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Bürgerschaftliches Engagement - CDU Deutschlands

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Drucksache 14/8900 – 108 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />

tel der Bürgerinnen und Bürger konfessionell nicht<br />

gebunden sind. Für das <strong>Engagement</strong>niveau in den<br />

ostdeutschen Bundesländern hat dies in doppelter Hinsicht<br />

Konsequenzen: Zum einen ist bekannt, dass<br />

Kirchenbindung bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong> grundsätzlich<br />

begünstigt; zum anderen stellen die Kirchen<br />

im Westen einen wesentlichen Teil der Infrastruktur<br />

für bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong> (vgl. Gensicke 2000:<br />

28f., 52f.).<br />

– Infrastruktur für bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong>: Die<br />

vorliegenden Daten weisen darauf hin, dass in den<br />

neuen Ländern deutlich weniger Bürgerinnen und<br />

Bürger Mitglied in Vereinen, Gewerkschaften, Parteien,<br />

Bürgerinitiativen und anderen Organisationen<br />

sind. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass viele in<br />

der DDR bestehende Organisationen nach der Wende<br />

aufgelöst wurden. Diejenigen Organisationen, die wie<br />

die Volkssolidarität weiterbestanden, verloren eine<br />

große Zahl ihrer Mitglieder und ehrenamtlichen Helfer.<br />

Da Vereine und andere Organisationen wichtige<br />

Gelegenheits- und Infrastrukturen für bürgerschaftliches<br />

<strong>Engagement</strong> zur Verfügung stellen, trägt die geringere<br />

Organisations- und Mitgliedschaftsdichte in<br />

den neuen Ländern entscheidend zum geringeren <strong>Engagement</strong>niveau<br />

bei (vgl. Gensicke 2000: 39).<br />

Ein weiterer Erklärungsfaktor für das West-Ost-Gefälle<br />

im bürgerschaftlichen <strong>Engagement</strong> liegt in der<br />

Rolle der Wohlfahrtsverbände. Der Aufbau der Freien<br />

Wohlfahrtspflege in den neuen Ländern folgte dem<br />

westdeutschen Modell, allerdings ohne die traditionellen<br />

sozialen Milieus der Wohlfahrtsverbände, die<br />

in Ostdeutschland vielfach nicht vorhanden waren.<br />

Die Wohlfahrtsverbände konzentrierten sich daher in<br />

den neuen Ländern in erster Linie darauf, professionelle<br />

soziale Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.<br />

<strong>Bürgerschaftliches</strong> <strong>Engagement</strong> hat vor diesem<br />

Hintergrund in den ostdeutschen Wohlfahrtsverbänden<br />

einen geringeren Stellenwert als im Westen<br />

(vgl. Angerhausen/Backhaus-Maul/Offe/Olk/Schiebel<br />

1998).<br />

– Institutioneller Rahmen: Der Verein ist in Ost und<br />

West der wichtigste institutionelle Rahmen für bürgerschaftliches<br />

<strong>Engagement</strong>. Rund die Hälfte der freiwilligen<br />

Tätigkeiten findet dort statt. Während in den<br />

alten Ländern kirchliche und religiöse Vereinigungen<br />

mit 15 % als zweitwichtigste Träger von <strong>Engagement</strong><br />

in Erscheinung treten, können sie im Osten mit 7 %<br />

nur halb so viel <strong>Engagement</strong> binden (vgl. Gensicke<br />

2000: 72f.). In den neuen Bundesländern sind<br />

staatliche und kommunale Einrichtungen mit 14 % der<br />

zweitwichtigste organisatorische Rahmen für bürgerschaftliches<br />

<strong>Engagement</strong>. Dies verweist auf grundlegende<br />

Strukturunterschiede: In Ostdeutschland sind<br />

viele Vereine, Initiativen und Projekte – traditionsbedingt<br />

und transformationsgefördert – durch eine ausgeprägte<br />

Staatsnähe gekennzeichnet, da ihre Einrichtungen<br />

aus öffentlichen Fördermitteln entstanden und<br />

weiterhin von ihnen abhängig sind (vgl. Roth 2001:<br />

18).<br />

– Arbeitslosigkeit und bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong>:<br />

Im Osten wie im Westen engagieren sich Arbeitslose<br />

deutlich weniger als Erwerbstätige. Die höhere Arbeitslosigkeit<br />

in den neuen Bundesländern trägt wesentlich<br />

dazu bei, dass sich Bürgerinnen und Bürger<br />

stärker auf den Beruf oder auf den Wiedereinstieg in<br />

den Arbeitsmarkt konzentrieren und sich weniger am<br />

öffentlichen Leben beteiligen und engagieren. Da ostdeutsche<br />

Frauen in besonderem Maße von Arbeitslosigkeit<br />

betroffen sind, liegt ihre <strong>Engagement</strong>quote mit<br />

23 % deutlich unterhalb der Quote ostdeutscher Männer<br />

(34 %) und westdeutscher Frauen (32 %). Hausfrauen,<br />

die in den alten Ländern besonders stark bürgerschaftlich<br />

engagiert sind, machen prozentual in<br />

Ostdeutschland einen erheblich niedrigeren Bevölkerungsanteil<br />

aus (vgl. Gensicke 2000: 40f.).<br />

Die hohe Arbeitslosigkeit wirkt sich auch auf die Erwartungen<br />

aus, die mit bürgerschaftlichem <strong>Engagement</strong><br />

in Ostdeutschland verbunden werden. Bürgerinnen<br />

und Bürger erwarten dort von ihrem<br />

bürgerschaftlichen <strong>Engagement</strong> häufiger auch einen<br />

beruflichen Nutzen. Dies gilt für die bereits Engagierten<br />

ebenso wie – in besonderem Maße – für die an einem<br />

<strong>Engagement</strong> Interessierten. Beinahe die Hälfte<br />

dieser Gruppe verspricht sich von bürgerschaftlichem<br />

<strong>Engagement</strong> auch berufliche Vorteile. Besonders ausgeprägt<br />

ist dieser Wunsch wiederum bei ostdeutschen<br />

Frauen (vgl. Gensicke 2000: 76–81, 93f.).<br />

Auffallend ist auch, wie häufig finanzielle Aspekte<br />

und fehlender Versicherungsschutz von potenziell Engagierten<br />

als Hinderungsgründe für die Aufnahme eines<br />

<strong>Engagement</strong>s genannt werden. Die Sorge um die<br />

materielle Absicherung überträgt sich vor dem Hintergrund<br />

der prekären Arbeitsmarktsituation auch auf das<br />

bürgerschaftliche <strong>Engagement</strong> (vgl. Gensicke 2000:<br />

87f., 98).<br />

Schließlich weist auch die Altersstruktur beim bürgerschaftlichen<br />

<strong>Engagement</strong> Unterschiede zwischen Ost<br />

und West auf. Die Gruppe der 40- bis 59-Jährigen, die<br />

in den alten Ländern überproportional häufig freiwillig<br />

tätig ist, engagiert sich in den neuen Bundesländern<br />

deutlich weniger. Dabei spielt sicherlich die Auflösung<br />

von Organisationen aus der DDR-Zeit und die<br />

Beendigung von Tätigkeiten aus politischen Gründen<br />

eine Rolle. Zum anderen ist jedoch diese in der DDR<br />

sozialisierte Generation in besonderer Weise von Arbeitslosigkeit<br />

und dem Bemühen um die Wiedereingliederung<br />

in das Berufsleben betroffen (vgl. Gensicke<br />

2000: 40–42).<br />

Besonderheiten bürgerschaftlichen <strong>Engagement</strong>s<br />

Die skizzierten empirischen Befunde bieten bereits einige<br />

Erklärungsansätze für die Unterschiede im <strong>Engagement</strong>niveau<br />

zwischen Ost und West. Neben den Vergleichsdaten<br />

müssen auch die eigenen Entwicklungspfade des<br />

bürgerschaftlichen <strong>Engagement</strong>s betrachtet werden, die<br />

sich in den letzten zehn Jahren in Ostdeutschland herausgebildet<br />

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