Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg
Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg
Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Essays 19<br />
Unsere europäische <strong>Kirchenmusik</strong> muss sich zu<br />
Beginn des 21. Jahrhunderts einer ganz anderen<br />
und ungleich schwerer wiegenden Herausforderung<br />
stellen. Die globalisierte Welt der Zukunft wird als<br />
Normalfall immer mehr das Nebeneinander ganz<br />
unterschiedlicher Weltreligionen in allen Ländern des<br />
christlichen Abendlandes, d.h. in allen Ländern<br />
Europas, selbstverständlich machen. Werden wir<br />
dann beispielsweise künftig in unseren multikulturellen<br />
Kindergärten noch Weihnachtslieder singen<br />
lassen können? Werden wir musikbegabten Abkömmlingen<br />
etwa von orientalischen Migranten unsere<br />
Kantoreien öffnen können? Dürfen unsere Oratorienchöre<br />
mit ihrem fast ausschließlich christlich<br />
geprägten Konzertrepertoire künftig noch kommunale<br />
Zuschüsse erhoffen, wenn in unseren Großstädten<br />
der Anteil der christlichen Bevölkerung etwa<br />
unter 50% absinken sollte?<br />
In dieser Zeitschrift hat im vergangenen Jahr die<br />
hochangesehene <strong>Heidelberg</strong>er Ordinaria <strong>für</strong> Musikwissenschaft,<br />
Prof. Silke Leopold, am Beispiel von<br />
Monteverdis „Marienvesper“ die Überzeugung zum<br />
Ausdruck gebracht, dass dieses großartige Werk<br />
katholischer <strong>Kirchenmusik</strong> auch mit seinem „Ora pro<br />
nobis“ von Nicht-Katholiken gesungen werden kann<br />
und soll. Warum sollen dann künftig nicht auch naturalisierte<br />
Muslime in unseren Kantoreien und Oratorienchören<br />
mitsingen, vorausgesetzt, dass sie die<br />
erforderliche musikalische und stimmliche Eignung<br />
da<strong>für</strong> mitbringen? Es wird <strong>für</strong> sie eine große Hilfe bei<br />
der Eingewöhnung in unseren Kulturkreis sein.<br />
Und umgekehrt? Sollen dann auch Christen geistliche<br />
Musik muslimischer Provenienz mitsingen?<br />
Kaum. Sie können das gar nicht, denn diese Musik<br />
gibt es nicht. Und hier kommen wir auf ein entscheidendes<br />
Argument <strong>für</strong> unsere christliche <strong>Kirchenmusik</strong>.<br />
Keine kultische Musik anderer Weltreligionen hat<br />
es zu einer derartigen künstlerischen Höhe und<br />
musikhistorischen Bedeutung gebracht wie die<br />
christliche <strong>Kirchenmusik</strong>. Das darf von uns ganz<br />
ohne Überheblichkeit festgestellt werden. Ähnlich<br />
wie musikalisch hochbegabte Türken (etwa die Pianistinnen<br />
Güher und Süher Pekinel) oder Inder (z.B.<br />
Zubin Mehta) oder Chinesen (z.B. Lang Lang) mit<br />
größter Selbstverständlichkeit und größtem Erfolg<br />
begonnen haben, sich mit der abendländischen<br />
Instrumentalmusik vertraut zu machen (ein Japaner<br />
wie Masaaki Suzuki gar mit der kirchlichen Vokalmusik<br />
Johann Sebastian Bachs), so sollten sich<br />
auch unsere jungen Migranten-Mitbürger schon früh<br />
mit der weltweiten musikhistorischen und künstlerischen<br />
Bedeutung des christlichen Musikerbes vertraut<br />
machen, wo immer es ihnen offensteht.<br />
Das ist ein Grund mehr <strong>für</strong> alle <strong>Kirchenmusik</strong>er,<br />
zusammen mit unseren Musikwissenschaftlern und<br />
erfahrenen <strong>Kirchenmusik</strong>freunden bei der Auswahl<br />
eines progressiv erweiterten kirchenmusikalischen<br />
Repertoires mit aller Sorgfalt auf kompositorische<br />
Relevanz und künstlerische Nachhaltigkeit zu achten.<br />
Nur dann wird sich die christliche <strong>Kirchenmusik</strong><br />
als unverzichtbares kulturelles Welterbe auch künftig<br />
darauf verlassen können, allen kunstsinnigen Menschen<br />
zugänglich zu bleiben.