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Bürgerschaftliches Engagement - CDU Deutschlands

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 45 – Drucksache 14/8900<br />

und Bürgern und einem starken, paternalistischen Staat<br />

kennzeichnet weite Strecken der deutschen Geschichte<br />

und wirkt bis heute nach: auf die Formen von Politik und<br />

Verwaltung wie auf die Verhaltensmuster der Angehörigen<br />

des politischen Gemeinwesens. Eine Stärkung der<br />

Bürgergesellschaft bedeutet daher eine Veränderung des<br />

Verhältnisses zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern,<br />

eine „neue bürgerschaftliche Verantwortungsteilung“.<br />

In aktuellen Diskussionen wie in der Entwicklung bürgerschaftlichen<br />

<strong>Engagement</strong>s zeigt sich eine solche Verantwortungsteilung<br />

jetzt schon: Bürgerinnen und Bürger,<br />

die heute vielfältige Kompetenzen haben, wollen bei der<br />

Modernisierung von Staat und Gesellschaft Verantwortung<br />

übernehmen, zumal der Staat nicht mehr in der Lage<br />

ist, Krisen am Arbeitsmarkt oder Ausgrenzungstendenzen<br />

in den Städten allein zu regulieren. Bürgerinnen und Bürger<br />

werden als Experten ihres eigenen Alltagslebens bezeichnet.<br />

Sie verfügen über Interesse, Wissen und Handlungskompetenz,<br />

auf deren Grundlage eine effektive<br />

Gestaltung kollektiver Angelegenheiten besser möglich<br />

ist als durch ausschließlich staatliche Regulierung. Demokratietheoretische<br />

Forderungen nach einer Stärkung<br />

der Mitwirkungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten<br />

zielen in die gleiche Richtung.<br />

In jedem Fall soll die Bürgergesellschaft und damit das sie<br />

begründende bürgerschaftliche <strong>Engagement</strong> gegenüber<br />

der Staatstätigkeit ein größeres Gewicht bekommen. In einem<br />

neuen Verhältnis von Staat und Bürgergesellschaft<br />

wird sich mit der Rolle des Staates auch sein Handeln verändern.<br />

Er wird zum ermöglichenden Staat, der die Entfaltung<br />

bürgerschaftlichen <strong>Engagement</strong>s begleitet und unterstützt.<br />

Er fördert die kooperativen Strukturen und<br />

beteiligt sich selbst als Partner an kooperativen Entscheidungsprozessen.<br />

Das Konzept der Politik als „Regierung<br />

von oben“ wird herausgefordert und ergänzt durch Konzepte<br />

einer „Governance“: Vorstellungen eines Regierens,<br />

für das die Bürgergesellschaft und ihre Zusammenschlüsse<br />

Mitverantwortung tragen.<br />

Herkömmliche Politik- und Verwaltungsmuster beschränken<br />

sich häufig darauf, oben gefasste politische Beschlüsse<br />

nach unten durchzusetzen. Eine Logik, die die<br />

Wünsche, Vorschläge und Aktivitäten der engagierten<br />

Bürgerinnen und Bürger zum Ausgangspunkt politischen<br />

Handelns nimmt, wird die repräsentative politische Willensbildung<br />

durch direktdemokratische und deliberative<br />

Formen ergänzen und bestehende Institutionen einer<br />

„Verträglichkeitsprüfung“ hinsichtlich des bürgerschaftlichen<br />

<strong>Engagement</strong>s unterziehen.<br />

Folgenlosigkeit ist der Tod jeder Bürgerbeteiligung. Bürgerinnen<br />

und Bürger werden sich auf Dauer nicht engagieren,<br />

wenn ihre Vorschläge und Anliegen nicht umgesetzt<br />

werden. Sie brauchen Beteiligungsgarantien und<br />

gleiche Zugangsmöglichkeiten. Der im Deutschen nur<br />

schwer übersetzbare Begriff „empowerment“ umfasst das<br />

Recht auf Beteiligung ebenso wie Anerkennung und die<br />

Ausstattung mit Macht und Kompetenz. Gesellschaftliche<br />

Steuerung wird im besten Fall zu einer Selbststeuerung<br />

von Netzwerken, in denen die staatlichen Instanzen ein<br />

wichtiger Knotenpunkt sind. Staat und Kommunen<br />

kommt unter diesen Bedingungen ein neues Selbstverständnis<br />

zu: weg von der Vorstellung einer staatlichen und<br />

kommunalen Allzuständigkeit hin zu einem Selbstverständnis<br />

als gewährleistende, moderierende und ermöglichende<br />

Instanz.<br />

Im Zusammenhang von bürgerschaftlichem <strong>Engagement</strong><br />

und Zivilgesellschaft kommt es darauf an, die nötigen Anforderungen<br />

an Staat und Gesellschaft zu formulieren;<br />

Möglichkeiten herauszuarbeiten, um den erkennbaren<br />

Trend einer Aufwertung der Bürgergesellschaft zu stärken,<br />

Hindernisse aus dem Weg zu räumen, staatliche Institutionen<br />

auf ihre zukünftigen Aufgaben vorzubereiten<br />

und – nicht zuletzt – Regelungen vorzuschlagen, die bürgerschaftliches<br />

<strong>Engagement</strong> ermöglichen und die Engagierten<br />

beim Erwerb notwendiger Kompetenzen unterstützen.<br />

Eine leistungsfähige Bürgergesellschaft entsteht jedoch<br />

nicht nur zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern allein.<br />

Vereine, Verbände, Assoziationen aller Art bilden<br />

ihren Organisationskern, tragen gesellschaftliche Selbstorganisation<br />

und stärken bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong><br />

gegenüber der Macht des Staates. Nur eine organisierte<br />

Bürgergesellschaft wird in der Lage sein, Verantwortung<br />

zu übernehmen und dem Staat als Akteur gegenüberzutreten.<br />

Organisationen zu schützen und zu stützen, aber<br />

auch ihre Öffnung für <strong>Engagement</strong> und Beteiligung anzuregen,<br />

ist daher ebenso wichtig wie die Veränderung des<br />

Verhältnisses zwischen Staat und Bürger.<br />

<strong>Bürgerschaftliches</strong> <strong>Engagement</strong> kann in einer entfalteten<br />

Bürgergesellschaft nur dann zum Alltag werden, wenn<br />

möglichst vielen Menschen dafür Zeit und Ressourcen<br />

(materielle Absicherung, Kompetenz, persönliche Sicherheit,<br />

soziale Bindungen) zur Verfügung stehen. Das verweist<br />

auf den Zusammenhang zwischen bürgerschaftlichem<br />

<strong>Engagement</strong>, Erwerbsarbeit und Sozialstaat. Die<br />

Gelegenheitsstrukturen für bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong><br />

werden von verschiedenen Akteuren mitbestimmt:<br />

von Unternehmen und Gewerkschaften, von Verbänden<br />

und dem Staat.<br />

<strong>Bürgerschaftliches</strong> <strong>Engagement</strong> und Erwerbsarbeit<br />

Die moderne Gesellschaft ist, aus der Perspektive der gesellschaftlichen<br />

Arbeit gesehen, in vielerlei Hinsicht<br />

eine Erwerbsarbeitsgesellschaft: Die Erwerbsarbeit ist die<br />

Grundlage für Einkommen, persönliche Anerkennung,<br />

soziale Integration und soziale Sicherheit. In dieser Erwerbsarbeitsgesellschaft<br />

ist immer noch die geschlechtsspezifische<br />

Arbeitsteilung vorherrschend, die Frauen die<br />

Hauptverantwortung für die Familie zuweist und so ihre<br />

Teilhabe an der Erwerbsarbeit brüchig macht.<br />

Der Blick auf bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong> aus der Perspektive<br />

der gesellschaftlichen Arbeit greift auf drei Diskussionsstränge<br />

zurück:<br />

– die Diskussion um die „Krise“ der Arbeitsgesellschaft,<br />

um die Kernthese, dass der Gesellschaft auf<br />

Dauer die Erwerbsarbeit ausgeht (vgl. z.B. Rifkin<br />

1995);

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