Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg
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Essays 17<br />
Prominente äußern sich<br />
zu Themen der <strong>Kirchenmusik</strong><br />
� <strong>Kirchenmusik</strong> und Moderne<br />
von Prof. Dr. h.c. Heinz Werner Zimmermann<br />
So selbstverständlich ist es gar nicht, dass es in<br />
unseren aufgeklärten, modernen Zeiten noch eine<br />
moderne <strong>Kirchenmusik</strong> gibt. Vor hundert Jahren, zu<br />
Beginn des 20. Jhdts., war eher das Gegenteil<br />
selbstverständlich. Führende Komponisten wie<br />
Richard Strauss oder Hans Pfitzner, Claude<br />
Debussy oder Maurice Ravel und viele andere hielten<br />
sich von der <strong>Kirchenmusik</strong> völlig fern.<br />
Seit dem Ersten Weltkrieg hat sich das geändert.<br />
Plötzlich wurde in jener gewaltigen Urkatastrophe<br />
des 20. Jhdts. die eitle Wahnhaftigkeit des Fortschrittsglaubens<br />
und die schutzlose Ausgesetztheit<br />
des gottfernen Menschen offenbar. Die großen<br />
Komponisten gehörten nun zu den ersten, die sich<br />
erneut geistlichen Themen zuwandten. Vorgearbeitet<br />
hatten ihnen schon Max Reger in Deutschland (denken<br />
wir nur an seine Choralfantasien <strong>für</strong> Orgel, an<br />
seine Motetten, an seinen „100. Psalm“ oder an<br />
seine ohne Opuszahl erschienenen Kirchenkantaten)<br />
und Gabriel Fauré in Frankreich (mit seinem<br />
„Requiem“). Nun aber wandten sich große Komponisten<br />
mit unstreitigen Hauptwerken oder gar mit<br />
dem Hauptteil ihres Schaffens geistlichen Themenstellungen<br />
zu. Und die modernen Musikfreunde, von<br />
aufgeschlossenen Musikkritikern bestärkt, wandten<br />
diesem Schaffen große Aufmerksamkeit zu. Führende<br />
Orchesterdirigenten, Chorleiter und Organisten<br />
verankerten solche Hauptwerke im Repertoire. Auf<br />
Honeggers „König David“ folgten Kodalys „Psalmus<br />
hungaricus“, Janaceks „Glagolitische Messe“ und<br />
Franz Schmidts „Buch mit den Sieben Siegeln“. Igor<br />
Strawinsky schrieb als Ergebnis persönlicher religiöser<br />
Neubesinnung drei lateinische Motetten und<br />
1930 seine bedeutende „Psalmensymphonie“. -<br />
Einige jüngere deutsche Komponisten machten die<br />
<strong>Kirchenmusik</strong> zu ihrem künstlerischen Hauptbetätigungsfeld<br />
und schufen Bleibendes <strong>für</strong> Chor a cappella<br />
(etwa Pepping mit seiner Nikodemus-Motette<br />
oder dem „Weltgericht“, Distler mit seiner „Geistlichen<br />
Chormusik“). – Die Orgelmusik, in Deutschland<br />
durch frühbarocke Vorlieben eher behindert,<br />
hatte in Frankreich einen geradezu epochalen Neuzuwachs<br />
im Frühwerk Olivier Messiaens zu verzeichnen<br />
(„La Nativité du Seigneur“ von 1936 und<br />
„Les Corps glorieux“ von 1939). Durch ein Orgelkonzert<br />
bereicherte ein weiterer französischer Komponist,<br />
Francis Poulenc, zur selben Zeit das Orgelrepertoire<br />
und wurde auch <strong>für</strong> die kirchliche Chormusik<br />
nachwirkend produktiv durch seine acappella-Motetten<br />
und später durch seine chorsymphonischen<br />
Werke „Stabat Mater“ und „Gloria“.<br />
Es liegt auf der Hand, dass die noch entsetzlicheren<br />
Katastrophen des Zweiten Weltkrieges erneut und<br />
noch stärker zu geistlicher Besinnung aufriefen.<br />
Schon 1945 trat in der Schweiz ein Frank Martin mit<br />
seiner chorsymphonischen Friedensbotschaft „In<br />
Terra Pax“ auf den Plan und übertraf dieses oratorische<br />
Werk wenig später noch mit seiner Passion