19.01.2013 Aufrufe

Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg

Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg

Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Im Fokus 7<br />

sen. Ein Blick auf die Textverteilung gibt jedoch<br />

einen ersten Hinweis auf eine planvoll vernetzte<br />

Kontrapunktik. Ab T. 1 Zählzeit 4, also dem Moment,<br />

wo zum ersten Mal das Wort „Angst“ erscheint,<br />

ist dieses Wort, verbunden mit dem Ton a,<br />

lückenlos in mindestens einer der vier Stimmen bis<br />

zum Ende dieses Abschnitts in Takt 4 präsent.<br />

(Lediglich in T. 1 auf Zählzeit 3+ sowie in T. 4 auf 1<br />

und 2+ setzt er kurz aus.) Des Weiteren ist eine alle<br />

Stimmen umgreifende Steigerung bis Takt 4 mit<br />

seinem turbulenten Geflecht aus synkopisch miteinander<br />

verzahnten Melismen festzustellen.<br />

Die harmonische Bindung der vier Stimmen aneinander wird also durch den fast permanent erklingenden Ton a<br />

erzielt. Um dieses a herum gruppieren sich jene aus den anderen Werken Distlers bekannten Intervallstrukturen.<br />

Das sind vornehmlich Dur- und Moll-Dreiklänge, welche durch kleine und große Sekunden, kleine und große<br />

Sexten sowie die große Septime gefärbt werden.<br />

Es entsteht eine unruhig changierende Fläche, deren einziger Halt dieses fast durchgängige a ist, welches wiederum<br />

den Kernbegriff „Angst“ bei seinem ersten Auftreten (Alt Takt 1) kennzeichnet.<br />

Trost aus einer anderen Sphäre<br />

Der derart aufgeheizte Anfangsteil erfährt in<br />

T. 4 Zählzeit 4+ einen jähen Abbruch durch ein<br />

synkopisch eingeführtes „aber“. In völligem<br />

Kontrast zum bisher Durchlebten wird hier nun<br />

dem Trost breiter Raum gegeben. Ein lichter<br />

E-Dur-Dreiklang signalisiert die Wende, die neu<br />

eingeführten Töne gis und fis hellen den Satz<br />

deutlich auf. Neben Tonschritten dominieren<br />

jetzt Terzen und Quarten die melodische Struktur<br />

der drei Oberstimmen. Gerade die Verwendung<br />

der aufwärts gerichteten Quarte nimmt im<br />

Verlauf der Stelle (Takt 7, 8) immer mehr an<br />

Bedeutung zu. All dies wirkt wie ein beredter,<br />

immerfort wiederholter, sanfter (piano) Zuspruch<br />

aus einer höheren Ebene. Eine ganz<br />

ähnliche Wirkung erzielt Ernst Pepping in seinem<br />

Passionsbericht des Matthäus. Im Abschnitt<br />

„Herr, bleibe bei uns“ spricht Jesus<br />

seinen von Angst erfassten Jüngern aus einer<br />

anderen, höheren Sphäre seinen Trost zu: „…<br />

Siehe ich bin bei euch alle Tage“.<br />

Ernst Pepping: Aus dem Passionsbericht des Matthäus

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!