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der steirer land

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Johann Orell<br />

„Die Ross san hin“.<br />

„Meine frühe Kindheit verbrachte ich in Wagna“,<br />

beginnt Herr Orell seine Erzählung. „Und dort ereignete sich<br />

auch jene Begebenheit, die ich heute noch genauso vor mir<br />

sehe wie anno dazumal, als ich sie erlebt habe. Ich war damals<br />

gerade in die erste Klasse <strong>der</strong> Volksschule gekommen. Wir<br />

hatten ein Haus in Wagna und meine Mutter betrieb ein kleines<br />

Lebensmittelgeschäft vor <strong>der</strong> Landschabrücke. Es war ein<br />

richtiger kleiner Greislerladen, in dem man alles kaufen konnte,<br />

was man zur damaligen Zeit im Alltagsleben so brauchte. Neben<br />

<strong>der</strong> Greislerei befand sich das Gasthaus Meier, welches damals<br />

ein beliebtes Einkehrgasthaus für Fuhrwerker auf ihrem Weg<br />

Richtung Süden war. Die Straßen waren damals noch nicht<br />

asphaltiert und die Landschabrücke aus Holz. Für mich war es<br />

immer ein Erlebnis, nach <strong>der</strong> Schule bei Mutter im Geschäft<br />

zu sein. Viel gab es da zu tun, war doch die heutige B67 schon<br />

damals eine wichtige Handels- und Reisestraße. Es war auch<br />

jene Zeit, in <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Verkehr langsam zu wandeln begann.<br />

Viele Fuhrwerke waren noch auf <strong>der</strong> Straße zu sehen, aber<br />

auch immer mehr Lastkraftwagen wurden zum Warentransport<br />

verwendet. Und so ein LKW war es auch, <strong>der</strong> eine zentrale Rolle<br />

in meiner Erinnerung spielt.<br />

An jenem Tag spielte und tollte ich vor unserem Geschäft<br />

herum. Ein Fuhrwerker mit seinem Pferdegespann und einem<br />

ordentlichen Wagen dahinter lenkte beim Gasthaus Meier ein um<br />

Rast zu machen. Das Fuhrwerk mit samt den Pferden blieb vor<br />

dem Haus stehen und <strong>der</strong> gute Mann begab sich nach drinnen.<br />

Kurz darauf näherte sich aus Süden kommend ein Lastwagen. Er<br />

donnerte über die Landschabrücke und anstatt auf <strong>der</strong> Straße<br />

zu bleiben, donnerte er in voller Fahrt in das dort stehende<br />

Fuhrwerk. Der fürchterliche Lärm des Zusammenstoßes riss<br />

nicht nur mich aus meinem Spiel son<strong>der</strong>n auch alle Leute im<br />

Gasthaus und in <strong>der</strong> Nachbarschaft aus ihren jeweiligen Beschäftigungen.<br />

Mit voller Wucht hatte <strong>der</strong> Lastwagen sowohl<br />

die beiden Pferde wie auch den Anhänger gerammt. Die Tiere<br />

lagen auf <strong>der</strong> Seite und hun<strong>der</strong>te Holzsplitter von Wagen und<br />

Rä<strong>der</strong>n verstreut umher. Der Schock war allen Anwesenden<br />

einschließlich mir selbst ins Gesicht geschrieben. Viele Leute<br />

liefen zusammen und rangen sich um den Schauplatz. Der<br />

Fahrer stieg kreidebleich aus seinem LKW aus und relativ rasch<br />

war klar, dass dieser einen ordentlichen Rausch hatte. „Die<br />

Ross san hin“, hörte ich jemanden sagen. Es wurde geredet<br />

und geschrieen, alles ging darunter und darüber, bis sich dann<br />

irgendjemand aufmachte die Polizei zu holen. Zum Glück<br />

wurden keine Menschen verletzt, aber die beiden toten Pferde<br />

taten mir unendlich leid. Irgendwann später kam endlich ein<br />

Polizist mit dem Fahrrad an und es wurde alles aufgenommen<br />

und auch die Zeugen befragt.<br />

Einige Wochen später<br />

kam es dann vor Ort zu einer Verhandlung. Der Richter<br />

fuhr bereits mit einem Auto vor und alle Zeugen, so auch ich,<br />

mussten das Gesehene nochmals erzählen. Natürlich erhielt <strong>der</strong><br />

betrunkene Lastwagenfahrer eine Strafe, aber diese fiel sehr<br />

milde aus. Seine Trunkenheit wurde damals nämlich noch<br />

als strafmil<strong>der</strong>nd gewertet. Erst Ende <strong>der</strong> 50er – Anfang <strong>der</strong><br />

60er Jahre wurde <strong>der</strong> Alkohol am Steuer als strafverschärfend<br />

gerechnet.<br />

Zwei Jahre später begann <strong>der</strong> Krieg und auch mein Vater<br />

wurde eingezogen. Als dann alles vorüber und Vater wie<strong>der</strong><br />

zu Hause war, begann er in Pistorf sein Geschäft aufzubauen.<br />

Wir handelten mit vielen Waren und ich absolvierte meine<br />

Lehre als Kaufmann. Jahre später übernahmen wir in St. Andrä<br />

ein Geschäft und bekamen auch eine Frächterei dazu. Ein alter<br />

Militärlastwagen diente uns als Transportmittel. Die Hauptstraßen<br />

waren zu jener Zeit schon etwas besser befestigt, aber<br />

Zustellungen in die Gräben o<strong>der</strong> auf den Demmerkogel for<strong>der</strong>ten<br />

von uns und unserem LKW einiges ab. Die Schneeketten<br />

wurden im Sommer weit öfter benötigt als im Winter.<br />

Auf den lehmigen Wegen kam man ohne sie nicht einmal bei<br />

Trockenheit voran, geschweige dann erst bei Regen. Viele Male<br />

mussten wir unseren Lastwagen bei einem Gewitter abstellen,<br />

zu Fuß nach Hause marschieren und am nächsten Tag, wenn<br />

es trocken war, wie<strong>der</strong> holen. Im Winter gab es bis Graz hinauf<br />

eine Schneefahrbahn und viele Gegenden in unserer Region<br />

waren mit dem LKW gar nicht zu erreichen.<br />

Im Jahre 1959 führte mich die Liebe zu meiner Frau nach<br />

Heimschuh. Sie war die Tochter vom damaligen Gasthaus<br />

Loibner und wir beschlossen im Betrieb meiner Schwiegereltern<br />

zu bleiben. Viel wurde gearbeitet und gebaut. Es war eine Zeit,<br />

in <strong>der</strong> man mit Fleiß und Einsatz sehr viel schaffen konnte. Am<br />

15. August 1962 haben wir dann mit <strong>der</strong> Tankstelle begonnen,<br />

die für die kommenden Jahrzehnte auch die Grundlage unserer<br />

Existenz bildete. Auch aus diesen Jahren gäbe es viele<br />

Geschichten zu erzählen, aber jene eine aus meiner Kindheit<br />

hat sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt.<br />

Mir tun heute noch die beiden Rösser leid, die auf Grund <strong>der</strong><br />

Trunkenheit des Fahrers ihr Leben lassen mussten. Das und<br />

dieses milde Urteil sorgten wohl dafür, dass ich diese Geschichte<br />

niemals vergessen habe.

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