Bürgerschaftliches Engagement - CDU Deutschlands
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Drucksache 14/8900 – 58 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode<br />
zu erbringen sind, in den Vordergrund stellt. Die Instrumentalisierung<br />
der Engagierten für (partei-)politische<br />
oder ökonomische Zwecke würde mit der Zerstörung des<br />
Grundansatzes der Selbstermächtigung und Selbstorganisation<br />
auch den gesellschaftlichen Nutzen bürgerschaftlichen<br />
<strong>Engagement</strong>s nachhaltig beeinträchtigen und<br />
womöglich ganz zerstören.<br />
<strong>Engagement</strong>förderung darf daher nicht auf die Aufhebung<br />
der Autonomie bürgerschaftlichen <strong>Engagement</strong>s hinauslaufen,<br />
wie es gelegentlich auch von Engagierten befürchtet<br />
wird. Diese Anforderung ist insbesondere dort<br />
zentral, wo der hoheitliche Gewalt ausübende Staat dem<br />
bürgerschaftlichen <strong>Engagement</strong> als Gesetz- und Verordnungsgeber<br />
gegenübertritt. Damit bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong><br />
seinen Eigensinn bewahren kann, ist es notwendig,<br />
dass bei der <strong>Engagement</strong>förderung, die sich als<br />
Querschnittsaufgabe verstehen soll, die vielfältigen Motive<br />
der Engagierten und der freiwillige und unentgeltliche<br />
Charakter nicht verloren gehen dürfen.<br />
Die Betonung der Bedeutung von Netzwerken bürgerschaftlichen<br />
<strong>Engagement</strong>s als ‚Sozialkapital‘ legt gerade<br />
nahe, dass die Unterstützung lediglich indirekt, also durch<br />
die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen, geschehen<br />
kann. Erfahrungen mit Vertrauensbildung und Zusammenarbeit<br />
können sich nur im Rahmen von Selbstorganisation<br />
einstellen. Eine Förderung, die diese Tatsache<br />
nicht berücksichtigt, unterminiert die bereichsübergreifende<br />
Brückenfunktion der Netzwerke bürgerschaftlichen<br />
<strong>Engagement</strong>s. Sie verspielt ihr legitimatorisches Potenzial<br />
und schränkt den Nutzen, der aus solchen Formen der<br />
Zusammenarbeit für die beteiligten Gruppen, aber auch<br />
die Öffentlichkeit insgesamt erwächst, empfindlich ein.<br />
Eine politische Konzeption, die bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong><br />
als Beitrag zur Erarbeitung gesellschaftlich relevanter<br />
Lösungen und als Bestandteil einer politischen Ordnung<br />
ernst nimmt, wird bisherige Regelungen und künftige<br />
Handlungsvorschläge am Grundsatz des Respekts vor gesellschaftlicher<br />
Selbstorganisation messen: Sind die Vorschläge<br />
geeignet, Menschen bei ihrem Versuch zur freiwilligen<br />
und gemeinsamen Problemlösung zu ermutigen?<br />
Wird durch eine Maßnahme bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong><br />
als solches oder lediglich der kurzfristige Nutzen für<br />
einen staatlichen Aufgabenträger gefördert?<br />
In diesem Zusammenhang gewinnt die bereits skizzierte<br />
Idee des ermöglichenden Staates eine besondere Bedeutung.<br />
Der ermöglichende Staat sieht es als seine Aufgabe<br />
an, Kräfte der Gesellschaft darin zu unterstützen, selbstermächtigt,<br />
selbstorganisiert, in sozialer und bürgerschaftlicher<br />
Verantwortung Beiträge zum Gemeinwohl zu<br />
leisten. Die Förderung bürgerschaftlichen <strong>Engagement</strong>s<br />
ist naturgemäß ein primäres Tätigkeits- und Bewährungsfeld<br />
für ein solches Staatsverständnis.<br />
Der Begriff des ermöglichenden Staates muss jedoch im<br />
Licht der Konzeption einer Bürgergesellschaft noch einmal<br />
überprüft werden. Staat, Markt, Privatsphäre und<br />
Bürgergesellschaft sind unterschiedliche Segmente eines<br />
Ganzen. Während der Staat innerhalb der Gesellschaft<br />
zentrale Funktionen, etwa die des Gewaltmonopols,<br />
wahrnimmt, ist ‚Aktivierung‘ keinesfalls allein oder auch<br />
nur vordringlich Staatsaufgabe. Vielmehr ist es Aufgabe<br />
des bürgerschaftlichen <strong>Engagement</strong>s und demokratischer<br />
Partizipation, den Staat und die Wirtschaft zu Akteuren<br />
der Bürgergesellschaft zu machen.<br />
Zur Idee der Bürgergesellschaft gehört die Vision einer<br />
Kooperation von Akteuren, die einander trotz offensichtlich<br />
großer Unterschiede in Organisation und Funktion als<br />
gleichrangige Partner gegenübertreten. Den Rahmen bildet<br />
der Recht setzende Staat. Das Recht hat dabei den<br />
Auftrag, Schutz zu gewährleisten, Grenzen zu ziehen,<br />
Handlungsmöglichkeiten zu schaffen sowie diese Handlungsräume<br />
zu strukturieren. (vgl. Schuppert 2000). Allerdings<br />
widerstrebt der prozessuale Charakter der Bürgergesellschaft<br />
als Lern- und Entwicklungsprozess einer<br />
langfristigen rechtlichen Normierung und stellt an eine flexible<br />
und gleichzeitig Sicherheit gewährleistende Rechtsetzung<br />
und Rechtsanwendung neue Anforderungen.<br />
Eine wichtige Unterstützung durch öffentliche Stellen<br />
und Partnerorganisationen aus der Wirtschaft muss unter<br />
diesen Voraussetzungen darin bestehen, <strong>Engagement</strong>willige<br />
mit genauen und zuverlässigen Informationen zu versorgen,<br />
sie dabei aber ihre eigenen Vereinbarungen treffen<br />
zu lassen, damit sie mit ihren spezifischen Aufgaben und<br />
Schwierigkeiten zurechtkommen. Nicht die Festlegung<br />
auf Organisationsprinzipien eines anderen Sektors, sondern<br />
die Erhaltung der spezifischen Arbeitsweise muss im<br />
Vordergrund stehen. Gerade in Bezug auf bereichsübergreifende<br />
Kooperationsformen könnte die Bereitstellung<br />
von vernünftigen und kostengünstigen Mechanismen zur<br />
Konfliktlösung (z.B. Mediations- und Moderationsleistungen)<br />
oder auch schon eine Vermittlung geeigneter Partnerorganisationen<br />
eine wichtige Unterstützungsleistung<br />
darstellen. Das Zustandekommen bereichsübergreifender<br />
<strong>Engagement</strong>formen (‚bridging social capital’) z.B. zwischen<br />
Wirtschaft und Bürgergesellschaft, aber auch zwischen<br />
Bürgerinnen und Bürgern und Gesundheits- bzw.<br />
Bildungsinstitutionen erfordert nicht nur eine gemeinsame<br />
Problemwahrnehmung, sondern auch spezifische<br />
Kompetenzen der Verständigung über unterschiedliche<br />
Mentalitäten und Arbeitsstile hinweg (vgl. Habisch 1999a,<br />
1999c).<br />
Der Politik muss es darum gehen, <strong>Engagement</strong> zu stimulieren<br />
und zu motivieren, anstatt – wie subtil auch immer –<br />
ihm die eigenen Zielvorstellungen aufzuzwingen oder<br />
– im anderen Extrem – das bürgerschaftliche <strong>Engagement</strong><br />
beim eigenen Handeln in seiner Relevanz vollständig zu<br />
vernachlässigen.<br />
A5. Zugänge zum bürgerschaftlichen<br />
<strong>Engagement</strong><br />
Mitglieder der Enquete-Kommission aus der Fraktion<br />
der SPD und sachverständige Mitglieder: Dr. Michael<br />
Bürsch (Vorsitzender), Abg. Renate Gradistanac,<br />
Abg. Karin Kortmann, Abg. Ute Kumpf, Abg. Karsten<br />
Schönfeld (Mitglieder), Prof. Dr. Adelheid Biesecker,<br />
Priv. Doz. Dr. Gerd Mutz, Ludwig Pott, Manfred<br />
Spangenberg, Olaf Zimmermann (sachverständige<br />
Mitglieder), Abg. Lothar Binding, Abg. Peter Dreßen,<br />
Abg. Lilo Friedrich, Abg. Dieter Grasedieck,<br />
Abg. Wilhelm Schmidt (stellvertretende Mitglieder)