Herausforderungen des demografischen Wandels
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124 Produktionspotenzial in der mittleren und langen Frist<br />
Sachverständigenrat - Expertise 2011<br />
I. Wirkungskanäle<br />
190. Demografische Veränderungen wirken grundsätzlich über zwei Kanäle auf das Produktionspotenzial<br />
einer Volkswirtschaft. Zum einen ergeben sich Effekte durch die Variation der<br />
absoluten Bevölkerungszahl, insbesondere der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, die direkte<br />
und – durch Verhaltenseffekte hervorgerufene – indirekte Auswirkungen auf das Produktionspotenzial<br />
(quantitativer Effekt) haben. Zum anderen beeinflusst die Veränderung der<br />
Altersstruktur der Bevölkerung das Produktionspotenzial (Struktureffekt).<br />
1. Quantitativer Effekt<br />
191. Neben den im vierten Kapitel beschriebenen direkten Auswirkungen <strong>des</strong> <strong>demografischen</strong><br />
<strong>Wandels</strong> kann eine Veränderung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter Verhaltensanpassungen<br />
bei den Unternehmen und privaten Haushalten bewirken und dadurch indirekt<br />
Auswirkungen auf das Arbeitsvolumen und damit auf das Produktionspotenzial haben. So<br />
dürfte eine sinkende Anzahl von Personen im erwerbsfähigen Alter unter sonst gleichen Bedingungen<br />
zu höheren Arbeitskosten führen, was Unternehmen wiederum Anreize liefert,<br />
arbeitsparende organisatorische Maßnahmen zu ergreifen oder gar den Produktionsstandort zu<br />
verlassen. Dieser indirekte quantitative Effekt impliziert einen negativen Zusammenhang zwischen<br />
dem Wachstum der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und der Arbeitsproduktivität.<br />
Mehrere Studien stellen tatsächlich einen quantitativ bedeutsamen negativen Zusammenhang<br />
zwischen diesen beiden Größen fest. Eine Analyse für 18 entwickelte Volkswirtschaften zeigt,<br />
dass bis in die 1990er-Jahre hinein eine jährliche Zunahme der Erwerbstätigkeit von 1 vH<br />
einen negativen Effekt auf die Wachstumsrate <strong>des</strong> Bruttoinlandsprodukts pro Kopf von ebenfalls<br />
fast 1 vH hatte. Andere Studien ermitteln sogar noch größere Effekte. So war die Wachstumsrate<br />
der Arbeitsproduktivität in den Vereinigten Staaten im Zeitraum von 1950 bis 1999<br />
negativ mit der Zuwachsrate der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter korreliert: Eine um<br />
einen Prozentpunkt höhere Wachstumsrate der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter hat die<br />
jahresdurchschnittlichen Zuwachsraten der Arbeitsproduktivität um 1,5 Prozentpunkte verringert,<br />
wobei dieser Effekt fast vollständig durch eine Reduktion der totalen Faktorproduktivität<br />
hervorgerufen wurde (Little und Triest, 2002).<br />
192. Ein weiterer indirekter quantitativer Effekt kann sich aus der Bildungsentscheidung der<br />
privaten Haushalte ergeben. Beispielsweise zeigen die Ergebnisse einer Studie zum Zusammenhang<br />
von Fertilität und Bildungsinvestitionen, dass ein Rückgang der Geburtenziffer tendenziell<br />
höhere Bildungsinvestitionen zur Folge hat. Bemerkenswert ist hierbei allerdings,<br />
dass dies nicht ein einseitiges Phänomen ist, sondern vielmehr in beide Richtungen verläuft,<br />
sodass vermehrte Bildungsinvestitionen wiederum zu einer niedrigeren Geburtenziffer führen<br />
(Bloom und Canning, 2005).<br />
2. Struktureffekte<br />
193. Im Hinblick auf die ökonomischen Auswirkungen ist seit den 1990er-Jahren die Altersstruktur<br />
der Arbeitnehmer als dominierender Faktor <strong>des</strong> <strong>demografischen</strong> <strong>Wandels</strong> in den<br />
Mittelpunkt von Untersuchungen gerückt. Die Wirkung dieses Struktureffekts auf das Pro-