, wenn sie ohne Rücksicht auf <strong>die</strong> Umstände einem <strong>Eltern</strong>teil alters- und<br />

geschlechtsbezogene Vorrechte einräumen. 63 Wie sonst sollten wir allerdings eine<br />

"feinere" Verteilung durch Anpassung der völligen Verdrängung ausl. Rechts<br />

61 OLG Hamm FamRZ 1980, 485 und OLG Hamm FamRZ 1985, 637 mit Anm. Luthin.<br />

62 Für das Verhältnis zum Iran Finger FuR 1999, 58, 158 und 215 sowie Schotten/<br />

Wittkowski FamRZ 1995, 264.<br />

63 Für den Iran und Art. 1168 ff. iran. ZGB Finger FuR 1999, 215, 219 f.; zu weiteren<br />

Einzelheiten Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 307 mit Nachw.


22<br />

durch deutsche Bestimmungen vorziehen. 64 Nur so stellen wir (häufig) <strong>die</strong> Aner-<br />

kennung unserer Entscheidung im Ausland sicher oder verhindern sie wenigstens<br />

nicht, vgl. dazu auch RdNr. 174. Nach unseren Vorstellungen unwirksam ist der<br />

Stichentscheid des türkischen Vaters nach Art. 263 türk. ZGB, 65 vgl. RdNr. 173<br />

a.E., besteht aber auch dort nicht fort.<br />

28 2. Förderungsprinzip. 66 Gerichtliche <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidungen lassen sich unter<br />

dem Blickwinkel des Kindeswohls nur rechtfertigen, wenn sie sich (auch) um sei-<br />

ne Förderung des Kindes und seine weitere Entwicklung bemühen, 67 zu den sonsti-<br />

gen Prinzipien (Förderungsprinzip RdNr. 28 f., Kontinuitätsprinzip, RdNr. 30<br />

f., Kindesbindungen/<strong>Eltern</strong>bindungen RdNr. 37 f., Geschwisterbindungen, RdNr. 42<br />

f. u.ä. - dabei besteht unter den verschie<strong>denen</strong> Kindeswohlkriterien keine Rang-<br />

ordnung oder vorgegebene Abfolge 68 ). Jedenfalls ist <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> dem El-<br />

ternteil zu übertragen, der am besten zur Erziehung und Betreuung geeignet er-<br />

scheint, wenn ihm Unterstützung und Hilfe beim Aufbau der Persönlichkeit des<br />

Kindes zugetraut werden können. Dabei sind <strong>die</strong> Verhältnisse beider <strong>Eltern</strong> zu<br />

prüfen, gegeneinander abzuwägen und auf das Kind zu beziehen. Verzichten sie<br />

auf eigene Interessen, kann <strong>die</strong>s für <strong>die</strong> Entscheidung des Gerichts wichtig wer-<br />

den, wenn so besondere Verantwortlichkeit gegenüber dem Kind deutlich wird.<br />

Sonst spielt vor allem <strong>die</strong> Bereitschaft eine Rolle, das Kind zu sich zu nehmen<br />

und für seine Versorgung einzustehen, Erziehung und Beaufsichtigung leisten zu<br />

wollen. Zeitlich begrenzte Faktoren wie etwa das Alter des Kindes oder eines<br />

<strong>Eltern</strong>teils treten zurück. Unterschiedliche Erziehungsauffassungen – strengere,<br />

leistungsorientierte Vorstellungen des Vaters auf der einen, eher ungebundene,<br />

den emotionalen Bedürfnissen des Kindes zugewandte Haltung der Mutter auf der<br />

anderen Seite – stehen (zumindest) gleichwertig nebeneinander. Dabei kann, je<br />

nach Kindesalter, <strong>die</strong> emotionale Absicherung sogar größere Bedeutung haben als<br />

<strong>die</strong> schulische Unterstützung. 69 Vor- und Ausbildung eines <strong>Eltern</strong>teils sind für<br />

<strong>die</strong> Erziehungseignung meist weniger wesentlich als seine Verantwortungsbereit-<br />

schaft und –fähigkeit 70 und seine Absicht, das Kind in allen Zusammenhängen zu<br />

fördern; im Übrigen haben öffentliche Einrichtungen ihre Aufgaben wahrzunehmen<br />

und Defizite auszugleichen. Schlechte deutsche Sprachkenntnisse sind für sich<br />

kein ausreichender Grund, einen Partner von <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>befugnissen auszu-<br />

64 Dazu OLG Bremen NJW-RR 2000, 3 = FamRZ 1999, 1520.<br />

65 Dazu Finger FuR 1998, 398, 402 mit Nachw. und (als Beispiel) OLG Düsseldorf FamRZ<br />

1998, 1318; zur <strong>Sorge</strong>rechtsregelung für <strong>die</strong> Dauer des Getrenntlebens sonst nach<br />

türkischem Recht Odendahl FamRZ 1999, 1327.<br />

66 Knappe Übersicht bei Schwab FamRZ 1998, 457, 464; vgl. ausführlich dazu Staudinger/Coester<br />

RdNr. 178 f.<br />

67 Dazu OLG Frankfurt FamRZ 1994, 920 bei kulturellen Brüchen – Pakistan.<br />

68 Prütting/Wegen/Weinreich/Ziegler RdNr. 53.<br />

69 OLG Frankfurt FamRZ 1978, 261.


23<br />

schließen. 71 Allerdings ist das Kind dann in anderer Hinsicht zu fördern, etwa<br />

durch Sprachunterricht oder - sicherlich - den anderen <strong>Eltern</strong>teil. Dauernde<br />

Krankheit oder abnorme seelische Veranlagung (Selbstmordgefahr) stehen einer<br />

Übertragung des <strong>Sorge</strong>rechts auf <strong>die</strong>sen <strong>Eltern</strong>teil entgegen, 72 denn dabei ist das<br />

Kind gefährdet. Zu berücksichtigen, aber <strong>die</strong>ser Punkt wird weniger wichtig,<br />

sind schließlich <strong>die</strong> Wohnverhältnisse und <strong>die</strong> – für sich nicht ausschlaggebende<br />

- wirtschaftliche Situation der <strong>Eltern</strong> bzw. eines <strong>Eltern</strong>teils. Denn für sie<br />

müssen Unterhaltspflichten des anderen <strong>Eltern</strong>teils ebenso ins Blickfeld geraten<br />

wie öffentliche Unterstützungsleistungen.<br />

29 Insgesamt steht bei der <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung <strong>die</strong> kindbezogene Förderung im<br />

Vordergrund, 73 vgl. auch § 1697 a. Deshalb ist <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> als kindes-<br />

wohlgerechte Regelung dem <strong>Eltern</strong>teil zuzusprechen, der den damit verbun<strong>denen</strong><br />

Erziehungs- und Betreuungsaufgaben voraussichtlich am besten nachkommen wird.<br />

Kontinuitätsgrundsätze greifen dagegen (eher) ein, wenn sich Erziehungseignung<br />

und <strong>Leben</strong>sumstände bei beiden <strong>Eltern</strong>teilen als gleichwertig erweisen, 74 dazu<br />

RdNr. 30 f., wobei von vornherein keine Stufenfolge für <strong>die</strong> einzelnen Orientie-<br />

rungsmuster oder gar ein Vorrang unter ihnen besteht.<br />

30 3. Kontinuitätsgrundsätze. 75 a) Allgemeines. Grundsätze der Kontinuität können<br />

in unterschiedlicher Form bedeutsam werden, nämlich örtlich, sachlich/persön-<br />

lich und/oder bezogen auf das Alter des Kindes, aber auch andere Merkmale kön-<br />

nen wichtig werden. Im Übrigen sind sie mit den sonstigen Erziehungskriterien<br />

für <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung abzuwägen und in ihr Verhältnis zu bringen, zum<br />

Förderungsprinzip vgl. gerade RdNr. 28 f. Dem Kind sind soweit wie möglich bis-<br />

herige Umstände und Verhältnisse zu erhalten, <strong>die</strong> für seine Entwicklung wesent-<br />

lich waren und sein können; deshalb ist auch <strong>die</strong> Fähigkeit zur Bindungstoleranz<br />

eines <strong>Eltern</strong>teils wichtig, nämlich seine Bereitschaft, Kontakte zum anderen El-<br />

ternteil oder sonstigen, für das Kind wichtigen Personen zuzulassen und sie zu<br />

70 OLG Bamberg FamRZ 1998, 1462.<br />

71 OLG Nürnberg NJW-RR 1999, 1019 = NJWE-FER 1999, 235 und Oelkers § 1 RdNr. 248.<br />

72 OLG Hamm FamRZ 1980, 484; vgl. zu weiteren Einzelheiten ausführlich Schwab/Motzer<br />

(Handbuch) III RdNr. 176 mit Nachw.<br />

73 AA Johannsen/Henrich/Jaeger RdNr. 52: Keine Rangordnung, sondern kindbezogene<br />

Bewertung und Abwägung der gesamten Umstände – aber sie erfolgt stets; durchgesetzt<br />

hat sich jedenfalls <strong>die</strong> Überzeugung vom (relativen) Vorrang persönlicher<br />

Elemente vor den materiellen Umständen.<br />

74 Knappe Übersicht bei Schwab FamRZ 1998, 457, 467 f.<br />

75 Dazu OLG Celle FamRZ 1994, 924; eingängig beschrieben von Johannsen/Henrich/<br />

Jaeger RdNr. 65 als "Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse",<br />

zu <strong>die</strong>sen Grundsätzen bei der Regelung der elterl. <strong>Sorge</strong> vgl.<br />

auch Lüderitz/Dethloff § 13 RdNr. 164 f. und Gernhuber/Coester-Waltjen § 65 RdNr.<br />

17 f.


24<br />

unterstützen. 76 Andererseits reichen schlichte Zusagen im <strong>Sorge</strong>rechtsstreit<br />

nicht aus, um einen Vorrang für <strong>die</strong>sen <strong>Eltern</strong>teil zu begründen; zumindest sind<br />

sie auf ihre Ernsthaftigkeit zu überprüfen. Umgangsbefugnisse bestehen ohnehin<br />

fort. Ein <strong>Eltern</strong>teil verliert seinen Vorrang, den er sonst bei der Abwägung ge-<br />

wonnen hat, nicht notwendig durch sein "Versagen" in anderen Teilbereichen,<br />

wenn eine Gefährdung des Kindes sicher ausgeschlossen erscheint und er im Übri-<br />

gen ein "Übergewicht" hat und <strong>die</strong> besseren Voraussetzungen mitbringt, das Kind<br />

zu fördern und für seine Entwicklung zu sorgen. Zunächst sind deshalb dort, Ge-<br />

sichtspunkte des Kindeswohls und der Verhältnismässigkeitsgrundsätze, <strong>die</strong> Dinge<br />

zu regeln und gerichtlich zu entscheiden, ohne dass <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> insge-<br />

samt in Frage gerät. Für das Kind wäre jedenfalls ein Wechsel in der Person des<br />

<strong>Sorge</strong>berechtigten abträglich und mit erheblichen Nachteilen verbunden; nur bei<br />

Vorliegen wirklich triftiger Gründe lässt sich <strong>die</strong> Änderung der tatsächlichen<br />

<strong>Leben</strong>ssituation mit einem Umzug zum anderen <strong>Eltern</strong>teil rechtfertigen. Oft wird<br />

<strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> für <strong>die</strong> Zukunft und allein dem <strong>Eltern</strong>teil einzuräumen<br />

sein, der das Kind bereits längere Zeit vor der Trennung/Scheidung betreut hat,<br />

wenn es dort in geordneten Verhältnissen lebt, ausreichend und liebevoll ver-<br />

sorgt wurde und wird sich der Übergang zum anderen <strong>Eltern</strong>teil und <strong>die</strong> Umstel-<br />

lung auf eine andere Erziehungsart nicht unmittelbar aufdrängen. 77 Andererseits<br />

ist zu verhindern, dass frühzeitig und ohne Not vollendete Tatsachen geschaffen<br />

werden, <strong>die</strong> sich dann kaum noch ändern lassen.<br />

31 Kontinuitätsgrundsätze für <strong>die</strong> Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> bergen stets <strong>die</strong><br />

Gefahr in sich, dass ein <strong>Eltern</strong>teil mit schnellem Zugriff auf das Kind bei der<br />

Trennung <strong>die</strong> spätere <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung durch das Gericht schon vorweg-<br />

nimmt. Deshalb ist stets auf eine längerfristige Zeitspanne abzustellen; 78 im<br />

Übrigen ist darauf zu achten, dass nicht zu schnell und zu einfach vollendete<br />

Tatsachen geschaffen werden, vgl. dazu schon RdNr. 30. Die Regelung der elter-<br />

lichen <strong>Sorge</strong> während der Dauer des Getrenntlebens durch einstwAnO sollte folg-<br />

lich erst nach einer in <strong>die</strong> Zukunft gerichteten Betrachtung erfolgen, <strong>die</strong> sämt-<br />

liche Merkmale einbezieht; spätere <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung sollte sie allen-<br />

falls vorbereiten und nicht vorweg nehmen. Vorzuziehen sind jedenfalls diffe-<br />

renzierte Übergangslösungen. Stetigkeitsgrundsätze sollten andererseits den<br />

sonst nach § 1671 berufenen (bevorrechtigten) <strong>Eltern</strong>teil nicht hindern, <strong>die</strong><br />

tatsächliche <strong>Sorge</strong> für ein Kind etwa bei Krankheit, Wohnungswechsel oder Aus-<br />

landsaufenthalt auf begrenzte Zeit dem anderen Teil zur Ausübung zu überlassen;<br />

76 So Palandt/Diederichsen RdNr. 21 im Anschluss an OLG Düsseldorf FamRZ 1986, 296,<br />

vgl. zu <strong>die</strong>sem Punkt auch OLG Brandenburg ZfJ 2001, 234.<br />

77 Vgl. dazu zuletzt OLG Brandenburg ZfJ 2001, 234.<br />

78 KG FamRZ 1990, 1383.


25<br />

weitere Auswirkungen etwa für eine Abänderung nach § 1696 sind so allein noch<br />

nicht zu befürchten.<br />

32 Zeitliche Abstufungen, <strong>die</strong> den Aufenthalt des Kindes zunächst für einen <strong>Eltern</strong>-<br />

teil vorsehen und dann später, aber jetzt schon festgelegt, den anderen berech-<br />

tigen, sind dagegen wenig sinnvoll. Ist ein Wechsel geboten, können Abände-<br />

rungsanträge gestellt werden und entsprechende Gerichtsentscheidung kann erge-<br />

hen; im Übrigen können Eingriffe nach § 1666 zu erfolgen haben. Meist ist <strong>die</strong><br />

zukünftige Entwicklung ohnehin unübersehbar. Unterschiedliche religiöse Bekenn-<br />

tnisse 79 der <strong>Eltern</strong> oder Zugehörigkeit zu verschie<strong>denen</strong> Religionen oder andere<br />

erhebliche Unterschiede in ihrer kulturellen oder sonstigen <strong>Leben</strong>sorientierung,<br />

<strong>die</strong> sich nicht ohne weiteres auf das Kind auswirken, sind unerheblich, können<br />

aber unter Kontinuitäts–, aber auch unter Gesichtspunkten der Förderlichkeit<br />

für <strong>die</strong> weitere Kindesentwicklung Gewicht gewinnen; sein Wohl ist ohnehin vor-<br />

rangig. Ist <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes gefährdet, sind gerichtliche Eingriffe<br />

notwendig, § 1666 als Maßstab.<br />

33 Insgesamt sollten Gesichtspunkte der Kontinuität nicht überbewertet werden. Bei<br />

regelmäßigen Besuchskontakten mit dem anderen <strong>Eltern</strong>teil kann ein Aufenthalts-<br />

wechsel mit dem Umzug zu einem <strong>Eltern</strong>teil weitgehend unschädlich 80 sein; viele<br />

Kinder wünschen ihn mit zunehmenden <strong>Leben</strong>salter sogar, um den anderen kennenzu-<br />

lernen und so zusätzliche Erfahrungen zu sammeln oder (vielleicht auch) Druck<br />

in der bisherigen Umgebung auszuweichen. Beständigkeit wird häufig gerade über<br />

<strong>die</strong> innere Stabilität eines <strong>Eltern</strong>teils hergestellt und nicht durch <strong>die</strong> äußere<br />

Form der <strong>Leben</strong>sumstände; 81 deshalb ver<strong>die</strong>nt ertrotzte Kontinuität 82 (Verweige-<br />

rung/Behinderung der Beziehungen zum anderen <strong>Eltern</strong>teil) keinen Schutz. 83<br />

34 b) Persönlich. Unter dem Blickwinkel der Kontinuität kommt der persönlichen Be-<br />

treuung eines Kindes durch einen <strong>Eltern</strong>teil eine besondere Rolle zu, denn sie<br />

soll in der ohnehin schwierigen Zeit des Zerbrechens der <strong>Eltern</strong>ehe/<strong>Eltern</strong>-<br />

beziehung erhalten bleiben, um weitere Verluste zu vermeiden; sie ist, nament-<br />

lich für Kleinkinder, meist wichtiger als das äußere Umfeld wie Schule, Freun-<br />

deskreis, Sportclub etc. 84,85 Ten<strong>die</strong>ren Kinder zur Mutter, ist <strong>die</strong> Zuweisung der<br />

<strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> an sie geboten, wenn <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> sonst heftigst zerstritten<br />

sind und nur sie eine "stabile innere emotionale Entwicklung im Gefühl der Ge-<br />

79 Dazu Palandt/Diederichsen RdNr. 26; zur Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppierung/Sekte<br />

allgemein RdNr. 91.<br />

80 Richtig Palandt/Diederichsen RdNr. 26.<br />

81 Palandt/Diederichsen RdNr. 25.<br />

82 Dazu knapp Palandt/Diederichsen RdNr. 22; OLG München FamRZ 1991, 1343.<br />

83 Zu weiteren Einzelheiten vgl. <strong>die</strong> Nachw. bei Palandt/Diederichsen RdNr. 22; Staudinger/Coester<br />

RdNr. 136 f.<br />

84 Zu <strong>die</strong>sen Merkmalen bei der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung vgl. OLG Köln FamRZ 1998, 1461<br />

(Kind: 11 Jahre).


26<br />

borgenheit" sichern kann. Doch darf so nicht wieder ein (angeblich) natürlich<br />

begründetes Vorrecht für sie entstehen. Schulischer Erfolg, den der Vater für<br />

das Kind erreicht hat und auch künftig erstrebt, kann ebenso zurückzutreten ha-<br />

ben wie <strong>die</strong> berufliche Förderung, für <strong>die</strong> er sich einsetzt, wenn damit gleich-<br />

zeitig Beeinträchtigungen für <strong>die</strong> seelische Entwicklung des Kindes verbunden<br />

sind oder sein können. 86 Stets ist ein "abrupter Wechsel" zu vermeiden 87 und ein<br />

vorsichtiger Übergang zu suchen, vgl. dazu auch § 1632 Abs. 4, um <strong>die</strong> Entwick-<br />

lung des Kindes nicht zu gefährden.<br />

35 c) Sachlich/örtlich. Sind beide <strong>Eltern</strong> für das Kind in gleichem Maße erzie-<br />

hungsgeeignet, bestehen gleichartige gesicherte Bindungen des Kindes zu ihnen<br />

und sind auch sonst keine für <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung wesentlichen Unter-<br />

schiede zu finden, kann das äußere Umfeld Bedeutung gewinnen, das dem Kind<br />

nicht genommen werden soll. 88 Maßgeblich sind seine persönliche <strong>Leben</strong>ssituation<br />

und seine Kontakte sowie sein Alter und seine Interessen, so dass Kindergarten,<br />

Schule, Musikgruppe, Sportverein, <strong>die</strong> Nachbarschaft und Freundschaften zu ande-<br />

ren Kindern ebenso in <strong>die</strong> Abwägung einzubeziehen sein können wie <strong>die</strong> "schöne<br />

Wohnung" bei einem <strong>Eltern</strong>teil und ihre Ausstattung (ländliche Gegend in Großs-<br />

tädten, Garten; Reitstallnähe, Tierhaltung) und/oder besondere enge Verbindun-<br />

gen zu anderen Verwandten (Großeltern), <strong>die</strong> leicht erreichbar sind und erreich-<br />

bar bleiben sollen. Andererseits ist dabei eine gewisse Zurückhaltung geboten;<br />

(fast) alles ist ersetzbar.<br />

36 d) <strong>Leben</strong>salter des Kindes. Oft wird <strong>die</strong> Entscheidung für Kinder in unterschied-<br />

lichem <strong>Leben</strong>salter auch unterschiedlich ausfallen müssen. Für kleinere Kinder<br />

wird eher <strong>die</strong> persönliche Kontinuität beim bisher schon betreuenden <strong>Eltern</strong>teil<br />

wichtig werden, während bei älteren Kindern andere Merkmale eher sachlicher Art<br />

wie etwa sein <strong>Leben</strong>sumfeld entscheidend sein können. Für Kleinkinder schaffen<br />

alltägliche Beständigkeit und Verlässlichkeit der Betreuung <strong>die</strong> notwendigen Le-<br />

bensgrundlagen, Grundvertrauen. Ihr Bedürfnis nicht nur nach dauerhaften Ge-<br />

fühlsbindungen, sondern auch nach gleichbleibenden Umwelteinflüssen und stabi-<br />

len äußeren Verhältnissen erlaubt einen Betreuungswechsel nur, wenn damit für<br />

sie deutlich bessere Entwicklungschancen in der Zukunft geschaffen werden. Da-<br />

bei nimmt ihre Trennungsempfindlichkeit von der zweiten Hälfte des 1. <strong>Leben</strong>s-<br />

jahres bis zum 3. <strong>Leben</strong>sjahr noch zu; im Übrigen hängt sie von den seelischen<br />

Anlagen, dem Entwicklungsstand und der Art der bisherigen Betreuung ab, so dass<br />

<strong>die</strong> Frage nach der Wahrscheinlichkeit erheblicher Dauerschäden bei einer Tren-<br />

nung vom betreuenden <strong>Eltern</strong>teil regelmäßig nicht ohne kinderpsychologisches Gu-<br />

85 OLG Bamberg FamRZ 1998,1462.<br />

86 So OLG Bamberg FamRZ 1998, 1462; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 1999, 320.<br />

87 So Schwab FamRZ 1998, 457, 464/465.


27<br />

tachten zu beantworten sein wird und schon gar nicht auf Alltagserfahrungen des<br />

Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter gestützt werden darf. Jeder Wechsel<br />

der Umgebung und des Beziehungsumfeldes ist, falls überhaupt zu rechtfertigen,<br />

behutsam vorzubereiten und allmählich zu vollziehen und hat auf Bedürfnisse des<br />

Kindes Rücksicht zu nehmen. Etwa vom zwölften <strong>Leben</strong>sjahr an kann dagegen ein<br />

Wechsel von einem <strong>Eltern</strong>teil zum anderen auch einem Bedürfnis des Kindes ent-<br />

sprechen; 89 <strong>die</strong>se Chance nutzen Kinder gar nicht selten, wobei <strong>Eltern</strong> <strong>die</strong>se Wün-<br />

sche nicht als Absage oder Distanz empfinden und sie daher nicht abblocken,<br />

sondern sich gelassen, stabil und bindungstolerant auf sie einstellen sollten.<br />

Insgesamt darf so allerdings nicht wieder ein "natürlicher Vorrang" für <strong>die</strong><br />

Mutter geschaffen werden; beide <strong>Eltern</strong>teile sind gleichberechtigt und ergänzen<br />

sich in ihrer jeweiligen Bedeutung für <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes.<br />

37 4. Kindesbindungen/<strong>Eltern</strong>bindungen. § 1671 erwähnt <strong>die</strong> Bindungen des Kindes an<br />

seine <strong>Eltern</strong>, an Geschwister und an andere Verwandte, insbesondere an seine<br />

Großeltern, nicht mehr ausdrücklich, vgl. noch § 1671 Abs. 2 S. 2 aF; doch ist<br />

zweifelsfrei, dass gerade sie bei der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung besonders zu beachten<br />

sind und häufig ausschlaggebend werden. Ver<strong>die</strong>nste eines <strong>Eltern</strong>teils, auf <strong>die</strong><br />

er sich beruft, spielen keine Rolle; Zuneigung und Bindung entstehen unabhängig<br />

von solchen Leistungen und werden nicht "erworben". Fehlende Verlässlichkeit 90<br />

in anderen Zusammenhängen, Schuld an der Trennung, <strong>die</strong> Unfähigkeit, mit den<br />

Verlusten beim Scheitern der Verbindung umzugehen, Zusammenleben mit dem "Eheb-<br />

ruchspartner" oder "weitergegebener Hass" gegen den anderen <strong>Eltern</strong>teil 91 können<br />

dagegen wichtige Anhaltspunkte liefern. Notwendig sind wie sonst Auswirkungen<br />

auf das Kind und seine Entwicklung; denn auch zu <strong>die</strong>sem <strong>Eltern</strong>teil, der im per-<br />

sönlichen Verhältnis zum anderen Partner eher versagt, können tragfähige und<br />

verlässliche Bindungen bestehen.<br />

38 Sprachliche Gemeinsamkeiten. 92 Sprechen Kind und <strong>Eltern</strong>teil eine <strong>gemeinsam</strong>e<br />

Sprache, <strong>die</strong> der andere <strong>Eltern</strong>teil nicht beherrscht, kann <strong>die</strong>s wesentlich wer-<br />

den, kann aber auch ganz bedeutungslos bleiben, denn Sprachen können Kinder<br />

schnell lernen. Wird so seine Eingliederung in seine Umwelt allerdings behin-<br />

dert oder erscheint sie erschwert, ist anders zu entscheiden. 93<br />

88 OLG Köln FamRZ 1998, 1461; vgl. auch Schwab FamRZ 1998, 457, 464.<br />

89 KG FamRZ 1990, 1383.<br />

90 Wenig überzeugend OLG Köln FamRZ 1982, 1232 – Scheitern in drei Ehen soll danach<br />

gegen <strong>die</strong> Mutter sprechen.<br />

91 BGH NJW 1985, 1702.<br />

92 OLG Köln FamRZ 1982, 1232 für Slowenien.<br />

93 Dazu OLG Frankfurt FamRZ 1999,182 – pakistanische Mädchen, Vater lebt in islamischer<br />

Tradition, während sich <strong>die</strong> Kinder in Deutschland gut eingelebt haben und<br />

hier ihren <strong>Leben</strong>smittelpunkt sehen, vgl. auch OLG Frankfurt FamRZ 1994, 920 –<br />

Zeuge Jehovas; weitere Nachweise bei Schwab FamRZ 1998, 457, 464 insbes. Fn. 34.


28<br />

39 Ist ein <strong>Eltern</strong>teil zur Erziehung weniger geeignet als der andere, kann ihm <strong>die</strong><br />

<strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> übertragen werden, wenn das Kind zu ihm engere Bindungen hat<br />

und seine Entwicklung bei ihm gleichwohl gut gesichert erscheint. Graduelle Un-<br />

terschiede dabei sind allerdings meist ebenso schwer zu erfassen wie das Maß<br />

der Bindung des Kindes zu einem <strong>Eltern</strong>teil. Andererseits kann ein nicht ganz<br />

unbeträchtliches Defizit bei der Erziehungseignung nur aufgewogen werden, wenn<br />

sich erheblich stärkere Bindungen des Kindes gerade zu <strong>die</strong>sem <strong>Eltern</strong>teil fest-<br />

stellen lassen und das Kindeswohl nicht gefährdet ist. Ist ein <strong>Eltern</strong>teil un-<br />

geeignet zur Erziehung, darf ihm das <strong>Sorge</strong>recht nicht übertragen werden; dann<br />

spielen <strong>die</strong> Bindungen des Kindes keine Rolle, und sie können manchmal geradezu<br />

schädlich sein (Überidentifizierung; wahrgenommene Loyalität - Verantwortlich-<br />

keit für den <strong>Eltern</strong>teil). Erzieherisches Versagen (nur) in Teilbereichen ist<br />

für sich zu bewerten, so dass eine Abwägung notwendig wird, <strong>die</strong> sich auf das<br />

Kind und seine Interessen bezieht. Stets sind gerichtliche Eingriffe dort vor-<br />

zunehmen, wo sie notwendig werden, Verhältnismäßigkeitsgrundsätze. Deshalb wird<br />

durchgängig eine <strong>Sorge</strong>rechtsänderung bei Besuchsbehinderungen kaum in Betracht<br />

kommen, vgl. dazu RdNr. 119,auch wenn <strong>die</strong>ses Verhalten für sich unverständlich<br />

bleibt und Kindesinteressen verletzt. Sonst kann <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> in Teile<br />

aufgegliedert und jeweils einzeln zugewiesen werden; dann bleiben auch dem an-<br />

deren <strong>Eltern</strong>teil seine Befugnisse erhalten, für <strong>die</strong> er verantwortlich handeln<br />

kann.<br />

40 Sind enge Kindesbindungen zu beiden <strong>Eltern</strong>teilen vorhanden und sind auch sonst<br />

keine Unterschiede für Erziehungseignung und –bereitschaft nachweisbar, kann<br />

nach den Absichten, Wünschen und Vorstellungen des Kindes zu entscheiden sein,<br />

wenn seine Erklärungen zuverlässig erscheinen, wiederholt werden und nicht er-<br />

kennbar von sachfremden Überlegungen beeinflusst sind, 94 ohne dass dabei sein<br />

Alter schlechthin ausschlaggebend wird. Andererseits kommt gerade dem Alter des<br />

Kindes eine gewisse "Richtigkeitsgewähr" zu.<br />

41 Für <strong>die</strong> gerichtl. <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung ist damit eine Abwägung aller Umstän-<br />

de notwendig, <strong>die</strong> auf das Kind und seine ungestörte Entwicklung und seine guten<br />

Zukunftschancen zu beziehen sind. Für sich begründen <strong>die</strong> einzelnen Merkmale<br />

noch keinen Vorrang. Zweckmäßigkeitserwägungen genügen nicht. 95 Auch "gegen" <strong>die</strong><br />

vorrangigen Bindungen eines Kindes kann <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> zuzuweisen und<br />

seine Absichten und ausdrücklichen Vorstellungen zu durchbrechen sein, wenn<br />

Verschlungenheiten und ein zu enges Beziehungsgeflecht mit <strong>die</strong>sem <strong>Eltern</strong>teil<br />

aufzulösen sind und das Kind entlastet werden muss; dann ist dem anderen <strong>die</strong><br />

94 Beispiele OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 1193 und KG FamRZ 1993, 1383.<br />

95 OLG Rostock ZfJ 1999, 351.


29<br />

elterl. <strong>Sorge</strong> zu übertragen. Doch sind umgekehrt auch Grenzen zu beachten, 96<br />

denn gerade ältere Kinder haben eigene Persönlichkeitsrechte, <strong>denen</strong> Verfas-<br />

sungsrang zukommt. Geben sie in der Anhörung bei Gericht eindeutige Erklärungen<br />

ab, kann das ausreichen, so zu entscheiden, ohne dass weitere Nachfragen gebo-<br />

ten wären, 97 selbst wenn <strong>die</strong> Äußerungen im Einzelnen nicht besonders überzeugend<br />

erscheinen.<br />

42 5. Geschwisterbindungen. Auch Bindungen an <strong>die</strong> Geschwister sind in § 1671 nicht<br />

mehr erwähnt, aber nach wie vor für <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>rechtsregelung wichtig. <strong>Eltern</strong><br />

neigen manchmal zu einer Aufteilung der Kinder, um sich so eigene Auseinander-<br />

setzungen und Verluste zu ersparen und für jeden wenigstens ein Kind zu erhal-<br />

ten; manchmal versuchen sie auch, Besuchsbefugnisse sicherzustellen, denn <strong>die</strong><br />

laufenden Kontakte des Partners zu dem Kind, das nicht bei ihm lebt, könnten<br />

davon abhängen, dass er selbst den Umgang mit dem anderen Kind zulässt, dazu<br />

RdNr. 89. Wertungen nach § 1671 für jedes Kind gesondert anzustellen und gerade<br />

auf seine Lage zu beziehen; 98 sie müssen nicht einheitlich ausfallen. 99 Doch<br />

kann <strong>die</strong> gelebte Verbindung unter den Geschwistern gerade in der schwierigen<br />

Zeit, wenn das sonstige <strong>Leben</strong>sumfeld zerbricht, wichtige Stabilisierungsaufga-<br />

ben übernehmen. 100 Deshalb <strong>die</strong>nt in aller Regel das <strong>gemeinsam</strong>e Aufwachsen und<br />

<strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e Erziehung mit den anderen Kindern dem Wohl jedes einzelnen von<br />

ihnen. Besonders zu prüfen ist zudem, ob und wie weit Geschwister ihre eigene<br />

Trennung als belastend empfinden, 101 zum Altersabstand im Übrigen gleich RdNr.<br />

44. Auch ausgeprägtes Konkurrenzverhalten unter den Kindern kann eine Rolle<br />

spielen; 102 sind sie sich ganz fremd oder streiten sie häufig miteinander, kann<br />

eine gesonderte Zuweisung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> an einen <strong>Eltern</strong>teil für jedes<br />

Kind sogar notwendig werden.<br />

43 Einem <strong>Eltern</strong>teil ist daher <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> für ein Kind allein zu übertra-<br />

gen, wenn <strong>die</strong> Familie bisher zusammen gelebt hat und zwischen den Kindern eine<br />

enge, nachweisbare Bindung besteht, 103 <strong>die</strong> nicht aufgelöst werden darf. Sind Be-<br />

treuungs- und Förderungsmöglichkeiten bei dem <strong>Eltern</strong>teil besser, zu dem das<br />

96 KG FamRZ 1990, 1383, 1385.<br />

97 KG FamRZ 1990, 1383, 1385.<br />

98 Erman/Michalski RdNr. 26; Spangenberg FamRZ 2002, 1007 (mit einzelnen Gesichtspunkten<br />

für <strong>die</strong> Bewertung der geschwisterlichen Situation).<br />

99 Erman/Michalski RdNr. 26; vgl. zu <strong>die</strong>sem Punkt auch Staudinger/Coester RdNr. 112.<br />

100 Dazu OLG Dresden FamRZ 2003, 397.<br />

101 BT-Drucks. 7/2060 S. 62; vgl. für <strong>die</strong> "Entscheidung" eines 4jährigen Kindes, allein<br />

zur Mutter zu gehen, während sein Geschwister beim Vater bleibt, OLG Hamm<br />

FamRZ 2000, 1599 (<strong>die</strong>se Entscheidung soll danach für eine entspr. gerichtl. Regelung<br />

ausreichen); weitere Einzelheiten bei Erman/Michalski RdNr. 26.<br />

102 OLG Frankfurt 6 UF 277/96: bei einem sprachbehinderten und einem in üblicher Form<br />

entwickelten Kind kann <strong>die</strong> Zuweisung der alleinigen <strong>Eltern</strong>sorge für jeweils ein<br />

Kind an einen <strong>Eltern</strong>teil notwendig werden, um das behinderte Kind zu entlasten.<br />

103 Vgl. dazu OLG Hamm EzFamRaktuell 2000, 198.


30<br />

Kind weniger starke emotionale Bindungen hat, kann <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> ihm<br />

eingeräumt werden, wenn so eine für das Kind wichtige Geschwisterbeziehung<br />

(auch zu einem Halbgeschwister) bestehen bleibt. 104<br />

44 Ist der Altersabstand zwischen den Kindern groß, ist ihre innere Distanz dage-<br />

gen oft beträchtlich. Deshalb kann <strong>die</strong> Bindung an einen <strong>Eltern</strong>teil wichtiger<br />

sein als <strong>die</strong> Beziehung zum Bruder oder zur Schwester. Liegen sie im Alter eng<br />

beieinander, sollten sie nur getrennt werden, wenn ihr <strong>gemeinsam</strong>es Aufwachsen<br />

bei einem <strong>Eltern</strong>teil ausscheidet 105 und/oder heftige Abneigungen untereinander<br />

offensichtlich sind.<br />

45 Sind Spannungen zwischen den Kindern deutlich oder vertragen sie sich unterei-<br />

nander gar nicht, kann eine gesonderte Zuweisung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> für je-<br />

des von ihnen geboten sein. 106 Sonstige "Ausgewogenheit" der Entscheidung im El-<br />

terninteresse spielt keine Rolle; 107 Kinder dürfen nicht deshalb getrennt wer-<br />

den, weil der Verlust der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> für sie einen <strong>Eltern</strong>teil besonders<br />

hart treffen würde und der vor <strong>die</strong>sen Verlusten beschützt werden soll. 108 Bei<br />

gleichstarken Bindungen an <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> kann <strong>die</strong> Geschwisterbindung den Ausschlag<br />

geben; auch außerfamiliäre Bindungen etwa zu Großeltern oder zu Großelterteilen<br />

können entscheidend werden, 109 dazu gleich RdNr. 46.<br />

46 6. Kindesbindungen an andere Verwandte, insbesondere an <strong>die</strong> Großeltern. Ist ein<br />

Kleinkind nach der Trennung der <strong>Eltern</strong> beim Vater (etwa) vorwiegend von dessen<br />

Mutter betreut worden, können <strong>die</strong> Bindungen an <strong>die</strong> Großmutter und ihre Bedeu-<br />

tung für das Kind geradezu erfordern, <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> dem Vater zu über-<br />

tragen, selbst wenn <strong>die</strong> emotionalen Beziehungen zu ihm sonst nicht so stark wie<br />

zur Mutter sind; 110 so bleibt jedenfalls <strong>die</strong> Beziehung zur Großmutter erhalten.<br />

Bei gleichstarker Zuneigung des Kindes zu beiden <strong>Eltern</strong>teilen können intensive<br />

Bindungen an eine Großmutter oder einen Großelternteil für eine <strong>Sorge</strong>rechtsent-<br />

scheidung für Vater oder Mutter sprechen, selbst wenn das Kind später allmäh-<br />

lich aus den bisherigen Verbindungen gelöst werden und zu einem <strong>Eltern</strong>teil<br />

104 OLG Karlsruhe FamRZ 1980, 726; einschränkender OLG Celle FamRZ 2005, 52 - <strong>die</strong><br />

Möglichkeit, in einer neuen Familie mit Stiefgeschwistern aufzuwachsen, ist bei<br />

der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung kein entscheidender Gesichtspunkt (aber <strong>die</strong> Verbindungen<br />

bestanden noch nicht, als sich <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> getrennt haben, sondern sollten erst<br />

entstehen).<br />

105 Vgl. zu weiteren Einzelheiten Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 172 mit Nachw.;<br />

OLG Naumburg FamRZ 2000, 1595 mit umfangreicher Auswertung verschiedener Testverfahren.<br />

106 So schon BT-Drucks. 7/2060 S. 31; ebenso bei entschiedener Ablehnung eines Kindes<br />

durch einen <strong>Eltern</strong>teil BT-Drucks. 7/2788 S. 62.<br />

107 Eher zweifelnd OLG Karlsruhe FamRZ 1980, 726; wie hier Palandt/Diederichsen RdNr.<br />

22.<br />

108 Bamberger/Roth/Veit RdNr. 47 im Anschluss an Johannsen/Henrich/Jaeger RdNr. 74.<br />

109 BT-Drucks. 7/2788 S. 62.<br />

110 OLG Bamberg FamRZ 1998, 498.


31<br />

wechseln soll. Andere Bezugspersonen des Kindes können ebenfalls eine wichtige<br />

Rolle spielen, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung bestimmend wird; enger und<br />

herzlicher Kontakt zu ihnen kann erhaltenswert sein, und selbst Äußerlichkeiten<br />

können ihre eigene Bedeutung gewinnen (Sportverein; Wohnung - Reitstall - Tier-<br />

haltung u.ä.; städtische oder ländliche Umgebung).<br />

47 7. Kindeswille; Kindesentscheidung; Kindesvorstellungen. a) Allgemeines. Neben<br />

den Neigungen und Bindungen des Kindes kommt seinem Willen und seinen Vorstel-<br />

lungen für <strong>die</strong> Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> besondere Bedeutung zu. 111<br />

Schlechthin ausschlaggebend werden seine Äußerungen und seine eigene Entschei-<br />

dung allerdings erst mit zunehmendem <strong>Leben</strong>salter, denn gegen <strong>die</strong> erklärten Ab-<br />

sichten eines (etwa) 15- oder 16jährigen Kindes wird das FamG <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong><br />

nur regeln und sie (etwa) einem <strong>Eltern</strong>teil zuweisen können, wenn völlig unve-<br />

rantwortlich erscheint, so zu verfahren wie das Kind will, sondern andere Ab-<br />

sichten maßgeblich waren wie eigene Schuldgefühle oder <strong>die</strong> Furcht, einen El-<br />

ternteil besonders zu verletzen. Wesentlich und belastend können auch sonstige<br />

Loyalitätskonflikte 112 werden, <strong>die</strong> oft mit der Vorstellung verbunden sind, gera-<br />

de so besondere Verantwortung für den schwächeren <strong>Eltern</strong>teil übernehmen zu müs-<br />

sen und ihn zu beschützen. Nicht ganz selten sind schließlich schlichte, sach-<br />

fremde Vordergründigkeiten, insbesondere materielle Erwartungen oder Verspre-<br />

chungen, doch sind Kinder meist weniger beeinflussbar als angenommen.<br />

48 Auch ein Kind ist Grundrechtsträger, 113 unabhängig von seinem Alter und seiner<br />

sonstigen Entwicklung. Die Entscheidung über <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> im Konflikt<br />

zwischen Vater und Mutter berührt seine <strong>Leben</strong>sstellung jeweils in ihren Grund-<br />

lagen, so dass Art. 2 GG betroffen ist. Schon deshalb ist selbstverständlich, 114<br />

dass seine Vorstellungen zu ermitteln sind und bei der gerichtlichen Regelung<br />

Berücksichtigung finden müssen; <strong>die</strong>sem Ziel <strong>die</strong>nen <strong>die</strong> gesetzlichen Anhörungs-<br />

regeln, vgl. dazu §§ 50 ff. FGG. Selbst kleine Kinder sind einbezogen; wird ein<br />

4jähriges Kind im Verfahren nicht angehört, kann <strong>die</strong>s einen erheblichen Verfah-<br />

rensmangel darstellen, der zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache führen<br />

muss. 115 Der Bericht des/eines Jugendamtes ist für eine <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung<br />

dann nicht ausreichend, wenn <strong>die</strong> örtlichen Verhältnisse sowie das Umfeld beider<br />

111 Schwab FamRZ 1998, 457, 465 und ausführlich Staudinger/Coester RdNr. 233 f. mit<br />

Nachw.; Übersicht bei Gernhuber/Coester-Waltjen § 64 RdNr. 12 f.; sehr weitgehend<br />

OLG München FamRZ 2007, 753 - bei der <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung ist der Wille des<br />

Kindes zu berücksichtigen, soweit <strong>die</strong>s mit seinem Wohl vereinbar ist.<br />

112 Dazu OLG Hamm FamRZ 1997, 957; zur "Identifizierungsnotwehr" eines Kindes AG<br />

Stuttgart FamRZ 1981, 597.<br />

113 BGH NJW 1985, 1702; vgl. auch OLG Hamm EzFamRaktuell 2000, 198.<br />

114 Vgl. BVerfG NJW 1974, 1609.<br />

115 OLG Köln EzFamRaktuell 1999, 34.


32<br />

<strong>Eltern</strong>teile nicht durch Hausbesuch geklärt worden sind, 116 zu weiteren Einzel-<br />

heiten RdNr. 144 f.<br />

49 b) Kindeswille und Kindesalter. 117 Eigene Wünsche des Kindes und seine Erklärun-<br />

gen gewinnen nur dann Bedeutung, wenn sie frei und unbeeinflusst sind. Sicher-<br />

lich gelten für viele Entscheidungen von Erwachsenen ähnliche Vorbehalte, aber<br />

im <strong>Sorge</strong>rechtsstreit der <strong>Eltern</strong> wird Kindern häufig mehr oder weniger absichts-<br />

voll eine Aufgabe zugeschoben, <strong>die</strong> sie nicht erfüllen können und dürfen; letz-<br />

tlich würden sie sonst besondere Macht über ihre <strong>Eltern</strong> gewinnen, sonst droht<br />

neben einer Überforderung auch noch ihr Missbrauch. Andererseits überrascht im-<br />

mer wieder, wie frei sich Kinder in der Anhörung äußern und klar sagen, wie sie<br />

<strong>die</strong> Dinge einschätzen; offensichtlich nutzen sie gern <strong>die</strong> Chance, im Gespräch<br />

unbeeinflusst ihre Position zu erläutern und so <strong>die</strong> Entscheidung im Ergebnis<br />

mit zu bestimmen. Mit zunehmendem Alter des Kindes ist im Übrigen seine Erklä-<br />

rung Teil seiner Selbstbestimmung; <strong>die</strong>ser Gesichtspunkt kann sogar, etwa ab 16<br />

oder 17 Jahren, ganz in den Vordergrund treten, 118 Art. 2 GG, und <strong>die</strong> gerichtl.<br />

Regelung praktisch festlegen.<br />

50 c) Zuneigung; Abneigung. Auch unausgesprochene Wünsche und Vorstellungen des<br />

Kindes, vor allem seine Zuneigungen, Vorlieben, Tendenzen oder andererseits<br />

seine Abneigungen können bei der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung wesentlich werden; dann<br />

sollten sie aber auch bei der Entscheidung des FamG über sein Wohl und seine<br />

gute künftige Entwicklung Berücksichtigung finden, 119 wobei das Kind <strong>die</strong> Mög-<br />

lichkeit haben muss, sich selbst zu äußern und seine Vorstellungen vorzubrin-<br />

gen, zur Anhörung im Verfahren RdNr. 148 f. Solche Vorlieben und Abneigungen<br />

können auch kleine Kinder haben, ohne dass sichere Altersgrenzen festgelegt<br />

werden können; deshalb ist ihre persönliche Anhörung im gerichtl. Verfahren ge-<br />

boten, soweit sie zum Ergebnis etwas beitragen können.<br />

51 Häufig sind Kindesäußerungen allerdings völlig unrealistisch. Manchmal ist nur<br />

schwer <strong>die</strong> Einsicht zu vermitteln, dass sich <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> endgültig getrennt ha-<br />

ben und <strong>die</strong> glückliche, wie es scheint, Verbindung in der Familie nicht wieder<br />

herzustellen ist, <strong>die</strong> sich Kinder wünschen. Ausschlaggebende Bedeutung ist dem<br />

Willen des Kindes auch dann nicht beizumessen, wenn seine Entscheidung von der<br />

Erwartung geprägt ist, der "gewünschte" <strong>Eltern</strong>teil werde <strong>die</strong> im Rahmen des Um-<br />

116 OLG Köln EzFamRaktuell 1999, 34.<br />

117 Zur Beachtlichkeit des Kindesalters allg. und der notwendigen Abstufung dabei<br />

vgl. auch Staudinger/Coester RdNr. 238 f.; vgl. auch OLG Schleswig FamRB 2004,<br />

149 (Kind ist Grundrechtsträger mit dem Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit;<br />

OLG Köln FamRB 2005, 40.<br />

118 OLG Zweibrücken NJW-RR 2001, 506, auch bei einer <strong>Sorge</strong>rechtsänderung.<br />

119 Lempp NJW 1973, 1659; 1672.


33<br />

gangsrechts erlebten "Sonntagsbedingungen" auf das sonstige Zusammenleben über-<br />

tragen, während der andere eben nur sein hässliches "Alltagsgesicht" zeigt. 120<br />

52 Kinder müssen sich mit den Trennungs- bzw. Scheidungsabsichten ihrer <strong>Eltern</strong><br />

oder der vollzogenen Trennung/Scheidung deshalb inhaltlich auseinandersetzen;<br />

sie dürfen sich nicht in eine eigene Traumwelt flüchten, dazu schon RdNr. 51,<br />

<strong>die</strong> das Gericht dann noch erhalten soll. Aus <strong>die</strong>sen Gründen kann <strong>die</strong> Bestellung<br />

eines Verfahrenspflegers (§ 50 FGG) 121 für sie besonders wichtig werden, der ih-<br />

nen weiterhilft, ihre Verluste zu erfahren und mit ihnen umzugehen, zu Einzel-<br />

heiten RdNr. 154<br />

53 d) Vollendung des 14. <strong>Leben</strong>sjahres. Mit der Vollendung des 14. <strong>Leben</strong>sjahres<br />

steht Kindern nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 <strong>die</strong> beschränkte, eigene Befugnis 122 zur<br />

Mitentscheidung zu. Dem Antrag eines <strong>Eltern</strong>teils, ihm allein <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong><br />

<strong>Sorge</strong> zu übertragen, können sie widersprechen, aber sie legen <strong>die</strong> Regelung<br />

nicht fest und bestimmen über <strong>die</strong> gerichtl. Ergebnisse, sondern stellen nur si-<br />

cher, dass ihre Vorstellungen jedenfalls einbezogen sind. Wie sonst kann das<br />

Gericht den Antrag zurückweisen und sich damit über <strong>die</strong> Erklärungen des Kindes<br />

hinwegsetzen oder nach Abs. 3 vorgehen, wenn <strong>die</strong> Voraussetzungen danach erfüllt<br />

sind, zu Einzelheiten RdNr. 65 f.<br />

IV. Alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> für einen <strong>Eltern</strong>teil nach § 1671 Abs. 2<br />

54 1. Antrag und Antragsberechtigung. 123 a) Antrag. Einem Antrag eines <strong>Eltern</strong>teils<br />

auf Übertragung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> hat das Gericht nach den Ver-<br />

änderungen in § 1671 nach Abs. 2 Nr. 1 stattzugeben, wenn der andere einver-<br />

standen ist, so dass seine Zustimmung (allerdings nur gewisse) Bindungswirkun-<br />

gen erzielt. Ausnahmen sind vorgesehen beim Widerspruch eines 14 Jahre alten<br />

Kindes, zur Reichweite dabei RdNr. 65 f., oder unter den Voraussetzungen aus<br />

Nr. 2, wenn "zu erwarten ist, dass <strong>die</strong> Aufhebung der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n<br />

<strong>Sorge</strong> und <strong>die</strong> Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten<br />

entspricht". Sind <strong>die</strong>se Grenzen nicht überschritten, bleibt <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e el-<br />

terliche <strong>Sorge</strong> erhalten, denn eine Entscheidung des Gerichts ohne Anträge (amt-<br />

120 Palandt/Diederichsen RdNr. 24.<br />

121 Deshalb ist zumindest in streitigen <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren nach den Änderungen in<br />

§ 1671 "in der Regel" auch <strong>die</strong> Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 Abs. 3<br />

ZPO erforderlich, OLG Hamm FamRZ 1999, 393; zu weiteren Einzelheiten unten RdNr.<br />

171.<br />

122 Dazu auch Gernhuber/Coester-Waltjen § 65 RdNr. 42 und ausf. 46 f.<br />

123 Ein vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle aufgenommener Antrag auf Übertragung<br />

der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> (hier: Aufenthaltsbestimmungsrecht) ist wegen der alleinigen<br />

Zuständigkeit des Rpfl. unwirksam, dazu AG Kleve FamRZ 2006, 1138 krit. Anm.<br />

Roth und Hinweisen auf §§ 64 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 FGG, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 a Abs.<br />

1 S. 2, 496, 78 Abs. 2 ZPO.


34<br />

swegige Folgesache) im Entscheidungsverbund ist nicht mehr vorgesehen. 124 Damit<br />

wird das besondere "Modell" (<strong>gemeinsam</strong>e elterl. <strong>Sorge</strong> als vorrangig) zumindest<br />

tatsächlich begünstigt, 125 zum Verhältnis von Regel und Ausnahme, vgl. RdNr. 13.<br />

55 Abs. 3 lässt eine antragsunabhängige <strong>Sorge</strong>rechtsregelung zu, zu Einzelheiten<br />

RdNr. 125 f.; letztlich wird § 1666 Grundlage.<br />

56 Mit seinem Antrag nach Abs. 1 zur Regelung der elterl. <strong>Sorge</strong> eröffnet ein El-<br />

ternteil dem Gericht den Zugang zu Abs. 2, aber auch zu Abs. 3, denn nun sind<br />

<strong>die</strong> Voraussetzungen aus <strong>die</strong>sen Bestimmungen im Einzelnen zu prüfen; 126 nach Abs.<br />

3 kann das FamG aber auch von Amts wegen vorgehen, wobei § 1666 <strong>die</strong> Maßstäbe<br />

liefert. Sonst gilt § 1666 mit seinen höheren Anforderungen. Deshalb muss der<br />

Antragsgegner damit rechnen, dass letztlich das "genaue Gegenteil" 127 zu seinen<br />

Vorstellungen eintreten kann und <strong>die</strong> gerichtliche Übertragung der <strong>elterliche</strong>n<br />

<strong>Sorge</strong> auf den anderen <strong>Eltern</strong>teil erfolgt, 128 wenn <strong>die</strong>s unter dem Blickwinkel des<br />

Kindeswohls geboten ist. Trotz § 12 FGG (Amtsermittlungsgrundsatz) muss er eine<br />

Begründung liefern, <strong>die</strong> zunächst nachvollziehbar erscheint, und sich so zu den<br />

Voraussetzungen in der Sache wie Zustimmung des anderen <strong>Eltern</strong>teils, Vereinbar-<br />

keit der Aufhebung der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>Eltern</strong>sorge und der Übertragung auf den Ant-<br />

ragsteller mit dem Kindeswohl äußert. 129 Dabei wird konkreter Tatsachenvortrag<br />

notwendig. Andererseits muss er nicht alle Einzelheiten benennen, <strong>die</strong> seinen<br />

Entschluss bestimmen. Nach § 308 ZPO ist das Gericht im Rahmen der Antragstel-<br />

lung gebunden, Ausnahmen nur bei Abs. 2 Nr. 2 bzw. Abs. 3. Sonst darf keine Re-<br />

gelung ergehen, <strong>die</strong> nicht beantragt ist; hinter den Anträgen des Antragsteller<br />

kann das Gericht andererseits zurückbleiben. 130 Besonderes Rechtschutzbedürfnis<br />

124 Dazu und mit offener Wertung BGH NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646 mit Bspr. Born<br />

FamRZ 2000, 396, Anm. Coester DEuFamR 2000, 53 und Oelkers MDR 2000, 31; zu eng<br />

jedenfalls AG Chemnitz FamRZ 1999, 322, denn eine <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung "gegen"<br />

einen <strong>Eltern</strong>teil kommt nicht erst dann in Betracht, wenn bei ihm schwerwiegende<br />

Mängel in seiner Erziehungseignung festgestellt werden können, sondern auch schon<br />

bei nachhaltiger Verweigerung oder seiner schlichten Unfähigkeit zur weiteren<br />

Kooperation mit dem anderen, dazu etwa <strong>die</strong> gerade genannte Entscheidung des BGH<br />

NJW 2000, 203.<br />

125 So Schwab FamRZ 1998, 457, 462 im Anschluss an BT-Drucks. 13/4899 S. 61 f.; wesentlich<br />

zurückhaltender BGH NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646; zur Regel-Ausnahme-Diskussion<br />

vgl. auch Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 125 f.<br />

126 Der Antrag ist Sach-, aber auch Verfahrensantrag, so Palandt/Diederichsen RdNr.<br />

11.<br />

127 Palandt/Diederichsen RdNr. 11.<br />

128 OLG Karlsruhe EzFamRaktuell 1999, 66 und AG Rheinbach FamRZ 2000, 511 (wobei allerdings<br />

<strong>die</strong>se Entscheidung durch Beschluss des OLG Köln – 26 UF 128/99 – wegen<br />

eines Formfehlers aufgehoben worden ist und das AG über <strong>die</strong> Sache erneut zu entscheiden<br />

hat); kritisch Palandt/Diederichsen RdNr. 11; wenig überzeugend OLG Rostock<br />

FamRZ 1999, 1599.<br />

129 Bamberger/Roth/Veit RdNr. 10.<br />

130 Dazu Bamberger/Roth/Veit RdNr. 10 aE.


35<br />

für Anträge nach § 1671 ist allerdings nicht notwendig. 131 Gleichzeitig ist mit<br />

der Antragstellung Abs. 2 Nr. 2 ein Amtsverfahren eröffnet, das sich am Kindes-<br />

wohl orientiert, dazu RdNr. 69. Im Übrigen kann das Gericht auch von sich aus<br />

vorgehen, wenn Anhaltspunkte für im Interesse des Kindes notwendige Eingriffe<br />

erkennbar sind.<br />

57 Bietet <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> keine erkennbaren Nachteile gegenüber<br />

der beantragten Alleinsorge eines <strong>Eltern</strong>teils, ist der <strong>Sorge</strong>rechtsantrag eines<br />

<strong>Eltern</strong>teils zurückzuweisen; 132 <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> bleibt dann ohne<br />

gerichtl. Entscheidung bestehen, wenn nicht weitergehende Eingriffe, Ausübung<br />

des staatlichen Wächteramtes aus Art. 6 GG, 133 nach Nr. 2 oder Abs. 3 geboten<br />

sind.<br />

58 b) Antragsberechtigung. Antragsberechtigt nach § 1671 Abs. 1 sind allein <strong>die</strong><br />

<strong>Eltern</strong> 134 des Kindes, nicht das Jugendamt und auch nicht das Kind. 135 Ist ein<br />

Verfahrenspfleger nach § 50 FGG bestellt, zu weiteren Einzelheiten RdNr. 154,<br />

muss <strong>die</strong>ser, wenn er im <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren der <strong>Eltern</strong> weitere Anordnungen<br />

bzw. Anordnungen des Gerichts im Interesse des Kindes für geboten hält, wie das<br />

Jugendamt – oder das Kind, das immerhin Anregungen geben darf – nach §§ 1671<br />

Abs. 3, 1666 vorgehen und nun eigene Anträge stellen. 136<br />

59 <strong>Eltern</strong> können, wenn sie <strong>die</strong> alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> für sich beantragen, nur<br />

widerstreitende Anträge stellen; bei Gleichläufigkeit zumindest im Ergebnis<br />

stimmt der andere daher (in der Sache) zu und löst <strong>die</strong> üblichen (beschränkten)<br />

Bindungswirkungen für das Gericht aus, 137 vgl. Abs. 1 Nr. 1. Inhaltliche Be-<br />

schränkungen für seine Erklärungen sind dagegen möglich. Ist <strong>die</strong> Aufteilung<br />

sinnvoll, <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> wollen, und sind <strong>die</strong> Voraussetzungen aus Abs. 2 Nr. 2<br />

nachgewiesen, bleibt für den "Rest" <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> erhalten. 138<br />

Allerdings kann für weitere Ausschnitte der andere <strong>Eltern</strong>teil nun seinerseits<br />

Anträge auf Übertragung der alleinigen <strong>Sorge</strong>befugnis betreiben, <strong>die</strong> nach Abs. 2<br />

Nr. 2 zu behandeln sind.<br />

60 Dagegen kann der Antragsteller durchgängig nicht erreichen, dass auf seinen<br />

Antrag <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> auf den Antragsgegner übertragen wird. Zwar legt §<br />

1626 Abs. 1 S. 1 vorrangig <strong>die</strong> Pflicht der <strong>Eltern</strong> fest, Verantwortung für ihre<br />

Kinder zu übernehmen und für sie zu sorgen, <strong>die</strong> hinter den eigenen Berechtigun-<br />

gen zurückbleiben. Weigert sich aber <strong>die</strong> andere Seite im <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren,<br />

131 Bamberger/Roth/Veit RdNr. 17.<br />

132 So OLG Brandenburg FuR 1998, 124.<br />

133 OLG Brandenburg FuR 1998, 124.<br />

134 Dazu Palandt/Diederichsen RdNr. 11.<br />

135 Insoweit kritisch Willutzki Rpfleger 1997, 338.<br />

136 So auch Palandt/Diederichsen RdNr. 11.<br />

137 Palandt/Diederichsen RdNr. 11.<br />

138 Dazu Motzer FamRZ 1999, 1101; Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 111.


36<br />

ihre Aufgaben zu erledigen, insbesondere für <strong>die</strong> Betreuung des Kindes einzuste-<br />

hen, sind <strong>die</strong> Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung "für" sie nach<br />

§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 kaum zu erfüllt, 139 so dass sie als <strong>Sorge</strong>rechtsträger<br />

ernsthaft nicht in Betracht kommt, zu Ausnahmen RdNr. 74. Abweisung eines<br />

entspr. <strong>Sorge</strong>rechtsantrags durch das FamG reicht dann für sich nicht aus; der<br />

Antragsteller will schließlich für das Kind ebenfalls nicht einstehen. Auch der<br />

Fortbestand der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> wird bei <strong>Eltern</strong>, <strong>die</strong> sich gegen-<br />

seitig "<strong>die</strong> Kinder" zuschieben, kaum in Betracht kommen. Vielmehr wird nach<br />

Abs. 3 nach anderen Lösungen zu suchen und eine entspr. gerichtliche Entschei-<br />

dung zu treffen sein.<br />

61 c) Bisherige Alleinsorge. Stand bisher einem <strong>Eltern</strong>teil allein <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong><br />

<strong>Sorge</strong> zu, kann ein "Antrag" mit dem Ziel, <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>rechtsregelung zu ändern,<br />

nicht aus § 1671 Abs. 2 hergeleitet werden; insoweit ist der Bestand der ge-<br />

meinsamen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> gerade Voraussetzung für eine gerichtl. Entschei-<br />

dung. 140 Grundlage wird dann vielmehr § 1696. 141<br />

62 2. Zustimmung des anderen <strong>Eltern</strong>teils. Mit seiner Zustimmung zur beantragten<br />

<strong>Sorge</strong>rechtsreglung legt der andere <strong>Eltern</strong>teil das FamG in den Grenzen aus Abs.<br />

2 Nr. 1 bzw. Abs. 3 fest, ohne dass noch eine weitere inhaltliche Überprüfung<br />

zulässig wäre, ein Auswahlermessen besteht oder <strong>die</strong> Absichten oder Beweggründe<br />

der <strong>Eltern</strong> erforscht werden dürfen, 142 zu Amtsermittlungsgrundsätzen (§ 12 FGG)<br />

RdNr. 144. Doch sind <strong>die</strong>se Beschränkungen nicht weiter schädlich; liegen An-<br />

haltspunkte dafür vor, dass <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> sachfremd handeln oder Ziele verfolgen,<br />

<strong>die</strong> sich nicht aus der Sicht des Kindes herleiten und seinem Wohl verwirklichen<br />

wollen, kann nach Abs. 2 Nr. 2 bzw. Abs. 3 entschieden werden oder ein Verfah-<br />

ren nach § 1666 einzuleiten sein.<br />

63 Dabei muss sich <strong>die</strong> Zustimmung gerade auf den <strong>Sorge</strong>rechtsantrag des anderen El-<br />

ternteils in der vorliegenden Form beziehen. Vages Einverständnis ohne weitere<br />

Festlegungen reicht ebensowenig aus wie ein Hinweis auf andere Erklärungen in<br />

anderer Form und/oder an anderer Stelle. 143 Stets muss sich das Gericht im Rah-<br />

men seiner Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen, § 12<br />

FGG, ein eigenes Bild machen und Reichweite, Ernsthaftigkeit, Freiwilligkeit<br />

und tatsächliche Bedeutung der Zustimmung ermitteln. 144 Bis zur letzten Tatsa-<br />

139 Anders OLG Karlsruhe EzFamRaktuell 1999, 66, allerdings bei einem etwas älteren<br />

Kind (und keineswegs entschiedener Weigerung des anderen <strong>Eltern</strong>teils, <strong>die</strong> notwendigen<br />

Aufgaben zu übernehmen).<br />

140 Schwab FamRZ 1998, 457, 461.<br />

141 Schwab FamRZ 1998, 457, 461.<br />

142 Zu weiteren Voraussetzungen für <strong>die</strong> Zustimmung Staudinger/Coester RdNr. 75 f.<br />

143 Dazu Schwab FamRZ 1998, 457, 461.<br />

144 Nicht ganz so weit Schwab FamRZ 1998, 457, 461.


37<br />

chenverhandlung beim FamG ist <strong>die</strong> Zustimmung frei widerruflich. 145 Verzichter-<br />

klärungen für <strong>die</strong> Zukunft sind rechtlich wirkungslos, denn sie sollen eine Ent-<br />

scheidung zum Wohl des Kindes ermöglichen, vgl. auch § 1697 a, nicht etwa <strong>die</strong><br />

Verfahrensführung erleichtern. Wird sie "zurückgenommen" oder später verwei-<br />

gert, kann das Gericht nach Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 oder § 1666 vorgehen. Sinnes-<br />

wandel nach der gerichtl. Entscheidung ist dagegen bedeutungslos; allenfalls<br />

kann nun ein Verfahren nach § 1696 betrieben werden.<br />

64 An den Antrag eines <strong>Eltern</strong>teils ist das FamG damit ebensowenig gebunden wie an<br />

<strong>die</strong> erklärte Zustimmung der anderen Seite, zu den Beschränkungen dabei RdNr.<br />

62. Vielmehr kann auch ein Verfahren nach § 1666 eingeleitet werden, das von<br />

den <strong>gemeinsam</strong>en Vorstellungen beider Parteien abweicht; zudem kann das Gericht<br />

nach § 1671 Abs. 3 entscheiden, weil letztlich das Wohl des Kindes verbindlich<br />

wird. Wie sonst kann der Antrag eines <strong>Eltern</strong>teils zurückgewiesen werden, so<br />

dass <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> fortbesteht, vgl. Abs. 2 Nr. 2. Ist eine<br />

Aufteilung der Befugnisse sinnvoll und liegen <strong>die</strong> Voraussetzungen aus Abs. 2<br />

Nr. 2 vor, kann <strong>die</strong> alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong>, <strong>die</strong> ein <strong>Eltern</strong>teil für sich be-<br />

antragt hat, auf Ausschnitte und einzelne <strong>Leben</strong>sbereiche zu beschränken sein,<br />

etwa auf <strong>die</strong> Bestimmung des Aufenthaltsorts, den Schulbesuch, 146 ärztliche Heil-<br />

eingriffe u.ä., Verhältnismäßigkeitsgrundsätze; im Übrigen bestehen <strong>gemeinsam</strong>e<br />

Befugnisse der <strong>Eltern</strong> fort. Bei späteren Veränderungen kann eine Änderung der<br />

<strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung geboten sein, § 1696, oder ein Eingriff von Amts wegen<br />

nach § 1666 erforderlich werden.<br />

65 3. Widerspruch des 14 Jahre alten Kindes. Mit seinem Widerspruch, der keiner<br />

besonderen Form bedarf, 147 zum Antrag eines <strong>Eltern</strong>teils auf Übertragung der al-<br />

leinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> beseitigt ein 14 Jahre altes Kind (nur) <strong>die</strong> (be-<br />

schränkte, dazu RdNr. 62) Bindungswirkung, <strong>die</strong> mit der Zustimmung des anderen<br />

für das Gericht entsteht; weitere Folgen löst sein Widerspruch dagegen nicht<br />

aus. Sprechen <strong>die</strong> besseren Gründe für <strong>die</strong> beantragte Regelung, hat das Gericht<br />

nach Antrag zu entscheiden, § 1697 a, 148 denn mit dem Widerspruch ist allein <strong>die</strong><br />

145 So entschieden Schwab FamRZ 1998, 457, 461 mit ausf. Nachw. in Fn. 17; zu weiteren<br />

Einzelheiten Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 102; vgl. auch Johannsen/<br />

Henrich/Jaeger RdNr. 24 und 25; zu weiteren Einzelheiten (Widerruf der Zustimmung)<br />

Staudinger/Coester RdNr. 81 f.; anders ist <strong>die</strong> Situation allerdings bei der<br />

weiteren Beschwerde, dazu BGH NJWE-FER 2000, 278.<br />

146 Beispiel BayObLG FuR 1999, 472 und OLG Nürnberg EzFamRaktuell 1999, 114.<br />

147 Dazu KompaktKomm/Ziegler RdNr. 14; allerdings muss <strong>die</strong> Erklärung des Kindes deutlich<br />

sein, und in der geäußerten Unzufriedenheit über <strong>die</strong> Trennungssituation<br />

liegt noch kein Widerspruch, Johannsen/Henrich/Jaeger Rdnr. 27 - Einzelheiten hat<br />

das Gericht bei der Kindesanhörung nach § 50 b FGG aufzuklären.<br />

148 Schwab FamRZ 1998, 457, 461.


38<br />

Zustimmung eines <strong>Eltern</strong>teils hinfällig 149 und um ihre besonderen Wirkungen ge-<br />

bracht, nicht aber dem Antrag schlechthin der Boden entzogen. 150 Ist im wohlver-<br />

stan<strong>denen</strong> Interesse des Kindes eine abweichende Regelung erforderlich, kann sie<br />

auch gegen seinen Willen getroffen werden; 151 mit zunehmendem Alter gewinnen <strong>die</strong><br />

Vorstellungen und Wünsche des Kindes allerdings eigenes Gewicht, Art. 2 GG.<br />

Auch bei Zustimmung des Antragsgegners zum <strong>Sorge</strong>rechtsantrag des anderen El-<br />

ternteils ist stets durch persönliche Anhörung des Kindes zu klären, wie seine<br />

Haltung ist, insbesondere ob Widerspruch erfolgen soll. 152<br />

66 Wie <strong>die</strong> Zustimmung des anderen <strong>Eltern</strong>teils muss sich der Widerspruch des Kindes<br />

auf einen bestimmten <strong>Sorge</strong>rechtsantrag beziehen und in eindeutiger Form geäu-<br />

ßert 153 werden. Eher unklare Absichten oder Tendenzen sind ebenso bedeutungslos<br />

wie in der Anhörung vorgebrachte Zuneigungen zu einem <strong>Eltern</strong>teil oder "Präfe-<br />

renzen" zu ihm oder zum anderen. Stets sollte das Gericht nachfragen, um Vor-<br />

stellungen und Wünsche des Kindes tatsächlich in Erfahrung zu bringen, § 1697<br />

a. Ist ein Verfahrenspfleger beauftragt, muss er <strong>die</strong> Dinge aufklären, doch wer-<br />

den <strong>die</strong> Haltung des Kindes und seine Einstellung ausschlaggebend, wenn sich<br />

zwischen beiden Unterschiede oder Abweichungen zeigen. 154 Wie <strong>die</strong> Zustimmung<br />

kann der Widerspruch des Kindes bis zur letzten Tatsachenverhandlung zurückge-<br />

nommen/widerrufen werden; 155 Verzicht auf seine Ausübung für <strong>die</strong> Zukunft ist<br />

rechtlich wirkungslos. 156<br />

67 Widerspricht ein Kind dem <strong>Sorge</strong>rechtsantrag eines <strong>Eltern</strong>teils, das das 14. Le-<br />

bensjahr noch nicht vollendet hat, löst sein Widerspruch keine unmittelbaren<br />

Folgen für <strong>die</strong> gerichtliche Entscheidung aus. Doch sollte wiederum <strong>die</strong> Bestel-<br />

lung eines Verfahrenspflegers erwogen werden, denn <strong>die</strong> Haltung des Kindes ist<br />

unklar, und Interessenkonflikte mit den <strong>Eltern</strong> oder unter ihnen werden deut-<br />

lich. Im Übrigen kann aus anderen Gründen, vgl. § 1697 a, <strong>die</strong> Zurückweisung des<br />

<strong>Eltern</strong>antrags in Betracht kommen oder ein Verfahren nach § 1666 einzuleiten<br />

sein. 157<br />

68 4. § 1671 Abs. 2 Nr. 2. a) Verhältnis zu Nr. 1. Fehlt <strong>die</strong> Zustimmung des ande-<br />

ren <strong>Eltern</strong>teils, kann <strong>die</strong> Übertragung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf den<br />

149 So Palandt/Diederichsen RdNr. 15 im Anschluss an BT-Drucks. 13/4899 S. 99: Kein<br />

Vetorecht.<br />

150 Vgl. dazu aber OLG Zweibrücken NJW-RR 2001, 506, das für den "Durchschnittstypus"<br />

eines 14 Jahre alten Kindes eine "gewisse Fähigkeit" zur Selbstbestimmung annimmt<br />

und dabei § 1671 Abs. 3 S. 2 BGB aF zum Vorbild wählt.<br />

151 OLG Köln FamRB 2005, 40.<br />

152 OLG Celle FamRZ 2007, 756 - Rahmen ist § 50 b FGG.<br />

153 So ausdrücklich Schwab FamRZ 1998, 457, 461; aA Palandt/Diederichsen RdNr. 15.<br />

154 Palandt/Diederichsen RdNr. 15.<br />

155 Schwab FamRZ 1998, 457, 461.<br />

156 Schwab FamRZ 1998, 457, 461.<br />

157 Palandt/Diederichsen RdNr. 15.


39<br />

Antragsteller nach Nr. 2 erfolgen, wenn zu erwarten ist, dass <strong>die</strong> Aufhebung der<br />

<strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> und <strong>die</strong> beantragte Regelung dem Wohl des Kindes<br />

am besten entspricht; so kann auch der Widerspruch des 14 Jahre alten Kindes<br />

überwunden 158 werden. Dabei ist nicht nur eine "coupierte" 159 Prüfung des Willens<br />

des Kindes zulässig und lediglich ein Vergleich zwischen <strong>gemeinsam</strong>er elterli-<br />

cher <strong>Sorge</strong> und alleiniger <strong>Eltern</strong>sorge nach Antrag vorzunehmen, 160 denn <strong>die</strong> Rege-<br />

lungsmöglichkeiten des Gerichts sind insgesamt vielfältiger, vgl. auch §§ 1671<br />

Abs. 3, 1666. Verantwortliche <strong>Eltern</strong> werden sich um sinnvolle und abgestimmte<br />

Lösungen für ihre Kinder bemühen und vernünftige Hinweise aufnehmen; das Ge-<br />

richt muss zudem Beratungsaufgaben erfüllen und sonstige Hilfe leisten, § 139<br />

ZPO, vgl. RdNr. 152 und 153. Störend und ausgesprochen schädlich würde sich da-<br />

gegen gerade in <strong>die</strong>sem Zusammenhang <strong>die</strong> – vielleicht immer noch übliche, aber<br />

gerade nach der Entscheidung des BGH 161 so nicht mehr haltbare - Einschätzung<br />

auswirken, § 1671 stelle eine Rangfolge auf, lege ein bestimmtes Verhältnis von<br />

Regel und Ausnahme fest und entscheide sich vorrangig für einen "normativen Re-<br />

gelfall", 162,163 ohne dass eine offene Wertung erfolgt und das Gericht tatsäch-<br />

lich <strong>die</strong> gebotene Abwägung vornimmt, denn beides ist notwendig, um <strong>die</strong> künftige<br />

gute Entwicklung des Kindes sicherzustellen, vgl. Nr. 2.<br />

69 Auch das Verfahren nach Nr. 2 setzt einen Antrag eines <strong>Eltern</strong>teils voraus, ihm<br />

<strong>die</strong> alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> zu übertragen; ohne <strong>die</strong>sen Antrag kann eine ge-<br />

richtliche Entscheidung nicht erfolgen, vgl. aber Abs. 3 bzw. § 1666. Nach Ant-<br />

ragstellung ist in der Sache ein Amtsverfahren eröffnet, das sich am Kindeswohl<br />

orientiert, 164 aber unterhalb der Eingriffsschwelle aus § 1666 bleibt. 165<br />

70 b) Entscheidungskriterien für Nr. 2. Nach Abs. 2 Nr. 2 hat das FamG zu ent-<br />

scheiden und <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> aufzulösen, wenn <strong>die</strong>s im Interesse<br />

des Kindes geboten ist; zudem muss gerade <strong>die</strong> Zuweisung der alleinigen elterli-<br />

chen <strong>Sorge</strong> oder von Ausschnitten aus ihr an einen <strong>Eltern</strong>teil notwendig werden,<br />

nicht unbedingt an den Antragsteller, denn sonst ist allenfalls Abs. 3 berufen.<br />

"Normativer Vorrang" kommt der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> nicht zu, 166 auch<br />

wenn sie durch § 1671 (vielleicht) begünstigt wird, 167 dazu schon RdNr. 68.<br />

158 Palandt/Diederichsen RdNr. 16.<br />

159 So ausdrücklich Palandt/Diederichsen RdNr. 16.<br />

160 Palandt/Diederichsen RdNr. 17 mit <strong>die</strong>ser Gegenüberstellung.<br />

161 BGH NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646.<br />

162 So Palandt/Diederichsen RdNr. 18.<br />

163 Vgl. dazu BGH NJW 2000, 384 = FamRZ 1999, 1646 mit Bspr. Born FamRZ 2000, 396 und<br />

Anm. Coester DEuFamR 2000, 53 und Oelkers MDR 2000, 31.<br />

164 Palandt/Diederichsen RdNr. 16.<br />

165 Palandt/Diederichsen RdNr. 16.<br />

166 Vgl. BGH NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646 mit Bspr. Born FamRZ 2000, 396, mit<br />

Anm. Coester DEuFamR 2000, 53 und Oelkers MDR 2000, 31; zu weiteren Einzelheiten


40<br />

71 aa) Kooperations-/Konfliktfähigkeit der <strong>Eltern</strong>. Der Fortbestand der <strong>gemeinsam</strong>en<br />

<strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> nach Trennung oder Scheidung der <strong>Eltern</strong> setzt ein Mindestmaß<br />

an Verständigungsbereitschaft zwischen ihnen, also an Kooperations- und Konf-<br />

liktfähigkeit 168 voraus und ihre ernsthafte Absicht zur <strong>gemeinsam</strong>en Übernahme<br />

von Verantwortung für das Kind, vgl. RdNr. 83. Eigene Standpunkte dürfen dabei<br />

nicht für sich gesetzt und als unverrückbar richtig gegen jede sachliche Kritik<br />

abgeschottet werden; vielmehr ist ihre Relativierung notwendig und ihre Aus-<br />

richtung auf <strong>die</strong> Bedürfnisse des Kindes. Abstimmung mit dem jeweils anderen ist<br />

ernsthaft zu suchen. Offenheit und gelassene Entgegnung fallen aber in der<br />

meist konfliktträchtigen Trennungs- und Scheidungsphase besonders schwer. Des-<br />

halb ist (auch) <strong>die</strong> These, <strong>Eltern</strong> dürften ihre Spannungen nicht auf ihr Ver-<br />

hältnis zu den Kindern übertragen, sondern müssten sich bemühen, beide Bereiche<br />

zu unterscheiden und jeweils für sich zu behandeln, kurzschlüssig und verkennt<br />

weitgehend <strong>die</strong> Zusammenhänge und Abläufe. Oft kann der persönlich "entwertete"<br />

Partner eben auch für <strong>die</strong> nötige Zusammenarbeit für <strong>die</strong> Kinder nicht mehr in<br />

der gebotenen Form wahrgenommen werden und/oder erscheint insgesamt nicht ver-<br />

lässlich. Dabei verlaufen <strong>die</strong> Entwicklungen durchgängig ohne bewusstes Zutun<br />

und sind kaum steuerbar. Manche Entfremdung mag selbstverständlich sein; man-<br />

ches ist für das Kind sicher auch eher folgenlos. Nehmen Hass und Ablehnung un-<br />

ter den <strong>Eltern</strong> noch zu, und ein streitig geführtes Scheidungsverfahren mit sei-<br />

nen Verschärfungen leistet leider häufig seinen eigenen Beitrag, wird <strong>die</strong> el-<br />

terliche <strong>Sorge</strong> kaum für beide fortbestehen können, denn <strong>die</strong> sachlichen Grundla-<br />

gen fehlen wie gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit; sie ist dann auf<br />

Antrag einem <strong>Eltern</strong>teil allein oder in Ausschnitten zu übertragen, wenn nicht<br />

nach Abs. 3 eine andere Lösung gefunden werden muss. Unerheblich bleibt dabei,<br />

Staudinger/Coester RdNr. 113 f. und 127 f. für das <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Sorge</strong>recht trotz<br />

entgegenstehendem <strong>Eltern</strong>willen.<br />

167 Deutlich inzwischen BGH NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646 mit Bspr. Born FamRZ<br />

2000, 396 und Anm. Coester DEuFamR 2000, 53 und Oelkers MDR 2000, 31.<br />

168 Zu § 1671 Abs. 2 Nr. 2 in <strong>die</strong>sem Zusammenhang OLG Köln FamRZ 2000, 499; OLG Köln<br />

NJW-RR 2003, 1011 und OLG Köln NJOZ 2004, 108; <strong>die</strong> schlichte Äußerung der Parteien,<br />

man "könne nicht mehr miteinander reden", und Absprachen seien nur mit Hilfe<br />

von Anwälten möglich, reicht dagegen nicht aus, <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong><br />

aufzulösen und sie auf einen Ehegatten zu übertragen, dazu OLG Schleswig NJW-RR<br />

2000, 813; zur fortbestehenden Kooperationsfähigkeit der <strong>Eltern</strong> als Voraussetzung<br />

der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> KG FuR 2000, 269. Streit in Nebenfragen, <strong>die</strong><br />

unter Einschaltung eines Vermittlers gelöst werden können, rechtfertigen keine<br />

weiteren gerichtliche Eingriffe in <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong>, OLG Bamberg<br />

NJW 1999, 1873. Fehlt jegliche Kooperationsbereitschaft, kann das <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Sorge</strong>recht<br />

nicht aufrechterhalten werden, dazu auch OLG Düsseldorf NJW 1999, 2682,<br />

ebenso OLG Bamberg NJW 1999, 3495; so hat ein <strong>Eltern</strong>teil allerdings auch <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

sich einseitig aus der Verantwortlichkeit zu lösen und aus seiner Haltung<br />

auch noch Vorteile zu ziehen, vgl. dazu RdNr. 83 und OLG Hamm FamRZ 2005,<br />

537; zur Zerstörung jeder vertrauensvollen Zusammenarbeit nach einer Aids-<br />

Infektion vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2006, 1627 und RdNr. 96.


41<br />

wer "schuld" an der Entwicklung und den Abläufen in der Ehe oder nach der Tren-<br />

nung ist oder sie zu verantworten hat; so hat allerdings jeder <strong>Eltern</strong>teil (in<br />

Grenzen) <strong>die</strong> Möglichkeit, sich einseitig aus der Verbindung mit dem anderen zu<br />

lösen und aus seinem Verhalten auch noch Vorteile zu ziehen 169 - je brüchiger<br />

<strong>die</strong> Verbindung zu ihm geworden ist, umso weniger tragfähig ist sie eben auch<br />

für <strong>gemeinsam</strong>e Verantwortung für <strong>die</strong> Kinder.<br />

72 Ist ein <strong>Eltern</strong>teil bereits Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ein<br />

Kind, ist für seinen Antrag auf Zuweisung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> zu berücksich-<br />

tigen, dass er nach § 1687 Abs. 1 S. 2 für Angelegenheiten des täglichen <strong>Leben</strong>s<br />

ohnehin allein entscheiden kann. 170 Soll der andere von <strong>Sorge</strong>befugnissen ausge-<br />

schlossen werden, ist deshalb konkreter, nachprüfbarer Tatsachenvortrag erfor-<br />

derlich, 171 um eine entspr. gerichtl. Entscheidung zu erreichen. Wie sonst kön-<br />

nen sich beide <strong>Eltern</strong>teile auf verfassungsrechtliche Garantien berufen, Art. 6<br />

GG, so dass in <strong>Eltern</strong>rechte gerichtl. nur eingegriffen werden kann, wenn <strong>die</strong>s<br />

unbedingt und zum Wohl des Kindes geboten ist.<br />

73 bb) § 1671 Abs. 4 aF nach der Entscheidung des BVerfG, dazu schon RdNr. 7. Für<br />

<strong>die</strong> jetzige gesetzliche Regelung spielen auch <strong>die</strong> vom BVerfG 172 zu § 1671 Abs. 4<br />

aF entwickelten Kriterien für den Fortbestand der <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> bei Trennung<br />

und Scheidung weiter eine Rolle, dazu RdNr. 7 obwohl sich <strong>die</strong> Neufassung von<br />

den früheren Bestimmungen deutlich unterscheidet, aber nur mit den Angriffen<br />

des BVerfG in ihren Auswirkungen verständlich wird. Unerheblich ist allerdings<br />

<strong>die</strong> erklärte Absicht 173 der <strong>Eltern</strong>, in gegenseitiger Absprache und Verantwortung<br />

<strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> <strong>gemeinsam</strong> ausüben zu wollen, eine erkennbare Schwäche der<br />

früheren "Lösung", denn so konnte sich ein Partner ohne Begründung widersetzen,<br />

ohne dass sich der andere ernsthaft wehren konnte. Gesichtspunkte des Kindes-<br />

wohls sind vorrangig, nicht <strong>die</strong> Vorstellungen und Pläne der <strong>Eltern</strong>. Entschiede-<br />

169 Dann sind <strong>die</strong> Abläufe im Einzelnen eben doch zu bewerten, aber auf das Wohl des<br />

Kindes zu beziehen, so dass wichtig wird, wer sich verweigert und in welcher Form<br />

(und wie der andere sich eine Lösung der Konflikte vorstellt); gerichtl. Entscheidungen<br />

verbieten sich daher, <strong>die</strong> nicht im Einklang mit dem Wohl des Kindes<br />

stehen und sich "nur" oder vorwiegend mit der Sichtweise der <strong>Eltern</strong> beschäftigen.<br />

170 OLG München NJW 2000, 368.<br />

171 OLG München NJW 2000, 368 und Oelkers § 1 RdNr. 214 mit Nachw.<br />

172 NJW 1983, 101; zur Erinnerung: Das BVerfG verlangte, dass jeder <strong>Eltern</strong>teil für<br />

sich zur Ausübung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> geeignet und bereit sein muss, gegen eine<br />

Übertragung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf ihn aus Sicht des Gerichts keine Einwände<br />

bestehen und sich <strong>die</strong> von den <strong>Eltern</strong> abgesprochene Lösung vor dem Kindeswohl bewähren<br />

muss, wobei <strong>die</strong> sachlichen Gesichtspunkte weiterhin wichtig sind, <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e<br />

<strong>Eltern</strong>entscheidung aber nach der Neuregelung von § 1671 nicht (mehr)<br />

notwendig ist.<br />

173 Kritisch zu <strong>die</strong>sem Punkt Schwab FamRZ 1998, 457, 463; <strong>die</strong> Begründung in BT-<br />

Drucks. 13/4899 S. 62 ist wenig überzeugend, denn das FamG hat <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

sich im Verfahren ein eigenes Bild zu verschaffen und unterstützend tätig zu wer-


42<br />

ner Widerstand und <strong>die</strong> erklärte und praktizierte Verweigerung jeder Zusammenar-<br />

beit lässt <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> aber wie früher scheitern, dazu ge-<br />

rade RdNr. 71, denn so werden beide auch nicht zu einer tragfähigen Zusammenar-<br />

beit im Interesse des Kindes finden können. Andererseits ist keineswegs sicher,<br />

dass <strong>die</strong> alleinige <strong>Eltern</strong>sorge dem <strong>Eltern</strong>teil zu übertragen ist, der sie für<br />

sich erstrebt und mit dem anderen nichts zu tun haben will. Denn gerade durch<br />

sein ablehnendes Verhalten kann er sich als erziehungsunfähig erweisen, so dass<br />

<strong>elterliche</strong> Befugnisse dem anderen, kooperationsbereiten und (eher) konfliktfä-<br />

higen Teil einzuräumen sein können, wenn er sie für sich einfordert; wie sonst<br />

steht allerdings das Wohl des Kindes und seine künftige, gute Entwicklung im<br />

Vordergrund. Andererseits verliert ein <strong>Eltern</strong>teil mit seiner Weigerung, mit dem<br />

anderen zusammen zu arbeiten, nicht für sich und ohne weiteres den Vorrang, den<br />

er sonst hat, weil er in einem Teilbereich versagt, wenn <strong>die</strong> Übertragung der<br />

elterl. <strong>Sorge</strong> auf ihn geboten ist und der andere zurückzutreten hat, vgl. auch<br />

RdNr. 89. Zudem kann eine Aufspaltung elterl. Befugnisse in Betracht kommen,<br />

wenn <strong>die</strong>s für das Wohl des Kindes erforderlich ist. Verweigert der sorgeberech-<br />

tigte <strong>Eltern</strong>teil in einem gerichtl. Verfahren ohne sachlichen Grund <strong>die</strong> Begu-<br />

tachtung des Kindes, kann ihm <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong> oder ein Teilbereich, über den<br />

beide streiten, entzogen werden, § 1666, und auf einen Pfleger zu übertragen<br />

sein. 174<br />

74 cc) Übertragung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf den Antragsgegner. Zuwei-<br />

sung von <strong>Sorge</strong>befugnissen an den Antragsgegner 175 gegen seinen erklärten Wider-<br />

spruch scheidet in aller Regel aus, selbst wenn § 1626 Abs. 1 S. 1 <strong>die</strong> Pflich-<br />

tenseite <strong>elterliche</strong>r Verantwortung besonders betont und in den Vordergrund<br />

rückt, 176 zu Einzelheiten schon RdNr. 60. Ist sein Widerstand geringer und steht<br />

das Wohl des Kindes nicht entgegen, kann aber auch eine andere Regelung in Be-<br />

tracht kommen.<br />

75 dd) Zweckmäßigkeitserwägungen. Für eine gerichtliche Entscheidung zur elterli-<br />

chen <strong>Sorge</strong> reicht nicht <strong>die</strong> lapidare Erklärung, ein <strong>Eltern</strong>teil sei für das Kind<br />

den, vgl. dazu auch Bergmann/Gutdeutsch FamRZ 1999, 422, vgl. im Übrigen § 613<br />

Abs. 1 S. 2 ZPO.<br />

174 OLG Rostock NJW 2007, 231 - fragwürdig, denn zunächst wären seine Haltung zu<br />

überprüfen und <strong>die</strong> Gründe seiner Ablehnung im Einzelnen zu bewerten; in aller Regel<br />

wird selbst ohne seine Zustimmung <strong>die</strong> Begutachtung eines Kindes möglich sein,<br />

so dass sie erfolgen kann, und <strong>Sorge</strong>rechtsentzug darf nicht zu einer "Sanktion"<br />

für sein missbilligtes Verhalten werden.<br />

175 OLG Karlsruhe EzFamRaktuell 1999, 66.<br />

176 Diesen Gesichtspunkt rückt OLG Karlsruhe EzFamRaktuell 1999, 66 in den Vordergrund;<br />

ohnehin war <strong>die</strong> Situation besonders – das "Kind" war 17 Jahre alt und lebte<br />

wohl bei keinem <strong>Eltern</strong>teil zusammenhängend, hatte sich aber in "seiner Not" an<br />

seinen Vater gewandt, der "helfen wollte" (also kein ganz entschiedener Widerstand),<br />

wobei sonst nur Heimunterbringung oder betreutes Wohnen in Betracht gekommen<br />

wäre.


43<br />

und seine Entwicklung "besser" geeignet als der andere. Vielmehr sind sämtliche<br />

Einzelheiten von Amts wegen zu ermitteln, zu überprüfen und auf das Wohl des<br />

Kindes in nachvollziehbarer Form zu beziehen, 177 § 12 FGG. Streiten <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong><br />

um ihre Erziehungsfähigkeit, müssen <strong>die</strong> von ihnen genannten Ereignisse und Ab-<br />

läufe deshalb aufgeklärt und ihre Folgerungen überprüft werden; 178 Sachvortrag,<br />

mit dem sich das Gericht auseinandersetzen kann, haben sie jeweils zu liefern.<br />

(Echtes) "Auswahlermessen" steht dem Gericht nicht zu. 179 Eingriffe in <strong>Eltern</strong>be-<br />

fugnisse mit Verlusten für beide können nur unter den Voraussetzungen aus Nr.<br />

2, Abs. 3 oder nach § 1666 erfolgen. 180 Fehlende Bindungstoleranz eines <strong>Eltern</strong>-<br />

teils, etwa für Umgangsbefugnisse des anderen, kann Anzeichen für Erziehungsde-<br />

fizite liefern, <strong>die</strong> sich für <strong>die</strong> Zuweisung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auswirken kön-<br />

nen, vgl. zu Einzelheiten RdNr. 89. 181 Im Übrigen spielt § 1687 mit seiner<br />

internen Verteilung eine Rolle. 182 Für alltägliche Fragen sollten daher weitere<br />

Streitigkeiten, <strong>die</strong> sich bei der Regelung der elterl. <strong>Sorge</strong> auswirken könnten,<br />

gar nicht erst aufkommen können. Doch können auch insoweit ständige Auseinan-<br />

dersetzungen dazu führen, <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> nicht für beide <strong>Eltern</strong>teile<br />

fortbestehen zu lassen, sondern sie einem von ihnen allein zuzuweisen, wenn das<br />

Kind leidet und sein Wohl beeinträchtigt erscheint. Ihnen gelingt offensich-<br />

tlich schon in unbedeutenden Nebenfragen keine Einigung; 183 für ihre Zusammenar-<br />

beit im Interesse der Kinder ist aber ein Grundkonsens 184 notwendig, vgl. auch<br />

RdNr. 83. Reibereien 185 oder/und Missverständnisse für Fragen, <strong>die</strong> nicht sonder-<br />

lich wichtig erscheinen, stellen zwar nicht ihre grundsätzliche Fähigkeit in<br />

Frage, für <strong>die</strong> Kinder in gemeinschaftlicher Verantwortung zu sorgen. Überstei-<br />

gen <strong>die</strong>se Auseinandersetzungen aber wiederum ein gewisses Maß, kann <strong>die</strong>s zu Be-<br />

lastungen führen, <strong>die</strong> für das Kind nachteilig sind und seine Entwicklung be-<br />

einträchtigen, selbst wenn jede Einzelheit für sich nicht sonderlich wichtig<br />

177 Dazu Palandt/Diederichsen RdNr. 16 und OLG München NJW 2000, 368.<br />

178 OLG Nürnberg EzFamRaktuell 2001, 59, 60.<br />

179 OLG Rostock ZfJ 1999, 351.<br />

180 OLG Hamm ZfJ 1999, 226.<br />

181 OLG Hamm ZfJ 1999, 226.<br />

182 OLG Nürnberg FuR 1999, 334 (bei Streitigkeiten der <strong>Eltern</strong> um das Umgangsrecht –<br />

ist das aber eine Nebensache?); OLG Rostock NJW 2007, 231 hält, wenn der sorgeberechtigte<br />

<strong>Eltern</strong>teil in einem Streitverfahren zum Umgang <strong>die</strong> Begutachtung des<br />

Kindes verweigert, sogar den Entzug der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> für <strong>die</strong>sen Bereich und<br />

ihre Übertragung auf den anderen <strong>Eltern</strong>teil für geboten, NJW 2007, 231; OLG München<br />

NJW 2000, 368.<br />

183 KG FamRZ 1999, 737.<br />

184 KG ZfJ 1999, 395; mit Bspr. Born FamRZ 2000, 396 und Anm. Coester DEuFamR 2000,<br />

53 und Oelkers MDR 2000, 31 zu BGH NJW 2000, 203.<br />

185 Erste Übersicht bei Palandt/Diederichsen RdNr. 17; vgl. im Übrigen Schwab FamRZ<br />

1998, 457, 458 im Anschluss an BT-Drucks. 13/4899 S. 63.


44<br />

erscheint. Dann ist der Alleinsorge der Vorzug zu geben. 186 Auch Teilbereiche<br />

der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>Eltern</strong>sorge können bei ständigen, heftigen Auseinandersetzungen<br />

unter den Partnern kaum "aufrechterhalten" werden, 187 doch kann <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e<br />

<strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> ganz oder zu Teilen zumindest dann fortbestehen, wenn Ent-<br />

scheidungsbefugnisse nach § 1687 ausreichen, 188 um sichere Grundlagen zu schaf-<br />

fen und weitere Gefährdungen des Kindes ausscheiden.<br />

76 ee) Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> für einen <strong>Eltern</strong>teil. Für <strong>die</strong> Zuweisung der<br />

<strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> an einen <strong>Eltern</strong>teil kann <strong>die</strong> fehlende Bereitschaft beider zu<br />

jeder vernünftigen Zusammenarbeit maßgeblich sein, 189 wenn dem Antragsteller bei<br />

der Abwägung (Kindeswohl als Maßstab) ein deutlicher Vorrang zukommt. Gemein-<br />

samkeit lässt sich "nicht verordnen". 190 Ihr Fortbestand ist vielmehr Vorausset-<br />

zung für <strong>die</strong> Übernahme von Verantwortung für das Kind; beide müssen sich daher<br />

entsprechend bemühen. <strong>Eltern</strong>schaft und Bereitschaft zur Zusammenarbeit für das<br />

Kind sind häufig nicht voneinander zu trennen, 191 auch nicht von den <strong>Eltern</strong><br />

selbst, denn vieles bleibt unbewusst, weil Streit auf der einen Ebene auf <strong>die</strong><br />

andere Ebene übergreift. Doch rechtfertigt <strong>die</strong> abgebrochene Verständigung zwi-<br />

schen den Eheleuten nicht allein <strong>die</strong> "Annahme von Erziehungsunfähigkeit". 192<br />

Notwendig sind vielmehr schwere Störungen oder Verweigerungshaltungen, 193 <strong>die</strong><br />

sich auf <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes und auf sein Wohlergehen auswirken, vgl.<br />

dazu schon RdNr. 75. Sicherlich sind beide zum Konsens verpflichtet; sie haben<br />

dafür zu sorgen, ihre Konflikte, <strong>die</strong> sie miteinander haben, von ihren Aufgaben<br />

186 BT-Drucks. 13/4899 S. 63, wiedergegeben auch bei Schwab FamRZ 1998, 457, 463;<br />

vgl. im Übrigen BGH FamRZ 1999, 1646; anders in der Gewichtung OLG Hamm FamRZ<br />

2000, 26; vgl. auch Bode FamRZ 1999, 1400 (zu Vermittlungslösungen).<br />

187 KG ZfJ 1999, 395.<br />

188 OLG Stuttgart FamRZ 1999, 1596.<br />

189 Schwab FamRZ 1998, 457, 463, dabei kann gerade <strong>die</strong> eigene Antragstellung schon<br />

ein wichtiger Hinweis auf fehlende Kooperationsbereitschaft sein, dazu Johannsen/Henrich/Jaeger<br />

RdNr. 37 (ohne dass der Antragsteller nun <strong>die</strong> Dinge in <strong>die</strong>ser<br />

Form allein nach seinem Willen festlegen kann); umgekehrt lastet auf ihm aber<br />

auch kein Rechtfertigungsdruck, seinen eigenen Antrag nun unbedingt besonders begründen<br />

zu müssen, so dass aus der Tatsache, keine überzeugenden Anhaltspunkte<br />

liefern zu können, nun nicht seinerseits fehlende Erziehungseignung gefolgert<br />

werden kann, Johannsen/Henrich/Jaeger RdNr. 39; vgl. dazu OLG Düsseldorf FamRZ<br />

1999, 1157 und OLG Köln EzFamRaktuell 2000, 115; OLG Hamm EzFamRaktuell 2000,<br />

198.<br />

190 Dazu BT-Drucks. 13/4899 S. 63.<br />

191 Vgl. <strong>die</strong> Nachw. bei Palandt/Diederichsen RdNr. 17. AG Offenbach KindPrax 1999,<br />

98. Palandt/Diederichsen RdNr. 17; skeptisch von vornherein Oelkers FuR 1999,<br />

349, 352 f., OLG Zweibrücken NJW 1998, 3786.<br />

192 OLG Zweibrücken NJW 1998, 3786; OLG München FamRZ 1999, 1006.<br />

Zur Verpflichtung der <strong>Eltern</strong>, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, in<br />

Angelegenheiten, <strong>die</strong> für das Kind bedeutsam sind, Konsenz zu suchen und zu einer<br />

Einigung zu gelangen, vgl. <strong>die</strong> Rechtsprechungsübersicht bei Weber NJW 2001, 1320,<br />

1322 f.<br />

193 KG ZfJ 1999, 395.


45<br />

als <strong>Eltern</strong> zu trennen, 194 aber ihr Verhalten steht nicht im Mittelpunkt, sondern<br />

<strong>die</strong> Erziehung des Kindes und seine glückliche und ungestörte Zukunft. Vorrangig<br />

sind <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> ohnehin gehalten, weitere Hilfen anzunehmen und zu nutzen, vgl.<br />

§ 17 SGB VIII. 195 Insgesamt ist jedenfalls <strong>die</strong> Auffassung, verweigerte Koopera-<br />

tion dürfe nicht zur Folge haben, den anderen aus der <strong>elterliche</strong>n Verantwortung<br />

zu verdrängen, so nicht richtig, 196 denn nicht <strong>die</strong>ser <strong>Eltern</strong>teil ist zu schüt-<br />

zen, sondern (allein) das Kind; misslich ist dabei, vgl. dazu schon RdNr. 71,<br />

dass so jeder <strong>Eltern</strong>teil (in Grenzen) <strong>die</strong> Möglichkeit hat, <strong>die</strong> Auseinanderset-<br />

zungen zu verschärfen und aus seinem Verhalten dann auch noch Vorteile zu zie-<br />

hen.<br />

77 (1) Häme und besondere Gemeinheit bei und in der Auseinandersetzung zwischen<br />

den <strong>Eltern</strong> bei der Trennung oder im Scheidungsverfahren und/oder im <strong>Sorge</strong>-<br />

rechtsstreit 197 können bei der Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> ihr eigenes Ge-<br />

wicht gewinnen, denn Auswirkungen auf das Kind, das alle Einzelheiten miter-<br />

lebt, und seine Entwicklung sind nahezu zwangsläufig. Solche Hässlichkeiten<br />

können gegen den Fortbestand der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> sprechen, aber<br />

auch gegen <strong>die</strong> Übertragung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf den <strong>Eltern</strong>teil,<br />

dem sie zuzurechnen sind. Sachfremde Überlegungen und Motive bei der Antrag-<br />

stellung sind gleichermaßen zu erfassen, etwa <strong>die</strong> Verklammerung mit dem Partner<br />

und <strong>die</strong> weiterhin versuchte Annäherung, <strong>die</strong> von <strong>die</strong>sem entschieden abgelehnt<br />

wird. 198 So kann sich <strong>die</strong> fehlende Eignung eines <strong>Eltern</strong>teils zur Übernahme el-<br />

terlicher Verantwortung gerade aus seiner besonders hasserfüllten Einstellung<br />

zum Partner ergeben, 199 wenn das Kind unter <strong>die</strong>sem Verhalten leidet, ohne dass<br />

eine gewisse Distanzierung für sich schon schädlich sein müsste. Offene Entwer-<br />

194 OLG Zweibrücken NJW 1999, 3786 und OLG München FamRZ 1999, 1006; offensichtlich<br />

zustimmend Palandt/Diederichsen RdNr. 17, viel zurückhaltender Schwab FamRZ 1998,<br />

457, 463.<br />

195 OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 957.<br />

196 Dazu AG Chemnitz FamRZ 1999, 321 und Palandt/Diederichsen RdNr. 17; etwas vorsichtiger<br />

OLG Karlsruhe EzFamRaktuell 2000, 30 (31) – mangelnde Kooperationsbereitschaft<br />

gebietet nicht "zwangsläufig" eine Aufhebung des <strong>gemeinsam</strong>en <strong>Sorge</strong>rechts,<br />

sondern zu prüfen ist, ob so Belange des Kindes berührt werden. OLG<br />

Zweibrücken, 5 UF 88/99 leitet aus der vorrangigen <strong>Eltern</strong>autonomie eine beschränkte<br />

gerichtliche Entscheidungsbefugnis erst für den Fall ab, dass eine Einigung<br />

überhaupt nicht gelingt; zuvor allerdings müssen <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> <strong>die</strong> aus § 17<br />

SGB VIII "abzuleitenden Hilfen" angenommen und entspr. Versuche nachgewiesen haben;<br />

vgl. auch OLG Frankfurt 1 UF 345/98 mit ausf. Begründung (abrufbar über<br />

www.olgfamsen.de).<br />

197 Zu wechselseitigen Strafanzeigen OLG Nürnberg NJWE-FER 1999, 234; ein <strong>Eltern</strong>teil<br />

ist zur Alleinerziehung ungeeignet, wenn er dem anderen dramatisch überzogene<br />

Vorwürfe macht, überall nach Bündnispartnern sucht, <strong>die</strong> Kinder in den Streit verwickelt<br />

und sie mit seiner Abneigung ansteckt, Kantonsgericht St. Gallen FAMP-<br />

RA.ch 2003, 192.<br />

198 OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 40 und Staudinger/Coester RdNr. 133.<br />

199 BGH NJW 1985, 1702.


46<br />

tungen und Abfälligkeiten 200 vielleicht sogar in Gesprächen mit dem Kind stellen<br />

<strong>die</strong> Erziehungsfähigkeit zumindest in Frage. Daher kommt etwa <strong>die</strong> Übertragung<br />

des <strong>Sorge</strong>rechts auf <strong>die</strong> Mutter nicht in Betracht, wenn sie ihre Aufgaben als<br />

betreuender <strong>Eltern</strong>teil dazu missbraucht, Kinder von ihrem Vater völlig zu ent-<br />

fremden, 201 zum Umgangsboykott vgl. RdNr. 89. Ihr ist auch anzulasten, wenn sie<br />

zu Unrecht Krankheiten des Kindes vortäuscht, <strong>die</strong> weiteren Kontakt mit dem Va-<br />

ter ausschließen sollen, Münchhausen-by-proxy-Syndrom. 202<br />

78 Schlüsse aus dem Verhalten der <strong>Eltern</strong> in der Vergangenheit auf zukünftige Ent-<br />

wicklungen können zulässig und geboten sein, 203 wenn keine Distanzierung erfolgt<br />

und Besserung nicht zu erwarten ist, wobei Gespräche und Eindrücke aus den<br />

Erörterungen im Verfahren wichtig werden können, 204 denn für seine Haltung mögen<br />

bisher Gründe bestanden haben. Andererseits zieht <strong>die</strong> Weigerung, an einem Sor-<br />

geplan mitzuarbeiten, nicht notwendig <strong>die</strong> Erziehungsfähigkeit und –eignung ei-<br />

nes <strong>Eltern</strong>teils in Zweifel. 205 Häufig ist ein <strong>Sorge</strong>plan zwar sinnvoll, aber<br />

nicht immer notwendig oder nur geboten. Können sich <strong>Eltern</strong> nicht über den ge-<br />

wöhnlichen Aufenthalt des Kindes einigen, kann eine eigene gerichtliche Ent-<br />

scheidung für <strong>die</strong>sen Ausschnitt aus ihren Befugnissen erfolgen; haben sie sonst<br />

keine Streitpunkte und wünscht jeder, dass das Kind bei ihm lebt, kann <strong>die</strong> ge-<br />

meinsame <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> für sie im Übrigen fortgeführt werden, wenn sich <strong>die</strong>-<br />

se Lösung begründen lässt 206 oder zumindest nichts gegen sie spricht und das<br />

Kind nicht unter der ständigen Trauer der <strong>Eltern</strong> über ihre Teilverluste leidet.<br />

79 (2) Gleichgültigkeit der <strong>Eltern</strong> kann nur dann Grundlage für eine gerichtl.<br />

Entscheidung der elterl. <strong>Sorge</strong> werden, <strong>die</strong> den Teil ausschließt, wenn er sich<br />

um das Kind nicht kümmert, muss aber nicht wesentlich sein, wenn sie sonst zu-<br />

sammenarbeiten können und ist das gebotene Maß an Gemeinsamkeiten und wenigs-<br />

tens ein gewisses Interesse für das Kind vorhanden, kann <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e elterl.<br />

<strong>Sorge</strong> fortbestehen. Ein <strong>Eltern</strong>teil kann eben für <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes zu-<br />

rücktreten und damit weniger wichtig bleiben, während der andere für <strong>die</strong> all-<br />

tägliche Erziehungsarbeit (vorwiegend) zuständig war und ist, ohne dass sich<br />

weitere Auswirkungen für <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes ergeben. Oft haben sich <strong>die</strong><br />

200 Parental Alienation Syndrome, doch werden so <strong>die</strong> Zusammenhänge eher verkürzt<br />

(oder verborgen), dazu OLG Brandenburg ZfJ 1998, 28 mit umfangreichen Nachw.; OLG<br />

Frankfurt EzFamRaktuell 1999, 373; Übersicht bei Ursula Schröder FamRZ 2000, 592;<br />

zum PAS auch Jopt/Behrend ZfJ 2000, 223 und 258; vgl. zudem KG FamRZ 2000, 1606,<br />

1607. Zum PAS – bei Besuchsbefugnissen – ausführlich Staudinger/Rauscher § 1684<br />

RdNr. 37 f. mit vielen Nachw.<br />

201 OLG Düsseldorf FuR 2005, 563.<br />

202 Dazu OLG Celle OLGReport Celle 2006, 277.<br />

203 Schwab FamRZ 1998, 457, 463.<br />

204 Bergmann/Gutdeutsch FamRZ 1999, 422; vgl. auch Schwab FamRZ 1998, 457, 463.<br />

205 Schwab FamRZ 1998, 457, 463.<br />

206 Anders wohl aber Schwab FamRZ 1998, 457, 463.


47<br />

<strong>Eltern</strong> für <strong>die</strong>ses "Modell" schon vor der Trennung entschieden; dann treten oh-<br />

nehin keine Änderungen ein. Motivlage und tatsächliche Hintergründe entziehen<br />

sich einer Bewertung von außen fast zwingend. Im weiteren Verlauf ändern sich<br />

<strong>die</strong> Dinge manchmal sogar entscheidend; ein <strong>Eltern</strong>teil, dem sein bisheriges De-<br />

sinteresse 207 vorgeworfen wird, kann an der künftigen Entwicklung seines Kindes<br />

nun besonders "interessiert" sein oder zumindest Interesse anmelden, 208 wenn er<br />

sich mit seinen Konflikten mit seinem Partner besser auseinandergesetzt hat und<br />

damit unabhängiger geworden ist. Erkennbare Zurückhaltung ist kein Zeichen von<br />

Verantwortungslosigkeit; 209 Verzicht für sich kann wohlbedacht sein. Maßstab ist<br />

wie immer das Wohl des Kindes.<br />

80 (3) Sonstige Untätigkeiten. Untätigkeit eines <strong>Eltern</strong>teils für das Kind über ei-<br />

nen gewissen Zeitraum und <strong>die</strong> faktische Übernahme der Verantwortung durch den<br />

anderen können ausreichen, <strong>die</strong>se Regelung für <strong>die</strong> Zukunft beizubehalten 210 und<br />

den eher nachlässigen Teil von <strong>Eltern</strong>befugnissen (weitgehend) auszuschließen,<br />

zur (behaupteten) "Gleichgültigkeit" vgl. RdNr. 79; sind Eingriffe zum Wohl des<br />

Kindes nicht erforderlich, kann aber auch <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> fort-<br />

bestehen.<br />

81 (4) Äußere <strong>Leben</strong>sverhältnisse. Wichtig bei der Regelung der elterl. <strong>Sorge</strong> sind<br />

auch <strong>die</strong> äußeren <strong>Leben</strong>sverhältnisse der <strong>Eltern</strong>, aber nicht allein ausschlagge-<br />

bend. So kann <strong>die</strong> weite räumliche Entfernung 211 zwischen ihnen <strong>gemeinsam</strong>e Ver-<br />

antwortung erschweren, vor allem bei Kleinkindern, aber auch erleichtern.<br />

Manchmal trägt größerer Abstand gerade zur Beruhigung bei. Im Mittelpunkt steht<br />

wie sonst das Kind und seine gute Entwicklung.<br />

82 (5) Vorbildfunktion. Kann ein <strong>Eltern</strong>teil für <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>en Kinder kein Vorbil<br />

d sein und für sie angemessenes, altersgerechtes Sozialverhalten entwickeln,<br />

kann ein Eingriff in sein <strong>Sorge</strong>recht geboten sein, so dass <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong><br />

207 Staudinger/Coester RdNr. 142.<br />

208 Dazu Schwab FamRZ 1998, 457, 463; schwere Verletzungen der Unterhaltspflicht können<br />

nach Oelkers bei der <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung eine Rolle spielen, dazu § 1<br />

RdNr. 218 – aber <strong>die</strong> einzelnen Bereiche sollten voneinander getrennt werden.<br />

209 Unzuverlässiges Verhalten eines <strong>Eltern</strong>teils kann <strong>die</strong> Übertragung der alleinigen<br />

<strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf den anderen allerdings rechtfertigen, OLG München Streit<br />

2002, 82; ebenso für "Desinteresse" am Umgang mit dem Kind und an der Mitwirkung<br />

in Erziehungsfragen OLG Dresden FamRZ 2002, 973.<br />

210 OLG Frankfurt FamRZ 1996, 889 und OLG Bamberg FamRZ 1997, 48; Jahr-Bendges Streit<br />

1995, 151.<br />

Neigt <strong>die</strong> Mutter "immer wieder dazu", <strong>die</strong> Kinder ohne ausreichende Betreuung und<br />

Aufsicht zu lassen und verhält sich sonst willkürlich, muss sie gerichtliche Eingriffe<br />

in ihr <strong>Sorge</strong>recht hinnehmen, OLG Frankfurt Kindeswohl 2001, 21 (entschieden<br />

in einem Pflegekindfall für einen Rückführungsantrag nach § 1632 Abs. 4).<br />

211 Ebenso OLG Hamm FPR 2002, 91; üben <strong>die</strong> dauerhaft getrennt lebenden <strong>Eltern</strong> eines<br />

minderjährigen Kindes <strong>die</strong> Personensorge <strong>gemeinsam</strong> aus, liegt der Hauptwohnsitz<br />

des Kindes bei dem <strong>Eltern</strong>teil, bei dem es sich hauptsächlich aufhält, während es


48<br />

aufzulösen und <strong>Sorge</strong>befugnisse dem anderen allein zu übertragen sind. 212 Nur<br />

wenn <strong>die</strong>ser <strong>Eltern</strong>teil <strong>die</strong> vorhan<strong>denen</strong> Mängel ausgleicht, kann <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e<br />

elterl. <strong>Sorge</strong> fortbestehen; allerdings ist so <strong>die</strong> Schwelle zu § 1671 Abs. 2 Nr.<br />

2 oder Abs. 3 nicht ohne weiteres überschritten.<br />

83 (6) Fehlende Kooperationsfähigkeit/Kooperationsbereitschaft. Fehlt jede Koope-<br />

rationsfähigkeit und –bereitschaft unter den <strong>Eltern</strong>, kann <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e elter-<br />

liche <strong>Sorge</strong> selbst dann keinen Bestand haben, wenn ein Partner sich verweigert,<br />

der andere aber seine guten Absichten und Bereitschaft zur Zusammenarbeit be-<br />

tont, 213 vgl. dazu schon RdNr. 71. Meist sind <strong>die</strong> Zusammenhänge aber ohnehin<br />

komplexer. Oft wird <strong>die</strong> Seite, <strong>die</strong> im Verfahren zu "verlieren" droht, schon aus<br />

vordergründiger Prozesstaktik zur Beschönigung neigen und ein besseres Bild von<br />

sich und der Beziehung untereinander als der andere zeichnen. Streit und Miss-<br />

gunst der Parteien können andererseits (eher) Nebensächlichkeiten 214 betreffen,<br />

<strong>die</strong> sich für <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes nicht nachteilig auswirken müssen oder<br />

<strong>die</strong> anders geregelt sind, wobei § 1687 mit seiner Verteilung von Entscheidungs-<br />

befugnissen in alltäglichen Angelegenheiten eine eigene Rolle spielt. Ist <strong>die</strong><br />

Erziehungsfähigkeit eines <strong>Eltern</strong>teils im Kern berührt, können dagegen auch<br />

Streitigkeiten über kleinere Unstimmigkeiten ausreichen, <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e elter-<br />

liche <strong>Sorge</strong> scheitern zu lassen, 215 denn dann ist das Kind in seiner Entwicklung<br />

bei dem anderen <strong>Eltern</strong>teil nur einen Nebenwohnsitz unterhält, OVG Bautzen, NJW<br />

2006, 1306.<br />

212 BayObLG FamRZ 1999, 179, 180 für Roma; deutlich auch OLG Oldenburg FamRZ 1999,<br />

38.<br />

213 Dazu OLG Stuttgart FamRZ 1999, 1596 und OLG Dresden FamRZ 1999, 324. Sehr ausführlich<br />

zu <strong>die</strong>sen Gesichtspunkten auch Oelkers § 1 RdNr. 201 f. mit weiteren<br />

Nachw.; Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 127 f. mit Nachw.; BGH NJW 2000, 203 =<br />

FamRZ 1999, 1646 mit Bspr. Born FamRZ 2000, 396, Anm. Coester DEuFamR 2000, 53<br />

und Oelkers MDR 2000, 31; sehr kritisch Bode FamRZ 2000, 478; OLG Köln FamRZ 499;<br />

AG Hamburg FamRZ 2000, 499; OLG Dresden FamRZ 2000, 501; OLG Hamm FamRZ 2000, 501<br />

(massive körperliche Auseinandersetzungen unter den <strong>Eltern</strong> teilweise in Anwesenheit<br />

des Kindes); KG FamRZ 2000, 502; KG FamRZ 2000, 504; KG FamRZ 2000, 504/505;<br />

AG Ratzeburg FamRZ 2000, 505 (Beibehaltung der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>, obwohl<br />

der Vater Alkoholprobleme hat und der Mutter für das Kind keinen Unterhalt<br />

zahlt – <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> haben sich sonst aber gut verstanden, hatten keinen Streit und<br />

konnten für das Kind "vernünftig" zusammenarbeiten, wobei auch das Jugendamt<br />

stets eingeschaltet war).<br />

214 Dazu Palandt/Diederichsen RdNr. 17 - Streitigkeiten über den Besuch des Kindergartens<br />

oder über <strong>die</strong> Arztbehandlung können dabei von wesentlicher Bedeutung<br />

sein, OLG Hamm FamRZ 2000, 1039 und OLG Bamberg FPR 2003, 333; <strong>die</strong> Abgrenzung ist<br />

schwierig, vgl. auch OLG Oldenburg FamRZ 1998, 1464; skeptisch Born FamRZ 2000,<br />

396, 398; OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 507.<br />

215 Dazu OLG Bamberg NJW 1999, 1873; vgl. auch OLG Dresden FamRZ 1999, 324 und 1156;<br />

OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 1157 und 1598; OLG Hamm FamRZ 1999, 1597; sehr entschieden<br />

BGH NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646; OLG Hamm FamRZ 2006, 1058 - solche<br />

Nebensächlichkeiten liegen aber nicht vor, wenn Kinder aus der bisherigen (türk.)<br />

in <strong>die</strong> dt. Staatsangehörigkeit wechseln können, so dass insoweit <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong><br />

auf einen der <strong>Eltern</strong>teile allein übertragen werden kann; strenger OLG Hamm<br />

Streit 2006, 26 - dem Kindeswohl ist jedenfalls nicht zuträglich, wenn alle mög-


49<br />

gefährdet; <strong>Eltern</strong>befugnisse sind dann dem anderen <strong>Eltern</strong>teil zu übertragen. We-<br />

sentlich kann dabei werden, dass sich <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> bisher mehrmals in wichtigen<br />

Erziehungsfragen nicht einigen konnten, vgl. §§ 1628 Abs. 1, 1687, und (sogar)<br />

gerichtliche Verfahren geführt haben, selbst wenn jeder Punkt für sich nicht<br />

wesentlich ist. 216 Streit untereinander schädigt selbst dann <strong>die</strong> Kinder nicht,<br />

wenn Absprachen in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung gelingen. 217 Strei-<br />

ten sich <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> um ihre Erziehungskompetenz im Kern, reicht nicht <strong>die</strong> "blo-<br />

ße Feststellung" ohne weitere Ermittlungen durch das Gericht und ihre Aufklä-<br />

rung aus; vielmehr müssen wie sonst im Einzelnen <strong>die</strong> Gründe aufgeklärt und be-<br />

wertet werden, um eine sichere Grundlage für <strong>die</strong> gerichtliche Regelung zu fin-<br />

den, 218 § 12 FGG. Verschulden eines <strong>Eltern</strong>teils an den Abläufen spielt keine<br />

Rolle, zumal ohnehin jede einseitige Zuordnung ausscheidet; in Grenzen hat je-<br />

der so allerdings <strong>die</strong> Möglichkeit, durch sein Verhalten <strong>die</strong> Verbindung zum an-<br />

deren zu zerstören und so auch noch Vorteile für sich bei der <strong>Sorge</strong>rechtsrege-<br />

lung zu gewinnen. Wie sonst hat das Gericht Zusammenhänge zu untersuchen und im<br />

Einzelnen zu bewerten. Die Partei, <strong>die</strong> <strong>die</strong> alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> für sich<br />

erstrebt, muss daher "konkreten Tatsachenvortrag" dazu liefern, dass, wann, bei<br />

welchem Anlass und auf welche Weise Bemühungen um eine <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Eltern</strong>ent-<br />

scheidung stattgefunden haben und aus welchen Gründen <strong>die</strong> Bemühungen an der<br />

Verweigerungshaltung des Partners jeweils gescheitert sind. 219 Der allgem. Hin-<br />

weis des betreuenden Ehegatten, aus persönlicher Abneigung "wurden Gespräche<br />

mit dem anderen <strong>Eltern</strong>teil abgelehnt", reicht jedenfalls nicht aus. 220 Bezieht<br />

ein <strong>Eltern</strong>teil Kinder in <strong>die</strong> elterl. Auseinandersetzungen ein, liest ihnen (et-<br />

wa) anwaltliche Schriftsätze oder den Jugendamtsbericht vor, instrumentalisiert<br />

sie in anderer Form oder lässt eine erstinstanzliche Entscheidung, <strong>die</strong> er er-<br />

wirkt hat, mit Hilfe der Polizei durchsetzen, spricht das gegen ihn und seine<br />

lichen Fragen der <strong>Sorge</strong>rechtsausübung gerichtlich entschieden werden müssen, so<br />

dass bei Kommunikations- und Kooperationsproblemen <strong>die</strong> Beibehaltung des <strong>gemeinsam</strong>en<br />

<strong>Sorge</strong>rechts der <strong>Eltern</strong> nicht in Betracht kommt, dazu nun auch wieder OLG<br />

Frankfurt 3 UF 54/07.<br />

216 Vgl. dazu OLG Karlsruhe, NJW-RR 2001, 507, 508.<br />

217 OLG Dresden FamRZ 2007, 923.<br />

218 OLG Nürnberg EzFamRaktuell 2001, 60; dabei kann auch eine Rolle spielen, ob sich<br />

an der bisherigen "Kooperationslosigkeit" zwischen den <strong>Eltern</strong> voraussichtlich etwas<br />

ändern wird oder nicht, dazu OLG München FamRZ 2002, 189 und Palandt/Diederichsen,<br />

§ 1671 RdNr. 17.<br />

219 OLG Hamm FamRZ 2005, 537.<br />

220 OLG Hamm FamRZ 2005, 537; ähnlich OLG Köln FamRZ 2005, 2087; ganz anders OLG Düsseldorf<br />

FamRZ 2005, 2087 - bei völligen Zerwürfnissen unter den <strong>Eltern</strong> kann ihnen<br />

beiden das <strong>Sorge</strong>recht entzogen werden, damit eine "Beruhigung" eintritt, <strong>die</strong> dann<br />

das "erforderliche Grundvertrauen für einen friedlichen Umgang der <strong>Eltern</strong>teile<br />

schafft" bzw. schaffen soll, ähnlich OLG Frankfurt FamRZ 2006, 1627 für eine unterdrückte<br />

Mitteilung einer schweren Erkrankung (Aids).


50<br />

Verständigungsbereitschaft und sein Interesse am Kindeswohl. 221 Ein einvernehm-<br />

liches Wechselmodell, das <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> in der Vergangenheit praktiziert haben,<br />

ohne dass weitere Spannungen entstanden sind, kann auch in Zukunft beibehalten<br />

werden; 222 allerdings darf das "Konfliktpotential" zwischen den <strong>Eltern</strong> nicht<br />

zwischenzeitlich gestiegen sein. 223<br />

84 Auch § 1687 224 kann bei der Abwägung bedeutsam werden; für alltägliche Angele-<br />

genheiten entscheidet eben jeder <strong>Eltern</strong>teil, bei dem sich das Kind gerade auf-<br />

hält, ohne dass eine Verständigung mit dem anderen notwendig wäre. Wie sonst<br />

verbietet sich bei <strong>Eltern</strong>streitigkeiten und einer gerichtl. Entscheidung nach §<br />

1671 jede Bagatellisierung, etwa mit der eher falschen Vorstellung, <strong>Eltern</strong>, <strong>die</strong><br />

sich trennen, lebten meist im Streit miteinander, so dass ein gewisses Maß an<br />

gegenseitiger Abneigung und Entwertung (fast) selbstverständlich sei; 225 / 226 im<br />

Mittelpunkt stehen stets das Kind und seine Entwicklung, auf <strong>die</strong> <strong>die</strong> Auseinan-<br />

dersetzungen der <strong>Eltern</strong> zu beziehen sind, so dass sich <strong>Eltern</strong> auch in ihren<br />

Auseinandersetzungen untereinander zurückzunehmen haben.<br />

85 (7) Gewalttätigkeiten 227 gegen den Partner schon während des Zusammenlebens wer-<br />

den meist dazu führen müssen, <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> aufzuheben, vor<br />

allem dann, wenn sie das Kind selbst miterlebt hat. Oft setzen sich <strong>die</strong>se<br />

Streitereien nach der Trennung fort; wer dazu neigt, sich bei Meinungsverschie-<br />

denheiten mit Gewalt durchzusetzen, hat ohnehin kaum eigene, ausreichende Konf-<br />

liktfähigkeit entwickelt und wird sie daher auch nicht weitergeben können. Völ-<br />

liger Kontaktabbruch durch ein elfjähriges Mädchen bei fortdauernden, heftigen<br />

Streitigkeiten der <strong>Eltern</strong> kann <strong>die</strong> Übertragung der alleinigen elterl. <strong>Sorge</strong> auf<br />

einen von ihnen notwendig erscheinen lassen. 228 Sado-masochistische Praktiken<br />

bleiben ohne Bedeutung, wenn sich keine negativen Auswirkungen auf das Kindes-<br />

wohl feststellen lassen. 229<br />

86 (8) Missbrauch der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>. Missbraucht ein <strong>Eltern</strong>teil seine elterli-<br />

che <strong>Sorge</strong>, sind oft sogar Eingriffe nach § 1666 geboten, vgl. dort RdNr. 58<br />

ff., wenn Befugnisse nicht schon nach Abs. 2 Nr. 2 auf den anderen <strong>Eltern</strong>teil<br />

221 Dazu OLG Frankfurt FamRZ 1984, 296.<br />

222 KG FamRZ 2006, 1626.<br />

223 OLG München FamRZ 2007, 753.<br />

224 Vgl. OLG Hamm FamRZ 1999, 38 und OLG München NJW 2000, 368.<br />

225 OLG Brandenburg NJWE-FER 1998, 223 = FamRZ 1998, 1047 (mit sehr umfangreicher<br />

Begründung); dazu im Übrigen Kodjoe/Koeppel DAVorm. 1998, 9 und Kopatsch ZfJ<br />

1998, 246; Brinck ZfJ 1998, 287, besonders kritisch Peschel-Gutzeit FPR 2003,<br />

271.<br />

226 Dazu - besonders kritisch - Peschel-Gutzeit FPR 2003, 271; ausf. Rauscher RdNr.<br />

1100 mit Nachw.; Bruch FamRZ 2002, 1304.<br />

227 Dazu OLG Hamm FamRZ 2000, 501 und BVerfG FamRZ 2004, 354; zu Gewaltakten gegenüber<br />

Stiefgeschwistern OLG Brandenburg FPR 2002, 15.<br />

228 KG FamRZ 2005, 1768.<br />

229 OLG Hamm FamRZ 2006, 1697.


51<br />

allein übertragen werden müssen und gerichtliche Anordnungen insoweit ausrei-<br />

chen, zu Besuchsbefugnissen und sexuellem Missbrauch vgl. § 1684 RdNr. 63 und<br />

§ 1666 RdNr. 61. Durch gerichtl. Entscheidung ist jedenfalls zu verhindern,<br />

dass "das Fortbestehen des <strong>gemeinsam</strong>en <strong>Sorge</strong>rechts als Mittel zur Fortsetzung<br />

von Bedrückung und Qual des Vaters gegen <strong>die</strong> Mutter oder umgekehrt" 230 einge-<br />

setzt wird. Gerichtsfeste Nachweise sind wie sonst notwendig, 231 aber manchmal<br />

schwer zu führen; ohnehin ist <strong>die</strong> Dunkelziffer hoch. 232 Im Verfahren sind <strong>die</strong><br />

Dinge von Amts wegen zu ermitteln und aufzuklären. 233 Meist wird ein Sachver-<br />

ständigengutachten einzuholen sein; bis zu seinem Abschluss hat das FamG Maß-<br />

nahmen zu treffen, <strong>die</strong> Schädigungen des Kindes verhindern. 234 Denn <strong>die</strong> gemeinsa-<br />

me <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> kann in <strong>die</strong>ser Situation nicht fortbestehen; dazu ist das<br />

Misstrauen zwischen den <strong>Eltern</strong> zu hoch, zu weiteren Einzelheiten dabei § 1684<br />

RdNr. 63; Gefahren für das Kind sind offensichtlich. Missbrauch der <strong>elterliche</strong>n<br />

<strong>Sorge</strong> liegt auch vor, so dass das Personensorgerecht insgesamt und beiden El-<br />

ternteilen entzogen werden kann, § 1666, wenn ein <strong>Eltern</strong>teil ein noch minder-<br />

jähriges Kind mit einem Partner verheiraten will, das Kind Heirat und Partner<br />

aber ablehnt und so das Verhältnis zu beiden tiefgreifend gestört ist, selbst<br />

wenn <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> später auf der Heirat nicht mehr ausdrücklich bestehen, 235 zum<br />

Missbrauch der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsab-<br />

bruch der Tochter § 1666 RdNr. 62 f. mit Nachw.<br />

87 (9) Wille des Kindes. Auch Wille, Vorstellungen und Absichten des Kindes 236 kön-<br />

nen Bedeutung gewinnen, wobei mit zunehmendem <strong>Leben</strong>salter seine Entscheidung<br />

größeres Gewicht erhält, dazu schon RdNr. 49 und Art. 2 GG. Im Übrigen kann<br />

Art. 8 EMRK verletzt sein, wenn das entscheidende Gericht seine Anordnung ge-<br />

troffen hat, ohne zuvor <strong>die</strong> Beteiligten anzuhören und "ohne Mithilfe psycholo-<br />

gischer Sachverständiger nachgeprüft hat, ob eine Weigerung des Kindes nicht<br />

möglicherweise auf den Einfluss (anderer) zurückzuführen" ist, 237 wobei ohnehin<br />

und vorrangig unsere Anhörungsregeln zu beachten sind, §§ 50 a ff. FGG.<br />

88 (10) Aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei Ausländern. Bei Ausländern, <strong>die</strong> mit ei-<br />

nem Deutschen oder in Deutschland aufenthaltsberechtigtem Partner verheiratet<br />

230 So Schwab FamRZ 1998, 457, 464.<br />

231 Allgemein zu <strong>die</strong>sem Punkt OLG München NJW 2000, 368; OLG Nürnberg EzFamRaktuell<br />

2001, 60.<br />

232 Oelkers § 1 RdNr. 249.<br />

233 Oelkers § 1 RdNr. 249 mit Nachw.<br />

234 Vgl. Oelkers § 1 RdNr. 249, aber Kontakte sollten zu beiden <strong>Eltern</strong>teilen erhalten<br />

werden, zumindest über betreute Besuchsbefugnisse, vgl. § 1684.<br />

235 OLG Köln NJW-RR 2001, 221, 222 für Albanien.<br />

236 Schwab FamRZ 1998, 457, 464; bricht ein elfjähriges Mädchen <strong>die</strong> Verbindung zum<br />

Vater wegen fortdauernder Streitigkeiten der <strong>Eltern</strong> völlig ab, kann so <strong>die</strong> Übertragung<br />

der alleinigen elterl. <strong>Sorge</strong> auf <strong>die</strong> Mutter notwendig werden, dazu KG<br />

FamRZ 2005, 1768.


52<br />

sind oder in nichtehelicher Verbindung zusammen leben bzw. zusammengelebt ha-<br />

ben, kann der Fortbestand der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> für aufenthaltsbe-<br />

endende Maßnahmen 238 wichtig sein, wenn Bindungen zum Kind bestehen, <strong>die</strong> ge-<br />

schützt und erhalten werden müssen. 239 Fehlen sie, kann der Ausländer nicht des-<br />

halb in <strong>Sorge</strong>befugnisse einbezogen werden, weil er sonst Deutschland (viel-<br />

leicht) verlassen muss; dann würden sachfremde Überlegungen ein unangemessenes<br />

Übergewicht gewinnen. Zudem sind schon tatsächlich ausgeübte Umgangsbefugnisse,<br />

§ 1684, in der notwendigen Form zu berücksichtigen, vgl. dazu § 1684 RdNr. 40,<br />

denn sie sind nicht nur für den Vater/<strong>die</strong> Mutter wichtig, sondern auch für das<br />

Kind. 240 Umgekehrt können <strong>die</strong>se Auswirkungen nun ihrerseits bei der Frage eine<br />

Rolle spielen, ob <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Eltern</strong>sorge aufzulösen ist, denn nicht einmal<br />

Umgangsbefugnisse, <strong>die</strong> für beide Seiten (<strong>Eltern</strong> und Kind) wichtig sind, sind<br />

gesichert, wenn der Ausländer Deutschland verlassen muss, vgl. dazu § 1684<br />

RdNr. 40. Die Kinderschutzklausel im Scheidungsverfahren, § 1568, kann nicht<br />

allein mit der Begründung zur Anwendung gebracht werden, mit der Scheidung der<br />

Ehe drohe <strong>die</strong> Abschiebung aus Deutschland. 241<br />

89 (11) Behinderung des Umgangsrechts. Dauerhafte Behinderung des Umgangsrechts 242<br />

des Kindes mit dem anderen <strong>Eltern</strong>teils oder sein (versuchter) völliger Aus-<br />

schluss kann wichtige Hinweise bei der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung liefern und dann<br />

auch Anhaltspunkt für eine Änderungsentscheidung, § 1696, sein, wenn der andere<br />

insgesamt verlässlicher erscheint und den Umgang fördern will. Hartnäckige Kon-<br />

taktverweigerung wird allerdings ebensowenig wie nachdrücklich abgelehnte Koo-<br />

peration in Erziehungsfragen für <strong>die</strong> Kinder überhaupt einem Partner allein zu-<br />

geschrieben werden können, so dass allenfalls erste Anzeichen für (mögliche)<br />

Erziehungsdefizite deutlich werden; 243 im Übrigen sind Einzelheiten aufzuklären,<br />

wobei <strong>die</strong> Versicherungen des anderen nicht unbedingt verlässlich sind. Im Ver-<br />

fahren muss das FamG begründeten Hinweisen nachgehen; 244 zudem sind vorrangig<br />

237 EuGHMR FamRZ 2006, 997.<br />

238 Dazu VGH Baden-Württemberg FamRZ 2004, 543 nach BVerfG FPR 2002, 452 und BVerfG<br />

FamRZ 2004, 356; BVerfG NJW 2006, 3486 und OVG Münster (zum Umgangsrecht) NJW<br />

2006, 3512; zur Einschränkung des Rechts auf Familienzusammenführung bei Kindern,<br />

<strong>die</strong> älter als zwölf Jahre sind, EuGH JZ 2007, 39.<br />

239 BVerfG FamRZ 1999, 1577, vgl. im Übrigen HessVGH FamRZ 2001, 420 und VGH Bad.-<br />

Württemberg, FamRZ 2001, 420; Rechtsprechungsübersicht bei Reinecke FPR 2001, 56,<br />

67 und in Streit 2001, 37.<br />

240 BVerfG 2 BvR 1001/04 und nochmals § 1684 RdNr. 40; BVerfG NJW 2004, 2961.<br />

241 OLG Köln FamRZ 1998, 827 und OLG Frankfurt MDR 2002, 521, etwa mit der Vorstellung,<br />

solange <strong>die</strong> Ehe bestehe und nicht geschieden sei, sei eine Abschiebung aus<br />

Deutschland nicht zulässig.<br />

242 Dazu OLG München FamRZ 1997, 45 und OLG Köln FamRZ 1998, 1463; OLG Hamm FamRZ<br />

2000, 1239; OLG Frankfurt FamRZ 2001, 638 sowie OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 512;<br />

vgl. auch OLG Brandenburg ZfJ 2001, 234; Finger FuR 2006, 299.<br />

243 Dazu OLG Hamm ZfJ 1999, 226.<br />

244 Allgemein zu <strong>die</strong>sem Punkt OLG München NJW 2000, 368.


53<br />

<strong>die</strong> Fragen, über <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> streiten, zu klären, also der Umgang zu regeln,<br />

Verhältnismäßigkeitsgrundsätze, so dass Eingriffe in sonstige <strong>Eltern</strong>befugnisse<br />

lediglich dann erfolgen dürfen, wenn sie unabdingbar notwendig sind. Weitere<br />

Folgen (Zwangsvollstreckung, Zwangsgeld, Umgangspfleger, Unterhaltsausschluss;<br />

Schadensersatz) sind für sich zu prüfen bzw. nach ihren eigenen Voraussetzungen<br />

zu regeln bzw. festzulegen. Schlägt jede Vermittlung fehl, kann für eine ge-<br />

richtliche Entscheidung allerdings auch der "bisherige Anschein" ausrei-<br />

chen, 245,246 wenn Gefährdungen für <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes zu befürchten sind.<br />

Ebenso hat <strong>die</strong> Entscheidung bei einer "systematischen Störung der Bindungen des<br />

Kindes an den anderen <strong>Eltern</strong>teil" 247 auszufallen, zu weiteren Einzelheiten zur<br />

Behinderung des Umgangsrechts/Umgangsboykott § 1684 RdNr. 72.<br />

90 (12) Kindesentführung ist ein schwerer Eingriff in <strong>Eltern</strong>rechte und gefährdet<br />

und verletzt das Kind, doch schließt sie den <strong>Eltern</strong>teil, der sich zunächst<br />

fehlverhalten hat, nicht für alle Zukunft 248 von der Ausübung der <strong>elterliche</strong>n<br />

<strong>Sorge</strong> oder gar von Besuchsbefugnissen aus. Denn sie kann Ausdruck überfließen-<br />

der, uneinsichtiger Zuneigung zum Kind sein wie Zeichen zunehmender Verzweif-<br />

lung. Rückführung allein sollte aber nicht als sicherer Nachweis für bessere<br />

Einsicht genommen werden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Erziehungsfähigkeit eines <strong>Eltern</strong>teils 249 al-<br />

lein schon belegt; drohen weitere Gefährdungen, ist <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong> (bzw. zu-<br />

mindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht) dem anderen zu übertragen.<br />

91 (13) Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppierung/Sekte; Schulverweigerung.<br />

Gehört ein <strong>Eltern</strong>teil einer religiösen Gruppierung (Fundamentalisten; Freikir-<br />

che) oder einer Sekte 250 an, kann das seine Erziehungsfähigkeit beeinträchtigen,<br />

245 Zu einem Misshandlungsfall BayObLG FamRZ 1999, 178.<br />

246 Vgl. auch OLG Hamm FamRZ 1999, 38.<br />

247 Wie hier Palandt/Diederichsen RdNr. 17; aA im Ausgang OLG Bamberg FamRZ 1997,<br />

102, allerdings mit der Einschränkung, dass "Gesichtspunkte der Kontinuität so<br />

schwerwiegen, dass <strong>die</strong> Trennung des Kindes von der Mutter dessen Wohl in massivster<br />

Weise beeinträchtigen würde", und so ist das Ergebnis (wohl) auch überzeugend;<br />

<strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> Mitsorge der Mutter kann durch Ergänzungspflegschaft eingeschränkt<br />

werden, wenn sie nicht in der Lage ist, dem Kind einen unbeschwerten und<br />

angstfreien Umgang mit dem Vater zu ermöglichen, OLG München FamRZ 2007, 1902.<br />

248 Ähnlich Palandt/Diederichsen RdNr. 26; vgl. auch OLG Hamm FuR 1998, 410; zu weiteren<br />

Einzelheien Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 139; Erman/Michalski RdNr.<br />

23 aE.<br />

249 Dazu AG Groß-Gerau FamRZ 1991, 1169; OLG Stuttgart FamRZ 1999, 39; AG Hameln<br />

FamRZ 2007, 761 - lässt <strong>die</strong> Mutter ein dreijähriges, <strong>gemeinsam</strong>es Kind ohne Zustimmung<br />

des mitsorgeberechtigten Vaters vorübergehend in ihre Heimat (Iran) reisen,<br />

erweist sie sich nicht als erziehungsungeeignet, und deshalb ist auch nicht<br />

im Wege der einstw. Anordnung <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong> auf den Vater allein zu übertragen.<br />

250 Palandt/Diederichsen RdNr. 26; Hessler NJW 1997, 2430 (Zeugen Jehovas); weitere<br />

Nachw. bei Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 150 f.; Johannsen/Henrich/Jaeger<br />

RdNr. 59 f.; Staudinger/Coester RdNr. 193; AG Meschede NJW 1997, 2962 und OLG Oldenburg<br />

NJW 1997, 2962; OLG Hamm FamRZ 2005, 537. Jede Formelhaftigkeit verbietet<br />

sich auch bei der Begründung einer gerichtl. Entscheidung zur Aufhebung der ge-


54<br />

kann aber auch ohne weitere Auswirkungen für das Kind und seine gute Entwick-<br />

lung bleiben. Jedenfalls muss sich das Gericht ernsthaft mit der <strong>Leben</strong>sführung<br />

dort auseinandersetzen, 251 ohne (nur) Vorurteile des anderen zu bestätigen oder<br />

eigene Abneigungen wiederzugeben. Meinungsverschiedenheiten der <strong>Eltern</strong> über <strong>die</strong><br />

religiöse Erziehung des Kindes reichen für sich nicht aus, <strong>die</strong> Alleinsorge ei-<br />

nes <strong>Eltern</strong>teils als "<strong>die</strong> für das Kindeswohl beste Lösung erscheinen zu las-<br />

sen". 252 Meist tragen Kinder ohnehin zumindest nach einiger Zeit <strong>die</strong> Vorstellun-<br />

gen ihrer <strong>Eltern</strong> oder des <strong>Eltern</strong>teils in sich, bei dem sie leben, und vertreten<br />

sie selbst, Art. 4 GG. Schützende Eingriffe sind wie sonst andererseits möglich<br />

und/oder oft sogar geboten, § 1666, 253 vgl. dort RdNr. 77 ff., aber auf das not-<br />

wendige Maß zu beschränken, Verhältnismäßigkeitsgrundsätze. Deshalb muss <strong>die</strong><br />

<strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> nicht entzogen und auf den anderen <strong>Eltern</strong>teil übertragen wer-<br />

den, wenn eine Bluttransfusion ansteht, denn gerade sie kann für sich gerich-<br />

tlich angeordnet werden. Bei religiös bedingter Verweigerung für eine bisher<br />

abgelehnten Krebsbehandlung 254 kann und muss das Gericht rechtzeitig eingreifen.<br />

meinsamen elterl. <strong>Sorge</strong>, BGH NJW 2005, 2080 = FamRZ 2005, 1167 mit Anm. Luthin<br />

und Weychardt FamRZ 2006, 1533; KompaktKomm/Ziegler RdNr. 44; besonders krit.,<br />

auch Scientology-Organisation (Heilslehren, <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> praktizieren, werden sie<br />

meist kritiklos auch auf das Kind übertragen); dazu auch AnwKomm/Rakete-Dombek<br />

RdNr. 20 und OLG Frankfurt FamRZ 1997, 573; vgl. Bamberger/Roth/Veit RdNr. 38<br />

(dort auch zur Bhagwan-Bewegung) und Fn. 192 mit dem Hinweis auf <strong>die</strong> schon 1951<br />

von der Sekte herausgegebene Anleitung "Kinder - Dianetik" über den Umgang mit<br />

Kindern, im Übrigen BT-Drucks. 13/8170 S. 99 (Zwischenbericht der Emquetệ-<br />

Kommission "sog. Sekten und Psychogruppen").<br />

251 Dazu Oelkers/Kraeft FuR 1997, 161, 165; durch Veränderungen des religiösen Bekenntnisses<br />

können sich Streitigkeiten der <strong>Eltern</strong> verschärfen, und haben sie Auswirkungen<br />

auf <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes, kann deswegen <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong><br />

<strong>Sorge</strong> aufzulösen sein, dazu Palandt/Diederichsen RdNr. 17 aE. Religiöser Fanatismus<br />

und Indoktrination des Kindes verlangen dagegen eine andere Entscheidung; dazu<br />

auch Abel NJW 1996, 91; ders. NJW 1997, 426 und ders. NJW 1999, 331 sowie BT-<br />

Drucks. 13/8170; BGH FamRZ 2005, 1167; ausf. zu <strong>die</strong>sen Punkten Weychardt S. 37 f.<br />

(Vortragsmanuskript zur elterl. Verantwortung, abzurufen unter www.hefam.de).<br />

252 BGH NJW 2005, 2080; zum Anliegen, das Kind taufen zu lassen, kann im Einzelfall<br />

durch eine Entscheidung nach § 1628 Rechnung getragen werden, und weitere Probleme,<br />

<strong>die</strong> in der unterschiedlichen religiösen Ausrichtung der <strong>Eltern</strong> begründet<br />

sind, können durch Teilübertragung des <strong>Sorge</strong>rechts gelöst werden.<br />

253 Die massive Verweigerung jeglicher unmittelbarer Verbindung mit dem Vater durch<br />

<strong>die</strong> Mutter und einseitig durch sie getroffene Entscheidungen (hier: unmotivierter<br />

Wegzug mit den Kindern; Hinführung der Kinder zum Islam) können <strong>die</strong> Übertragung<br />

der elterl. <strong>Sorge</strong> auf ihn rechtfertigen, dazu OLG Celle FamRZ 2004, 1667.<br />

254 Dazu Garbe FamRZ 1996, 684 in seiner Anm. zu OLG Bamberg FamRZ 1996, 684 – Zeugen<br />

Jehovas; einem <strong>Eltern</strong>teil, der ein Mädchen nach Gambia (in <strong>die</strong> Heimat) zurückbringen<br />

will, kann <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong> oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht<br />

entzogen werden, wenn dort <strong>die</strong> Gefahr der Beschneidung droht, dazu BGH<br />

FamRZ 2005, 344, wobei stets zu prüfen ist, ob so effektiver Schutz des Kindes<br />

tatsächlich gewährleistet ist, im Übrigen Wüstenberg FamRZ 2004, 692. Nach OLG<br />

Hamm NJW 2007, 2704 liegt <strong>die</strong> Entscheidung, ob bei einem im Koma liegenden Kind<br />

<strong>die</strong> künstliche Ernährung abgebrochen werden soll, grundsätzlich bei den <strong>Eltern</strong>,<br />

und nur im Falle eines <strong>Sorge</strong>rechtsmissbrauchs, § 1666, kann Ergänzungspflegschaft<br />

angeordnet werden.


55<br />

Entstehen später weitere Streitpunkte, <strong>die</strong> sich aus der unterschiedlichen reli-<br />

giösen Ausrichtung der <strong>Eltern</strong> begründen, kann das Gericht wiederum zu Teilen in<br />

<strong>Eltern</strong>befugnisse eingreifen, 255 ohne dass der grundsätzliche Bestand in Frage<br />

gestellt wäre, 256 Verhältnismäßigkeitsgrundsätze. Weitergehende Maßnahmen könn-<br />

ten Art. 6 GG und Art. 8 und 14 EMRK verletzen; 257 zu Ausbildungszielen und Aus-<br />

bildungsinhalten RdNr. 94. Sonst wird sich meist anbieten, 258 <strong>die</strong> Entscheidung<br />

über <strong>die</strong> religiöse Erziehung des Kindes dem <strong>Eltern</strong>teil zu übertragen, bei dem<br />

sich das Kind überwiegend aufhält, 259 wenn so nicht wiederum eigene Gefährdungen<br />

entstehen; ist <strong>die</strong>ser (etwa) aktives Mitglied der Zeugen Jehovas, kann das Kind<br />

auch an Veranstaltungen dort teilnehmen, wenn nicht sein Wohl und seine gute<br />

Entwicklung beeinträchtigt zu sein scheinen. 260 Lehnen <strong>Eltern</strong> den Schulbesuch<br />

ihrer Kinder ab, weil sie sie selbst erziehen und ihre eigenen Werte vermitteln<br />

wollen, ohne durch staatliche "Zwänge" festgelegt zu werden, haben sich Anord-<br />

nungen des FamG auf <strong>die</strong> Schulausbildung zu beschränken, § 1666. 261<br />

92 (14) Politisches Engagement. Politisches oder weltanschaulich geprägtes, beson-<br />

deres Engagement eines <strong>Eltern</strong>teils spielt für <strong>die</strong> Regelung der <strong>elterliche</strong>n Sor-<br />

ge keine Rolle. Anders ist erst zu entscheiden, wenn Grenzen zur für das Kind<br />

unerträglichen Indoktrination überschritten werden und sein Wohl gefährdet ist.<br />

93 (15) Erziehungsstile. Unerheblich bleiben Besonderheiten und Unterschiede in<br />

den <strong>elterliche</strong>n Erziehungsstilen, selbst wenn sie sich von den bisher dem Kind<br />

vertrauten Formen deutlich absetzen. Erst bei weiteren Übergriffen können <strong>die</strong><br />

Dinge anders zu bewerten sein. Bei schweren Verstößen sind Eingriffe nach §<br />

1666 notwendig und geboten. Repressives Erziehungsverhalten kann <strong>die</strong> künftige<br />

Entwicklung des Kindes stören. 262 Dann kann <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> dem Anderen zu<br />

übertragen sein, der mit den Schwierigkeiten des Kindes gelassener umgeht und<br />

255 BGH NJW 2005, 1080; zum <strong>Sorge</strong>recht der <strong>Eltern</strong> bei verschiedenem Glauben im Übrigen<br />

OLG Schleswig FPR 2004, 510 mit Anm. Britz; zu Zuständigkeitsfragen dabei AG<br />

Weilburg FPR 2003, 339; grundsätzlich Ehinger FPR 2005, 367.<br />

256 BGH NJW 2005, 1080; vgl. auch OLG Brandenburg FamRB 2006, 10; grundsätzlich Ehinger<br />

FPR 2005, 367.<br />

257 EuGHMR FF 2005, 36.<br />

258 AG Osnabrück FamRZ 2005, 645.<br />

259 AG Osnabrück FamRZ 2005, 645.<br />

260 OLG Brandenburg FamRB 2006, 10 mit Nachw.; ebenso OLG Koblenz FamRB 2005, 358;<br />

Übersicht bei Raack/Raack FF 2006, 295, vgl. dazu Aida Lorenz FPR 2007, 33.<br />

261 Zur Entziehung der elterl. <strong>Sorge</strong> bei einem einseitig auf eine angenommene "Hochbegabung"<br />

ausgerichteten und sonst völlig "beratungsresistenten Erziehungsmodell"<br />

OLG Koblenz FamRZ 2007, 1680 mit Anm. Bienwald.<br />

262 OLG Frankfurt FamRZ 1994, 924 – Zeugen Jehovas; zu weiteren Nachweisen Oelkers<br />

§ 1 RdNr. 238 mit sehr ausführlichen Nachweisen in Fn. 309 für Zeugen Jehovas,<br />

bzw. für Angehörige der Scientology und Bhagwanis; vgl. zu weiteren Einzelheiten<br />

Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 151; zu <strong>Leben</strong>sbedürfnissen des Kindes, <strong>die</strong> bei<br />

der Zuteilung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> nach § 1671 eine Rolle spielen können, vgl.<br />

Johannsen/Henrich/Jaeger RdNr. 48 f.


56<br />

insgesamt bessere Zukunftschancen bietet, 263 doch müssen <strong>die</strong> Auswirkungen für<br />

<strong>die</strong> kindliche Entwicklung deutlich sein. Laxheit und (weitgehende) Gleichgül-<br />

tigkeit sind jedenfalls nicht besser. Im Übrigen gleichen sich <strong>die</strong> Vorstellun-<br />

gen und Stile beider <strong>Eltern</strong>teile wie schon zuvor meist aus, zum Schulbesuch und<br />

seiner Verweigerung vgl. Rdnr. 91, so dass Gefährdungen für das Kind ausge-<br />

schlossen sind; notwendig ist dann allerdings gesicherter Umgang des Kindes<br />

beim anderen <strong>Eltern</strong>teil, § 1684.<br />

94 (16) Ausbildungsziele und –inhalte. Für ihre Kinder bestimmen <strong>Eltern</strong> Ausbil-<br />

dungsziele und –inhalte, wobei sie an <strong>die</strong> allg. Regeln gebunden sind, vgl. dazu<br />

§ 1631 a. Grober Unverstand, Ehrgeiz eines <strong>Eltern</strong>teils oder <strong>die</strong> Absicht, über<br />

das Kind eigene, aber selbst unerreichte Ziele zu verwirklichen, stellen noch<br />

kein Hindernis dar, ihm <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> zu übertragen, auch wenn der Ein-<br />

fluss des anderen Partners als Ausgleich fehlt und/oder Maßnahmen nach § 1628<br />

ausscheiden. Sind aber Grenzen überschritten, <strong>die</strong> das Wohl des Kindes gefähr-<br />

den, ist anders zu entscheiden, zur Schulausbildung schon RdNr. 91 mit Nachw.<br />

95 (17) Körperliche oder geistige Behinderung eines <strong>Eltern</strong>teils. Körperliche oder<br />

geistige Behinderung eines <strong>Eltern</strong>teils ist für sich kein Grund, ihn von der el-<br />

terlichen <strong>Sorge</strong> für <strong>gemeinsam</strong>e Kinder auszuschließen, Art. 3 Abs. 3 GG. Leiden<br />

beide <strong>Eltern</strong>teile an erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, <strong>die</strong> ihre<br />

Erziehungsfähigkeit berühren, kann sinnvoll und für das Kind geboten sein, für<br />

sie <strong>elterliche</strong> Verantwortung in ihrer bisherigen Verbindung beizubehalten, um<br />

<strong>die</strong> Belastungen so weit wie möglich zu verteilen 264 und für das Kind auszuglei-<br />

chen. Ist weitere Hilfe notwendig, ist sie in der üblichen Form zu leisten, wo-<br />

bei staatliche Einrichtungen im gebotenen Maße gefordert sind. Nur wenn <strong>die</strong> Be-<br />

hinderung/Erkrankung ein Ausmaß erreicht, das Gefährdungen für das Kind nahe-<br />

legt oder erwarten lässt, können andere Regelungen erforderlich werden. Jugend-<br />

ämter und andere öffentliche Einrichtungen sind jedenfalls besonders gefordert,<br />

um einerseits den <strong>Eltern</strong> ihre Befugnisse zu erhalten, andererseits den Kindern<br />

aber gute Entwicklungschancen zu bieten.<br />

96 (18) Krankheiten eines <strong>Eltern</strong>teils beseitigen seine Erziehungseignung für sich<br />

noch nicht; das gilt auch für Aids. 265 Hat ein <strong>Eltern</strong>teil (hier: der Vater) dem<br />

anderen (der Mutter) verschwiegen, dass er HIV-infiziert ist, kann <strong>die</strong>ser Ver-<br />

trauensmissbrauch <strong>gemeinsam</strong>e Grundlagen aber völlig in Frage stellen; dann<br />

kommt das <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Sorge</strong>recht für Kinder nicht (mehr) in Betracht. 266 Drohen<br />

besondere Gefährdungen für das Kind, etwa durch Ansteckung, kann zumindest für<br />

263 Bamberger/Roth/Veit RdNr. 35.<br />

264 OLG Zweibrücken EzFamRaktuell 2000, 378 (denn nur so können sie <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong><br />

Verantwortung weiterhin ausüben).<br />

265 Dazu OLG Stuttgart NJW 1988, 2620 und Palandt/Diederichsen RdNr. 26.<br />

266 OLG Frankfurt FamRZ 2006, 1627.


57<br />

Übergangszeiten ein <strong>Eltern</strong>teil von der elterl. <strong>Sorge</strong> und wohl auch zum Umgang<br />

auszuschließen sein, wenn nicht lediglich Ruhen der elterl. <strong>Sorge</strong> (bis zur Wie-<br />

dergesundung) eintritt. Psychische Erkrankungen eines <strong>Eltern</strong>teils oder beider<br />

<strong>Eltern</strong> sind in ihren Auswirkungen auf <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes zu beziehen<br />

und entsprechend zu bewerten. 267 Ist sein Wohl gefährdet, sind gerichtl. Ein-<br />

griffe notwendig. Wiederum sind aber öffentliche Hilfen und Unterstützung vor-<br />

rangig gefordert. Ist langfristig das Kind bei dem anderen <strong>Eltern</strong>teil besser<br />

aufgehoben, kann <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> ihm zu übertragen sein, etwa bei spasti-<br />

schen Lähmungen, multipler Sklerose, Gehörlosigkeit u.ä. Interessen der <strong>Eltern</strong><br />

oder eines <strong>Eltern</strong>teils treten jedenfalls zurück. Keinesfalls kann für ihn <strong>die</strong><br />

<strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> erhalten oder ihm übertragen werden, um seine Entwicklung zu<br />

fördern und seine Heilung zu beschleunigen, denn dann steht er selbst im Mit-<br />

telpunkt, nicht das Kind.<br />

97 (19) Unterschiedliche kulturelle Verwurzelungen der <strong>Eltern</strong>teile können wesent-<br />

lich werden, wenn <strong>die</strong> Verbindung zu einer Kultur für einen Partner, der sie an<br />

<strong>die</strong> Kinder weitergibt, stark prägend wirkt. Dann kann ihm <strong>die</strong> alleinige elter-<br />

liche <strong>Sorge</strong> einzuräumen sein, wenn sich der andere widersetzt oder den Entwick-<br />

lungen gegenüber gleichgültig bleibt. Anders sind <strong>die</strong> Dinge aber zu regeln,<br />

wenn <strong>die</strong> Verbindungen für den Partner und <strong>die</strong> Kinder ihre (bisherige) Bedeutung<br />

verloren haben oder vielleicht sogar bedrückend/schädlich geworden sind; 268<br />

Staatsangehörigkeitswechsel oder sonstige äußerliche Veränderungen sind von<br />

vornherein bedeutungslos. 269<br />

98 (20) Umzug; Wechselmodell. Für <strong>Eltern</strong> und Kinder wird ein Umzug 270 selbst ins<br />

Ausland meist keine weiteren Belastungen mit sich bringen. Wie sonst ist aller-<br />

dings jeder abrupte Wechsel, der auf <strong>die</strong> Bedürfnisse des Kindes keine Rücksicht<br />

nimmt, schädlich und bei der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung zu berücksichtigen. Freizügig-<br />

keit gerade des betreuenden <strong>Eltern</strong>teils spielt ihre eigene Rolle, Art. 2 Abs. 1<br />

GG; 271 über ihn sind auch entsprechende Rechte des Kindes vermittelt. Erschwer-<br />

267 Dazu Ehinger FPR 2005, 253 und Dodegge FPR 2005, 233.<br />

268 OLG Frankfurt FamRZ 1999, 182 für Pakistan.<br />

269 OLG Frankfurt FamRZ 1999, 182 – der Vater hat in der Zwischenzeit <strong>die</strong> dt. Staatsangehörigkeit<br />

erworben, wollte aber weiterhin dafür sorgen, dass seine Töchter in<br />

"islamisch-traditioneller" Form erzogen werden.<br />

270 OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1084; vgl. früher schon – für Italien – BGH FamRZ 1990,<br />

392; eher einschränkend – Portugal – OLG Hamm FamRZ 1999, 394; vgl. auch Art. 8<br />

EMRK, dazu Palandt/Diederichsen § 1684 RdNr. 7 und OLG Frankfurt FamRZ 2007, 759<br />

(der ins Ausland umziehende <strong>Eltern</strong>teil kann <strong>die</strong> alleinige elterl. <strong>Sorge</strong> erhalten,<br />

denn Art. 8 EMRK fordert nicht <strong>die</strong> Aufrechterhaltung <strong>gemeinsam</strong>er <strong>Sorge</strong>befugnisse).<br />

271 OLG Frankfurt FamRZ 2007, 759 - Freizügigkeit erfasst auch das Recht des betreuenden<br />

<strong>Eltern</strong>teils, seinen Wohnsitz im Ausland zu begründen, und <strong>die</strong> Achtung<br />

des Familienlebens nach Art. 8 EMRK erfordert dann nicht <strong>die</strong> Aufrechterhaltung


58<br />

nisse bei Besuchsbefugnissen des anderen <strong>Eltern</strong>teils sind zwangsläufig, aber<br />

unvermeidliche Folge. Gerade bei kleineren Kindern ist Kontinuität in der per-<br />

sönlichen Betreuung durch einen <strong>Eltern</strong>teil wichtiger als der Erhalt des äußeren<br />

<strong>Leben</strong>sumfeldes. 272 Weigert sich ein Kind, zum Vater ins Ausland zu gehen, 273 oder<br />

ist <strong>die</strong> Übersiedlung nach dort aus anderen Gründen für seine gute Entwicklung<br />

unzuträglich, kommt dagegen eine Übertragung des <strong>Sorge</strong>rechts auf <strong>die</strong> Mutter in<br />

Betracht, wobei seine Wünsche und sein Wille ausschlaggebend werden. Will <strong>die</strong><br />

Mutter auswandern, kann ihr andererseits gerade deshalb <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong><br />

(allein) einzuräumen sein, damit sie alle Befugnisse für das Kind wahrnehmen<br />

und ihrer Verantwortung in vernünftiger Form gerecht werden kann. 274 Manchmal<br />

kann auch eine Abwägung zwischen dem <strong>Eltern</strong>recht und dem Umgangsrecht des ande-<br />

ren notwendig werden. 275/276 Haben sich <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> auf ein Wechselmodell 277 und<br />

§ 1629 verständigt, so dass das Kind teils bei einem von ihnen, teils beim an-<br />

deren lebt, kann so sein Wohl besonders gefördert sein; Bindungen zu beiden<br />

bleiben erhalten, und das Kind erlebt sie in ihren jeweiligen alltäglichen Be-<br />

zügen. Gegen den entschie<strong>denen</strong> Widerstand der <strong>Eltern</strong> kann <strong>die</strong>se Lösung aller-<br />

dings nicht gerichtlich festgelegt werden; 278 sind <strong>die</strong> Meinungsverschiedenheiten<br />

unter den <strong>Eltern</strong> aber vielleicht gerade so zu überbrücken, kommt auch eine<br />

Anordnung des FamG in <strong>die</strong>ser Form in Betracht, vor allem dann, wenn das "Konf-<br />

liktpotential" unter den <strong>Eltern</strong> gering ist, denn dann muss Kindern auch nicht<br />

für ihren <strong>Leben</strong>smittelpunkt ein "sicherndes Gefühl für ein Zuhause" gegeben<br />

werden. 279 Oft kann aber auch alles ganz anders sein. Überwiegen etwa sachfremde<br />

Überlegungen, etwa <strong>die</strong> Furcht, sonst (jeweils) gänzlich auszuschei-<br />

der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>, so dass auch der wegziehende Teil alleinige<br />

<strong>Sorge</strong>befugnis erhalten kann.<br />

272 OLG Köln FamRZ 1998, 1461 und FamRZ 1999, 181; nach AG Detmold FamRZ 2000, 1605<br />

rechtfertigt jedenfalls <strong>die</strong> Absicht eines <strong>Eltern</strong>teils, ein (sieben Jahre altes)<br />

Schulkind für einen längeren Zeitraum (sechs bis sieben Wochen) mit in sein Heimatland<br />

(hier: Pakistan) mitzunehmen, um dort Familie und Umwelt kennenzulernen,<br />

nicht den Ausschluss des Besuchsrechts.<br />

273 AG Würzburg FamRZ 1998, 1319 (noch zum alten Recht).<br />

274 OLG Zweibrücken NJW-RR 2004, 1588.<br />

275 BVerfG FPR 2004, 393 und OLG Köln FamRB 2006, 76.<br />

276 Dabei ist ein niedriges Konfliktpotential unter den <strong>Eltern</strong> Voraussetzung, OLG<br />

München FamRZ 2007, 753.<br />

277 Zum Wechselmodell und zum Einverständnis der <strong>Eltern</strong> dabei OLG Dresden FamRZ 2005,<br />

125; kritisch OLG München FamRZ 2002, 1210; KG NJW-RR 2006, 798 lehnt einen <strong>Sorge</strong>rechtsantrag<br />

der Mutter ab, weil sich <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> bisher "immer über <strong>die</strong> grundsätzlichen<br />

Belange des Kindes einigen konnten", aber der weitere Hinweis darauf,<br />

<strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> sei bei verheirateten <strong>Eltern</strong> der Regelfall, ist<br />

so nicht richtig; zu Unterhaltsverpflichtungen beim Wechselmodell und § 1629 vgl.<br />

BGH FamRZ 2006, 1015; Betreuungszeiten müssen aber tatsächlich gleichmäßig zwischen<br />

den <strong>Eltern</strong> verteilt sein, zur Abgrenzung BGH NJW 2007, 1882 mit Bespr. Born<br />

NJW 2007, 1859 = FamRZ 2007, 707 mit Anm. Luthin.<br />

278 OLG Stuttgart FamRB 2007, 205 mit Anm. Luthin.<br />

279 OLG München FamRZ 2007, 753.


59<br />

den/ausgeschlossen zu werden, ist jedenfalls eine Entscheidung zum Wohl des<br />

Kindes und in seinem Interesse zu treffen, <strong>die</strong> sich über <strong>die</strong> Vorstellungen der<br />

<strong>Eltern</strong> hinwegsetzt, denn sie stehen nicht im Mittelpunkt, sondern <strong>die</strong> gute Ent-<br />

wicklung und <strong>die</strong> Zukunft des Kindes.<br />

99 (21) Entführungsgefahren. Eher abstrakte Entführungsgefahren, 280 etwa weil der<br />

andere <strong>Eltern</strong>teil Ausländer ist, spielen bei der Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong><br />

keine Rolle. Sind Gefährdungen für das Kind dagegen ernsthaft zu befürchten,<br />

kann zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem anderen Teil zu übertragen<br />

sein. Eingriffe in "Miterziehungsrechte" reichen zwar aus, um Rückführungsant-<br />

räge nach dem Haager Abk. anzubringen und durchzusetzen. Sicherer Schutz ist<br />

damit aber noch nicht erreicht. Ohnehin ist <strong>die</strong> Zugehörigkeit des anderen Staa-<br />

tes zum Haager Abk. Voraussetzung für <strong>die</strong> Rechtsverfolgung nach seinen Regeln;<br />

ein <strong>Eltern</strong>teil sollte im Übrigen nicht auf ein Verfahren zur Rückführung ver-<br />

wiesen werden, wenn sich <strong>die</strong> Entführung des Kindes ins Ausland schon verhindern<br />

oder zumindest erschweren lässt.<br />

100 (22) Alkoholismus oder starker Alkoholkonsum eines <strong>Eltern</strong>teils kann vielfältige<br />

Gefahren für <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes mit sich bringen. Deshalb beseitigt<br />

nicht einmal <strong>die</strong> begonnene Behandlung oder Therapie seine bisher fehlende Er-<br />

ziehungseignung. 281 Ist <strong>die</strong> Stabilisierung nachhaltig, ist eine andere Entschei-<br />

dung allerdings möglich. Kann <strong>die</strong>ser <strong>Eltern</strong>teil bei der Abwägung dann Vorteile<br />

für sich geltend machen, ist ihm <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> zu übertragen, wenn Ge-<br />

fährdungen für das Kind ausgeschlossen werden können. Aber <strong>die</strong>se Entscheidung<br />

darf nicht zu seiner Unterstützung bzw. Hilfe erfolgen, dazu auch RdNr. 101,<br />

denn Interessen des Kindes stehen stets im Vordergrund.<br />

101 (23) Drogenabhängigkeit lässt einen <strong>Eltern</strong>teil ebenfalls ungeeignet erscheinen,<br />

<strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> auszuüben. 282 Gelegentlicher Haschischkonsum kann viel-<br />

leicht anders zu bewerten sein, doch verbietet sich jede Bagatellisierung. 283<br />

280 OLG Frankfurt FamRZ 2007, 753, selbst wenn der ausl. <strong>Eltern</strong>teil zunächst in<br />

Strafhaft saß und nun vorzeitig entlassen ist, wobei bisher seine <strong>Sorge</strong>befugnisse<br />

nach § 1674 ruhten.<br />

281 Salzgeber FuR 1991, 324; Übersicht auch bei Oelkers § 1 RdNr. 221 mit Nachw.; zur<br />

Beibehaltung der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> trotz erheblicher Alkoholprobleme<br />

des Vaters (der im Übrigen keinen Unterhalt für das bei der Mutter lebende Kind<br />

zahlt) AG Ratzeburg FamRZ 2000, 505 (weil <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> sich in allen Punkten sonst<br />

einig waren).<br />

282 Dazu Staudinger/Coester RdNr. 183, insbesondere zur Rückfallgefahr und zur "Trennungsbedingtheit"<br />

des <strong>elterliche</strong>n Verhaltens, dazu auch KG FamRZ 1983, 1159,<br />

1161.<br />

283 Dazu OLG Nürnberg NJW-RR 1999, 1019 = NJWE-FER 1999, 235 und (zustimmend zu <strong>die</strong>ser<br />

Entscheidung) Oelkers § 1 RdNr. 221; sind Gefahren für das Kind ausgeschlossen<br />

oder ganz fernliegend, ist <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong> nach den sonstigen Gesichtspunkten<br />

zu regeln, dazu BVerfG 1 BvR 1426/07 für eine (angebliche) verleugnete Alkoholproblematik<br />

der Mutter (zumindest im einstw. Anordnungsverfahren, um vollendete<br />

Tatsachen zu vermeiden und <strong>die</strong> weitere Entwicklung abwarten zu können).


60<br />

Beginn einer Therapie ändert an <strong>die</strong>ser Einschätzung nichts, vgl. zu entspr.<br />

Maßstäben bei Alkoholabhängigkeit gerade RdNr. 100. Wiederum gilt, dass <strong>die</strong><br />

Übertragung von <strong>Sorge</strong>befugnissen nicht erfolgen darf, um den betroffenen El-<br />

ternteil zu unterstützen und seine Rehabilitierung zu fördern, denn im Vorder-<br />

grund stehen Kindesinteressen.<br />

102 (24) Transsexualität 284 eines <strong>Eltern</strong>teils ist kein Grund, ihn von <strong>Sorge</strong>- und Um-<br />

gangsbefugnissen mit <strong>gemeinsam</strong>en Kindern auszuschließen. Jede Diskriminierung<br />

ist unzulässig und nähme dem Kind zudem <strong>die</strong> Möglichkeit, sich mit wichtigen An-<br />

teilen seiner <strong>Leben</strong>sgeschichte auseinanderzusetzen. Sind <strong>die</strong> <strong>Leben</strong>sumstände<br />

bei <strong>die</strong>sem <strong>Eltern</strong>teil allerdings sonst problematisch, ist <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong><br />

dem anderen einzuräumen; wiederum wird dabei das Wohl des Kindes maßgeblich,<br />

nicht <strong>die</strong> Orientierung der <strong>Eltern</strong> oder ihre <strong>Leben</strong>sführung.<br />

103 (25) Homosexualität; andere sexuelle Neigungen eines <strong>Eltern</strong>teils. Auch Homose-<br />

xualität 285 eines <strong>Eltern</strong>teils schließt ihn nicht von vornherein von <strong>Sorge</strong>befug-<br />

nissen für <strong>gemeinsam</strong>e Kinder aus. Schwierige oder problematische Umstände in<br />

seiner <strong>Leben</strong>sführung können allerdings zu einem anderen Ergebnis führen, dazu<br />

schon RdNr. 102. Andere sexuelle Neigungen eines <strong>Eltern</strong>teils (etwa: sado-<br />

masochistische Praktiken) stehen der <strong>gemeinsam</strong>en elterl. <strong>Sorge</strong> ebenfalls nicht<br />

entgegen, wenn sie sich nicht auf das Kind und seine Entwicklung auswirken; 286<br />

selbst <strong>die</strong> alleinige elterl. <strong>Sorge</strong> kann <strong>die</strong>sem <strong>Eltern</strong>teil eingeräumt werden,<br />

wenn er sonst für das Kind wichtig ist. In der eingetragenen <strong>Leben</strong>spartner-<br />

schaft ist dem <strong>Leben</strong>spartner eine Beteiligung am <strong>Sorge</strong>recht des anderen einge-<br />

räumt, kleines <strong>Sorge</strong>recht in alltäglichen Angelegenheiten, § 9 LPartG. Schon<br />

<strong>die</strong>se gesetzgeberische Grundentscheidung zeigt, dass Gleichgeschlechtlichkeit<br />

für sich den Ausschluss von der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> nicht rechtfertigen kann, 287<br />

im Übrigen §§ 1687 und 1687 b. Auch <strong>die</strong> Stiefkindadoption ist <strong>Leben</strong>spartnern<br />

eröffnet.<br />

104 (26) Neue Partnerschaft. Ist ein <strong>Eltern</strong>teil eine neue Partnerschaft eingegan-<br />

gen, können zusätzliche Spannungen zum anderen Partner und zum Kind entste-<br />

hen, 288 doch kann sein Entschluss auch entlastend wirken. Jedenfalls ist seine<br />

284 Ausführlich dazu Staudinger/Coester RdNr. 185.<br />

285 Als Beispiel AG Mettmann FamRZ 1985, 529 – lesbische Mutter; zur Geschlechtsumwandlung<br />

vgl. auch OLG Schleswig FamRZ 1990, 433 und Luthin FamRZ 1990, 435; zu<br />

beiden Punkten Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 153; vgl. auch Staudinger/<br />

Coester RdNr. 184 ("problematisch").<br />

286 OLG Hamm FamRZ 2006, 1697.<br />

287 Zu Einzelheiten dabei vgl. Schwab FamRZ 2001, 385, 394.<br />

288 Beispiel AG Heidelberg FamRZ 1999, 1660 – der Ehemann hat im <strong>Sorge</strong>rechtsstreit<br />

<strong>die</strong> Behauptung aufgestellt, seine Frau unterhalte schon seit längerer Zeit "Beziehungen<br />

zu einem Mann aus dem Rotlichtmilieu;" vgl. auch Erman/ Michalski RdNr.<br />

23 – bei "schlechtem Verhalten" des neuen Partners/ Ehepartners können wichtige<br />

Einwände entstehen, <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> gerade <strong>die</strong>sem <strong>Eltern</strong>teil zu übertragen.


61<br />

Erziehungsfähigkeit so nicht in Frage gestellt, auch wenn sich der andere, ver-<br />

letzte Teil hartnäckig sträubt und sich sogar darauf beruft, <strong>die</strong>se Verbindung<br />

sei der Grund für das Zerbrechen der Ehe mit ihm. Sind <strong>die</strong> Kontakte des Kindes<br />

zum <strong>Leben</strong>spartner allerdings nachhaltig schlecht und/oder wird er grundsätzlich<br />

abgelehnt, kann sogar ein <strong>Sorge</strong>rechtswechsel in Frage kommen, wenn der andere<br />

<strong>Eltern</strong>teil erziehungsfähig ist und nur so Gefahren vom Kind abgewendet werden<br />

können. Ist das Verhältnis dagegen gut und findet das Kind Aufmerksamkeit und<br />

Zuwendung, <strong>die</strong> ihm bisher vielleicht sogar gefehlt hat, kann eine gerichtl.<br />

Entscheidung für <strong>die</strong>sen <strong>Eltern</strong>teil ergehen, <strong>die</strong> sich am Wohl des Kindes aus-<br />

richtet, selbst wenn zuvor der Aufenthalt beim anderen <strong>Eltern</strong>teil eingerichtet<br />

war. Für <strong>die</strong>sen mag <strong>die</strong> Regelung schmerzlich sein; ausschlaggebend sind aber<br />

wie sonst allein <strong>die</strong> Interessen des Kindes, vgl. § 1697 a. Scheidungsschuld<br />

spielt keine Rolle, wenn sich das Verhalten eines Partners nicht unmittelbar<br />

auf <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes auswirkt. 289<br />

105 (27) Wiederheirat eines Partners. Plant ein <strong>Eltern</strong>teil seine Wiederheirat, 290<br />

sind <strong>die</strong>se Absichten für <strong>die</strong> Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> bei der Trennung<br />

von seinem bisherigen Partner oder im Scheidungsverfahren ebenfalls ohne Aus-<br />

wirkungen. Lehnt das Kind den vorgesehenen Gatten dagegen nachhaltig ab und<br />

sind deshalb Gefährdungen für seine Entwicklung zu befürchten, ist <strong>die</strong> elterli-<br />

che <strong>Sorge</strong> dem anderen <strong>Eltern</strong>teil zu übertragen, wenn sonst nichts gegen ihn<br />

spricht, dazu schon RdNr. 104. Allerdings kann ein <strong>Sorge</strong>rechtswechsel in Be-<br />

tracht kommen, wenn bei ihm später Gefährdungen des Kindes zu befürchten sind<br />

und sich <strong>die</strong> Verhältnisse zur neuen Familie "normalisiert" haben, § 1696.<br />

106 (28) Abstammungsfragen. Im <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren hat das FamG <strong>die</strong> Abstammung des<br />

Kindes vom Ehemann der Mutter nicht zu klären; auch der "Vater" kann nicht etwa<br />

seine fehlende Vaterschaft geltend machen. Sind Anfechtungsfristen für ihn ver-<br />

strichen und haben beide <strong>Eltern</strong> das Kind bisher wie ihr eigenes Kind behandelt,<br />

ist <strong>die</strong> Entscheidung nach den üblichen Bestimmungen und Abwägungsgrundsätzen zu<br />

treffen, § 1671. Bestreitet der Mann seine Vaterschaft, kann er für <strong>die</strong> Ausü-<br />

bung von <strong>Sorge</strong>befugnissen ausscheiden, wenn er dazu nicht bereit bzw. geeignet<br />

ist und sich vom Kind lossagt; 291 aber beides ist Voraussetzung für eine <strong>Sorge</strong>-<br />

rechtsregelung gegen ihn. Hält er dagegen an seiner <strong>Eltern</strong>position fest, ist<br />

289 Bamberger/Roth/Veit RdNr. 41 mit Nachw.; dabei kann, wenn ein Kind seit mehreren<br />

Jahren bei einem <strong>Eltern</strong>teil lebt, eine Übertragung (selbst nur) des Aufenthaltsbestimmungsrechts<br />

auf den anderen "wegen des damit für das Kind verbun<strong>denen</strong> Obhutswechsels<br />

nicht allein auf befürchtete, aber bloße spätere und nicht zumindest<br />

einigermaßen zuverlässig absehbare Fehlentwicklungen gestützt werden", BVerfG,<br />

FamRZ 2007, 1797 mit Anm. Völker, FamRBint 2008, 9; vgl. auch BT-Drucks. 7/2060<br />

S. 32; wesentlich einschränkender Soergel/Strätz RdNr. 34 (noch zu § 1671 aF).<br />

290 Vgl. zu Einzelheiten Staudinger/Coester § 1696 RdNr. 86 mit Nachw.; knapp Er-<br />

man/Michalski RdNr. 36.


62<br />

das anders; deshalb kann ihm <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> auch allein eingeräumt wer-<br />

den, äwenn der andere ausscheidet. Dann gewinnt seine bisher wahrgenommene Ver-<br />

antwortung für das Kind als soziale, gelebte <strong>Eltern</strong>schaft ihr Übergewicht,<br />

selbst bei Offenkundigkeit der fehlenden Abstammung zu ihm, denn mit Fristab-<br />

lauf ist das Kind mit allen Folgen als eheliches Kind seiner <strong>Eltern</strong> zu behan-<br />

deln. Früher war das Kind beiden <strong>Eltern</strong>teilen <strong>gemeinsam</strong> rechtlich zugeordnet;<br />

dann kann der Mutter allein bei der Trennung oder der Scheidung der Ehe für <strong>die</strong><br />

Regelung der <strong>Sorge</strong>befugnisse kein eigener Vorrang zukommen, der den Vater ver-<br />

drängt, etwa mit der Vorstellung, er habe "nur" soziale Verantwortung getragen.<br />

107 (29) Anfechtung der Vaterschaft; Einwilligung in <strong>die</strong> Adoption. Erkennt ein an-<br />

derer Mann <strong>die</strong> Vaterschaft an oder wird <strong>die</strong> Zuordnung des Kindes zum Ehemann<br />

nach erfolgreicher Anfechtung beseitigt, kann, wenn zuvor keine Entscheidung<br />

nach § 1671 "für" <strong>die</strong> Mutter ergangen war, <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> der<br />

Eheleute wie sonst fortbestehen. 292 Maßstab ist wiederum das Wohl des Kindes. Im<br />

Übrigen kommt eine Abänderung einer bereits getroffenen <strong>Sorge</strong>entscheidung in<br />

Betracht, wenn sie erforderlich ist, § 1696. 293 Ist <strong>die</strong> Vaterschaft erfolgreich<br />

angefochten, kann, solange <strong>die</strong> Mutter den Vater nicht heiratet, <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong><br />

<strong>Sorge</strong> nur ihr übertragen werden, § 1626 a Abs. 2, nicht etwa dem biologischen<br />

Vater, und sie entscheidet, wie <strong>Sorge</strong>befugnisse zwischen ihr und ihm endgültig<br />

geregelt sein sollen, <strong>Sorge</strong>erklärung (oder spätere Heirat mit ihm). Mit der<br />

Einwilligung in <strong>die</strong> Adoption eines Kindes erledigt sich ein anhängiges <strong>Sorge</strong>-<br />

rechtsverfahren zwischen den <strong>Eltern</strong>. Dagegen muss ein Verfahren zur <strong>Sorge</strong>-<br />

rechtserziehung nach § 1666 fortgeführt werden, denn der betroffene <strong>Eltern</strong>teil<br />

hat <strong>die</strong> Möglichkeit der Beschwerde; ohnehin kann er auch weiterhin wirksam in<br />

<strong>die</strong> Adoption einwilligen, weil seine Erklärungen nicht an den Bestand des Sor-<br />

gerechts geknüpft sind. 294<br />

108 (30) Partnerlosigkeit. Partnerlosigkeit eines <strong>Eltern</strong>teils ist für <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>-<br />

rechtsregelung nach § 1671 ohne Bedeutung; sie gibt nicht etwa Hinweise auf in-<br />

sgesamt fehlende Bindungsfähigkeit. Häufiger Partnerwechsel kann, muss aber<br />

nicht gegen <strong>die</strong>sen <strong>Eltern</strong>teil sprechen und kann im Übrigen unwichtig sein, wenn<br />

das Verhältnis zum Kind intakt ist und seine gute Entwicklung gesichert er-<br />

scheint.<br />

291 Zum Abstammungsstreit Staudinger/Coester RdNr. 186.<br />

292 Veit FamRZ 1999, 902, 908.<br />

293 Dazu Veit FamRZ 1999, 902, 908.<br />

294 OLG Hamm FamRZ 1986, 922 und Bamberger/Roth/Enders § 1751 RdNr. 3.


63<br />

109 (31) Geschwisterbindungen. Wie sonst sind bei der <strong>Sorge</strong>entscheidung Geschwis-<br />

terbindungen 295 zu beachten, dazu schon RdNr. 42 und 45; zum Alter und Ge-<br />

schlecht des Kindes vgl. RdNr. 112.<br />

110 (32) Vermögensstraftaten; Strafanzeigen. Vermögensstraftaten spielen bei der<br />

Bewertung der erzieherischen Eignung eines <strong>Eltern</strong>teils nicht unbedingt eine<br />

Rolle, 296 selbst wenn sie der Partner für besonders schwerwiegend hält. Andere<br />

Straftaten sind dagegen in ihren Auswirkungen auf das Kind und seine gute und<br />

ungestörte Entwicklung zu beziehen; 297 scheint sein Wohl gefährdet, scheidet<br />

<strong>die</strong>ser <strong>Eltern</strong>teil aus. Wechselseitige Strafanzeigen der <strong>Eltern</strong> können Beleg für<br />

ihre weitgehende Entfremdung sein; dann ist <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong><br />

aufzulösen, 298 denn sie bildet keine Grundlage mehr für wahrgenommene Verantwor-<br />

tung für das Kind. Selbst lange Strafhaft rechtfertigt für sich noch nicht <strong>die</strong><br />

Übertragung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf den anderen Partner; vernünf-<br />

tige Kontakte sind im Strafvollzug sicherzustellen, 299 denn Umgangsbefugnisse<br />

hat auch der Straftäter, der in Haft sitzt, und so seine guten Kontakte zum<br />

Kind erhält.<br />

111 (33) Selbstmordabsichten. Äußert ein <strong>Eltern</strong>teil Selbstmordabsichten etwa noch<br />

mit der Ankündigung, "<strong>die</strong> Kinder mitzunehmen", ist <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> dem an-<br />

deren zu übertragen; Gefährdungen für das Kind sind offensichtlich. Im Übrigen<br />

ist sofortiges Eingreifen des FamG und anderer Einrichtungen wie etwa des Ju-<br />

gendamtes notwendig. 300<br />

112 (34) Alter und Geschlecht von Kindern schaffen weder für den einen noch für den<br />

anderen <strong>Eltern</strong>teil einen besonderen Vorrang bei der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung. Doch<br />

können beide Punkte bei der Abwägung im Einzelnen eine Rolle spielen, ohne dass<br />

nun auf Umwegen doch wieder <strong>die</strong> Mutter "für Kleinkinder" bevorzugt werden darf.<br />

Mit <strong>die</strong>ser Einschränkung ist (häufig) davon auszugehen, dass ein Kind in den<br />

ersten <strong>Leben</strong>sjahren nicht von der Mutter getrennt werden sollte, <strong>die</strong> bisher Be-<br />

treuungsaufgaben wahrgenommen hat; dann steht aber <strong>die</strong> Erfüllung <strong>die</strong>ser Aufga-<br />

295 OLG Frankfurt FamRZ 1994, 920; dazu auch Schwab FamRZ 1998, 457, 464; etwas zurückhaltender<br />

OLG Hamm FamRZ 1999, 1599; sehr ausführlich Staudinger/Coester<br />

RdNr. 226 f.; OLG Hamm EzFamRaktuell 2000, 198.<br />

296 OLG Hamm FamRZ 1999, 1597; andererseits können sogar verbüßte Vorstrafen eines<br />

<strong>Eltern</strong>teils eine Rolle bei der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung spielen, dazu Bamberg FamRZ<br />

1991, 1341 (sie müssen allerdings eine Gefährdung des Kindeswohls bei seinem weiteren<br />

Einbezug in <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong> befürchten lassen, Palandt/Diederichsen RdNr.<br />

26).<br />

297 Strafhaft schließt Umgangsbefugnisse des Kindes mit dem inhaftierten Teil nicht<br />

notwendig aus, etwa unter dem Blickwinkel der "notwendig eingeschränkten Interaktion".<br />

298 OLG Nürnberg NJWE-FER 1999, 234.<br />

299 Dazu auch OLG Frankfurt FamRZ 2007, 753; kümmert sich der Strafgefangene allerdings<br />

nicht hinreichend um sein Kind, kommen Maßnahmen nach § 1666 in Betracht.<br />

300 Dazu BayObLG NJWE-FER 1999, 92.


64<br />

ben im Vordergrund, nicht ihre Eigenschaft als Mutter. Ebenso kann bei hoher<br />

Empfindsamkeit oder Krankheitsanfälligkeit des Kindes zu entscheiden sein, 301<br />

namentlich dann, wenn der Vater für <strong>die</strong> tatsächlichen und alltäglichen Be-<br />

treuungsaufgaben eher ausfällt und <strong>die</strong>se Aufgaben anderen Personen überlassen<br />

müsste. Stand der Vater bisher im Mittelpunkt, hat er sich so "Vorrechte" er-<br />

worben.<br />

113 (35) Minderjährigkeit eines <strong>Eltern</strong>teils/Geschäftsunfähigkeit. Ist ein <strong>Eltern</strong>-<br />

teil minderjährig, scheidet er nicht deshalb schon bei der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung<br />

aus, zu weiteren Einzelheiten vgl. § 1673 RdNr. 2 f., 302 aber für das Kind ist<br />

nach § 1773 Abs. 1 ein Vormund zu bestellen. 303 Im Übrigen kann oft eine abge-<br />

stufte Regelung erforderlich sein, <strong>die</strong> sich um das Wohl des Kindes bemüht und<br />

beide <strong>Eltern</strong>teile soweit wie möglich in ihren <strong>Eltern</strong>befugnissen belässt. 304 Spä-<br />

ter kann Abänderung nach § 1696 erfolgen, wenn sie für das Kind notwendig wird.<br />

Einem geschäftsunfähigen <strong>Eltern</strong>teil darf <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> dagegen von vor-<br />

nherein nicht übertragen werden; er könnte sie nicht ausüben, § 1673 Abs. 1. 305<br />

114 (36) Berufliche Entwicklung/beruflich bedingte Abwesenheit eines <strong>Eltern</strong>teils.<br />

Kann ein <strong>Eltern</strong>teil wegen ständiger oder häufiger beruflicher Abwesenheit aus<br />

berufsbedingten Gründen das Kind nicht betreuen, wird er meist nicht für eine<br />

Zuweisung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> in Betracht kommen. Ausnahmen sind aber mög-<br />

lich, wenn für anderweitige und gute Unterbringung und Betreuung des Kindes ge-<br />

sorgt ist 306 und seine Entwicklung auch sonst gesichert erscheint. Ein <strong>Eltern</strong>-<br />

teil, der in der Lage ist, ein Kleinkind auch tagsüber zu versorgen, hat des-<br />

halb meist tatsächlichen Vorrang vor dem anderen, der <strong>die</strong> Betreuung durch drit-<br />

te Personen sicherstellen muss, selbst wenn <strong>die</strong>se mit dem Kind nahe verwandt<br />

sind und sich liebevoll um ihre Aufgaben/Pflichten kümmern und kümmern kön-<br />

nen. 307 Bei gerade schulpflichtigen Kindern mag eine Rolle spielen, dass sie bei<br />

der Mutter besser gefördert werden können, wenn sie nicht erwerbstätig ist.<br />

Diese Einschätzung darf aber nicht dazu führen, dass der berufstätige Vater,<br />

der das Kind während der Arbeitszeit gut versorgen bzw. betreuen lässt, für <strong>die</strong><br />

Übernahme der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> schlechthin ausscheidet; andernfalls hätte er<br />

angesichts der immer noch vorherrschenden, tatsächlichen Rollenverteilung in<br />

der Ehe nur bei schwerwiegendem Versagen der Mutter eine Chance, <strong>Sorge</strong>befugnis-<br />

301 Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 171 f.<br />

302 Erman/Michalski RdNr. 17 mit Nachw.<br />

303 LG Stuttgart FamRZ 1965, 365 und KG FamRZ 1968, 262 - nicht ausreichend ist, dass<br />

für einen <strong>Eltern</strong>teil, der <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> aus tatsächlichen Gründen nicht<br />

ausüben kann, vielleicht nahe liegt, <strong>die</strong>se Hindernisse könnten später wegfallen,<br />

dazu auch Erman/Michalski RdNr. 17.<br />

304 Erman/Michalski RdNr. 17 mit Nachw.<br />

305 Bamberger/Roth/Veit RdNr. 38.<br />

306 Staudinger/Coester RdNr. 165 f.


65<br />

se bei der Trennung oder im Scheidungsverfahren zu erhalten. Beide <strong>Eltern</strong> sind<br />

zur Pflege und Erziehung von Kindern verpflichtet; sie nehmen in ihrer Verbin-<br />

dung <strong>gemeinsam</strong>e Aufgaben für das Kind wahr. Bei einer gerichtlichen Regelung<br />

für <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>befugnisse sind sie gleichrangig, auch wenn sich der eine zuvor<br />

für <strong>die</strong> Haushaltsführung und der andere für eigene Erwerbstätigkeit entschieden<br />

hat. 308 Ihre Aufgaben hat <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>rechtsregelung jedenfalls wahrzunehmen und<br />

auf <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes zu beziehen.<br />

115 Die Ankündigung eines <strong>Eltern</strong>teils allein, er werde seine Berufstätigkeit für<br />

den Fall der <strong>Sorge</strong>rechtsübertragung reduzieren und nur noch halbtags arbeiten,<br />

bleibt Ankündigung, <strong>die</strong> im Ausgang <strong>die</strong> Wiederherstellung der "Chancengleich-<br />

heit" mit der teilzeitbeschäftigten Mutter herstellt, aber sie sollte nicht<br />

ausreichende Grundlage für <strong>die</strong> Zuweisung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> werden; 309 stets<br />

ist sie im Übrigen auf ihre Ernsthaftigkeit und Verlässlichkeit zu überprüfen,<br />

bevor eine gerichtliche Regelung ergeht.<br />

116 (37) Vorrang der Mutter? Selbst bei kleinen Kindern kann <strong>die</strong> Mutter für sich so<br />

keinen Vorrang herleiten, <strong>die</strong> alleinige Grundlage für <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>rechtsregelung<br />

sein könnte. 310 Wie sonst sind vielmehr <strong>Leben</strong>sumstände und Erziehungseignung bei<br />

beiden <strong>Eltern</strong>teilen zu berücksichtigen, inhaltlich zu bewerten und auf das Kind<br />

und seine voraussichtliche Entwicklung zu beziehen.<br />

117 ff) <strong>Eltern</strong>einigung. Haben sich <strong>Eltern</strong> über <strong>die</strong> künftige Ausübung der alleinigen<br />

<strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> geeinigt (<strong>Eltern</strong>einigung), legen sie das Gericht in den Gren-<br />

zen aus § 1671 Abs. 2 Nr. 1 fest. 311 Voraussetzung ist allerdings, dass nicht<br />

Anhaltspunkte zu sehen sind, <strong>die</strong> Einigung könnte aus sachfremden Erwägungen<br />

oder unter Druck zustande gekommen oder sonst fragwürdig sein. Im Übrigen sind<br />

gerichtliche Eingriffe nach Abs. 3 möglich, 312 wobei <strong>die</strong> Eingriffsschwelle nied-<br />

riger liegt als unmittelbar für § 1666. 313 Für einen <strong>Eltern</strong>teil und <strong>die</strong> Übertra-<br />

gung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf ihn unter Ausschluss des anderen,<br />

Abs. 3, können <strong>die</strong> Gründe sprechen, <strong>die</strong> auch bei einer Entscheidung unmittelbar<br />

nach Abs. 2 Nr. 2 maßgeblich wären.<br />

118 5. Alleinige <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> für Teilbereiche. a) Voraussetzungen. Soll einem<br />

<strong>Eltern</strong>teil ein Teil der <strong>elterliche</strong>n 314 <strong>Sorge</strong> allein übertragen werden, während<br />

sie im Übrigen <strong>gemeinsam</strong> fortbesteht, oder ist <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Eltern</strong>sorge auf-<br />

307 OLG Stuttgart FamRZ 1976, 282.<br />

308 BGH FamRZ 1990, 392.<br />

309 OLG Hamm FamRZ 1990, 550.<br />

310 AG Landstuhl FamRZ 1990, 1025; zur notwendigen (?) Gleichberechtigung insoweit<br />

Staudinger/Coester RdNr. 165 f.<br />

311 OLG Rostock ZfJ 1999, 351; ähnlich OLG Hamm ZfJ 1999, 226.<br />

312 OLG Rostock ZfJ 1999, 351.<br />

313 Mit <strong>die</strong>ser Unterscheidung OLG Rostock ZfJ 1999, 351.


66<br />

zulösen und in ihren Teilbestandteilen jeweils gesondert durch gerichtliche<br />

Entscheidung zu regeln, wird wie bei der Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> selbst<br />

§ 1671 Abs. 1 bzw. 2 bestimmend. Spricht nichts gegen einen abgestimmten Vor-<br />

schlag der <strong>Eltern</strong>, ist <strong>die</strong>ser in den üblichen Grenzen, Nr. 2, Abs. 3 und §<br />

1666, 315 vorrangig und für das Gericht bindend. Im Übrigen muss sich jeder El-<br />

ternteil in dem Teilbereich, der geregelt werden soll, bewähren (können) und<br />

unter dem Blickwinkel des Kindeswohls als zuverlässig erweisen. Zu kurz greift<br />

jedenfalls <strong>die</strong> Vorstellung, unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit sei<br />

<strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> "soweit wie möglich" beibehalten, 316 denn sie<br />

verliert Gesichtspunkte des Kindeswohls und der vorrangigen Entscheidungsauto-<br />

nomie der <strong>Eltern</strong> aus den Augen und geht von einem festgelegten Verhältnis von<br />

Regel und Ausnahme aus, das so nicht besteht. Andererseits hat sich das Gericht<br />

auf Eingriffe in Teilbereiche zu beschränken, wenn sie ausreichen, um das Wohl<br />

des Kindes zu sichern, Verhältnismäßigkeitsgrundsätze. Dann ist ein Antrag auf<br />

Übertragung der alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf einen <strong>Eltern</strong>teil zurückzuwei-<br />

sen. 317<br />

119 b) Schulische Betreuung/ärztliche Versorgung. Gesondert geregelt und abgespal-<br />

ten von der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> kann <strong>die</strong> schulische Betreuung eines Kindes oder<br />

seine ärztliche Versorgung 318 werden, etwa durch den Vater, der Lehrer bzw. <strong>die</strong><br />

Mutter, <strong>die</strong> Ärztin ist, so dass <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> "nicht mehr zu einer totalen Revisi-<br />

on des <strong>Sorge</strong>rechts gezwungen sind, wenn der Konflikt zwischen ihnen sich auf<br />

einen Teilbereich beschränkt und beschränken lässt." 319 Allerdings kann selbst<br />

dann ein <strong>Eltern</strong>teil nicht unmittelbar für das Kind erbrachte medizinische Leis-<br />

tungen mit der vom anderen unterhaltenen Krankenversicherung abrechnen; 320 dazu<br />

ist Vollmachtserteilung durch den anderen notwendig, wobei der andere zu ihrer<br />

Erteilung verurteilt werden kann, wenn er sie verweigert, da sonst eine kindes-<br />

wohlorientierte Ausübung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> auf dem Gebiet der Gesundheits-<br />

314 Zur Beratungstätigkeit der Notare dabei und ihren Regelungsvorschlägen Schwab<br />

DNotZ 1998, 437, insbesondere 442 f.<br />

315 OLG Rostock ZfJ 1999, 351 und OLG Hamm ZfJ 1999, 226.<br />

316 Coester DEuFamR 2000, 53 und Oelkers MDR 2000, 31 (Anm. zu BGH NJW 2000, 203 =<br />

FamRZ 1999, 1646) mit weiteren Nachw., etwa mit der Vorstellung, "so viel Alleinsorge<br />

wie nötig, so viel <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Sorge</strong> wie möglich" müsse erreicht werden, dazu<br />

Willutzki KindPrax 1998, 8, 11, denn "im Zweifel" sollte <strong>die</strong> ungeteilte <strong>Sorge</strong><br />

erhalten bleiben, dazu Coester DEuFamR 2000, 53, 55 und Oelkers MDR 2000, 31;<br />

vgl. im Übrigen Palandt/Diederichsen RdNr. 17 – Kindeswohlbestimmung aus dem<br />

"Ethos der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>Sorge</strong>", aber ein solches Verhältnis von Regel-Ausnahme besteht<br />

nicht und sollte auch nicht unter <strong>die</strong>sem Blickwinkel hergestellt werden.<br />

317 BVerfG FamRZ 2004, 1015.<br />

318 Zur Bestimmung des Weiteren schulischen Werdegangs (eines Kindes) bis zur Beendigung<br />

der Hauptschule OLG Nürnberg EzFamRaktuell 1999, 114.<br />

319 Palandt/Diederichsen RdNr. 4 im Anschluss an BT-Drucks. 13/4899 S. 99; vorsichtiger<br />

– zu Recht – Schwab FamRZ 1998, 457, 459 und 465.<br />

320 AG Freiburg FamRZ 1993, 1443 und AG Ebersberg FamRZ 2004, 826.


67<br />

belange nicht möglich wäre. 321 Für <strong>die</strong> Vermögenssorge, <strong>die</strong> immer schon für sich<br />

gesondert übertragen werden konnte, zu weiteren Einzelheiten vgl. RdNr. 122 f.,<br />

kann eine zusätzliche Beschränkung auf einzelne Teile des Kindesvermögens sinn-<br />

voll sein, etwa auf Wertpapierdepots, Gesellschaftsbeteiligungen u.ä., weitere<br />

Einzelheiten RdNr. 122; zur von den <strong>Eltern</strong> geplanten Einschränkung des Schulbe-<br />

suchs vgl. RdNr. 91 und 94.<br />

120 c) Aufenthaltsbestimmungsrecht. Auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ein<br />

Kind kann gesondert geregelt und einem <strong>Eltern</strong>teil zugewiesen werden. Ohnehin<br />

ist der tatsächliche <strong>Leben</strong>smittelpunkt des Kindes festzulegen oder festzuhal-<br />

ten, zu Einzelheiten knapp oben RdNr. 2 mit Beispielen, da an ihn weitere Fol-<br />

gen angeknüpft werden. Ausschlaggebend ist wie sonst das Kindeswohl, doch ge-<br />

winnen Verhältnismäßigkeitsgrundsätze 322 zusätzliches und eigenes Gewicht, da<br />

oft schon für <strong>die</strong> weitere gute und ungestörte Entwicklung des Kindes ausreichen<br />

wird, seinen tatsächlichen Aufenthalt oder <strong>Leben</strong>smittelpunkt bei einem <strong>Eltern</strong>-<br />

teil einzurichten, ohne dass <strong>die</strong>sem (oder dem anderen) <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> in-<br />

sgesamt zugewiesen werden muss, vgl. auch § 1687. Dann besteht <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e<br />

<strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> im Übrigen fort. 323 Solche Anordnungen kann das Gericht auch<br />

treffen, wenn ein <strong>Eltern</strong>teil für sich <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> allein beantragt<br />

hat, aber <strong>die</strong> "Einräumung der Alleinsorge nur für einen Teilbereich... dem Wohl<br />

des Kindes am besten entspricht." 324 Wie sonst muss der Kindeswille "im Rahmen<br />

seines wohlverstan<strong>denen</strong> Interesses Gehör finden", wobei <strong>die</strong> Entwicklung seiner<br />

Persönlichkeit und <strong>die</strong> Gründe, <strong>die</strong> das Kind zu seinen "Äußerungen" veranlassen,<br />

zu prüfen sind. 325 Andererseits können dem berechtigten <strong>Eltern</strong>teil auch weitere<br />

Beschränkungen aufzuerlegen sein, <strong>die</strong> (etwa) eine Übersiedlung ins Ausland aus-<br />

schließen, 326 wenn er sonst das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausüben darf, aber<br />

umgekehrt können ihm gerade deshalb <strong>die</strong> wesentlichen Befugnisse übertragen wer-<br />

den müssen, damit <strong>die</strong> <strong>Leben</strong>sführung des Kindes dort und nach einem Umzug si-<br />

chergestellt ist.<br />

121 Dagegen darf das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht einem <strong>Eltern</strong>teil übertragen<br />

werden, damit er selbst vielleicht sogar von ihm verursachte Umgangskonflikte<br />

321 AG Ebersberg FamRZ 2004, 826.<br />

322 Palandt/Diederichsen RdNr. 4; dazu auch AG Leipzig FamRZ 2007, 1836 - <strong>die</strong> bloße<br />

Befürchtung der Mutter, der ausl. Vater (hier: Syrien) könne das Kind ins Ausland<br />

bringen, rechtfertigt noch nicht <strong>die</strong> Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts<br />

auf sie.<br />

323 Palandt/Diederichsen RdNr. 17 – "Ethos der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>".<br />

324 Schwab FamRZ 1998, 457, 465; vgl. zu weiteren Einzelheiten Schwab/Motzer (Handbuch)<br />

III RdNr. 81 f.<br />

325 OLG Köln FamRZ 2005, 1274. Seine Erklärungen sind allerdings wie sonst nicht<br />

schlechthin verbindlich, sondern können zu anderen Ergebnissen führen, wenn sein<br />

wohlverstandenes Interesse <strong>die</strong>s fordert, dazu schon RdNr. 47 f. und (als Beispiel)<br />

OLG Köln FamRB 2005, 40 mit Anm. Motzer.


68<br />

einseitig entscheiden kann und sich über <strong>die</strong> Bedenken des anderen hinweg-<br />

setzt. 327 Bestehen insoweit Streitigkeiten, sind sie im Umgangsverfahren zu lö-<br />

sen. 328<br />

122 6. Gesonderte Zuweisung der Vermögenssorge für ein gemeinschaftliches Kind.<br />

Schon nach bisherigem Recht konnte <strong>die</strong> Vermögenssorge für ein gemeinschaftli-<br />

ches Kind bei Trennung bzw. Scheidung einem <strong>Eltern</strong>teil allein übertragen wer-<br />

den; insoweit war der Grundsatz der sorgerechtlichen Alleinzuständigkeit durch-<br />

brochen. Erfasst waren <strong>die</strong> aus der Vermögenssorge fließenden tatsächlichen Be-<br />

fugnisse und <strong>die</strong> (rechtliche) Vertretungsmacht. Unterhaltsansprüche waren dage-<br />

gen dem Inhaber der Personensorge zugewiesen, vgl. § 1629 Abs. 2 S. 2; er muss-<br />

te sich um ihre Durchsetzung kümmern, soweit keine besondere Unterhaltspfleg-<br />

schaft eingerichtet war. 329<br />

123 Auch nach den gesetzlichen Veränderungen 1998 kann <strong>die</strong> Vermögenssorge weiterhin<br />

einem <strong>Eltern</strong>teil allein zugewiesen werden, selbst wenn der andere Inhaber der<br />

<strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> ist und über <strong>die</strong> persönliche Entwicklung des Kindes entschei-<br />

den kann. Nach § 1671 ist auch eine weitere Aufteilung in Einzelbestandteile<br />

möglich, RdNr. 119, um das Vermögen des Kindes in der gebotenen Form zu schüt-<br />

zen und zu erhalten. So kann einem <strong>Eltern</strong>teil <strong>die</strong> Personensorge und zusätzlich<br />

ein "Grundbestand" aus der Vermögenssorge übertragen werden, <strong>die</strong> sonst "teil-<br />

weise" oder in Ausschnitten dem anderen <strong>Eltern</strong>teil einzuräumen ist (wobei das<br />

Gericht <strong>die</strong> notwendigen Festlegungen zu treffen hat); im Übrigen können für<br />

einzelne Vermögenswerte wie etwa Wertpapierdepots, Gesellschaftsbeteiligungen,<br />

Immobilienwerte u.ä. jeweils eigene Regelungen erfolgen bzw. nötig werden. Mit<br />

der Teilübertragung ist <strong>die</strong> Vertretung des Kindes für <strong>die</strong> erfassten Einzelbe-<br />

reiche festgelegt. Allerdings dürfen nicht bloße Zweckmäßigkeitserwägungen zum<br />

Maßstab werden. 330 Gerichtliche Anordnungen können sich schließlich auf Gesell-<br />

schafts- und Unternehmensbeteiligungen 331 sowie auf Wertpapiere beziehen<br />

und/oder <strong>die</strong> Verwaltung eines Mietshauses, einer wertvollen Sammlung u.ä. ge-<br />

sondert regeln.<br />

326 OLG Schleswig FamRB 2004, 149 mit Anm. Motzer.<br />

327 OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 1042; <strong>die</strong> Trennung der Kinder kommt jedenfalls nicht<br />

in Betracht, nur um Umgangsbefugnisse des jeweils anderen <strong>Eltern</strong>teils zu sichern,<br />

so aber OLG Frankfurt DAVorm. 1980, 944.<br />

328 Zum Umgangsboykott und seinen Folgen vgl. Finger FuR 2006, 299; weitere Einzelheiten<br />

§ 1684 RdNr. 69 f.<br />

329 Zu § 1629 und zur Unterhaltsverpflichtung der <strong>Eltern</strong> beim Wechselmodell BGH<br />

FamRZ 2006, 1035; tatsächlich müssen <strong>die</strong> Betreuungszeiten bei jedem <strong>Eltern</strong>teil<br />

aber praktisch gleich sein, zur Abgrenzung daher BGH NJW 2007, 1882 mit Bespr.<br />

Born NJW 2007, 1859 = FamRZ 2007, 707 mit Anm. Luthin.<br />

330 OLG Hamm ZfJ 1999, 351.<br />

331 Dazu Palandt/Diederichsen RdNr. 4.


69<br />

124 7. Sonstige Rechtsbefugnisse des sorgeberechtigten Teils, §§ 823, 1004. Ein<br />

sorgeberechtigter <strong>Eltern</strong>teil muss nicht hinnehmen, dass der andere eine Inter-<br />

net-Seite mit persönlichen Angaben zum Kind unter dessen Namen einrichtet. 332<br />

Abwehransprüche kann der Geschädigte im Hauptsacheverfahren und im Wege der<br />

einstweiligen Verfügung 333 nach §§ 823 Abs. 1, 1004 durchsetzen und so <strong>die</strong><br />

Interessen des Kindes wahren. Auch andere Übergriffe in <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong>be-<br />

fugnisse durch den Partner oder durch Außenstehende kann er abwehren, denn sie<br />

stellen eine absolut geschützte Rechtsposition nach § 823 Abs. 1 dar. 334<br />

V. Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> nach § 1671 Abs. 3<br />

125 1. Verhältnis zu § 1671 Abs. 1 und Abs. 2. Nach § 1671 Abs. 3 kann eine <strong>Sorge</strong>-<br />

rechtsentscheidung nach Nr. 2 nicht ergehen, wenn aus anderen Gründen eine ab-<br />

weichende gerichtl. Regelung erforderlich wird. Maßstab ist wie sonst das Wohl<br />

des Kindes, § 1697 a. Eingriffe in <strong>die</strong> Pläne der <strong>Eltern</strong> oder eines <strong>Eltern</strong>teils<br />

setzen dabei nicht voraus, dass § 1666 für sich bereits verwirklicht ist, falls<br />

das Gericht nach <strong>die</strong>ser Bestimmung unmittelbar zu entscheiden hätte, denn <strong>die</strong><br />

Bestimmung ist nicht als selbständiger Anordnungstatbestand angesprochen, son-<br />

dern legt ähnlich wie früher § 1632 Abs. 4 aF lediglich <strong>die</strong> Maßstäbe fest, <strong>die</strong><br />

für das Gericht beachtlich werden. Damit ist eine offene Abwägung der vorgeb-<br />

rachten und der sonst erkennbaren, Amtsermittlung, Gesichtspunkte und Merkmale<br />

nötig, um zu einem sachbezogenen, am Kindeswohl orientierten Ergebnis zu gelan-<br />

gen; 335 so dass <strong>die</strong> Schwellen niedriger angesetzt sind als unmittelbar in<br />

§ 1666. Daneben kann allerdings auch <strong>die</strong>se Bestimmung anwendbar werden, 336 wenn<br />

ihre Voraussetzungen erfüllt sind und das Gericht so vorgehen muss. Reine<br />

Zweckmäßigkeitserwägungen 337 reichen auch für Maßnahmen nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1<br />

nicht aus. Bei der gerichtlichen Entscheidung nach <strong>die</strong>ser Bestimmung gewinnen<br />

im Übrigen <strong>die</strong> Gründe Gewicht, <strong>die</strong> schon bei der Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong><br />

nach § 1671 Abs. 1 eine Rolle spielen – Förderungsprinzip, Bindungen des Kindes<br />

und Bindungstoleranz, Kontinuitätsüberlegungen, eigener Wille des Kindes und<br />

seine Vorstellungen u.ä.<br />

126 Anordnungen nach Abs. 3 setzen nicht etwa voraus, dass ein <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren<br />

nach § 1671 durch <strong>die</strong> vorrangige, gerichtliche Feststellung abgeschlossen wird,<br />

332 AG Witten Streit 2001, 35.<br />

333 AG Witten Streit 2001, 35.<br />

334 AG Witten Streit 2001, 35, 36 mit Nachw., insbesondere BGHZ 111, 168, 172; zum<br />

Umgangsboykott und Schadensersatzverpflichtungen vgl. auch Finger FuR 2006, 299,<br />

weitere Einzelheiten § 1684 RdNr. 69 f.<br />

335 Dazu OLG Rostock ZfJ 1999, 351.<br />

336 Schwab FamRZ 1998, 457, 465, vgl. dazu auch OLG Hamm FamRZ 2000, 1239.<br />

337 OLG Rostock ZfJ 1999, 351.


70<br />

<strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Eltern</strong>sorge könne nicht fortbestehen, weil <strong>die</strong>s im Interesse des<br />

Kindes nicht zu verantworten sei oder dass ein Regelungsantrag eines <strong>Eltern</strong>-<br />

teils abgewiesen wird. Vielmehr hat das FamG <strong>die</strong> Dinge einheitlich zu behandeln<br />

und abzuschließen. Anträge nach Abs. 2 können so zur Grundlage für eine ge-<br />

richtl. Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> nach Abs. 3 werden. 338 Zerstreuen sich im<br />

Verlauf <strong>die</strong> Bedenken gegen einen <strong>Eltern</strong>teil, ist daher auch eine Entscheidung<br />

"für" ihn auf seinen Antrag möglich. Im Übrigen kann <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong><br />

<strong>Sorge</strong> fortbestehen, obwohl das Gericht zunächst Ermittlungen nach Abs. 3 aufge-<br />

nommen hat, gegen den Vater entscheiden wollte und besondere Anordnungen für<br />

geboten hielt, seine Befürchtungen aber im weiteren Verlauf zerstreut werden<br />

konnten.<br />

127 2. Gerichtliche Entscheidung nach Abs. 3. Nach Abs. 3 kann das Gericht <strong>die</strong> el-<br />

terlichen <strong>Sorge</strong> insgesamt oder in Teilbereichen auf den Antragsteller übertra-<br />

gen, 339 aber auch auf den Antragsgegner, 340 wobei <strong>die</strong>se Lösung gegen seinen nach-<br />

haltigen Widerstand allerdings kaum möglich erscheint, 341 dazu schon RdNr. 60<br />

und zu einer Ausnahme RdNr. 74. Im Übrigen und vor allem kann ein Pfleger zu<br />

bestellen und/oder als äußerste Maßnahme <strong>die</strong> Entziehung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong><br />

für beide <strong>Eltern</strong> und <strong>die</strong> Einrichtung von Vormundschaft anzuordnen sein. 342 §<br />

1671 Abs. 5 aF ist aufgehoben, aber inhaltlich in Abs. 3 aufgegangen. Weiterhin<br />

geht § 1671 Abs. 3 davon aus, dass "§ 1666 .. eine ausreichende Rechtsgrundlage<br />

für <strong>die</strong> Abweichung vom <strong>Eltern</strong>vorschlag ist und dass das Familiengericht dem<br />

Antrag auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 nicht stattgeben<br />

darf, soweit <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong> auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt wer-<br />

den muss," 343 so dass sich <strong>die</strong> Maßstäbe für <strong>die</strong> gerichtliche Regelung aus der<br />

gesetzl. Anordnung selbst ergeben aber nicht <strong>die</strong> Voraussetzungen für seine Tä-<br />

tigkeit aus ihr unmittelbar abzuleiten sind.<br />

128 3. Insbesondere: Bestellung eines Pflegers oder Vormunds. Vormundschaft ist mit<br />

dem Entzug der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> für beide <strong>Eltern</strong>teile anzuordnen, wenn 344 weni-<br />

ger weitreichende Eingriffe nicht ausreichen, um Interessen des Kindes und sein<br />

Wohl sicherzustellen. Dagegen hat ein Pfleger <strong>die</strong> Aufgabe, einen <strong>Eltern</strong>teil zu<br />

unterstützen, "für" den er seinen Auftrag erhalten hat und der entspr. Hilfe<br />

braucht. Stets hat das Gericht bei seinen Eingriffen Maßstäbe der Verhältnismä-<br />

ßigkeit zu beachten, denn jeder <strong>Eltern</strong>teil kann verfassungsrechtlich geschützte<br />

338 Motzer FamRZ 1999, 1101, 1102.<br />

339 Schwab FamRZ 1998, 457, 466; zu weiteren Einzelheiten Schwab/ Motzer (Handbuch)<br />

III RdNr. 174 f.<br />

340 OLG Karlsruhe EzFamRaktuell 1999, 66.<br />

341 Palandt/Diederichsen RdNr. 21.<br />

342 Schwab FamRZ 1998, 457, 465.<br />

343 BT-Drucks. 13/4899 S. 99.<br />

344 Verhältnismäßigkeitsmaßstäbe, dazu Schwab FamRZ 1998, 457, 466.


71<br />

Rechtspositionen für sich in Anspruch nehmen. Befugnisse des Pflegers können<br />

<strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> eines <strong>Eltern</strong>teils insgesamt erfassen; doch können sie auch<br />

auf einzelne Teilausschnitte beschränkt werden, etwa auf <strong>die</strong> Geltendmachung von<br />

Unterhaltsansprüche, <strong>die</strong> Gesundheitsfürsorge etc., 345 wenn <strong>die</strong>s für das Wohl des<br />

Kindes ausreicht. Ist ein Pfleger für einen bestimmten, sachlich abgegrenzten<br />

Bereich bestellt, kann <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> für das Kind sonst den <strong>Eltern</strong> ge-<br />

meinsam zustehen; doch kann das Gericht sie oder Ausschnitte aus ihr auch einem<br />

von ihnen allein zu übertragen haben, wenn nur so eine Gefährdung des Kindes-<br />

wohls ausgeschlossen ist. 346 Über <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> kann im Beschwerdeverfah-<br />

ren zum Umgang entschieden werden, wenn dabei auch für sie eine Regelung und<br />

der Eingriff in <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> notwendig wird; ordnet das FamG <strong>die</strong> Ent-<br />

ziehung des <strong>Sorge</strong>rechts an, umfasst seine Zuständigkeit auch <strong>die</strong> Anordnung der<br />

Ergänzungspflegschaft und <strong>die</strong> Auswahl des Pflegers. 347<br />

129 Das FamG ist nach den letzten Veränderungen auch für <strong>die</strong> Auswahl des Vormunds<br />

im Einzelnen zuständig, § 1697. Bestellung, Aufsicht und Beratung hat dagegen<br />

weiterhin das Vormundschaftsgericht zu leisten. 348<br />

130 Als Pfleger können Verwandte eingesetzt werden, insbesondere <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> bzw.<br />

Großeltern des Kindes. Zeigen sie keine Einsicht in dessen Bedürfnisse, kann<br />

<strong>die</strong> Anordnung geändert und eine andere Maßnahme getroffen werden, <strong>die</strong> für das<br />

Wohl des Kindes erforderlich ist und zu seiner guten Entwicklung beiträgt. 349<br />

Meist wird sich aber ohnehin eine gerichtliche Anordnung empfehlen, <strong>die</strong> an be-<br />

sondere berufliche Erfahrungen anknüpft und Neutralität des Vormunds, aber auch<br />

Sachlichkeit und Gelassenheit sicherstellt. Im Übrigen gilt § 1630.<br />

VI. Verfahren<br />

131 1. Zuständigkeit a) Sachlich. Für <strong>die</strong> Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> und Ent-<br />

scheidungen über sie ist im isolierten Verfahren und im Entscheidungsverbund<br />

mit dem Scheidungsverfahren, § 623 ZPO, nach entspr. Antrag das FamG sachlich<br />

zuständig; allerdings zählen sie nicht mehr zu den amtswegigen Folgesachen,<br />

sondern können nur noch (auf besonderen Antrag) ergehen, sind dann allerdings<br />

in den Verbund einbezogen. Die Zuständigkeit des FamG umfasst <strong>die</strong> Auswahl eines<br />

Vormundes oder Pflegers, § 1697, dazu gerade RdNr. 129.<br />

345 Schwab FamRZ 1998, 457, 466.<br />

346 Dazu schon Schwab FamRZ 1998, 457, 466.<br />

347 OLG Karlsruhe NJW-RR 2007, 443.<br />

348 Sehr kritisch in <strong>die</strong>sem Zusammenhang Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr. 201; zur<br />

früheren Anordnung des Vormundschaftsgerichts zu den Handlungsbefugnissen des<br />

Vormunds OLG Köln NJWE-FER 2000, 158.<br />

349 BayObLG FuR 1999, 472.


72<br />

132 b) Im isolierten <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren ist örtlich das FamG zuständig, 350 in des-<br />

sen Bezirk <strong>die</strong> Eheleute ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, § 45 Abs. 1 FGG.<br />

Diese Zuständigkeit gilt nach Abs. 2 auch dann, wenn beide keinen <strong>gemeinsam</strong>en<br />

Aufenthalt haben, sondern in unterschiedlichen Orten wohnen; dann entscheidet<br />

der erste Zugriff. Maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem das Gericht erstmals mit<br />

der Angelegenheit befasst wird, § 45 Abs. 5 FGG. Für Vormundschaft und Pfleg-<br />

schaft bestehen Sonderregeln, vgl. §§ 86 a ff. FGG, zur internat. Zuständigkeit<br />

§ 35 b FGG und RdNr. 134, zum doppelten Wohnsitz des Kindes RdNr. 133.<br />

133 Wird das Scheidungsverfahren betrieben und dabei <strong>die</strong> Regelung der <strong>elterliche</strong>n<br />

<strong>Sorge</strong> nach besonderen Anträgen der <strong>Eltern</strong> oder eines <strong>Eltern</strong>teils im Verbund<br />

Verhandlungs- und Entscheidungsgegenstand, greift § 621 Abs. 2 ZPO ein und be-<br />

gründet <strong>die</strong> Zuständigkeit des "Scheidungsgerichts", an das <strong>die</strong> Sache zu verwei-<br />

sen ist. Verzieht ein <strong>Eltern</strong>teil in einen anderen Gerichtsbezirk und liegen <strong>die</strong><br />

Familiengerichte in den Zuständigkeitsbereichen unterschiedlicher Oberlandes-<br />

gerichte, ist das zuständige Gericht nach § 36 Abs. 1 S. 1 FGG zu bestimmen,<br />

wenn das Kind einen doppelten Wohnsitz hat. 351 In der Sache hat das zunächst be-<br />

fasste Amtsgericht zu entscheiden. Jedenfalls ist <strong>die</strong> Frage nicht durch § 1687<br />

geregelt. Wird Scheidungsantrag gestellt, gilt wiederum § 621 Abs. 2 ZPO. 352<br />

134 c) Internationale Zuständigkeit. Internationale Zuständigkeiten deutscher Ge-<br />

richte ergeben sich in isolierten <strong>Sorge</strong>rechtssachen aus §§ 35 b ff. FGG. In<br />

Scheidungsverfahren folgen sie aus § 606 a ZPO, bzw., wenn <strong>die</strong>se Regelungen in<br />

Kraft treten, aus §§ 112 ff. FamFG, allerdings inzwischen weitgehend verdrängt<br />

durch <strong>die</strong> Vorschriften der VO Nr. 2201/2003, 353 <strong>die</strong> an <strong>die</strong> Stelle der EheGVO (VO<br />

Nr. 1347/2000) getreten sind. Zudem können <strong>die</strong> Bestimmungen des MSA 354 mit ihrer<br />

350 Zu weiteren Einzelheiten Oelkers § 1 RdNr. 295 f.<br />

351 BayObLG NJW 2000, 166 im Anschluss an BGH FamRZ 1967, 606 und BGH NJW 1984, 971<br />

sowie NJW 1995, 1224. Hat ein <strong>Eltern</strong>teil mit den unter <strong>gemeinsam</strong>er <strong>Sorge</strong> stehenden<br />

Kindern ohne Einverständnis des anderen einen neuen Wohnsitz begründet und<br />

beim dortigen Gericht eine <strong>Sorge</strong>rechtsregelung beantragt, ist gleichwohl das FamG<br />

am bisherigen Wohnsitz der Kinder zuständig, wenn zwar dort der <strong>Sorge</strong>rechtsantrag<br />

des verbleibenden <strong>Eltern</strong>teils später eingegangen, aber durch Zustellung an den<br />

anderen <strong>Eltern</strong>teil früher behandelt worden ist, OLG Bamberg FamRZ 2001, 777.<br />

352 Wiederum BayObLG NJW 2000, 166.<br />

353 Auf <strong>die</strong> Bestimmungen der VO Nr. 2201/2003 können sich auch Angehörige von Drittstaaten<br />

berufen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> notwendigen Anwendungsvoraussetzungen erfüllen, also insbesondere<br />

Aufenthaltsnahme in einem Mitgliedstaat; Dänemark nimmt nicht teil;<br />

doch hat <strong>die</strong> Gemeinschaft in der Zwischenzeit mit dem Königreich eine Vereinbarung<br />

geschlossen, <strong>die</strong> sich auf <strong>die</strong> VO Nr. 44/2001 bezieht, aber deren Regeln im<br />

gegenseitigen Verhältnis festlegt und als Teil des Europarechts übernimmt, vgl.<br />

BR-Drucks. 547/06, so dass wir unser AVAG ändern müssen - spätere Auswirkungen<br />

auf <strong>die</strong> VO Nr. 2201/2003 erscheinen zwangsläufig.<br />

354 Vgl. dazu auch KG IPRax 1998, 274; OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 689 (Australien)<br />

und AG Würzburg FamRZ 1998, 1319 (USA); OLG Hamm FuR 1999, 421 (Barbados) mit<br />

Anm. Henrich FamRZ 1999, 1520; zur internationalen Zuständigkeit ausführlich<br />

Staudinger/Coester RdNr. 305, auch zur subsidiären Geltung des FGG; zur Anerken-


73<br />

Ausrichtung auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes eingreifen. 355 Aus-<br />

ländische Rechtshängigkeit haben wir zu beachten, wenn <strong>die</strong> Streitgegenstände<br />

beider Verfahren identisch sind; 356 ausländische Gerichte werten <strong>die</strong> Dinge bei<br />

dt. Rechtshängigkeit ebenso. 357 Dabei haben wir dem fremden Verfahrensrecht <strong>die</strong><br />

Rechtshandlung zu entnehmen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> nach unserem Verständnis wesentlichen Fol-<br />

gen auslöst, denn insoweit ist unsere lex fori berufen, Doppelqualifikation. 358<br />

Verändern sich nachträglich <strong>die</strong> Anknüpfungsvoraussetzungen bei der Zuständig-<br />

keit, hat das zunächst angerufene Gericht zur Sache zu entscheiden, perpetuatio<br />

fori; im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind <strong>die</strong> Dinge aber anders<br />

geregelt, keine fortbestehende Zuständigkeit, und deshalb lässt ein Auf-<br />

enthaltswechsel des Kindes in einen anderen Vertragsstaat des MSA, wenn dort<br />

ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes begründet wird, <strong>die</strong> zunächst gege-<br />

bene internationale Zuständigkeit bei einem anderen Gericht entfallen. 359 Aus<br />

den Umständen muss sich dabei ergeben, dass der neue Aufenthalt auf längere<br />

Zeit angelegt und Daseinsmittelpunkt für <strong>die</strong> Familie und das Kind sein soll. 360<br />

Im Bereich der VO Nr. 2201/2003 ist dagegen (beschränkt) anders zu entscheiden,<br />

perpetuatio fori in Restbereichen, vgl. dazu dort Art. 9 und 10 für Umgangsent-<br />

scheidungen aus dem Herkunftsland und anschließendem Umzug in einen anderen<br />

Mitgliedstaat. 361 Stets muss das ausl. Gericht oder das Gericht in Deutschland,<br />

wenn wir zuständig sind, erkennbar Bezug auf vorrangige völkerrechtliche Ver-<br />

einbarungen oder <strong>die</strong> europarechtlichen Bestimmungen genommen haben; deshalb<br />

reicht <strong>die</strong> Feststellung der eigenen Zuständigkeit nach autonomen Rechtsregeln<br />

nicht aus. 362 Kommen <strong>die</strong> Vorschriften des MSA zur Anwendung, gelten Grundsätze<br />

der perpetuatio fori wiederum nicht; auch der Gesichtspunkt der größeren Sach-<br />

nähe des ausl. Gerichts schließt entsprechende Erwägungen bei uns aus. 363<br />

135 d) Internationale Zuständigkeit für Verbundsachen. Dt. Gerichte können für Ver-<br />

bundsachen international zuständig sein, selbst wenn ein ausl. Gericht das<br />

nung und Vollstreckung ausländischer <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidungen nach dem Eur.<br />

Übereink. v. 20.5.1980 Staudinger/Coester RdNr. 318.<br />

355 Böhmer/Siehr/Finger Art. 17 EGBGB RdNr. 130 f.; zu weiteren Einzelheiten Finger<br />

FuR 1999, 310 und Gruber FamRZ 1999, 1563; früher schon Jayme IPRax 1984, 121.<br />

356 Dazu Finger FuR 1999, 310, 313 f. mit einer ersten Übersicht; vgl. auch Philippi<br />

FamRZ 2000, 525; für einen <strong>Sorge</strong>rechtsantrag, der in einem Scheidungsverfahren<br />

betrieben wird, OLG Nürnberg EzFamRaktuell 2000, 13; vgl. aber auch Jayme IPRax<br />

1984, 121; zum Verhältnis zur Türkei vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2000, 35.<br />

357 Zum Streitgegenstand im Ehescheidungsverfahren Philippi FamRZ 2000, 525, 527; im<br />

Übrigen OLG Frankfurt FamRZ 2000, 35.<br />

358 Böhmer/Siehr/Finger Art. 17 EGBGB RdNr. 133 mit Nachw.<br />

359 JAmt 2006, 40.<br />

360 KG IPrax 1998, 274 und OLG Nürnberg NJW-RR 2002, 1515; OLG Nürnberg FamRZ 2004,<br />

278 mit Anm. Coester sowie BGH BGHReport 2005, 1381 mit Anm. Finger.<br />

361 Motzer FamRB 2002, 149, 151.<br />

362 Zu beiden Punkten BGH JAmt 2006, 40.<br />

363 OLG Nürnberg FamRZ 2003, 163 und OLG Nürnberg FamRZ 2004, 278.


74<br />

Scheidungsverfahren zu betreiben hat und für Verbund- und Folgesachen grund-<br />

sätzlich <strong>die</strong> eigene Zuständigkeit in Anspruch nimmt; denn sie muss dort auch<br />

tatsächlich ausgeübt sein, 364 um anderweitige Rechtshängigkeit in Deutschland zu<br />

begründen, <strong>die</strong> eine gerichtliche Entscheidung für den angesprochenen Teil in<br />

Deutschland ausschließt und daher bei der internationalen Zuständigkeit zu be-<br />

rücksichtigen ist. Bei unzumutbarer oder unvorhersehbar langer Verfahrensdauer<br />

im Ausland kann <strong>die</strong> Sache im Inland nach dt. Regeln betrieben werden. 365 Ein im<br />

Ausland anhängiges Verfahren sperrt den Verfahrensbetrieb als Folgesache bei<br />

uns nicht, wenn (spiegelbildlich) <strong>die</strong> Zuständigkeit dt. Gerichte begründet wä-<br />

re, § 621 Abs. 2 ZPO, 366 denn <strong>die</strong>se Bestimmung legt keine internationale Ver-<br />

bundunzuständigkeit für uns fest. Ausl. (tatsächlich wahrgenommene) Rechtshän-<br />

gigkeit hindert uns aber wieder an einer Tätigkeit im Verfahren und seinem Ab-<br />

schluss. Umgekehrt beanspruchen wir <strong>die</strong> internationale Zuständigkeit (Annexzu-<br />

ständigkeit) 367 für Familiensachen nach § 621 Abs. 2 ZPO, wenn und solange das<br />

Scheidungsverfahren im Inland geführt wird. 368 Wie sonst sind Zuständigkeiten<br />

<strong>die</strong>ser Art nicht ausschließlich. 369 Für <strong>Sorge</strong>rechtsstreitigkeiten sind <strong>die</strong> Be-<br />

stimmungen des MSA vorrangig, falls sie eingreifen, <strong>die</strong> an den gewöhnlichen<br />

Aufenthalt des Kindes anknüpfen; <strong>die</strong>ser Vorrang gilt auch im Scheidungsverfah-<br />

ren, 370 zur perpetuatio fori gerade RdNr. 134 aE. Hat das Kind seinen gewöhnli-<br />

chen Aufenthaltsort in einem ausl. Staat gewählt, der dem MSA angehört, sind<br />

deutsche Gerichte daher nicht zuständig, Aufenthaltszuständigkeit im Ausland, 371<br />

selbst wenn bei uns <strong>die</strong> Scheidung betrieben wird. Unter den Mitgliedstaaten der<br />

EU gelten <strong>die</strong> Bestimmungen der VO Nr. 2201/2003, <strong>die</strong> auch das MSA verdrängen;<br />

sie sind auch für Angehörige von Drittstaaten maßgeblich, dazu bereits RdNr.<br />

364 BGH FamRZ 1993, 176; zu einem <strong>Sorge</strong>rechtsantrag in einem ausländischen Scheidungsverfahren<br />

(Kroatien) und der internat. Zuständigkeit der Gerichte bei uns<br />

OLG Nürnberg EzFamRaktuell 2000, 13.<br />

365 BGH FamRZ 1983, 366, 368; OLG Hamm FamRZ 1994, 774.<br />

366 Dazu Zöller/Geimer § 606 a ZPO RdNr. 34 und OLG Düsseldorf IPRax 1983, 129 für<br />

ein Hausratsverfahren.<br />

367 Finger FuR 1999, 310, 316 mit Nachw.<br />

368 Zöller/Geimer § 606 a ZPO RdNr. 19; Schulz IPRax 1999, 21 gegen KG IPRax 1999,<br />

37, 38; vgl. auch BGH FamRZ 1993, 176 mit Anm. Henrich IPRax 1993, 189; ist das<br />

Scheidungsverfahren abgeschlossen (oder können aus anderen Gründen im Ausland Regelungen<br />

zu einzelnen Folgesachen nicht erfolgen), bestimmen wir unsere Zuständigkeit<br />

nach den allg. Regeln, für den Versorgungsausgleich nach § 45 FGG, für<br />

güterrechtliche Ansprüche nach den Bestimmungen der ZPO, zu Einzelheiten dabei AG<br />

Berlin-Schöneberg 20 F 49/00.<br />

369 OLG Köln FamRZ 1992, 75.<br />

370 Vgl. dazu Jayme IPRax 1984, 121, 123 für <strong>die</strong> unterschiedlichen Fallkonstellationen<br />

(gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes in Deutschland; gewöhnlicher Aufenthalt<br />

des dt. Kindes in einem ausländischen Vertragsstaat; gewöhnlicher Aufenthalt des<br />

ausländischen Kindes im Vertragsausland – mit jeweils differenzierenden Lösungen).<br />

371 Jayme IPRax 1984, 121 mit einer Gegenüberstellung der einzelnen Fallsituationen.


75<br />

134. Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln beziehen sich allerdings nur auf<br />

das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander.<br />

136 Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung zum <strong>Sorge</strong>- und Umgangsrechts kann<br />

in Deutschland auch dann erfolgen (Aufenthaltszuständigkeit), wenn <strong>die</strong> urs-<br />

prüngliche Entscheidung im Ausland getroffen worden ist, 372 wobei § 1696 Grund-<br />

lage wird. Deshalb kann in der gerichtl. Entscheidung offen bleiben, ob wir <strong>die</strong><br />

ausl. Regelung anerkennen (bzw. <strong>die</strong>s eben nicht tun) oder abändern.<br />

137 e) Anerkennung ausländischer Entscheidungen. Ausländische Entscheidungen in<br />

Ehesachen sind in Deutschland anerkennungsfähig, wobei das Verfahren in Art. 7<br />

§ 1 FamRÄndG 1961 (Zuständigkeit der Präsidialabteilung des OLG oder der Lan-<br />

desjustizverwaltung nach Landesrecht) geregelt ist (nach den geplanten Verände-<br />

rungen in §§ 121 ff. FamFG), 373 während für andere Familiensachen § 328 ZPO<br />

Grundlage wird, später ebenfalls §§ 121 ff. FamFG. Für <strong>die</strong> Anerkennung auf dem<br />

Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird § 16 a FGG Grundlage; Abgrenzungen<br />

(Qualifikation) nehmen wir dabei nach unseren Vorstellungen vor, so dass § 328<br />

ZPO selbst dann eingreift, wenn <strong>die</strong> ausländische gerichtliche Entscheidung in<br />

einem dortigen fG-Verfahren ergangen ist, wir aber <strong>die</strong> Regelung als "zivilpro-<br />

zessual" auffassen. § 16 a Abs. 4 FGG schließt wie § 328 ZPO <strong>die</strong> Anerkennung<br />

aus, wenn sie zu Folgen führt, <strong>die</strong> mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen<br />

Rechts offensichtlich unvereinbar sind, ordre public, insbesondere wenn so<br />

Grundrechte aus dem Grundrechtskatalog des GG verletzt oder nicht in der bei<br />

uns üblichen Form berücksichtigt wären. Im Anwendungsbereich der EheGVO werden<br />

gerichtliche Entscheidungen "ohne weiteres" anerkannt, 374 vgl. dazu RdNr. 134,<br />

wobei allenfalls eigens gefasste ordre public-Verstöße im Anerkennungsverfahren<br />

zu anderen Ergebnissen führen können, <strong>die</strong> in Ehesachen für sich aber kaum vor-<br />

stellbar sind, für <strong>die</strong> VO Nr. 44/2001 vgl. dort Art. 34. Diese Regelungen ge-<br />

lten anders als <strong>die</strong> Zuständigkeitsbestimmungen allein unter den Mitgliedstaa-<br />

ten; andere können sie nicht in <strong>die</strong> Pflicht nehmen.<br />

138 2. Entscheidungsverbund; amtswegige Folgesache. Amtswegige Folgesache ist nur<br />

noch der Versorgungsausgleich, aber nicht mehr <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong>. Andere in §<br />

623 Abs. 2 ZPO beschriebene Familiensachen und damit auch <strong>die</strong> Regelung von Sor-<br />

gebefugnissen bei Scheidung der <strong>Eltern</strong> können daher nur auf besonderen Antrag<br />

in den Verfahrensverbund einbezogen werden, wenn sie streitig sind. Nach § 623<br />

Abs. 2 S. 2 ZPO hat das Gericht eine Folgesache nach S. 1 (<strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong>)<br />

372 Dazu Finger FuR 1999, 310, 316 f.<br />

373 Ausführlich zu weiteren Einzelheiten Gruber FamRZ 1999, 1563, 1566 f.<br />

374 Zu Einzelheiten Wagner IPRax 2001, 73; vgl. auch Hohloch FF 2001, 45; zu den<br />

Mitgliedstaaten für <strong>die</strong> einzelnen Abk. vgl. http:\\conventions.coe.int\treaty\EN\<br />

cadreprincipal.htm (für das E<strong>Sorge</strong>Ü, und sonst ist der aktuelle Stand jeweils bei<br />

der zuständigen Zentralen Behörde zu erfragen).


76<br />

vom Scheidungsverfahren abzutrennen, um frühzeitig eine Regelung für sie zu er-<br />

reichen, bevor <strong>die</strong> Ehescheidung ausgesprochen wird. Sichergestellt ist so aber<br />

nicht einmal, dass eine gerichtliche Anordnung in <strong>die</strong>ser Abfolge vor der Ehe-<br />

scheidung erfolgt, 375 denn selbst der umgekehrte Ablauf ist möglich, so dass das<br />

Scheidungsurteil vor der Entscheidung zur <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> rechtskräftig wer-<br />

den kann und sie erst nachfolgt. So wird zwar § 623 ZPO völlig umbewertet.<br />

Gleichwohl ist <strong>die</strong> Abtrennung auszusprechen, ohne dass das Gericht Ermessens-<br />

spielräume hätte, 376 und nicht einmal in Missbrauchsfällen ist anders zu ent-<br />

scheiden. Im Übrigen kann während der Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens ein<br />

Antrag auf Erlass einer einstwAnO nach § 620 Nr. 1 ZPO gestellt werden, über<br />

den das Gericht zu befinden hat. Dabei ist das Verhältnis beider Verfahrensar-<br />

ten zueinander (einstwAnO und § 623 ZPO) immer noch weitgehend ungeklärt. 377<br />

139 Nach § 622 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss <strong>die</strong> Antragschrift zur Scheidung nur noch Anga-<br />

ben dazu enthalten, ob gemeinschaftliche minderjährige, auch angenommene Kinder<br />

aus der Ehe hervorgegangen sind, zu den geplanten verfahrensrechtlichen Ände-<br />

rungen RdNr. 172. Neu ist § 630 ZPO. Soll das Scheidungsverfahren im Einverneh-<br />

men beider Ehegatten betrieben werden, reicht, § 630 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, <strong>die</strong><br />

übereinstimmende Erklärung, dass Anträge zur Übertragung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong><br />

oder eines Teilausschnitts aus ihr auf einen <strong>Eltern</strong>teil und zur Regelung des<br />

Umgangs der <strong>Eltern</strong> mit den Kindern nicht gestellt werden sollen, so dass das<br />

Gericht allenfalls nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 bzw. Abs. 3 vorgehen kann, zu den<br />

geplanten verfahrensrechtlichen Änderungen RdNr. 172.<br />

140 3. Verfahrensdauer. Bei kindschaftsrechtlichen Streitverfahren, <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>- oder<br />

Umgangsbefugnisse der <strong>Eltern</strong> betreffen, ist bei der Beurteilung, welche Verfah-<br />

rensdauer als angemessen anzusehen ist, zu beachten, dass jede Verzögerung, <strong>die</strong><br />

zur Entfremdung zwischen <strong>Eltern</strong> und Kindern führt, häufig schon tatsächlich ei-<br />

ne Vorentscheidung in der Sache darstellt oder darstellen kann; 378 deshalb hat<br />

sich <strong>die</strong> Bestimmung der "angemessenen Zeit", wie sie der Anspruch auf Gewährung<br />

effektiven Rechtsschutzes fordert, nicht an den Maßstäben eines Erwachsenen zu<br />

375 Zumindest für Missbrauchsfälle sollte nach früheren Vorstellungen, dazu Büttner<br />

FamRZ 1998, 585, 592 f., dem FamG <strong>die</strong> Möglichkeit eingeräumt sein, anders vorzugehen<br />

und den Verbund zu erhalten, um <strong>die</strong> "übliche" Reihenfolge sicherzustellen;<br />

dazu inzwischen MünchKommZPO/Finger § 623 RdNr. 48 und 49 mit Nachw.<br />

376 MünchKommZPO/Finger § 623 RdNr. 48 und 49 mit Nachw.<br />

377 Büttner FamRZ 1998, 585; MünchKommZPO/Finger § 623 RdNr. 8 mit Nachw.<br />

378 BVerfG NJW 1997, 2811; vgl. auch OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 369 - besondere Eile<br />

ist geboten, aber <strong>die</strong>sem Gesichtspunkt kann und muss durch <strong>die</strong> Ausgestaltung des<br />

Verfahrens Rechnung getragen werden, insbesondere mit Blick auf <strong>die</strong> Verfahrensdauer,<br />

nicht "jedoch durch eine den Maßstab des Kindeswohls verlassende <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung",<br />

im Anschluss an BVerfG NJW 2001, 961.


77<br />

orientieren, sondern am kindlichen Zeitempfinden, 379 vgl. auch RdNr. 166 (Untä-<br />

tigkeitsbeschwerde), zur geplanten Veränderung RdNr. 172.<br />

141 4. Anwaltszwang. Im Scheidungsverfahren besteht auch für den <strong>Sorge</strong>rechtsantrag<br />

Anwaltszwang. Im selbständigen fG-Verfahren kann jeder <strong>Eltern</strong>teil dagegen ohne<br />

Anwalt tätig werden und seine Vorstellungen verfolgen. 380<br />

142 5. Gerichtliche Vorentscheidungen. a) Elterliche <strong>Sorge</strong>. Nach § 1671 aF musste<br />

eine <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung bei der Scheidung der <strong>Eltern</strong> selbst dann getroffen<br />

werden, wenn das FamG oder das Vormundschaftsgericht schon während der Tren-<br />

nungszeit in <strong>Sorge</strong>befugnisse eines <strong>Eltern</strong>teils eingegriffen und <strong>die</strong> Dinge ei-<br />

genständig geregelt hatte, 381 vgl. dazu § 1672 aF. So konnten besondere Verwick-<br />

lungen für <strong>die</strong> Zuständigkeit entstehen, etwa wenn das FamG von einer Entschei-<br />

dung des Vormundschaftsgerichts abweichen wollte, vgl. dazu §§ 23 b Abs. 2 S.<br />

1, 23 c S. 1 GVG. Nun wirken sich § 1671 Abs. 1 und (insbesondere) Abs. 3 aus;<br />

folglich gilt für den Ablauf, wenn gerichtliche Anordnungen bereits bestehen:<br />

- Betreiben <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> kein <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren, auch nicht mit dem Ziel der<br />

Feststellung des Fortbestandes ihrer <strong>gemeinsam</strong>en <strong>Sorge</strong>, ist wie sonst nichts<br />

weiter zu veranlassen; <strong>die</strong> früheren Anordnungen bleiben erhalten,<br />

- wenn kein Verfahren nach § 1666 von Amts wegen zu betreiben ist und betrieben<br />

wird, zu § 1671 Abs. 3 gleich im Folgenden.<br />

- Sollen <strong>die</strong> Anordnungen geändert werden, müssen sich beide <strong>Eltern</strong> oder einer<br />

von ihnen in der gebotenen Form zur Wehr setzen, § 1696,<br />

- wenn nicht eine Abänderung von Amts geboten ist.<br />

- Beantragt ein <strong>Eltern</strong>teil, ihm <strong>die</strong> alleinige <strong>Eltern</strong>sorge zu übertragen, und<br />

liegen für ihn <strong>die</strong> Voraussetzungen aus § 1671 Abs. 2 vor, kann seinem Antrag<br />

stattgegeben werden, denn unbeschränkt zuständig ist inzwischen allein das FamG,<br />

- wenn nicht Abs. 3 eine andere Regelung fordert, doch ist so § 1666 nicht verdrängt,<br />

sondern Antragsverfahren und Verfahren von Amts wegen bestehen nebeneinander<br />

(§ 1671 Abs. 3 wirkt dann als "Kollisionsvorschrift" 382 ). Die Bestimmung<br />

besagt nur, dass <strong>Sorge</strong>rechtsanträgen eines <strong>Eltern</strong>teils nicht stattgegeben werden<br />

darf, wenn unter dem Blickwinkel des Kindeswohls aus Sicht des Gerichts eine andere<br />

Entscheidung geboten erscheint, 383 zu Vorentscheidungen nach § 1672 aF vgl.<br />

§ 1696 RdNr. .<br />

143 b) Vormundschaft bzw. Pflegschaft. Ist Vormundschaft oder Pflegschaft angeord-<br />

net, kann das mit der Sache befasste FamG <strong>die</strong> Anordnung bestätigen oder nach §<br />

1697 vorgehen und eine andere Person einsetzen, selbst wenn <strong>die</strong> "Erstentschei-<br />

dung" das Vormundschaftsgericht erlassen hat, kann aber auch selbst erstmals<br />

entspr. Maßnahmen treffen; für <strong>die</strong> Bestellung und <strong>die</strong> Kontrolle der Amtsführung<br />

bleibt weiterhin das Vormundschaftsgericht zuständig, dazu §§ 1793 ff. 384<br />

144 c) Verfahrensablauf; Beweisregeln - Vollstreckung. Für den Ablauf des Verfah-<br />

rens und für <strong>die</strong> Beweiserhebung werden <strong>die</strong> Bestimmungen des FGG maßgeblich,<br />

379 BVerfG NJW 2001, 961.<br />

380 Dazu Schüller FamRZ 1998, 1287.<br />

381 BayObLG FamRZ 1990, 550, 551.<br />

382 So Schwab FamRZ 1998, 457, 466.<br />

383 Schwab FamRZ 1998, 457, 466.


78<br />

selbst wenn <strong>die</strong> Sache in den Verfahrensverbund einbezogen ist, für den ZPO-<br />

Regeln gelten, zu Einzelheiten RdNr. 155 f. Folglich kommen Amtsermittlungs-<br />

grundsätze, § 12 FGG, und Freibeweise statt der Beweisregeln/Beweislastregeln<br />

der ZPO ins Spiel. Auch insoweit ist der "Lügendetektor" allerdings kein zuläs-<br />

siges Beweismittel, um Einzelheiten zu erforschen. 385 Soll ein <strong>Eltern</strong>teil vom<br />

<strong>Sorge</strong>recht ausgeschlossen werden, etwa weil alle Befugnisse dem anderen zu<br />

übertragen sind, ist konkreter, nachprüfbarer Tatsachenvortrag erforderlich,<br />

denn beide können sich auf verfassungsrechtliche Garantien berufen, Art. 6<br />

GG; 386 nur an Schilderungen der Partei kann das Gericht mit seinen Ermittlungen<br />

anknüpfen. Andererseits ist das FamG von Amts wegen verpflichtet, alle zur Auf-<br />

klärung <strong>die</strong>nlichen Ermittlungen anzustellen und Beweise zu erheben, braucht<br />

aber <strong>die</strong> sachliche Stellungnahme der Parteien. Dabei darf <strong>die</strong> Feststellung der<br />

maßgeblichen Tatsachen nicht einer anderen Einrichtung zur selbständigen Erle-<br />

digung überlassen werden; doch ist nicht jedem ganz fernliegenden Hinweis nach-<br />

zugehen, denn Aufklärungs- und Ermittlungsverpflichtungen bestehen nur, soweit<br />

das Vorbringen der Beteiligten oder der Sachverhalt bei sorgfältiger Überlegung<br />

zu weiteren Nachforschungen Anlass gibt. 387 / 388 Deshalb hat das Gericht eine vom<br />

Jugendamt vorgelegte Stellungnahme zu berücksichtigen, darf aber auf sie allein<br />

seine Entscheidung nicht stützen, ohne seine Ergebnisse zu überprüfen. Das FamG<br />

darf sich auch nicht auf <strong>die</strong> Einschaltung des Jugendamtes und auf seinen Be-<br />

richt beschränken, wenn nach der Sachlage andere Maßnahmen bessere Aufklärung<br />

versprechen und daher angezeigt sind. Wollen beide <strong>Eltern</strong>teile zumindest zeit-<br />

weise <strong>die</strong> Betreuung der Kinder ihren Müttern überlassen, muss das Gericht deren<br />

Fähigkeit und Bereitschaft zur Betreuung überprüfen. Stets hat das FamG seine<br />

Entscheidung näher zu begründen, auch wenn sie auf einem übereinstimmenden El-<br />

ternvorschlag beruht, der aber nur eine gewisse Verbindlichkeit für sich in<br />

Anspruch nehmen kann, 389 vgl. § 1671 Abs. 2 Nr. 1. Ohne inhaltliche Auseinander-<br />

setzung mit dem Vorbringen der <strong>Eltern</strong> kann ein Bericht des Jugendamtes nicht<br />

Entscheidungsgrundlage werden. 390 Schließlich darf sich das FamG nicht auf <strong>die</strong><br />

Ergebnisse eines Gutachtens stützen, <strong>die</strong> nicht weiter bewertet, sondern<br />

schlicht übernommen werden; damit wird <strong>die</strong> Entscheidung in der Sache dem Sach-<br />

verständigen übertragen, <strong>die</strong> aber das Gericht zu treffen hat. Verweigert ein<br />

384 Schwab FamRZ 1998, 457, 466/467.<br />

385 BGH NJW 2003, 2527.<br />

386 OLG München NJW 2000, 368 und Oelkers § 1 RdNr. 214 mit Nachw.<br />

387 Vgl. für <strong>die</strong> notwendige Ermittlung der Erziehungskompetenz der <strong>Eltern</strong> OLG Nürnberg<br />

EzFamRaktuell 2001, 59, 60; Erman/Michalski RdNr. 65 f.<br />

388 Ausführlich zum Verfahren und seinem Ablauf Staudinger/Coester RdNr. 265 ff.<br />

389 Zur Ermittlung des Erziehungskompetenz der <strong>Eltern</strong>, vgl. OLG Nürnberg EzFamRaktuell<br />

2001, 59, 60.<br />

390 OLG Nürnberg FamRZ 1986, 1247.


79<br />

<strong>Eltern</strong>teil ohne sachlichen Grund <strong>die</strong> vom Gericht angeordnete oder vorgesehene<br />

Begutachtung eines Kindes, kann ihm <strong>die</strong>ser Teilbereich seiner <strong>Sorge</strong>befugnisse<br />

nach § 1666 entzogen und auf einen Pfleger übertragen werden. 391 Um <strong>die</strong> Begu-<br />

tachtung durchzusetzen, kann der Gerichtsvollzieher beauftragt werden, notfalls<br />

unter Anwendung von Gewalt das Kind wegzunehmen und dem Pfleger zu übergeben. 392<br />

Vollstreckung richtet sich wie sonst nach § 33 FGG; 393 für Umgangsbefugnisse<br />

(und gutachterliche Tätigkeit dort) ist aber wohl anders zu entscheiden. Daher<br />

kann, wenn einem <strong>Eltern</strong>teil <strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong> oder das Aufenthaltsbestimmungs-<br />

recht übertragen ist, der andere beantragen, ihm bzw. dem von ihm beauftragten<br />

Gerichtsvollzieher <strong>die</strong> gewaltsame Wegnahme des Kindes zu gestatten, 394 denn da-<br />

bei ist "Gewaltanwendung" zulässig.<br />

145 Ob das Gericht ein kinderpsychiatrisches oder –psychologisches Gutachten für<br />

das Kind und seine voraussichtliche weitere Entwicklung einholt, bevor <strong>die</strong> el-<br />

terl. <strong>Sorge</strong> geregelt wird, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Doch wird<br />

<strong>die</strong> Begutachtung notwendig, wenn schwierige Fragen zu klären sind und eigene<br />

hinreichende Sachkunde fehlt (wie meist). Dabei hat das FamG nicht <strong>die</strong> Befug-<br />

nis, <strong>die</strong> Teilnahme der <strong>Eltern</strong> an fachpsychologischen Beratungsgesprächen an-<br />

zuordnen; 395 allerdings können sich aus ihrer Weigerung weitere Schlüsse erge-<br />

ben, <strong>die</strong> dann in <strong>die</strong> gerichtl. Entscheidung einbezogen werden dürfen. 396 Lehnt<br />

der betroffene <strong>Eltern</strong>teil seine Zustimmung zur "Begutachtung des Kindes" ohne<br />

sachlich gerechtfertigten Grund, kann ihm <strong>die</strong>ser Teilbereich seiner <strong>Sorge</strong>befug-<br />

nisse entzogen und auf einen Pfleger übertragen werden; dann kann ein Ge-<br />

richtsvollzieher zu beauftragen sein, "notfalls unter Anwendung von Gewalt das<br />

Kind (ihm) wegzunehmen und an den Pfleger herauszugeben, 397 vgl. dazu schon<br />

RdNr. 144 aE.<br />

146 Streiten <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> über <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong>, darf nicht nur <strong>die</strong> Mutter gehört<br />

werden; dann so ist Einseitigkeit bei der Befunderhebung offensichtlich. Auch<br />

391 OLG Rostock NJW 2007, 231.<br />

392 OLG Rostock NJW 2007, 231.<br />

393 Bisher sind immer noch Zwangsgeld, Zwangshaft bzw. unmittelbarer Zwang Vollstreckungsmittel,<br />

aber das wird sich ändern, dazu schon § 44 IntFamRVG (Ordnungsgeld,<br />

Ordnungshaft); schon heute ist daher, § 34 Abs. 1 - 3 IntFamRVG, <strong>die</strong> Vollstreckung<br />

mit Ordnungsmitteln durchzusetzen, wobei insoweit kein milderer Maßstab anzulegen<br />

ist als bei der Rückführungsentscheidung aus Art. 13 b) HKindEntÜ, dazu<br />

OLG Stuttgart FamRBint 2007, 60.<br />

394 Dazu etwa OLG Rostock FamRZ 2006, 537.<br />

395 BVerfG FamRZ 2006, 1005; OLG Oldenburg NJW-RR 2007, 1515 (<strong>die</strong> Rechtsgrundlage).<br />

396 OLG Rostock FamRZ 2007, 231.<br />

397 BVerfG FamRZ 2006, 537, 539 und OLG Rostock FamRZ 2007, 231; zur Verpflichtung<br />

des Gerichts, Gutachten einzuholen, EuGHMR FamRZ 2006, 997. Auch unter dem Blickwinkel<br />

von Art. 8 EMRK kann geboten sein, fachpsychologisches Gutachten einzuholen,<br />

um zu prüfen, ob der geäußerte Kindeswille wirklich auf freier Entscheidung<br />

beruht, dazu EuGHMR FamRZ 2006, 997; bei überlanger Verfahrensdauer vgl. RdNr.<br />

165, Untätigkeitsbeschwerde.


80<br />

<strong>die</strong> anderen Verfahrensbeteiligten sind vielmehr in <strong>die</strong> Bewertung bzw. <strong>die</strong> Da-<br />

tenerhebung des Sachverständigen einzubeziehen, damit ihre Vorstellungen und<br />

ihre <strong>Leben</strong>ssituation Berücksichtigung finden können und das Wohl des Kindes be-<br />

achtet wird. An <strong>die</strong> Schlussfolgerungen eines Gutachtens ist das Gericht wie<br />

sonst nicht gebunden. Vielmehr muss <strong>die</strong> Entscheidung mit eigenen Erwägungen ab-<br />

gesichert sein und eigene Wertungen erkennen lassen; folgt sie dem Gutachten<br />

nicht, sind <strong>die</strong> Gründe für <strong>die</strong> nun entwickelten Abweichungen allerdings im Ein-<br />

zelnen anzugeben und zu erläutern. 398 Im <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren darf von der Anhö-<br />

rung der Beteiligten nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden, vgl.<br />

§ 50 a Abs. 3 FGG; ein solcher Grund kann jedenfalls nicht darin gesehen wer-<br />

den, dass ein <strong>Eltern</strong>teil zu einem anberaumten Gerichtstermin (erstmalig/ein-<br />

malig) nicht erscheint. 399 Wird eine persönliche Anhörung angeordnet, ist einfa-<br />

che Beschwerde, § 19 FGG, zulässig, wenn durch <strong>die</strong> Verfahrensgestaltung eine<br />

Grundrechtsverletzung zu besorgen sein kann. 400 Wird eine stationäre Untersu-<br />

chung des Kindes erforderlich, ist familiengerichtliche Anordnung für sie nach<br />

§ 1631 b notwendig; lehnt der sorgeberechtigte <strong>Eltern</strong>teil <strong>die</strong> Unterbringung ab,<br />

muss ein Pfleger bestellt werden. 401 Auf andere Beratungsangebote hat das FamG<br />

hinzuweisen, § 52 FGG, und <strong>die</strong> Beteiligten so schnell wie möglich zu hören, 402<br />

zu weiteren Einzelheiten RdNr. 147 f.<br />

147 6. Sozialpflegerische Beratung. Das FamG hat zunächst zu prüfen, ob das Verfah-<br />

ren auszusetzen ist, um den <strong>Eltern</strong> Gelegenheit zu geben, mit sozialpflegeri-<br />

schen Beratungseinrichtungen ein gemeinschaftliches Konzept zur Regelung der<br />

<strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> und zu ihrer Ausübung zu entwickeln. Unterbleiben entspr.<br />

Hinweise oder wird nicht erkennbar, dass sich das Gericht mit <strong>die</strong>sen Einzelhei-<br />

ten auseinandergesetzt hat, kann eine Entscheidung, <strong>die</strong> ohne sie ergangen ist,<br />

wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben und <strong>die</strong> Sache zurückzuverweisen<br />

sein. 403 Stets fordert der Vorrang der <strong>Eltern</strong>autonomie, gerichtlich nur dann<br />

einzugreifen, wenn sich <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>berechtigten nicht einigen können; ob das der<br />

Fall ist, lässt sich aber erst beurteilen, wenn <strong>die</strong> nach § 17 SGB VIII anzubie-<br />

tenden Hilfen nicht angenommen worden oder sämtliche Vermittlungsversuche er-<br />

folglos geblieben sind. 404 Die Ablehnung naheliegender Angebote durch einen El-<br />

398 Zu den Anforderungen an <strong>die</strong> Fachlichkeit eines Gutachtens vgl. BGH FamRZ 1999,<br />

1648; streng BVerfG FamRZ 2007, 335.<br />

399 OLG Frankfurt NJW 2007, 230 mit Anm. Völker Praxisreport Extra 2007, 37.<br />

400 KG FamRZ 2007, 227.<br />

401 Zu ähnlichen Fragen bei der Einholung eines kindespsychologischen Gutachtens vgl.<br />

OLG Frankfurt FamRZ 2001, 638; vgl. auch OLG Rostock FamRZ 2006, 1623.<br />

402 Zu Einzelheiten Fröhlich BRAK-Mitt. 2000, 70.<br />

403 OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 957.<br />

404 OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 957.


81<br />

ternteil kann auch inhaltlich eine Rolle bei der <strong>Sorge</strong>rechtsregelung spielen, 405<br />

wenn durch sein Verhalten Verantwortungslosigkeit oder zumindest fehlendes<br />

Interesse nachgewiesen werden oder naheliegend sind, zu weiteren Einzelheiten<br />

RdNr. 152.<br />

148 7. Anhörung der Verfahrensbeteiligten. a) In erster Instanz. In einem Verfah-<br />

ren, das <strong>die</strong> Personen- oder <strong>die</strong> Vermögenssorge für ein Kind betrifft, hat das<br />

Gericht <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> anzuhören, § 50 a FGG. Das Kind ist nach § 50 b FGG persön-<br />

lich zu hören, wenn seine Neigungen, Bindungen oder sein Wille bei der Ent-<br />

scheidung eine Rolle spielen können oder wenn "es zur Feststellung des Sachver-<br />

halts angezeigt erscheint, dass sich das Gericht von dem Kind einen unmittelba-<br />

ren Eindruck verschafft", Abs. 1. 406 Hat das betroffene Kind das 13. <strong>Leben</strong>sjahr<br />

vollendet, ist auch bei Zustimmung des Antragsgegners zum <strong>Sorge</strong>rechtsantrag des<br />

anderen <strong>Eltern</strong>teils durch seine persönliche Anhörung (stets) zu klären, ob Wi-<br />

derspruch zu der begehrten Regelung erfolgen soll oder Einverständnis be-<br />

steht. 407 Auch Kleinkinder sind zu hören, wobei sich aus ihren Äußerungen und<br />

den Kontakten mit den <strong>Eltern</strong> vor oder im Termin oft Anhaltspunkte für <strong>die</strong> ge-<br />

richtliche Regelung ergeben (können). Andererseits hat das Gericht auf ihre<br />

Situation besondere Rücksicht zu nehmen und ihnen weitere Belastungen zu erspa-<br />

ren. Nach § 50 c FGG ist <strong>die</strong> Anhörung einer Pflegeperson erforderlich, wenn das<br />

Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt, dazu § 1632 Abs. 4. Vorausset-<br />

zung ist allerdings, dass ein Verfahren tatsächlich betrieben und <strong>die</strong> Parteien<br />

dort eine Entscheidung nachsuchen. Deshalb sieht nach den Veränderungen in<br />

§ 1671 (erst) § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO <strong>die</strong> persönliche Stellungnahme/Anhörung der<br />

<strong>Eltern</strong> im Scheidungsverfahren vor, damit das Gericht ein Bild von der Sache ge-<br />

winnt; zu klären ist dabei auch, ob der Fortbestand der <strong>gemeinsam</strong>en <strong>elterliche</strong>n<br />

<strong>Sorge</strong> so "hinzunehmen" ist oder ob gerichtliche Eingriffe notwendig werden. 408<br />

Bestehen <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Sorge</strong>befugnisse fort, ist eine eigene Anhörung des Kindes<br />

dagegen, trotz Art. 12 UN-Kinderrechtskonvention, nicht vorgesehen. 409<br />

149 Anhörung im Wege der Rechtshilfe ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Doch<br />

scheidet sie aus, wenn das FamG, das <strong>die</strong> Sache zu entscheiden hat, einen eige-<br />

405 Weber NJW 2001, 1320, 1323.<br />

406 Ausf. zur Kindesanhörung und zu ihren Chancen, aber auch Risiken Carl/Eschweiler<br />

NJW 2005, 1681; für ein Kind, das das 14. <strong>Leben</strong>sjahr bereits vollendet hat, gilt<br />

ohnehin Abs. 2. Von der persönlichen Anhörung des Kindes (hier: zehn Jahre alt)<br />

kann nicht deshalb abgesehen werden, weil <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> auf sie verzichtet haben,<br />

dazu OLG Rostock FamRZ 2007, 1835.<br />

407 OLG Celle FamRZ 2007, 756 - Rahmen ist § 50 b FGG.<br />

408 Dazu auch Bergmann/Gutdeutsch FamRZ 1999, 422; zu den Folgen für <strong>die</strong> Kosten RdNr.<br />

172.<br />

409 Dazu Salgo Kind-Prax 1999, 179.


82<br />

nen Eindruck über Neigungen und Bindungen des Kindes gewinnen soll, den <strong>die</strong> An-<br />

hörung durch eine dritte Person nicht vermitteln kann. 410<br />

150 b) In der Beschwerdeinstanz. Auch in der Beschwerdeinstanz sind <strong>die</strong> Beteiligten<br />

anzuhören. Die Wiederholung ihrer Anhörung ist insbesondere dann erforderlich,<br />

wenn <strong>die</strong> Sitzungsniederschrift des erstinstanzlichen Gerichts oder <strong>die</strong> Be-<br />

schlussgründe den persönlichen Eindruck nicht ausreichend erkennen lassen oder<br />

<strong>die</strong> Anhörung in erster Instanz unterblieben ist. 411 Sonst muss das Beschwerdege-<br />

richt in nachprüfbarer Weise darlegen, um keine eigenen Verfahrensfehler zu be-<br />

gehen, warum "ausnahmsweise" von der Anhörung abgesehen worden ist. 412 Vor einer<br />

einstw. Anordnung für einen Teilbereich der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong>, etwa zum Auf-<br />

enthaltsbestimmungsrecht, hat das Gericht das betroffene Kind in der Regel per-<br />

sönlich anzuhören, § 50 b FGG; 413 <strong>die</strong> Stellungnahme des Jugendamtes, dazu RdNr.<br />

151, kann dagegen nachgeholt werden.<br />

151 8. Mitwirkung des Jugendamtes. Für <strong>die</strong> Mitwirkung des Jugendamtes gilt § 49 a<br />

Abs. 2 Nr. 2 FGG. Sein Bericht soll <strong>die</strong> tatsächlichen Verhältnisse in der Fami-<br />

lie schildern und so dem FamG <strong>die</strong> notwendigen Grundlagen für <strong>die</strong> Entscheidung<br />

liefern; auf seine fachkundliche Äußerungen soll sich das Gericht verlassen<br />

können. Mit der Einschaltung des Jugendamtes erfüllt das FamG seine Amtsermitt-<br />

lungspflichten nach § 12 FGG, aber weitere Nachforschungen können nötig werden,<br />

dazu auch RdNr. 144. In der Regel wird das Jugendamt <strong>die</strong> Dinge selbst überprü-<br />

fen müssen und sich nicht auf seine Akten verlassen können. So werden häufig<br />

Hausbesuche und weitere Gespräche mit den Beteiligten erforderlich sein; Grund-<br />

lage sind dabei nicht erst der richterliche Auftrag, sondern <strong>die</strong> eigene Aufga-<br />

benstellung und der Fachlichkeit des Jugendamtes. 414 Jedenfalls hat das FamG dem<br />

Jugendamt nicht nur Gelegenheit zur Stellung zu geben, sondern muss darauf hin-<br />

wirken, dass ein ausreichender Bericht vorgelegt wird.<br />

152 9. Öffentliche Hilfen; insbesondere Beratung und Unterstützung bei Trennung und<br />

Scheidung. Nach § 17 Abs. 1 S. 1 SGB VIII ist Müttern und Vätern Beratung in<br />

Fragen der Partnerschaft anzubieten. Diese Beratung soll nach S. 2 Nr. 3 hel-<br />

fen, bei Trennung oder Scheidung <strong>die</strong> Grundlagen für eine dem Wohl des Kindes<br />

410 OLG Frankfurt FamRZ 1988, 98.<br />

411 OLG Hamm FamRZ 2000, 494; vgl. im Übrigen OLG Köln EzFamRaktuell 1999, 34; zur<br />

Beiordnung eines Anwalts nach § 121 Abs. 3 ZPO OLG Hamm FamRZ 1999, 399, vgl.<br />

auch RdNr. 170.<br />

412 OLG Hamm FamRZ 2000, 494; VerfGH Berlin FamRZ 2006, 1465 - dann jedenfalls ist<br />

eine erneute Anhörung der <strong>Eltern</strong> durch das Beschwerdegericht notwendig, wenn sich<br />

seit der Verhandlung vor dem Erstgericht <strong>die</strong> maßgeblichen Umstände erheblich verändert<br />

haben.<br />

413 OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 511.<br />

414 Zu den Aufgaben der Fachkräfte des Jugendamtes in familiengerichtlichen Verfahren<br />

zur Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> bei Trennung und Scheidung vgl. Ferdinand<br />

Kaufmann FamRZ 2001, 12 und ders. ZfJ 2001, 8.


83<br />

oder des Jugendlichen förderliche Wahrnehmung der <strong>Eltern</strong>verantwortung zu schaf-<br />

fen. Nach Abs. 2 sind <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> bei der Entwicklung eines einvernehmlichen<br />

Konzepts zu unterstützen, das auch für <strong>die</strong> richterliche Entscheidung hilfreich<br />

sein und Grundlage werden kann. 415 Durch frühzeitige Einschaltung des Jugendam-<br />

tes oder anderer Beratungseinrichtungen soll erreicht werden, dass <strong>Eltern</strong> in<br />

größerem Umfang als bisher <strong>die</strong> <strong>gemeinsam</strong>e <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> ausüben oder sonst<br />

einvernehmlich handeln und so ihrer Verantwortung für das Kind gerecht werden<br />

und sich für sein Wohlergehen und seine gute Entwicklung einsetzen. 416 In <strong>die</strong><br />

gleiche Richtung wirkt auch § 52 FGG 417 (mit Aussetzungsmöglichkeiten aus Abs.<br />

2) und das in § 52 a FGG beschriebene besondere Vermittlungsverfahren im Streit<br />

um Umgangsbefugnisse, für das eine gerichtliche Entscheidung allerdings bereits<br />

vorausgegangen sein muss, dazu auch RdNr. 153.<br />

153 10. Vermittlungsaufgaben des Gerichts, § 52 FGG. Nach § 52 FGG hat das Gericht<br />

"in einem <strong>die</strong> Person eines Kindes" betreffenden Verfahren besondere Vermitt-<br />

lungsaufgaben. So früh wie möglich soll Einvernehmen zwischen den Beteiligten<br />

hergestellt und auf Beratungsangebote "durch <strong>die</strong> Beratungsstellen und –<strong>die</strong>nste<br />

der Träger der Jugendhilfe insbesondere zur Entwicklung eines einvernehmlichen<br />

Konzepts für <strong>die</strong> Wahrnehmung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> und der <strong>elterliche</strong>n Verant-<br />

wortung hingewiesen werden", Abs. 1 S. 1 und 2, vgl. gerade RdNr. 152. Vielfäl-<br />

tige öffentliche Hilfen stehen bereit, um <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> zu unterstützen, wiederum<br />

RdNr. 152. Soweit keine für das Kind nachteiligen Verzögerungen zu befürchten<br />

sind, soll das Gericht das Verfahren aussetzen, wenn <strong>die</strong> Beteiligten einver-<br />

standen sind, außergerichtliche Beratung in Anspruch zu nehmen oder nach seiner<br />

freien Überzeugung Aussicht auf Einvernehmen besteht, das <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> allerdings<br />

erst herstellen müssen, § 52 Abs. 2 FGG. Noch weiter reichen Vermittlungsaufga-<br />

ben des Gerichts in Umgangsrechtssachen, dazu § 52 a FGG, 418 doch muss eine ge-<br />

richtl. Entscheidung bereits vorausgegangen sein.<br />

154 11. Anwalt des Kindes. 419 / 420 § 50 FGG sieht in Verfahren zur Regelung der el-<br />

terl. <strong>Sorge</strong> <strong>die</strong> Einsetzung eines besonderen Verfahrenspflegers vor, Anwalt des<br />

415 BT-Drucks. 11/5948 S. 58 mit Bezug auf <strong>die</strong> Entscheidung des BVerfG NJW 1983, 101;<br />

dabei kann gerade Teil der <strong>Eltern</strong>pflicht sein, <strong>die</strong> gesetzlich vorgesehenen Angebote<br />

auch tatsächlich anzunehmen, dazu OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.11.1999, 5<br />

UF 88/99; ähnlich in der Einschätzung OLG Hamm FamRZ 2000, 1239; zu den Aufgaben<br />

der Jugendhilfe im Verfahren Wabnitz ZfJ 2000, 329.<br />

416 Zu den Aufgaben des Jugendamtes und anderer Beratungseinrichtungen Röchling FamRZ<br />

2000, 803.<br />

417 So etwa Palandt/Diederichsen RdNr. 18; Weychardt ZfJ 1999, 268 und 326.<br />

418 Zu Einzelheiten Prinz zu Wied FuR 1998, 193.<br />

419 Dazu <strong>die</strong> gleichnamige Arbeit von Salgo und ders. FPR 1999, 313; Rakete-Dombek FPR<br />

1999, 328; zu seiner Vergütung Ballof FPR 1999, 328 und Fricke KindPrax 1999, 121<br />

und ders. ZfJ 1999, 457; erste Erfahrungen aus anwaltlicher Sicht bei Marquardt<br />

FPR 1999, 338; ausführlich zum Anwalt des Kindes auch Staudinger/Coester RdNr.<br />

290 f.


84<br />

Kindes, soweit <strong>die</strong>s zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Abs. 2<br />

regelt, wann – typisiert – seine Bestellung erforderlich ist, nämlich insbeson-<br />

dere dann, wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter<br />

in erheblichem Gegensatz steht oder Gegenstand des Verfahrens Maßnahmen nach §<br />

1666 sind, mit <strong>denen</strong> <strong>die</strong> Trennung des Kindes von seiner Familie oder <strong>die</strong> Ent-<br />

ziehung der gesamten Personensorge verbunden ist bzw. sein kann. Erfasst sind<br />

dabei nicht schon für sich <strong>die</strong> Streitigkeiten unter den <strong>Eltern</strong> über <strong>Sorge</strong>befug-<br />

nisse oder ihre unterschiedliche Auffassungen zur Regelung der elterl. <strong>Sorge</strong>;<br />

entscheidend wird vielmehr, ob sie <strong>die</strong> Interessen des Kindes (noch) ausreichend<br />

wahrnehmen können oder ob sie dazu aus Eigennutz oder aus anderen Gründen nicht<br />

in der Lage sind. 421/422 Jugendamt bzw. Mitarbeiter des Jugendamtes können nach §<br />

50 FGG nicht zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn gerade in <strong>die</strong>sem Ver-<br />

hältnis Interessenkollisionen deutlich werden; 423 im Übrigen wird der parteili-<br />

che Einsatz für das Kind, der geboten ist, meist <strong>die</strong> Zusammenarbeit mit den El-<br />

Jugendamt bzw. Mitarbeiter des Jugendamtes können nicht nach § 50 FGG bestellt<br />

werden, wenn gerade in <strong>die</strong>sem Verhältnis Interessenkollisionen deutlich sind, dazu<br />

OLG Naumburg FamRZ 2000, 300; bei der Bestellung eines Verfahrenspflegers für<br />

ein minderjähriges Kind in einem Verfahren über das Umgangsrecht ist nicht maßgeblich<br />

auf den Interessengegensatz der <strong>Eltern</strong> abzustellen, sondern darauf, ob<br />

<strong>die</strong> eigenständigen Interessen des Kindes von den <strong>Eltern</strong> in ausreichender Form<br />

wahrgenommen werden oder nicht, OLG Düsseldorf EzFamRaktuell 2000, 90; zu Beschwerdemöglichkeiten<br />

vgl. unten RdNr. 163. Für materielle Aufgaben kann ein Umgangspfleger<br />

eingesetzt werden, Grundlage § 1909 BGB, Beispiel OLG Frankfurt<br />

FamRZ 2002, 1585.<br />

420 Zur Verfahrenspflegschaft für Kinder und Jugendliche nach dem Entwurf für ein<br />

FamG (§ 166 e) vgl. Salgo FPR 2006, 12; zu den Auswirkungen auf <strong>die</strong> Entwicklung<br />

des Kindes Stötzel FPR 2006, 17; zu Vergütungsfragen mit Übersicht über Gesetzgebung<br />

und Rechtsprechung Schröder FPR 2006, 20, zur Sicht des Familienrichters<br />

Profittlich/Zivier FPR 2006, 29; zur Tätigkeit des Verfahrenspflegers in Fällen<br />

internationaler Kindesentführung Carl FPR 2006, 39.<br />

421 OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 1298; zur Abgrenzung des Aufgabenbereiches eines Verfahrenspflegers<br />

und eines gerichtlich bestellten Sachverständigen vgl. KG FamRZ<br />

2000, 1300 und OLG Brandenburg FamRZ 2001, 692.<br />

422 Zu Kostenfragen (Vergütungsansprüche richten sich nach dem BVormVG) OLG Köln Ez-<br />

FamRaktuell 2000, 126. Maßgeblich sind <strong>die</strong> Bestimmungen des VBVG, abgedruckt Anh.<br />

zu § 1836 mit Nachw., vgl. im Übrigen BT-Drucks. 15/4874 S. 26. Danach kann der<br />

Betreuer eine angemessene Vergütung beanspruchen; zu berücksichtigen sind Umfang,<br />

Schwierigkeit und Zeitaufwand, vgl. im Einzelnen BT-Drucks. 15/4874 S. 32, Übersicht<br />

über <strong>die</strong> Rspr. § 1836 a RdNr. 14 f.; starre Regeln bestehen nicht, und <strong>die</strong><br />

Vergütung ist auch nicht allein an <strong>die</strong> berufliche Qualifikation auszurichten, dazu<br />

etwa LG Kassel NJWE-FER 2001, 208. Höchstbeträge sind ebensowenig vorgesehen<br />

wie Mindestsätze (oder ein Regelrahmen), und Aufwendungsersatz kann nach Ermessen<br />

des Gerichts in <strong>die</strong> Vergütung einbezogen werden (oder als mit abgegolten gelten),<br />

wobei <strong>die</strong>s für Berufsbetreuer anders ist, § 7 Abs. 1 S. 1 VBVG. Ein Gutachter,<br />

der zunächst vom Gericht eingeschaltet war, kann nicht zum Anwalt des Kindes bestellt<br />

werden, aA AG Groß-Gerau 71 F 378/98, aufgehoben durch OLG Frankfurt 6 UF<br />

105/99; dazu auch Weychardt FamRZ 2000, 844.<br />

423 Dazu OLG Naumburg FamRZ 2000, 300; BVerfG FuR 2003, 551; mit der Einführung der<br />

Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG hat der Gesetzgeber jedenfalls eine grundge-


85<br />

tern für <strong>die</strong> Zukunft erheblich erschweren. Befinden sich <strong>die</strong> sieben und elf<br />

Jahre alten Kinder bei der Anhörung durch den Richter in einem <strong>Sorge</strong>rechtsver-<br />

fahren in einem verschlossenen Gemütszustand, so dass <strong>die</strong>ser keinen Zugang zu<br />

ihnen finden kann, ist ein Verfahrenspfleger zu bestellen. 424 Werden <strong>die</strong> Inter-<br />

essen des Kindes schon von einem Rechtsanwalt oder einem anderen Bevollmächtig-<br />

ten angemessen vertreten, muss nicht zusätzlich ein Verfahrenspfleger tätig<br />

werden. Reicht das, dann ist <strong>die</strong> weitere Einrichtung der besonderen Pflegschaft<br />

nicht notwendig. Doch soll <strong>die</strong> Bestellung eines Verfahrenspflegers unterblei-<br />

ben, wenn <strong>die</strong> Interessen des Kindes schon von einem Rechtsanwalt oder einem an-<br />

deren Bevollmächtigten angemessen vertreten werden. Ist Verfahrenspflegschaft<br />

eingerichtet, darf das FamG den Pfleger von der Anwesenheit bei der im Beisein<br />

einer Sachverständigen durchgeführten persönlichen Anhörung des Kindes nicht<br />

ausschließen, weil er sonst seine Verpflichtungen nicht ordentlich erfüllen<br />

könnte. 425 Inhaltlich ist seine Tätigkeit "anwaltsähnlich" und auf <strong>die</strong> (subj.)<br />

Interessen des Kindes bezogen; 426 er ist jedenfalls kein Sachverständiger, 427 so<br />

dass er auch nicht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann. 428<br />

Deshalb verfehlt der Pfleger seine Aufgabe, wenn er <strong>die</strong>sen Rahmen überschreitet<br />

und (etwa) nach der objektiv am Kindeswohl orientierten sachrichtigen Lösung<br />

sucht; 429 stets hat er <strong>die</strong> (subjektiven) Interessen des Kindes in <strong>die</strong> gerichtli-<br />

che Auseinandersetzung einzubringen. Bei Verfahren wegen Gefährdung des Kindes-<br />

wohls nach § 1671 Abs. 3 ist Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG regelmäßig<br />

einzurichten; sieht das Gericht ausnahmsweise von <strong>die</strong>ser Maßnahme ab, ist eine<br />

nachprüfbare Begründung beizufügen, 430 zur Anfechtung der Bestellung durch Be-<br />

schwerde (nach überwiegender Auffassung nicht statthaft) vgl. RdNr. 163 mit<br />

Nachw. Für seinen Aufgabenbereich ist der Verfahrenspfleger rechtsmittelbe-<br />

fugt. 431 Im Verfahren wegen Festsetzung der Vergütung kann der Verfahrenspfleger<br />

das betroffene Kind nicht vertreten. 432 Verfassungsrechtlich ist nicht zu beans-<br />

tanden, wenn ihm ein Vergütungsanspruch nur für <strong>die</strong> Leistungen zuerkannt wird,<br />

setzliche Pflicht zum Schutz der von einem Konflikt mit ihren <strong>Eltern</strong> betroffenen<br />

Kindern ausreichend erfüllt, BVerfG FamRZ 2004, 86.<br />

424 OLG Stuttgart JAmt 2007, 47 mit Anm. Rüting.<br />

425 OLG Bremen FamRZ 2000, 1298.<br />

426 OLG Brandenburg FamRZ 2001, 692 nach KG FamRZ 2000, 1300 und OLG Frankfurt FamRZ<br />

1999, 1293, 1294.<br />

427 OLG Brandenburg FamRZ 2004, 1982 mit Anm. Bienwald.<br />

428 OLG München FamRZ 2005, 635 und OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1571; er muss auch keine<br />

Konfliktlösung betreiben, OLG Brandenburg FamRZ 2004, 1798, soll aber zur Vermittlung<br />

beitragen, dazu Söpper FPR 2005, 1787, 1796.<br />

429 OLG Brandenburg FamRZ 2001, 692 und OLG Brandenburg FamRZ 2004, 1798.<br />

430 OLG Hamm FamRZ 2001, 850.<br />

431 OLG Brandenburg ZfJ 2003, 444.<br />

432 BVerfG FamRZ 2004, 1267.


86<br />

<strong>die</strong> zur Wahrung der subjektiven Interessen der von ihm vertretenen Kinder er-<br />

forderlich erscheinen. 433<br />

155 12. Rechtsmittel. a) Statthaftigkeit. Gegen ein Urteil, das dem Scheidungsant-<br />

rag stattgibt und über <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> nach § 1671 auf Antrag (Folgesache)<br />

entscheidet, ist Berufung, gegen das Berufungsurteil Revision statthaft, selbst<br />

wenn Bereiche betroffen sind, für <strong>die</strong> sonst FGG-Verfahrensrecht maßgeblich<br />

wird; insoweit setzt sich <strong>die</strong> Prägung als "ZPO-Familiensache" durch und prägt<br />

<strong>die</strong> Abläufe. Zur isolierten Anfechtung der Folgeentscheidung nach § 1671 sehen<br />

§§ 629 a Abs. 2 S. 1, 621 e Abs. 1 ZPO dagegen Beschwerde vor, für <strong>die</strong> <strong>die</strong> Be-<br />

zeichnung als "Berufungsbeschwerde" üblich geworden ist. Weitere Beschwerde<br />

kommt als Rechtsbeschwerde in Betracht, wenn das Beschwerdegericht sie zugelas-<br />

sen oder <strong>die</strong> vorausgegangene Beschwerde als unzulässig verworfen hat, § 621 e<br />

Abs. 2 ZPO. Weiterhin ist allerdings <strong>die</strong> Nichtzulassungsbeschwerde in Familien-<br />

sachen nicht statthaft, vgl. dazu § 26 Nr. 9 EGZPO. 434 Über Berufung und Be-<br />

schwerde entscheidet das OLG, § 119 Abs. 2 Nr. 1, 2 GVG; für Revision und wei-<br />

tere Beschwerde ist der BGH zuständig, § 133 GVG. Wird in einem FGG-Verfahren<br />

das persönliche Erscheinen zum Anhörungstermin angeordnet, ist <strong>die</strong> einfache Be-<br />

schwerde zulässig, wenn durch <strong>die</strong> Verfahrensgestaltung eine Grundrechtsverlet-<br />

zung zu besorgen ist, §§ 19, 50 a Abs. 3, 50 b Abs. 3 FGG. 435<br />

156 b) Form und Frist. Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift<br />

beim Beschwerdegericht eingelegt, § 621 e Abs. 3 S. 1 ZPO; für sie gilt An-<br />

waltszwang, § 78 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Durch <strong>die</strong> Verweisung in § 621 e Abs. 3 S. 2<br />

ZPO wird das Rechtsmittel §§ 517, 518, 520 Abs. 1, 2 und 3 S. 1, Abs. 4, 521,<br />

522 Abs. 1, 526, 527, 548 und 551 Abs. 1, 2 und 4 ZPO unterstellt und ist so<br />

"berufungsförmig" ausgestaltet. 436 Beschwerdefrist ist ein Monat, § 517 ZPO; sie<br />

ist Notfrist und beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefass-<br />

ten Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkün-<br />

dung. Wie <strong>die</strong> Berufung ist <strong>die</strong> Beschwerde zu begründen, § 520 Abs. 1; <strong>die</strong> Frist<br />

beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form<br />

abgefassten Urteils (der Entscheidung), spätestens aber mit Ablauf von fünf Mo-<br />

naten nach der Verkündung, § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO. Auf Antrag kann sie vom Vor-<br />

sitzenden verlängert werden kann, wenn der Gegner einwilligt, ohne <strong>die</strong>se Ein-<br />

willigung kann sie um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier<br />

Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtstreit durch <strong>die</strong> Verlängerung nicht ver-<br />

zögert wird oder wenn der Berufungskläger (Beschwerdeführer) erhebliche Gründe<br />

darlegt, S. 3. Die Vorschriften über den notwendigen Inhalt der Rechtsmittel-<br />

433 BVerfG FamRZ 2004, 1267.<br />

434 Zu Einzelheiten von Preuschen NJW 2007, 321.<br />

435 KG NJW-RR 2007, 5.


87<br />

schrift sind sonst von den Verweisen in § 621 e gerade ausgenommen, vgl. dazu<br />

§ 520 Abs. 3 S. 2 ZPO und §§ 519 und 520 Abs. 3 S. 2 ZPO. Für <strong>die</strong> weitere Be-<br />

schwerde (Rechtsbeschwerde) wird § 574 maßgeblich.<br />

157 Der Sache nach ist <strong>die</strong> Beschwerde sofortige Beschwerde mit einer Monatsfrist<br />

anstelle der üblichen Zweiwochenfrist. 437 Für <strong>die</strong> Wiedereinsetzung in den vori-<br />

gen Stand bei unverschuldeter Verhinderung an der Einhaltung der Frist sind §§<br />

233 ff. ZPO maßgeblich, nicht § 22 Abs. 2 FGG. 438<br />

158 c) Änderungsbefugnis des FamG. § 621 e Abs. 3 S. 2 ZPO ist in seiner Verweisung<br />

beschränkt, vgl. schon RdNr. 156. § 577 Abs. 1 ZPO ist nicht einbezogen, so<br />

dass das Gericht zu einer Änderung nach <strong>die</strong>ser Bestimmung nicht berechtigt ist.<br />

Wird <strong>die</strong> Beschwerde dem erstinstanzlichen Gericht vorgelegt, ist sie unverzüg-<br />

lich an das Beschwerdegericht weiterzuleiten, das von Amts wegen zu prüfen hat,<br />

ob <strong>die</strong> Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und<br />

Frist eingelegt ist. Fehlt <strong>die</strong>s, ist sie als unzulässig zu verwerfen, § 572<br />

Abs. 2 ZPO. Erachtet das Beschwerdegericht <strong>die</strong> Beschwerde für begründet, kann<br />

dem Gericht oder dem Vorsitzenden, von dem <strong>die</strong> Beschwerdeentscheidung erlassen<br />

war, <strong>die</strong> Entscheidung übertragen werden, <strong>die</strong> durch Beschluss ergeht. Dabei er-<br />

geht <strong>die</strong> Entscheidung durch Beschluss, § 572 Abs. 3 und 4 ZPO. § 1696 behält<br />

seine eigene Bedeutung. Ist Beschwerde eingelegt, ist Abänderung nach <strong>die</strong>ser<br />

Bestimmung aber nicht (mehr) zulässig; nur das erstinstanzliche Gericht kann<br />

nach § 1696 auch von Amts wegen vorgehen, wenn <strong>die</strong> Voraussetzungen nach <strong>die</strong>ser<br />

Bestimmung erfüllt sind. Die uneingeschränkte Dispositionsbefugnis der Betei-<br />

ligten über ihr Rechtsmittel ist ohnehin nicht beeinträchtigt. 439<br />

159 d) Beschwerdeberechtigung. Beschwerdeberechtigt sind <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> und das be-<br />

schränkt geschäftsfähige Kind nach Vollendung des 14. <strong>Leben</strong>sjahres, § 59 FGG;<br />

dabei kann das Kind Beschwerde auch in vermögensrechtlichen Angelegenheiten<br />

einlegen. Für <strong>die</strong> Personensorge kann das Jugendamt durch Beschwerde für das<br />

Kind tätig werden, § 57 Abs. 1 Nr. 9, 64 Abs. 3 S. 3 FGG. Rechtsmittel kann in<br />

seinem Aufgabenbereich auch der Verfahrenspfleger führen. 440 Großeltern haben in<br />

<strong>Sorge</strong>rechtsangelegenheiten kein Beschwerderecht; auch Vereine zur Förderung von<br />

Kindesinteressen sind nicht beschwerdebefugt. 441 Entscheidungen des FamG sind<br />

dem Beschwerdeberechtigten zuzustellen; einem 14jährigen, nicht geschäfts-<br />

unfähigen Kind, das nach § 59 Abs. 1, 3 FGG selbständig sein Beschwerderecht<br />

ausüben kann, sind sie nur "bekanntzumachen", § 59 Abs. 2 S. 1 FGG. Das Jugend-<br />

436 Dazu Brüggemann FamRZ 1977, 1, 20.<br />

437 MünchKommZPO/Finger § 621 e ZPO RdNr. 2 mit Nachw.<br />

438 BGH NJW 1999, 109 und FamRZ 1981, 657.<br />

439 BGH NJWE-FER 1999, 329.<br />

440 OLG Brandenburg ZfJ 2003, 444.<br />

441 BGH FamRZ 1988, 54.


88<br />

amt ist zu unterrichten, §§ 49 a Abs. 2, 49 Abs. 3 FGG, denn ihm steht ein ei-<br />

genes Beschwerderecht zu. Die Beschwerde kann auf Teilbereiche der <strong>elterliche</strong>n<br />

<strong>Sorge</strong> beschränkt werden. FGG-Beschlüsse zum <strong>Sorge</strong>recht werden schon "existent",<br />

wenn der Gerichtsvorsitzende oder der Beamte der Geschäftsstelle den Inhalt bei<br />

ordentlicher Unterschriftsleistung einem Verfahrensbeteiligten fernmündlich<br />

mitgeteilt hat, 442 §§ 16 FGG, 329 ZPO.<br />

160 Bei der Regelung der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> für mehrere Kinder ist der Verfahrens-<br />

gegenstand teilbar; jeder <strong>Eltern</strong>teil ist für sich beschwerdeberechtigt, und je-<br />

des Kind, das das 14. <strong>Leben</strong>sjahr vollendet hat, ebenfalls.<br />

161 e) Anschlussbeschwerde. Ob unselbständige Anschlussbeschwerde nach den Verände-<br />

rungen im Rechtsmittelrecht (noch) zulässig ist, mag dahinstehen; im <strong>Sorge</strong>-<br />

rechtsverfahren spielt <strong>die</strong>se Frage aber keine Rolle, weil <strong>die</strong> Anträge der Be-<br />

teiligten nur <strong>die</strong> Bedeutung von Anregungen haben, an <strong>die</strong> das Gericht nicht ge-<br />

bunden ist. 443<br />

162 f) Amtsermittlungsgrundsätze im Beschwerdeverfahren. Amtsermittlungsgrundsätze<br />

sind auch für das Beschwerdeverfahren maßgeblich. 444 Deshalb gilt der Grundsatz<br />

der Schlechterstellung des Beschwerdeführers nicht. 445 Nach pflichtgemäßem Er-<br />

messen kann <strong>die</strong> Sachaufklärung dem beauftragten Richter übertragen werden. Der<br />

Senat darf den persönlichen Eindruck von den Beteiligten, den der Einzelrichter<br />

dabei gewonnen hat, der Entscheidung aber nicht als eigenen zugrunde legen.<br />

Wird wie gerade in <strong>Sorge</strong>rechtsangelegenheiten häufig <strong>die</strong>ser Eindruck entschei-<br />

dend, reicht auch <strong>die</strong> Anhörung durch den beauftragten Richter nicht aus. Viel-<br />

mehr muss sie vor dem Beschwerdegericht in voller Besetzung wiederholt wer-<br />

den. 446 Seine Anhörungspflichten hat das FamG auch in der Beschwerdeinstanz zu<br />

erfüllen, 447 selbst wenn <strong>Eltern</strong> oder Kinder schon vorher vom FamG angehört wor-<br />

den sind, zu weiteren Einzelheiten RdNr. 148 f.<br />

163 g) Beschwerde gegen <strong>die</strong> Einsetzung eines Verfahrenspflegers. Die Bestellung ei-<br />

nes Verfahrenspflegers bzw. <strong>die</strong> persönliche Auswahl nach § 50 FGG kann von den<br />

<strong>Eltern</strong> nach §§ 19, 20 FGG nicht mit der Beschwerde angefochten werden, 448 zum<br />

442 BGH NJW-RR 2000, 877.<br />

443 BGH NJW 1982, 226<br />

444 OLG Hamm 1981, 202.<br />

445 OLG Celle FamRZ 2004, 1667.<br />

446 BGH FamRZ 1985, 169, 172.<br />

447 Oelkers § 1 RdNr. 337.<br />

448 Die Rspr. ist kaum übersehbar; vorherrschend ist in der Zwischenzeit wohl <strong>die</strong><br />

Auffassung, dass <strong>die</strong> Einsetzung als Verfahrenspfleger auch von den <strong>Eltern</strong> nicht<br />

angefochten werden kann, dazu Motzer FamRZ 2006, 73, 81 mit Nachw.; anders OLG<br />

Köln FamRZ 2000, 487 im Anschluss an OLG München FamRZ 1999, 667 und OLG Frankfurt<br />

FamRZ 1999, 1293 mit kritischer Anm. Spangenberg/Dormann FamRZ 1999, 1294,<br />

dagegen wiederum Weychardt FamRZ 2000, 844; wie hier OLG Celle FamRZ 1999, 1589<br />

mit umfangreichen Nachw., denn <strong>die</strong> Anordnung sei eine "verfahrensleitende Zwischenentscheidung"<br />

des FamG, <strong>die</strong> der sachgerechten Wahrnehmung der Interessen des


89<br />

neuen Verfahrensrecht nach FamFG (insoweit ist der Ausschluss der Beschwerde<br />

ausdrücklich festgelegt) RdNr. 172, zu den Aufgaben des Verfahrenspflegers<br />

sonst RdNr. 154.<br />

164 h) Weitere Beschwerde kann nach § 621 e Abs. 2 S. 2 ZPO nur noch auf eine Ge-<br />

setzesverletzung in der Beschwerdeentscheidung gestützt werden. Sind <strong>die</strong> tat-<br />

sächlichen Grundlagen fraglich und beziehen sich <strong>die</strong> Angriffe auf gerichtliche<br />

Feststellungen in <strong>die</strong>sem Zusammenhang, ist in der Beschwerdeinstanz zu prüfen,<br />

ob das Gericht den Sachverhalt ausreichend und fehlerfrei aufgeklärt hat, <strong>die</strong><br />

für <strong>die</strong> Erörterung der Sache wesentlichen Umstände berücksichtigt und <strong>die</strong> Abwä-<br />

gung insgesamt nicht gegen Denkgesetze verstößt und/oder ob Schlüsse gezogen<br />

sind, <strong>die</strong> mit einer feststehenden Auslegungsregel oder mit der allgemeinen Le-<br />

benserfahrung unvereinbar erscheinen. Denn dann liegt eine Gesetzesverletzung<br />

ebenso vor wie bei sonst fehlerhafter Anwendung gesetzlicher Regeln. Nicht aus-<br />

reichend ist dagegen, dass <strong>die</strong> vom Tatrichter gezogene Folgerung möglich, aber<br />

nicht zwingend ist und ein anderer Schluss nähergelegen hätte. Ermessensent-<br />

scheidungen unterliegen der Kontrolle (auch) insoweit, als vorgebracht wird,<br />

<strong>die</strong> vorgeschriebenen Grenzen für <strong>die</strong> Ausübung des richterlichen Ermessens seien<br />

nicht eingehalten und/oder von der Ermächtigung sei grundsätzlich kein oder je-<br />

denfalls kein zweckentsprechender Gebrauch gemacht worden. Übereinstimmende<br />

Vorschläge der <strong>Eltern</strong> zu ihren <strong>Sorge</strong>befugnissen können im Verfahren der weite-<br />

ren Beschwerde von einem <strong>Eltern</strong>teil nicht mehr widerrufen werden; neue und nach<br />

der letzten Tatsacheninstanz eingetretene Entwicklungen sind vielmehr erst im<br />

Abänderungsverfahren nach § 1696 geltend zu machen. 449<br />

165 i) Außerordentliche Beschwerde; § 321 a ZPO - Untätigkeitsbeschwerde. Selbst<br />

bei besonders krassen Rechtsverstößen steht <strong>die</strong> außerordentliche Beschwerde we-<br />

gen grober/greifbarer Gesetzesverletzung nicht mehr zur Verfügung, <strong>die</strong> früher<br />

minderjährigen Kindes <strong>die</strong>ne und seine Stellung im Verfahren stärken solle (und<br />

<strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> seien weiterhin am Verfahren beteiligt und könnten eigene Anträge<br />

stellen, wobei sie sogar <strong>die</strong> – vermeintlichen – Interessen des Kindes wahrnehmen<br />

könnten); weitere Rspr. OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1295; OLG Karlsruhe FamRZ<br />

2000, 1296; OLG Dresden FamRZ 2000, 1296; KG FamRZ 2000, 1298, sämtlich für <strong>die</strong><br />

Statthaftigkeit der einfachen Beschwerde, aA KG FamRZ 2000, 1295 (19. ZS), und<br />

danach ist <strong>die</strong> Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 50 FGG lediglich "eine<br />

den Fortgang des Verfahrens vorbereitende und fördernde Zwischenentscheidung",<br />

<strong>die</strong> nicht gesondert anfechtbar ist, vgl. auch BT-Drucks. 13/4899 S. 172; wie hier<br />

OLG Naumburg MDR 2000, 1322 mit Anm. Marquardt und OLG KG FamRZ 2004, 1591; OLG<br />

Zweibrücken FamRZ 2004, 1980; OLG Köln FamRZ 2005, 221; OLG Hamburg FamRZ 2005,<br />

221; OLG München FamRZ 2005, 635 und OLG Köln FamRZ 2006, 282 - jeweils mit der<br />

Begründung, das FamG habe nur eine verfahrensleitende Verfügung getroffen, <strong>die</strong><br />

nicht anfechtbar sei; weitere Nachw. bei Weychardt S. 85/86, abzurufen über<br />

www.hefam.de (Vortragsmanuskript zur elterl. Verantwortung).<br />

449 BGH NJWE-FER 2000, 278.


90<br />

und vor den Veränderungen zumindest teilweise für statthaft erachtet wurde. 450<br />

Maßgeblich ist inzwischen vielmehr allein § 321 a ZPO. Entscheidet über <strong>die</strong> Be-<br />

schwerde gegen einen Beschluss, den das Amtsgericht als FamG erlassen hat, das<br />

Landgericht, ist ausnahmsweise weitere Beschwerde statthaft; 451 zuständig wäre<br />

das OLG gewesen. Fehlt <strong>die</strong> Kompetenz für eine Sachentscheidung, ist <strong>die</strong> Ent-<br />

scheidung aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen, 452 damit das FamG tä-<br />

tig werden und <strong>die</strong> Sache erledigen kann. Beschwerde steht als Untätigkeitsbe-<br />

schwerde offen, wenn das Verfahren nicht in angemessener Zeit zum Abschluss ge-<br />

bracht wird, Effektivität des Rechtsschutzes, abgeleitet aus Art. 2 Abs. 1 und<br />

20 Abs. 3 GG, Rechtsstaatsprinzip, 453 Art. 103 GG. Maßgeblich sind <strong>die</strong> Umstände<br />

des Einzelfalls; gerade in einem Umgangsverfahren sind Verzögerungen mit so<br />

herben Verlusten verbunden, dass besondere Beschleunigung geboten ist, 454 vgl.<br />

auch RdNr. 122.<br />

166 13. Abänderung von <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidungen, § 1696, ist zulässig, wenn sie<br />

aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt<br />

ist, § 1696 Abs. 1. Treffen <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> eine Vereinbarung, nach der <strong>die</strong> gemein-<br />

same <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> nur bis zu ihrer Trennung gelten soll und nehmen sie da-<br />

bei an, dass bei der Scheidung eine Neuregelung erfolgt, hat das Gericht nach<br />

§ 1671 vorzugehen, nicht nach § 1696. 455 Abänderung richtet sich nach dt. Recht,<br />

falls dt. Gerichte international zuständig sind, selbst wenn <strong>die</strong> Ausgangsent-<br />

scheidung nach ausl. Recht erfolgt ist; 456 liegen <strong>die</strong> Voraussetzungen nach §<br />

1696 (nun) vor, kann <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> ausl. Entscheidung zur elterl. <strong>Sorge</strong> bei<br />

uns anerkannt werden kann, daher häufig offen bleiben - wird sie anerkannt,<br />

wird sie abgeändert, und wenn <strong>die</strong> Anerkennung ausscheidet, ist eine Erstent-<br />

scheidung zu treffen.<br />

167 14. Einstweilige Anordnung. a) Ablauf. Bei schweren Gefährdungen des Kindes<br />

sind, selbst wenn noch nicht alle Ermittlungen in der Sache durch das Gericht<br />

abgeschlossen sind, oft sofortige Eingriffe notwendig, <strong>die</strong> auch im anhängigen<br />

450 BGH NJW 2000, 590 und Finger MDR 2000, 247; dazu auch KG FuR 2007, 534 (Vorrang<br />

für § 321 a ZPO).<br />

451 BayObLG FamRZ 2001, 716.<br />

452 BayObLG FamRZ 2001, 716, 717 und KG OLGZ 1990, 266, 270.<br />

453 BVerfG NJW 2001, 961, vgl. dazu auch EuGHMR JAmt 2006, 92 und OLG Frankfurt NJW-<br />

RR 2007, 369; bei kindschaftsrechtlichen Verfahren ist besondere Eile geboten,<br />

aber das kann nur heißen, dass das Gericht <strong>die</strong> Sache voranbringen muss, aber wie<br />

sonst müssen alle Einzelheiten ermittelt werden, alleiniger Maßstab ist das Wohl<br />

des Kindes, OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 369; vgl. auch EuGHMR FuR 2007, 412; vgl.<br />

auch, gerade für das Umgangsverfahren, KG FamRB 2007, 328.<br />

454 BVerfG NJW 2001, 961; in kindschaftsrechtlichen Verfahren ändern sich <strong>die</strong> tatsächlichen<br />

Verhältnisse schnell, und auf <strong>die</strong>sen Umstand ist bei der Verfahrensdauer<br />

zu achten, OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 369, um zu verhindern, dass vollendete<br />

Tatsachen geschaffen werden.<br />

455 OLG Hamm DAVorm. 2000, 328.


91<br />

Scheidungsverfahren ergehen können, wobei ein Antrag auf Bewilligung von PKH<br />

als Grundlage ausreicht, vgl. § 620 a Abs. 2 ZPO. Im Übrigen können Anordnungen<br />

von Amts wegen ergehen. Das Jugendamt kann ein Kind in Obhut nehmen, wenn wei-<br />

terer Aufschub nicht zu vertreten ist; gerichtl. Entscheidung ist so schnell<br />

wie möglich nachzuholen. Im Eilverfahren kann einem <strong>Eltern</strong>teil das Aufenthalts-<br />

bestimmungsrecht übertragen werden, damit er seine Verantwortung ungestört<br />

wahrnehmen und Schaden vom Kind abwenden kann; 457 Verhältnismäßigkeitsgrundsätze<br />

sind gewahrt, da keine vollendeten Tatsachen für <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>rechtsregelung selbst<br />

geschaffen werden, aber das kann auch anders sein. Droht eine Entführung des<br />

Kindes oder befürchtet ein <strong>Eltern</strong>teil sie und liegen vernünftige Anhaltspunkte<br />

für seine Ängste vor, hat das Gericht so schnell wie möglich zu handeln; dabei<br />

kann an den anderen <strong>Eltern</strong>teil <strong>die</strong> Anweisung ergehen, das Kind nicht ins Aus-<br />

land zu verbringen, <strong>die</strong> um entspr. Unterrichtung der Grenzpolizeibehörden<br />

(schengenweit) zu ergänzen ist. 458 Kind und Jugendamt sind wie sonst zu hören;<br />

ist <strong>die</strong>s wegen der besonderen Eilbedürftigkeit der Sache nicht möglich, ist <strong>die</strong><br />

Anhörung unverzüglich nachzuholen, § 620 a Abs. 3 S. 1 und 2 ZPO. Nach § 620 b<br />

ZPO hat eine Aufhebung der getroffenen Entscheidung auf Antrag oder von Amts zu<br />

erfolgen, wenn <strong>die</strong> Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen; nachträgliche<br />

Veränderungen müssen dabei nicht eingetreten sein, so dass eine Neubewertung<br />

des Sachverhalts ausreicht, vgl. anders § 323 ZPO. Im Berufungsverfahren (für<br />

<strong>die</strong> Ehesache) wechselt <strong>die</strong> Zuständigkeit zum OLG. Gegen eine ohne mündliche<br />

Verhandlung ergangene einstwAnO ist Antrag auf erneute Beschlussfassung nach<br />

mündlicher Verhandlung statthaft, § 620 b Abs. 2 ZPO. In den Grenzen aus § 620<br />

c ZPO steht sofortige Beschwerde zur Verfügung, wobei jeweils zur Vorbereitung<br />

angeordnet werden kann, <strong>die</strong> Vollziehung aus der zugrunde liegenden Entscheidung<br />

auszusetzen, § 620 e ZPO. Mit Wirksamwerden der endgültigen Regelung oder bei<br />

Beendigung des Eheverfahrens ohne Scheidungsausspruch tritt <strong>die</strong> einstwAnO außer<br />

Kraft; <strong>die</strong>se Folge ist auf Antrag durch besonderen Beschluss auszusprechen, §<br />

620 f ZPO. Für Umgangsbefugnisse sehen dagegen §§ 620 ff. ZPO keine Beschwerde<br />

vor.<br />

456 Vgl. Hohloch DEuFamR 1999, 193 und OLG Frankfurt 3 UF 229/00.<br />

457 Dazu OLG Köln FamRZ 1998, 1463; BayObLG FamRZ 1999, 178. Auch bei der Übertragung<br />

des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch einstwAnO sind <strong>die</strong> Fristen nach § 621 e<br />

ZPO einzuhalten, so dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren<br />

ist, wenn <strong>die</strong> anwaltliche Kontrolle nicht ordnungsgemäß ausgeübt wurde.<br />

458 Vgl. dazu einen Vorentwurf zu einem Europ. Übereinkommen über den Umgang mit Kindern,<br />

dazu BMJ I A 2 – 9311/29 – 1 – 13679/2001 v. 12.4.2001 mit Vorschlägen und<br />

Anregungen für <strong>die</strong> einzelnen Mitgliedsstaaten, grenzüberschreitenden Umgang zu<br />

ermöglichen und gleichzeitig "Sicherungsmaßnahmen" festzulegen (Hinterlegung von<br />

Ausweispapieren, Fahrzeugpapieren, sonstige Sicherungsmaßnahmen wie Grundstücksbelastung,<br />

Bankbürgschaft u.ä.).


92<br />

168 Eilanträge setzen dringendes Regelungsbedürfnis für ein sofortiges Einschreiten<br />

des Gerichts voraus, weil <strong>die</strong> endgültigen Entscheidung zu spät kommen und das<br />

Interesse des Kindes nicht mehr genügend wahren könnte. Deshalb muss <strong>die</strong> Prü-<br />

fung im vorläufigen Verfahren eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür ergeben,<br />

dass <strong>die</strong> Endentscheidung gleichen oder ähnlichen Inhalt haben wird. Anderer-<br />

seits dürfen so nicht schon vollendete Tatsachen geschaffen werden, aber sie<br />

werden durch <strong>die</strong> besondere Verfahrensgestaltung auch gerade vermieden. Jeden-<br />

falls darf <strong>die</strong> einstwAnO/ vorläufige Anordnung nicht über das zur Abwendung der<br />

dem Kind drohenden Nachteile und Gefahren erforderliche Maß hinausgehen, Grund-<br />

sätze der Verhältnismäßigkeit. Ist eine Regelung für <strong>die</strong> Dauer des Getrenntle-<br />

bens getroffen und bestandskräftig geworden, hat das FamG bei der Scheidung <strong>die</strong><br />

Dinge nicht erneut zu überprüfen und zu entscheiden, vgl. dazu früher § 1672<br />

aF. Abänderung ist wie sonst allein nach § 1696 möglich. Im Übrigen ist, wenn<br />

nur eine einstweilige Anordnung erfolgt ist, anschließend zur Hauptsache zu<br />

entscheiden, vgl. auch § 1671, wobei § 620 f Abs. 1 ZPO ins Spiel kommt, denn<br />

<strong>die</strong> einstweilige Anordnung tritt mit <strong>die</strong>ser außer Kraft. Ist <strong>die</strong> Entscheidung<br />

ohne mündliche Verhandlung ergangen, kann jede Partei sie beantragen, § 620 b<br />

ZPO. Für <strong>die</strong> Abänderung müssen anders als bei § 323 ZPO nicht nachträglich neue<br />

Tatsachen eingetreten sein, auf <strong>die</strong> sich der Antragsteller beruft, dazu schon<br />

RdNr. 167.<br />

169 b) Amtsermittlungsgrundsätze gelten auch für das Eilverfahren, § 12 FGG. 459<br />

Durch einstwAnO darf das FamG das Aufenthaltsbestimmungsrecht als eine aus der<br />

Personensorge folgende Teilbefugnis regeln und einem <strong>Eltern</strong>teil übertragen, 460<br />

wobei wie sonst sofortige Beschwerde statthaft ist, § 620 c S. 1 ZPO, 461 weil<br />

<strong>die</strong> elterl. <strong>Sorge</strong> in ihrem Bestand Verfahrensgegenstand geworden ist. Zurück-<br />

weisung eines Regelungsantrages zu <strong>Sorge</strong>befugnissen genügt nach wie vor trotz<br />

der Veränderungen in § 620 c ZPO nicht. 462 Denn <strong>die</strong> zeitaufwändige Verlagerung<br />

streitiger Nebenverfahren in <strong>die</strong> Beschwerdeinstanz soll verhindert werden. 463<br />

Die Aufhebung einer einstwAnO nach § 620 b ZPO ist nach § 620 c S. 2 ZPO unan-<br />

fechtbar. Regelungen zum Umgangsrecht unterliegen von vornherein nicht der so-<br />

fortigen Beschwerde, § 620 c ZPO.<br />

459 OLG München FamRZ 1978, 54.<br />

460 OLG Hamm FamRZ 1979, 177; vgl. auch BGH NJW 1981, 126.<br />

461 OLG Hamm FamRZ 1979, 157.<br />

462 OLG Hamburg FamRZ 1993, 1357; MünchKommZPO/Finger § 620 c RdNr. 4 mit weiteren<br />

Nachw.; Musielak-Borth § 620 c RdNr. 3 und Thomas/Putzo/Hüßtege § 620 c ZPO RdNr.<br />

4 - das Kind wechselt auch nicht seinen Aufenthalt von einem <strong>Eltern</strong>teil zum anderen,<br />

jedenfalls nicht aufgrund gerichtlicher Anordnung.<br />

463 OLG Hamm FamRZ 1988, 1194; OLG Frankfurt FamRZ 1984, 295; zu weiteren Einzelheiten<br />

insoweit MünchKommZPO/Finger § 620 c RdNr. 4.


93<br />

170 15. Prozesskostenhilfe. Im <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren ist den Beteiligten PKH wegen<br />

der besonderen Bedeutung der Sache zu gewähren, 464 falls nicht schon <strong>die</strong> PKH-<br />

Bewilligung für das Scheidungsverfahren <strong>die</strong> Folgesache <strong>Sorge</strong>recht erfasst, §<br />

624 ZPO; <strong>die</strong>s gilt selbst dann, wenn <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> einen einverständlichen Rege-<br />

lungsvorschlag unterbreiten wollen. Nur bei besonderer Übersichtlichkeit und<br />

allenfalls, wenn sich <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> in allen Punkten einig sind und das Gericht<br />

ihr Einverständnis für sachgerecht hält, können <strong>die</strong> Dinge anders zu beurteilen<br />

sein, so dass Bewilligung von PKH ausscheidet. Beiordnung eines Anwalts nach §<br />

121 Abs. 3 ZPO ist meist geboten. 465 Hat eine Partei Prozesskostenhilfe erhal-<br />

ten, kann <strong>die</strong>se nicht auf <strong>die</strong> Kosten einer außergerichtlichen Mediation ers-<br />

treckt werden, selbst wenn <strong>die</strong>se auf Anregung des Prozessgerichts zur Beilegung<br />

eines anhängigen <strong>Sorge</strong>rechtsverfahrens stattfinden soll, 466 vgl. § 1684 RdNr.<br />

93.<br />

171 16. Kosten; Kostenausgleich; Kostenerstattung. Für den Gegenstandswert des Ver-<br />

fahrens sind §§ 1 Abs. 2, 12 Abs. 1, 2 GKG Grundlage. Bei der Scheidung richtet<br />

sich <strong>die</strong> Kostenverteilung zwischen den Parteien nach dem Ausgang der Sache und<br />

nach Billigkeitsgesichtspunkten, § 93 a Abs. 1, 2 ZPO. Für <strong>die</strong> Berufungsinstanz<br />

gilt § 97 ZPO. In selbständigen FGG-Verfahren findet kein Kostenausgleich<br />

statt, vgl. § 13 a FGG, auch zu Ausnahmen. Kostenerstattung kommt nur bei einer<br />

das Verfahren abschließenden Verfügung, bei Erledigung der Hauptsache, bei Ant-<br />

ragsrücknahme oder Vergleichsschluss in Betracht, 467 nicht aber beim (schlich-<br />

ten) Ruhen der Angelegenheit. 468<br />

172 17. Geplante Änderungen. Wie nach geltendem Recht bleiben für Scheidungs- und<br />

Scheidungsfolgesachen <strong>die</strong> AGe als FamG zuständig; wegfallen wird allerdings <strong>die</strong><br />

in § 606 ZPO noch vorgesehene Zuständigkeit am <strong>gemeinsam</strong>en gewöhnlichen Auf-<br />

enthalt der Eheleute, denn <strong>die</strong>ser besteht schon dann nicht mehr, wenn sie am<br />

464 Dazu Weychardt ZfJ 1999, 326, 336. Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts<br />

zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts kommt regelmäßig nicht in Betracht,<br />

weil persönliche Informationen notwendig sind und schriftliche Stellungnahmen<br />

durch den Mandanten durchgängig nicht ausreichen, OLG Karlsruhe 2 WF<br />

51/07.<br />

465 Dazu OLG Hamm FamRZ 1999, 393; anders ist allerdings zu entscheiden, wenn zwischen<br />

den <strong>Eltern</strong> Übereinstimmung bei der <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> besteht, sie also lediglich<br />

eine Erklärung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 – Zustimmung zur Zuweisung der<br />

alleinigen <strong>elterliche</strong>n <strong>Sorge</strong> an den anderen Partner – im gerichtlichen Verfahren<br />

abgeben wollen, OLG Bamberg FamRZ 2000, 763; für Kindschaftssachen (wegen ihrer<br />

existenziellen Bedeutung) OLG Frankfurt NJW 2007, 230.<br />

466 OLG Dresden NJW-RR 2007, 80; anders für eine "Anordnung" des Gerichts, dazu AG<br />

Eilenburg FamRZ 2007, 1670. Im Übrigen darf Prozesskostenhilfe nicht versagt werden,<br />

wenn eine Partei <strong>die</strong> Auffassung vertritt, <strong>die</strong> von der höchstrichterlichen<br />

Rechtsprechung bisher nicht geteilt wird aber vertretbar erscheint, BVerfG FF<br />

2007, 311.<br />

467 Keidel/Zimmermann § 13 a FGG RdNr. 3.<br />

468 OLG Frankfurt 1 WF 249/00.


94<br />

selben Ort, aber getrennt voneinander leben. Besonders umstritten war, ob An-<br />

waltszwang fortbestehen soll; zunächst waren Ausnahmen in einem vereinfachten<br />

Verfahren vorgesehen, aber <strong>die</strong>se Regelung wird so nicht kommen. 469 Im Übrigen<br />

soll § 1666 neu gefasst werden. 470 Gerichtliche Hilfen sollen "schneller" als<br />

bisher erfolgen; deshalb sieht § 50 f FGG-E ein Vorrang- und Beschleunigungsge-<br />

bot für Verfahren vor, <strong>die</strong> den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder<br />

seine Herausgabe betreffen sowie Verfahren wegen Gefährdung seines Wohls, <strong>die</strong><br />

vorrangig und beschleunigt durchzuführen sind. Terminbestimmung soll innerhalb<br />

eines Monats nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Dort hört das Gericht das<br />

Jugendamt an. Verlegung ist nur aus zwingenden Gründen zulässig. Gründe für sie<br />

sind mit dem Gesuch glaubhaft zu machen. Das Gericht soll das persönliche Er-<br />

scheinen der Beteiligten anordnen. Im Verfahren wegen Gefährdung des Kindes-<br />

wohls hat das Gericht unverzüglich den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu<br />

prüfen. Besondere Erörterung ist in § 50 f FGG-E vorgesehen. 471<br />

VII. <strong>Sorge</strong>rechtsverfahren mit Auslandsbezug; Anerkennung ausländischer<br />

<strong>Sorge</strong>rechtsentscheidungen<br />

173 Durch das KindRG ist Art. 21 EGBGB für <strong>Sorge</strong>rechtsverhältnisse mit Auslandsbe-<br />

zug geändert. Maßgeblich wird nun das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des<br />

Kindes; <strong>die</strong> Rechtsbeziehungen zwischen den <strong>Eltern</strong> bzw. in ihrer Ehe sind dage-<br />

gen ohne Bedeutung. Entscheiden dt. Gerichte, haben sie daher nach § 1671 vor-<br />

zugehen, selbst wenn wir für das Scheidungsverfahren ausländisches Recht heran-<br />

ziehen, Art. 17 EGBGB, und danach <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> anders zu verteilen wäre<br />

als wir das für richtig halten oder dort der Fortbestand der <strong>gemeinsam</strong>en elter-<br />

lichen <strong>Sorge</strong> nach Trennung und Scheidung unbekannt ist. Vorrangig ist in weiten<br />

Teilen allerdings das Haager Minderjährigenschutzabk., MSA. Zudem können andere<br />

völkerrechtliche Vereinbarungen Art. 21 EGBGB und das MSA verdrängen, vgl. auch<br />

VO Nr. 2201/2003 für <strong>die</strong> Mitgliedstaaten der EU. Im Verhältnis zum Iran wenden<br />

wir <strong>die</strong> Bestimmungen des MSA nicht an, dt.-iranisches Niederlassungsabkommen,<br />

so dass iranisches Heimatrecht bei uns zur Anwendung kommt, wenn beide <strong>Eltern</strong>-<br />

469 Für alle Verfahren, <strong>die</strong> nicht in vereinfachter Form geführt werden sollten, war<br />

ohnehin anwaltliche Vertretung vorgesehen, Philippi FPR 2006, 406, 407, vgl. im<br />

Übrigen den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Reform des<br />

Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,<br />

Stand 09.05.2007, dazu BR-Drucks. 309/07 und Jacoby FamRZ 2007, 1703.<br />

470 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz, Bearbeitungsstand 18.4.2007,<br />

I A 2-3480/2-3-12611/2007.<br />

471 Sehr kritisch zu <strong>die</strong>sem Gesetzesentwurf Neumann DRiZ 2007, 65.


95<br />

teile (nur) iranische Staatsangehörige sind. 472 Unangemessene Regelungen ausl.<br />

Rechts verdrängen wir über Art. 6 EGBGB (ordre public), doch kann Anpassung<br />

notwendig werden, wenn sie zu aus unserer Sicht tragbaren Ergebnissen führt so<br />

dass, (etwa) dem (iranischen) Vater <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> und <strong>die</strong> Vermögenssorge<br />

belassen werden kann, wenn <strong>die</strong> Mutter <strong>die</strong> tatsächliche Personensorge ausübt wie<br />

das etwa im Iran üblich ist. 473 So stellen wir jedenfalls sicher, dass unsere<br />

Entscheidung im Ausland anerkennungsfähig bleibt oder <strong>die</strong> Anerkennung zumindest<br />

nicht ausscheidet. Ordre public-widrig ist aus unserer Sicht der Stichentscheid<br />

des türkischen Vaters, Art. 263 türk. ZGB; 474 <strong>die</strong>se Regelung ist aber auch in<br />

der Türkei in der Zwischenzeit aufgehoben. Eine im Ausland ergangene <strong>Sorge</strong>-<br />

rechtsentscheidung kann in Deutschland nach § 1696 abgeändert werden. Nimmt ein<br />

(internat. zuständiges) dt. Gericht <strong>die</strong> Voraussetzungen <strong>die</strong>ser Bestimmung an,<br />

kann einem der Beteiligten auch ein Teilbereich der elterl. <strong>Sorge</strong> übertragen<br />

werden, im Übrigen aber das <strong>gemeinsam</strong>e <strong>Sorge</strong>recht festzulegen sein. 475 Deshalb<br />

kann offen bleiben, ob <strong>die</strong> ausl. Entscheidung bei uns anerkennungsfähig ist,<br />

denn jedenfalls steht das Abänderungsverfahren bereit. 476 Vollstreckung in<br />

Deutschland kann nur erfolgen, wenn <strong>die</strong> ausl. Entscheidung einen vollstreckba-<br />

ren Inhalt hat; bei einer <strong>Sorge</strong>rechtsregelung ist das aber nicht der Fall, 477 so<br />

dass Vollstreckbarkeit hergestellt werden muss, wenn <strong>die</strong> Herausgabe betrieben<br />

werden soll. Liegt im Anwendungsbereich des E<strong>Sorge</strong>Ü ein vollstreckungsfähiger<br />

Titel auf Herausgabe des Kindes nicht vor, kann das Gericht nach § 32 IntFamRVG<br />

feststellen, dass <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>rechtsentscheidung oder <strong>die</strong> von der zuständigen Be-<br />

hörde genehmigte <strong>Sorge</strong>rechtsvereinbarung der <strong>Eltern</strong> aus dem anderen Vertrags-<br />

staat anzuerkennen ist und zur Wiederherstellung des <strong>Sorge</strong>verhältnisses auf<br />

Antrag anzuordnen, dass <strong>die</strong> verpflichtete Person das Kind herauszugeben hat.<br />

VIII. Art. 234 § 11 EGBGB<br />

174 Art. 234 § 11 EGBGB. Mit dem Beitritt der neuen Bundesländer ist das bisherige<br />

Erziehungsrecht der <strong>Eltern</strong>, §§ 42 ff. FGB, zum <strong>Sorge</strong>recht nach den Regeln des<br />

BGB geworden. Entscheidungen von Gerichten aus dem Beitrittsgebiet aus der Zeit<br />

zuvor bleiben weiterhin wirksam, Abs. 1 S. 1. Für Änderungen seitdem gilt §<br />

472 Finger FuR 1999, 58; 1999, 158 und 215.<br />

473 OLG Bremen NJW-RR 2000, 3 = FamRZ 1999, 1520 nach OLG Bremen NJW-RR 1992, 1288 =<br />

FamRZ 1992, 343; ausführlich zu <strong>die</strong>sem Punkt Schwab/Motzer (Handbuch) III RdNr.<br />

307 mit Nachw.<br />

474 Zur <strong>Sorge</strong>rechtsregelung für <strong>die</strong> Dauer des Getrenntlebens nach türk. Recht Odendahl<br />

FamRZ 1992, 1327; sonst als Beispiel OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1318.<br />

475 OLG Frankfurt 3 UF 229/00.<br />

476 OLG Frankfurt FamRB 2006, 77 und Schlaus FPR 2006, 228.<br />

477 Dazu Finger FuR 2007, 67.


96<br />

1696. Ist <strong>die</strong> <strong>Sorge</strong>rechtsregelung ausgesetzt (gewesen), §§ 25, 26 FGB, kann nun<br />

gerichtliche Regelung nach § 1671 auch erstmalig erfolgen; ohne Antrag der El-<br />

tern besteht <strong>die</strong> <strong>elterliche</strong> <strong>Sorge</strong> dagegen wie sonst <strong>gemeinsam</strong> fort. Für § 1631<br />

b benötigen <strong>die</strong> <strong>Eltern</strong> eine gerichtliche Entscheidung; liegt sie bisher nicht<br />

vor, ist <strong>die</strong> Unterbringung spätestens nach Ablauf von sechs Monaten zu beenden,<br />

Abs. 4 S. 3. 478<br />

478 Zur Überprüfung einer strafrechtlichen Unterbringung BezG Dresden DtZ 1993, 31.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!