Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg
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Im Fokus 15<br />
Man sieht Messiaen auch noch im reiferen Alter in amerikanischen Canyons, in den französischen Alpen, in<br />
Südeuropa und Kleinasien mit Notizblock und Tonband Vogelstimmen notierend. Die Vielfalt der Vogelgesänge<br />
als ein musikalisches Schöpfungswunder bedeutet ihm mehr als Naturkolorit: Sich oft als Ornithologe bezeichnend,<br />
zitiert er seit den 40er Jahren Vogelstimmen protokollartig in fast allen Werken (immer mit genauen Angaben<br />
der beteiligten Vögel); später entstehen ganze Vogelstimmenzyklen.<br />
Während Messiaens mittlere Schaffensphase zunächst den Eindruck macht, als habe namentlich in den Orgelwerken<br />
dieser Zeit (Messe de la Pentecôte, Livre d’orgue, 1950/51) die Vogelstimmenmusik seine frühere Beschäftigung<br />
mit der Gregorianik abgelöst, verbinden seine späten Orgelwerke beides miteinander. Das erste<br />
Werk dieser Art ist das 1960 <strong>für</strong> das Pariser Conservatoire geschriebene „Verset pour la fête de la Dédicace“.<br />
Nach der harten, atonalen Sprache des „Livre d’orgue“ findet Messiaen hier zu einer gemäßigteren Sprache<br />
zurück. Das 10-minütige Werk basiert auf dem gregorianischen Alleluia zum Kirchweihfest und ist deshalb besonders<br />
interessant, weil Messiaen hier – anders als in den beiden Zyklen „Meditations sur le Mystère de la<br />
Sainte Trinité“ (1969) und „Livre du Saint Sacrement“ (1984), wo Gregorianik meist unverändert zitiert wird – die<br />
gregorianische Vorlage auf engstem Raum ungewöhnlich „stilpluralistisch“ umsetzt.<br />
Das Stück beginnt herb. Messiaen verfremdet seine Vorlage hier viel stärker als zuvor in den „Corps glorieux“ 6 :<br />
Die melodisch-rhythmischen Konturen des Alleluias bleiben zwar, doch die stark gespreizten Intervalle lassen<br />
die atonale Karikatur einer gregorianischen Melodie entstehen.<br />
Notenbeispiel 5: Alleluia zum Kirchweihfest (aus: Liber usualis, Tournai 1962)<br />
Messiaen, „Verset pour la fête de la Dédicace“, Beginn<br />
Ganz anders die folgende Passage, wo ein anderer Ausschnitt des Alleluias – nun unverändert – mit einem weichen<br />
„harmonischen Heiligenschein“ umgeben ist:<br />
Notenbeispiel 6: „Verset“, T. 16/17<br />
Der zentrale Teil des Stückes enthält eine lange Solopassage der „grive musicienne“ („Singdrossel“), <strong>für</strong><br />
Messiaen „un de plus grands inventeurs ... Le chant de la grive musicienne se charactérise par de petits motifs,