EbM & Individualisierte Medizin - Deutsches Netzwerk ...
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Das Verharren der Ausbildung unter hochschulischem Niveau verhindert eine Verbreitung<br />
von Qualifikationen, die für EBP erforderlich sind, wie z.B. Kenntnisse in<br />
Forschungsmethodik und Statistik, Datenbankrecherche, kritischer Bewertung von<br />
Literatur. In der Fläche werden die erforderlichen Qualifikationen dem Berufsstand aus<br />
fachfremden Erwägungen vorenthalten.<br />
Die derzeitige Gestaltung der Strukturen der Leistungserbringung verhindert EBP.<br />
Physiotherapeutische Leistungserbringung außerhalb des klinischen Bereichs ist in der<br />
Regel eingebunden in die Vorgaben der Heilmittelrichtlinie und des Heilmittelkatalogs.<br />
Dessen Vorgaben lassen dem Leistungserbringer hinsichtlich einer EBP wenig Spielraum<br />
für individuelle Abwägungen vor dem Hintergrund der jeweiligen Evidenzlage. Auch<br />
innerhalb des klinischen Bereichs findet eine Integration vorhandener Evidenz nicht im<br />
Regelfall statt.<br />
Lösungsansätze:<br />
Auf der einen Seite bedarf es einer Bildungsoffensive, um die für die EBP erforderlichen<br />
Qualifikationen in der Fläche im Berufsstand zu verbreiten. Auf der anderen Seite hat<br />
EBP nur dann Aussicht auf Realisierung, wenn im Rahmen von Modellversuchen gezeigt<br />
werden kann, dass die Befähigung zur und Implementation von EBP zu besseren<br />
Outcomes und zu einer effizienteren Ressourcenallokation führt.<br />
I/3c Die Weiterentwicklung und Anwendung der Forschungspyramide in der<br />
Physiotherapie<br />
Bernhard Borgetto, Andrea Pfingsten<br />
Die Forschungspyramide ist ein Modell als Basis für Clinical Reasoning und Clinical<br />
Decision Making in der Physiotherapie. Es basiert auf einer Dekonstruktion der<br />
klassischen Hierarchie der externen Evidenz und einer Rekonstruktion der<br />
Evidenzhierarchie nach den Kriterien interne und externe Validität (experimentelle und<br />
beobachtende Studien) sowie nach den Kriterien Abstraktion und Konkretion (quantitative<br />
und qualitative Studien). Dabei bestehen zwischen den Seiten teilweise fließende<br />
Übergängen.<br />
Experimentelle Studien werden in der Forschungspyramide als Studien definiert, in denen<br />
die Intervention (die unabhängige Variable) zum Zwecke der Studie manipuliert wird.<br />
Beobachtende Studien hingegen sind darauf angelegt, den Untersuchungsgegenstand<br />
einschl. der unabhängigen Variablen durch die Studie zwar zu erfassen, aber möglichst<br />
wenig zu beeinflussen. Beide Varianten quantitativer Studien untersuchen unmittelbar<br />
quantifizierbare Merkmale, qualitative Studien hingegen arbeiten mit akustischem<br />
(verbalem) und optischem (Beobachtungen) Material, welches zunächst einem<br />
Interpretationsprozess durch die Forscher unterzogen werden muss. Qualitative<br />
Untersuchungsergebnisse sind prinzipiell quantifizierbar, umgekehrt sind quantitativ<br />
erhobene Daten einer qualitativen Interpretation nicht zugänglich.<br />
Somit ergeben sich vier Hierarchien bezogen auf die interne Validität der Studiendesigns,<br />
welche jeweils unterschiedlich abstrakte bzw. konkrete Aussagen sowie intern bzw.<br />
extern valide Studienergebnisse ermöglichen: experimentelle und beobachtende<br />
quantitative bzw. qualitative Studien. Diese bilden – in der neuen Fassung – vier Seiten<br />
der Forschungspyramide. Die höchste Stufe der externen Evidenz ist so nur zu erreichen,<br />
wenn Studien mit höchstmöglicher interner Validität von allen vier Seiten vorliegen und in<br />
einem systematischen Review (quantitativ-qualitative Meta-Analyse) integriert wurden.<br />
Systematische Reviews, die auf der Grundlage der Forschungspyramide durchgeführt<br />
werden, bilden den zum jeweiligen Zeitpunkt der Recherche höchsten Grad an externer<br />
Evidenz ab. Sie bieten aktuelle Informationen zu dem Wirkungspotenzial einer<br />
Intervention unter idealen Rahmenbedingungen und zu den bislang erzielten Wirkungen<br />
unter alltäglichen (ggf. auch unterschiedlichen) Rahmenbedingungen. Sie stellen<br />
gleichzeitig abstrakte, statistisch abgesicherte Informationen zur Verfügung, die den Grad<br />
der Sicherheit bzw. Unsicherheit beim Transfer der auf ihrer Grundlage gewonnenen<br />
Handlungsempfehlungen auf einen einzelnen Patienten quantifizieren, sowie konkrete,<br />
interpretativ abgesicherte Informationen, die helfen, die auf der Erfahrung beruhenden<br />
Handlungsintentionen zu systematisieren und mögliche Handlungsoptionen aufzeigen.<br />
Durch solchermaßen ausgearbeitet systematische Reviews erhöht sich die<br />
<strong>EbM</strong> 2011: <strong>EbM</strong> & <strong>Individualisierte</strong> <strong>Medizin</strong><br />
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