Stuttg. Beitrag_17
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Martin Gläser / Michael Rombach / Michaela Schüler /<br />
Edgar H. Tritschler<br />
Controlling-Konzepte im<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunk<br />
Zur Steuerung der Fernseh- und Hörfunk-Produktion beim<br />
Südwestrundfunk (SWR)<br />
<strong>Stuttg</strong>arter Beiträge zur Medienwirtschaft Nr. <strong>17</strong><br />
Dezember 2006<br />
ISSN-Nr. 1616-4695
Controlling-Konzepte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk 3<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort<br />
Bertram Bittel, Direktor Technik und Produktion, Südwestrundfunk (SWR) ............... 5<br />
Martin Gläser<br />
Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte ................................................ 7<br />
Michael Rombach<br />
Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion<br />
des SWR – Vom „Eh-da-Prinzip“ hin zu einem bewussten Umgang mit<br />
knappen Ressourcen ...................................................................................................23<br />
Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion im<br />
Hörfunk und Fernsehen .............................................................................................29<br />
Edgar H. Tritschler<br />
Controlling als qualitatives Rating-Kriterium .........................................................65<br />
Die Autoren und Herausgeber ...................................................................................85<br />
Übersicht bisher erschienener Bände der <strong>Stuttg</strong>arter Beiträge ..............................89
Controlling-Konzepte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk 5<br />
Vorwort<br />
Der SWR ist 1998 aus der Fusion zwischen SDR und SWF hervorgegangen. Er ist mit<br />
einem Aufwands- und Ertragsvolumen von rund 1 Mrd. € das zweitgrößte Mitglied<br />
der ARD und inzwischen mit seinen Radio- und Fernsehprogrammen sowie seinen<br />
Onlineangeboten eine feste Größe in der Medienlandschaft.<br />
Die Direktion Technik und Produktion (TuP) mit Sitz in Baden-Baden versteht sich als<br />
Dienstleiter der Programme und stellt an allen SWR-Standorten die gesamte technische<br />
Infrastruktur zur Verfügung: Der Produktionsbetrieb deckt das gesamte Spektrum der<br />
Herstellung in Hörfunk und Fernsehen ab, von der Aufnahme über die Bearbeitung bis<br />
hin zur Sendung - und die Hörfunk-, Fernseh-, Informations- und Kommunikations-<br />
technik des SWR wird in der TuP geplant, betrieben und gewartet. Unsere Mit-<br />
arbeiterinnen und Mitarbeiter stellen täglich die notwendigen Fernseh- und Hör-<br />
funkproduktionsleistungen sowie die gesamten IT-Leistungen bereit – von der Betreu-<br />
ung der Hörfunk- und Fernseh-Regelsendungen wie Nachrichten, über Hörspiel- und<br />
Orchester-Produktionen, Features, szenische Produktionen wie der „Tatort“, große<br />
Unterhaltungssendungen wie „Verstehen Sie Spaß?“ bis hin zu Großproduktionen wie<br />
die Berichterstattung über die Olympischen Spiele.<br />
Für die Direktion TuP gilt: „Wir müssen so innovativ und leistungsfähig sein, dass das<br />
Programm mit uns zusammenarbeiten möchte, und wir müssen so wirtschaftlich sein,<br />
dass der SWR sich uns leisten kann“. Entsprechend bilden die „Betriebswirtschaftliche<br />
Steuerung“ und die „Technische Innovation“ das Fundament der Direktion.<br />
Aufgabe der betriebswirtschaftlichen Steuerung in der Direktion TuP ist es zum einen,<br />
die Einhaltung der Haushaltseckwerte sicherzustellen, allen voran die Einhaltung der<br />
Kosten für die Fremdbeauftragung von Produktionsleistungen. Dies allein würde<br />
jedoch nicht genügen. Ebenso wichtig – für die Zukunftsfähigkeit vielleicht sogar noch<br />
wichtiger – ist es, durch betriebswirtschaftliche Steuerungselemente einen kontinuier-<br />
lichen Prozess in Gang zu setzen, der eine stetige Optimierung des Ressourcen-<br />
einsatzes in der Produktion und im Programm zur Folge hat.<br />
Vor diesem Hintergrund ist es mir eine große Freude, in der vorliegenden Veröffent-<br />
lichung das Thema „Controlling-Konzepte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“<br />
ausführlich und aus verschiedenen Perspektiven dargestellt zu sehen. Gelungen ist vor<br />
allem, den Bogen von den grundlegenden theoretisch-methodischen Konzepten, wie<br />
sie im <strong>Beitrag</strong> von Herrn Prof. Dr. Gläser erläutert werden, zu den praxisnahen<br />
Adaptionen zu spannen.
6<br />
Die Aufsätze von Frau Schüler und Herrn Prof. Tritschler sowie von Herrn Dr.<br />
Rombach zeigen, wie wir als interner Dienstleister Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und<br />
Innovationsfähigkeit durch maßgeschneiderte Controllingkonzepte, die immer auch<br />
Führungsinstrumente sein müssen, dauerhaft sichern.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre!<br />
Bertram Bittel<br />
Direktor Technik und Produktion, Südwestrundfunk (SWR)<br />
Baden-Baden, im November 2006
Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 7<br />
Martin Gläser<br />
Controlling im Rundfunk – Methodische<br />
Aspekte<br />
Dieser <strong>Beitrag</strong> vermittelt einen knappen Überblick über das moderne Verständnis von<br />
Controlling, das eng mit den Begriffen Komplexitätsmanagement, Koordination und ziel-<br />
orientierter Steuerung der Wertschöpfungsprozesse verbunden ist. Controlling sorgt für<br />
Transparenz und unterstützt das Management in allen relevanten Entscheidungslagen.<br />
Controlling ist eine unverzichtbare Managementfunktion, die im Management nicht mehr weg-<br />
zudenken ist. Vor dem hier vorgestellten begrifflichen Hintergrund kann die Controlling-<br />
Konzeption, wie sie in der Direktion Technik und Produktion des Südwestrundfunks (SWR)<br />
praktiziert wird, besser eingeordnet und nachvollzogen werden. Dabei wird deutlich, dass die<br />
beim SWR zur Anwendung kommenden Instrumente voll auf der Höhe der Zeit sind und<br />
modernsten Grundsätzen folgen, die auch hohen Ansprüchen standhalten.<br />
1 Zur Positionierung von Controlling – Die systemtheoretische<br />
Perspektive<br />
Aus systemtheoretischer Sicht ist ein Medienunternehmen ein komplexes und<br />
dynamisches Gebilde mit einer sinnvollen Anordnung von Elementen (personell,<br />
sachlich), die in Austauschbeziehungen zueinander stehen und die Austausch-<br />
beziehungen nach außen unterhalten. Insofern ist dieses Gebilde als ein offenes System<br />
zu verstehen, das – um überleben zu können – bei Störungen jederzeit in der Lage sein<br />
muss, einen Zustand des Gleichgewichts (Fließgleichgewicht, Homöostase) zu errei-<br />
chen bzw. dieses Gleichgewicht zurück zu gewinnen.<br />
Kernaufgabe des Managements ist es aus dieser Perspektive, Komplexität professionell<br />
zu handhaben und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die dazu beitragen, das System<br />
im Gleichgewicht zu halten. Die systemtheoretische Sichtweise führt zu einem<br />
Managementverständnis, das sich von der Grundposition der sog. „voluntaristischen<br />
Steuerungslogik“ abwendet. Diese geht davon aus, dass es möglich ist, Unterneh-<br />
mensführung nach rational-technokratischen Methoden zu vollziehen.<br />
Aufbauend auf dem systemtheoretisch geprägten St. Galler Management-Modell kann<br />
für das Management von Medienunternehmen ein Referenzmodell zugrunde gelegt<br />
werden, das drei Denk- und Handlungsebenen unterscheidet (vgl. Abbildung 1):<br />
• Medienunternehmen<br />
• Markt: Unmittelbares aufgabenspezifisches Umfeld<br />
• Globales Umfeld: Rahmenbedingungen
8 Martin Gläser<br />
Abbildung 1: Das Medienunternehmen und seine Umwelt in systemtheoretischer Perspektive<br />
Betrachtet man das „Innenleben“ eines Medienunternehmens, lassen sich drei Teil-<br />
systeme unterscheiden, die in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander stehen:<br />
Leistungssystem<br />
Im Zentrum steht das Leistungssystem mit dem Wirtschafts- und Wertschöpfungs-<br />
prozess, der die Transformation von Input-Faktoren in den Output beschreibt. Es geht<br />
darum, marktfähige Produkte zu generieren und am Markt zu verkaufen bzw. – bei<br />
Non-Profit-Institutionen – gemäß eines Auftrages zu erstellen, die dafür notwendigen<br />
Ressourcen bzw. Produktionsfaktoren zu beschaffen und in einem Produktions- bzw.<br />
Kombinationsprozess herzustellen. In gegenläufiger Richtung bewegen sich die<br />
Finanzprozesse.<br />
Zielsystem<br />
GLOBALES UMFELD<br />
Beschaffungsmärkte<br />
Lieferanten<br />
Ressourcen:<br />
� Finanzen<br />
� Personal<br />
� Content:<br />
Rechte, Pogramme<br />
� Material<br />
� Betriebsmittel<br />
� Fremdleistungen<br />
MARKT<br />
Gesellschaft<br />
Wirtschafts- und Wertschöpfungsprozesse<br />
Beschaffung � Produktion � PRODUKTE � Marketing<br />
Kooperationspartner<br />
Politik & Recht Technologie<br />
MEDIENUNTERNEHMEN<br />
Managementsystem<br />
Leistungssystem<br />
���� Finanzprozesse ����<br />
Zielsystem<br />
Ökonomie<br />
Konkurrenten<br />
Alle Aktivitäten sind darauf ausgerichtet, erklärte Ziele zu erreichen. Das Zielsystem<br />
eines Medienunternehmens wird nach Sachzielen und Formalzielen unterschieden:<br />
Das Sachziel beschreibt die Aufgabe bzw. den Betriebszweck, den das Unternehmen<br />
erfüllen soll, z.B. bei einer ARD-Rundfunkanstalt die Aufgabe, nach bestimmten Vor-<br />
gaben Radio- und Fernsehprogramme herzustellen und zu verbreiten.<br />
Ökologie<br />
Absatzmärkte<br />
Kunden<br />
Geschäftsfelder:<br />
� Content<br />
� Werbung<br />
� Rechtehandel<br />
Kundengruppen:<br />
� Konsumenten<br />
� Business
Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 9<br />
• Formalziele bezeichnen die Form, in der das Sachziel erreicht werden soll. Die<br />
wichtigste Form ist der wirtschaftliche Erfolg, der mit dem klassischen Drei-<br />
gestirn Liquidität, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit beschrieben wird. Jedes<br />
dieser Formalziele beschreibt die Frage des wirtschaftlichen Erfolgs aus einer<br />
anderen Perspektive: Liquidität blickt auf die Finanzen und die Finanzierung<br />
(Kasse, kurzfristiges Umlaufvermögen), Rentabilität blickt auf das eingesetzte<br />
Eigenkapital (Reinvermögen, Erfolg), Wirtschaftlichkeit schließlich blickt auf<br />
Kosten und Leistung im betrieblichen Bereich, also auf denjenigen Bereich im<br />
Unternehmen, der nur den Betriebszweck betrifft. Bei gemeinnützigen Ein-<br />
richtungen ist das Rentabilitätsziel in geeigneter Weise umzudefinieren.<br />
Managementsystem<br />
Um den Wirtschafts- und Leistungsprozess erfolgreich zu gestalten, bedarf es eines<br />
Managementsystems bzw. Führungssystems, das auf die Geschehnisse des Leistungs-<br />
systems Einfluss nimmt. Bestandteile des Managementsystems sind die folgenden Teil-<br />
systeme (vgl. Abbildung 2):<br />
• Planungs- und Kontrollsystem („PK-System“)<br />
• Informationssystem bzw. Informationsversorgungssystem („IV-System”)<br />
• Personalführungssystem bzw. Human Resources System („HR-System”)<br />
• Organisationssystem<br />
• Controllingsystem<br />
Controlling ist damit als Subsystem des Managementsystems „verortet“ und hat als ein<br />
integraler Bestandteil desselben zu gelten.<br />
Abbildung 2: Das Managementsystem und seine Teilsysteme<br />
Personalführungssystem<br />
Planung- und<br />
Kontrollsystem<br />
Management-System<br />
Koordination<br />
Controllingsystem<br />
Zielorientierte<br />
Steuerung<br />
Organisationssystem<br />
Informationssystem
10 Martin Gläser<br />
2 Rolle und Bedeutung des Controllingsystems<br />
Das Controllingsystem ist dasjenige Management-Teilsystem, das für die Koordination<br />
und das bestmögliche Zusammenspiel aller Managementaktivitäten sorgt, in der<br />
Absicht, die zielorientierte Steuerung des Gesamtsystems zu unterstützen.<br />
Mit dieser Definition wird das Kernanliegen von Controlling deutlich: „Controlling ist<br />
– funktional gesehen – dasjenige Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle<br />
sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert<br />
koordiniert und so die Adaption und Koordination des Gesamtsystems<br />
unterstützt“ 1 .<br />
Im Zentrum steht damit die Koordination des Planungs- und Kontrollsystems mit dem<br />
Informationsversorgungssystem. Diese gilt es allerdings zu ergänzen um das Organi-<br />
sationssystem und das Informationsversorgungssystem. 2 In ganzheitlicher Sicht ist das<br />
Controllingsystem damit in umfassender Weise für die Koordination aller Managementteilsysteme<br />
zuständig.<br />
Mit anderen Worten kann man sagen, dass die vier Teilsysteme Planungs- und Kontrollsystem,<br />
Informationsversorgungssystem, Organisationssystem und das Personalführungssystem<br />
zusammen genommen die Basis des Managementsystems darstellen,<br />
während das Controllingsystem als eine Art „Super-System“ fungiert, das für die<br />
gegenseitige Abstimmung und damit für die Funktionsfähigkeit des gesamten<br />
Managementsystems sorgt.<br />
Es hängt es von der Grundeinstellung der Führungsverantwortlichen eines Unternehmens<br />
ab, welche Positionierung dem Controlling innerhalb des Managementsystems<br />
zugewiesen wird: Controlling kann zum einen eng, zum anderen extensiv<br />
definiert werden. In diesem Lichte können die unterschiedlichen Vorstellungen von<br />
Controlling – aufsteigend nach dem Grad der zugewiesenen Bedeutung – in einer<br />
Skala angeordnet werden:<br />
• Level 1: Controlling als Registrator interner und externer Strukturen und<br />
Entwicklungen<br />
• Level 2: Controlling als interne Servicefunktion<br />
• Level 3: Controlling als Navigator<br />
• Level 4: Controlling als interne Unternehmensberatung<br />
• Level 5: Controlling als Innovator<br />
• Level 6: Controlling als Instrument der ganzheitlichen internen Koordination<br />
aller Management-Teilsysteme<br />
• Level 7: Controlling als umfassendes Konzept einer zielorientierten Steuerung<br />
1 Horváth 2006, S. 134.<br />
2 Vgl. z.B. Küpper 2005 und Weber 2004.
Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 11<br />
Gut geführte Unternehmen vertreten ein progressives Controlling-Verständnis und<br />
versuchen Controlling auf der Skala der „Intelligenz-Levels“ möglichst hoch zu<br />
positionieren. In diesem Sinne trägt ein gut gemachtes Controlling dazu bei, den<br />
steigenden Beratungsbedarf des Managements durch ein hochqualitatives Informationssystem<br />
zu decken. Es fungiert als ein interner Service, der eine bessere<br />
„Navigation“ sicherstellt und die Beratung des Managements aktiv forciert. Es ist<br />
ferner ein nicht selten durchaus unliebsamer „Unruheherd“, der ständig Veränderungen<br />
und Innovation einklagt und durch Strukturen, Arbeitskreise, Foren, Informationsströme<br />
die Voraussetzungen für eine innovative Atmosphäre schafft.<br />
Progressiv ist das Controlling vor allem dann, wenn es das Verständnis für die Notwendigkeit<br />
einer umfassenden zielorientierten Steuerung vermittelt und von den Verantwortlichen<br />
abfordert.<br />
Im Fokus der Controlling-Funktion steht die Unterstützung der Entscheidungsträger.<br />
Diese traten die Entscheidungsverantwortung, während die Controller die Transparenz-Verantwortung<br />
zufällt. Im „IGC-Controller-Leitbild“ der International Group<br />
of Controlling (IGC) wird dieser Aspekt des Controlling-Verständnisses betont 1 :<br />
„Controller leisten begleitenden betriebswirtschaftlichen Service für das Management<br />
zur zielorientierten Planung und Steuerung. Das heißt:<br />
• Controller sorgen für Ergebnis-, Finanz-, Prozess- und Strategietransparenz<br />
und tragen somit zu höherer Wirtschaftlichkeit bei.<br />
• Controller koordinieren Teilziele und Teilpläne ganzheitlich und organisieren<br />
unternehmensübergreifend ein zukunftsorientiertes Berichtswesen.<br />
• Controller moderieren den Controlling-Prozess so, dass jeder Entscheidungsträger<br />
zielorientiert handeln kann.<br />
• Controller sichern die dazu erforderliche Daten- und Informationsversorgung.<br />
• Controller gestalten und pflegen die Controllingsysteme.“<br />
Zweck von Controlling ist es also vorrangig, in systematischer Form und strukturiert<br />
die Managemententscheidungen zu unterstützen:<br />
„Controlling-Systeme sind also durch diese spezifische Unterstützungsfunktion für das<br />
Management zu kennzeichnen, wobei ihnen zugleich die Aufgabe zukommt, den komplexen<br />
und dynamischen Managementprozess zu integrieren, zu objektivieren (d.h.<br />
vor allem zu quantifizieren) und zu systematisieren. In diesem Sinne sollen Controlling-Systeme<br />
Transparenz durch klare Zahlen und Fakten schaffen und so ein<br />
Gegengewicht zum Irrationalen in den Manager-Entscheidungen bilden. Inwieweit<br />
dies jedoch gelingt, ist nicht zuletzt eine Frage der Akzeptanz des Controllings bzw.<br />
der Controller-Tätigkeiten durch die verantwortlichen Entscheidungsträger“ 2 .<br />
1 Vgl. Horváth 2006, S. 135 sowie den <strong>Beitrag</strong> von Tritschler in diesem Heft.<br />
2 Schierenbeck 2000, S. 144 (im Original teilweise hervorgehoben).
12 Martin Gläser<br />
3 Instrumente des Controlling im Überblick<br />
Die zur Verfügung stehenden Controlling-Instrumente sind nach drei Blickwinkeln zu<br />
unterscheiden:<br />
• Art der Koordination des Managementsystems: Zentralistische Koordination,<br />
Systeme der Budgetvorgabe, Kennzahlen- und Zielsysteme, Koordination über<br />
Verrechnungs- und Lenkungspreise<br />
• Reichweite des Steuerungskonzepts: Strategisches, taktisches und operatives<br />
Controlling<br />
• Sachlicher Bezug: Controlling-Instrumente mit Bezug auf den Leistungsprozess<br />
(Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Absatz und Marketing);<br />
mit Bezug auf den Finanzprozess (Investitions- und Finanzcontrolling);<br />
mit Bezug auf spezielle Bereiche (z.B. Projekt-Controlling).<br />
Abbildung 3: Instrumentale Kategorien des Controlling-Systems<br />
Personalsystem<br />
Zentralistische<br />
Koordination<br />
Strategisches<br />
Controlling<br />
Management-System<br />
Planung- und<br />
Kontrollsystem<br />
Controlling-System<br />
Budgetvorgabe<br />
Budgetierung<br />
Taktisches<br />
Controlling<br />
Informationssystem<br />
Kennzahlen-/<br />
Zielsysteme<br />
Leistungssystem<br />
Operatives<br />
Controlling<br />
Leistungsprozess: F&E-, Beschaffungs-, Produktions-, Marketing-Controlling<br />
Finanzprozess: Investitions-, Finanz-Controlling<br />
Spezielle Bereiche: z.B. Personal-, Projekt-, Qualitäts-, Konzern-Controlling<br />
Leistungs- bzw. Wertschöpfungsprozess / Finanzprozess<br />
Organisationssystem<br />
Verrechnungs-/<br />
Lenkungspreise
Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 13<br />
Blickwinkel Koordination des Managementsystems<br />
Gemäß der Hauptaufgabe von Controlling, der Koordination des gesamten<br />
Managementsystems, lassen sich vier Ansätze der übergreifenden Koordination unter-<br />
scheiden 1 :<br />
• Zentralistische Führungssysteme<br />
• Systeme der Budgetvorgabe: Budgetierung<br />
• Kennzahlen- und Zielsysteme<br />
• Verrechnungs- und Lenkungspreissysteme<br />
(1) Zentralistische Führungssysteme<br />
Hierbei wird versucht, das Entscheidungsverhalten im Unternehmen zentral zu<br />
steuern. Begleiterscheinungen sind eine formal geregelte Kommunikationsstruktur, die<br />
Einhaltung des Instanzenweges, eine Informationsversorgung von oben nach unten<br />
(Top down) und die Betonung des Einliniensystems in der Aufbauorganisation. Die<br />
jeweiligen übergeordneten Instanzen sind mit großer legitimierter Macht ausgestattet,<br />
um den Willen der Zentrale durchsetzen zu können. Hauptinstrumente sind zentral<br />
aufgestellte und bewirtschaftete Pläne und deren Kontrolle.<br />
Die Koordination über zentralistische Systeme ist generell, speziell aber im Medienbereich,<br />
so gut wie unüblich und gilt als nicht Erfolg versprechend.<br />
(2) Budgetierung<br />
Der Begriff Budgetierung beschreibt die Gesamtheit aller Regelungen, nach denen die<br />
im Wirtschaftsplan aufgeführten Wertgrößen auf die dezentralen Entscheidungsträger<br />
verteilt werden. Die dezentralen Entscheidungsträger sind berechtigt, die ihnen dadurch<br />
zur Verfügung gestellten Mittel in Eigenverantwortung zu verausgaben. Ziel der<br />
Budgetierung ist es, das Prinzip der Delegation zu untermauern. Es wird davon ausgegangen,<br />
dass eine dezentrale Entscheidung über die Finanzmittel zu mehr Sparsamkeit<br />
führt, die Motivation der Mitarbeiter verbessert und die Entscheidungsträger zum<br />
Mitdenken aktiviert. Darüber hinaus sollen die Verwaltungswege verkürzt, Mehrfachverwaltungen<br />
eingespart und der Leistungswille gestärkt werden.<br />
Ein Budget ist ein „formalzielorientierter, in wertmäßigen Größen formulierter Plan,<br />
der einer Entscheidungseinheit für eine bestimmte Zeitperiode mit einem bestimmten<br />
Verbindlichkeitsgrad vorgegeben wird“ 2<br />
Mit diesen Begriffen wird deutlich, dass Budget und Wirtschaftsplan nicht gleichgesetzt<br />
werden dürfen. Das Budget ist vielmehr eine spezielle Ausprägung des<br />
Wirtschaftsplans: Erst die Festlegung der dezentralisierten Mittelverantwortung macht<br />
1 Vgl. Küpper 2005, S. 331 ff.<br />
2 Horváth 2006, S. 213.
14 Martin Gläser<br />
aus einem Wirtschaftsplan ein Budget, also erst mit der Delegation von Verantwortung<br />
entsteht das Budget. Wirtschaftsplan ist der Überbegriff, Budget ist eine Teilmenge<br />
bzw. eine spezielle Version. Gelegentlich werden die Begriffe Plan, Wirtschaftsplan,<br />
Budget synonym verwendet. Dieser Sprachregelung soll hier – im Einklang mit der<br />
überwiegenden Ansicht der Experten – nicht gefolgt werden.<br />
Dem Budget kommt in der Controllingpraxis eine hohe Bedeutung zu, was in der<br />
häufig anzutreffenden Gleichsetzung von „Controllership“ mit „Budgeting“ in USamerikanischen<br />
Unternehmungen zum Ausdruck kommt. Budgets sind nach unterschiedlichen<br />
Kriterien zu differenzieren 1 (in Anlehnung an Horváth 1998, S. 227):<br />
• Objekte der Budgetierung: (a) Funktionen, Prozesse, Produkte, Regionen oder<br />
Projekte als horizontale Differenzierung; (b) Hierarchieebenen der Unternehmung<br />
als vertikale Differenzierung<br />
• Zeitraum der Budgetierung: (a) Monatsbudget, (b) Quartalsbudget, (c) Jahresbudget,<br />
(d) Mehrjahresbudget<br />
• Wertkategorien: (a) Ausgabenbudget, (b) Kostenbudget, (c) Deckungsbeitragsbudget,<br />
(d) Umsatzbudget<br />
• Grad der Verbindlichkeit: (a) Vorgabe fester Zielgrößen (Etat), (b) Vorgabe von<br />
Orientierungsgrößen<br />
• Bindung an Bezugsgrößen: (a) starre Budgets für einen bestimmten Beschäftigungsgrad,<br />
(b) flexible Budgets für schwankende Beschäftigungs-grade.<br />
(3) Kennzahlen- und Zielsysteme<br />
„Unter den in einer Unternehmung ermittelten Zahlen bezeichnet man diejenigen als<br />
Kennzahlen, die besonders informativ sind. Sie stellen Größen dar, die als Zahlen einen<br />
quantitativ messbaren Sachverhalt wiedergeben und relevante Tatbestände sowie<br />
Zusammenhänge in einfacher, verdichteter Form kennzeichnen sollen. Damit sind sie<br />
speziell herauszuhebende Informationen“ 2 . Kennzahlen können in folgenden Ausprä-<br />
gungen verwendet werden 3 :<br />
• Absolute Kennzahlen, z.B. Kapitalwert, Betriebsergebnis<br />
• Verhältniszahlen, z.B. Rentabilität, Indexzahlen<br />
Im Hinblick auf ihre Funktion unterscheidet man Kennzahlen wie folgt 4 :<br />
1 In Anlehnung an Horváth 2006, S. 215.<br />
2 Küpper 2005, S. 359.<br />
3 Vgl. ebd., S. 359 f.<br />
4 Vgl. ebd., S. 362 ff.
Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 15<br />
• Kennzahlen als Informationsinstrument: z.B. Indikatoren, empirisch ermittelte<br />
Einflussgrößen (Ursachen), Vergleichsgrößen, Gliederungszahlen<br />
• Kennzahlen als Steuerungsinstrument<br />
Kennzahlen in der Funktion als Steuerungsinstrument kommt ein besonderer Rang zu,<br />
wenn Controlling als ein Konzept der aktiven Entscheidungsunterstützung für das<br />
Management verstanden wird. In diesem Fall werden Kennzahlen zu Zielvorgaben,<br />
die von den Entscheidungsträgern im Unternehmen erfüllt werden sollen. Kennzahlen<br />
dienen dann als Maßstab für den Erfolg von Managementhandlungen.<br />
Im Hinblick auf die Anzahl der eingesetzten Kennzahlen kann man unterscheiden:<br />
• Verwendung einer einzelnen Kennzahl: z.B. Deckungsbeitrag als „Spitzen“ der<br />
Steuerung;<br />
• Verwendung weniger – plakativer – Kennzahlen: z.B. Balanced Scorecard (BSC)<br />
mit vier Kennzahlen, Management by Objectives (MbO);<br />
• Verwendung eines ganzen Kennzahlensystems: z.B. DuPont-Kennzahlensystem<br />
(ROI), Benchmarking-Konzepte.<br />
Der Deckungsbeitrag spielt als Spitzenkennzahl im werbefinanzierten Fernsehen eine<br />
erhebliche Rolle 1 .<br />
Die Balanced Scorecard ist ein modernes Führungs- und Controlling-Instrument, das<br />
die operative Ausrichtung der Unternehmung auf ihre Mission, Ziele und Strategien<br />
bewirken soll. Die Messung und Steuerung erfolgt sowohl über finanzielle als auch<br />
über nicht-finanzielle Leistungsindikatoren. Mission, Ziele und Strategie des<br />
Unternehmens werden in Kennzahlen „übersetzt“, die in vier verschiedene<br />
Perspektiven unterteilt sind:<br />
• Wirtschaftliche Perspektive<br />
• Kundenperspektive<br />
• Interne Prozess-Perspektive<br />
• Lern- und Entwicklungsperspektive<br />
Management by Objectives (deutsch: Führen durch Zielvereinbarung) ist eine Methode<br />
zur Führung von Mitarbeitern. Ziel ist es, die strategischen Ziele des Gesamtunternehmens<br />
und der Mitarbeiter so umzusetzen, dass Ziele für jede Organisationseinheit<br />
und für die Mitarbeiter formuliert werden. Aus der Summe der Einzelziele<br />
ergeben sich die Unternehmensziele. Alle Mitarbeiter sollen ihre tägliche operative<br />
Arbeit an den vereinbarten Zielen ausrichten. Wenn die Vorgesetzten die Leistung<br />
1 Vgl. Geisler 2001, Köcher 2002, Gläser 2003.
16 Martin Gläser<br />
ihrer Mitarbeiter beurteilen, prüfen sie den Erreichungsgrad der vereinbarten Ziele.<br />
Normalerweise führen Mitarbeiter und Vorgesetzter ein Zielvereinbarungsgespräch, in<br />
dem die Ziele und die angestrebten Zielwerte vereinbart werden. Mit der Zielerreichung<br />
kann die Entlohnung verbunden sein ( z.B. eine Bonuszahlung). Zur Hälfte<br />
des Jahres (bei jährlicher Messung) wird in der Regel eine erste Rückmeldung gegeben,<br />
wie der Mitarbeiter bei der Erreichung seiner Ziele „im Rennen“ liegt. Nach dem Ende<br />
der vereinbarten Laufzeit der Ziele kommen Mitarbeiter und Führungskraft erneut zusammen,<br />
besprechen den Grad der Zielerreichung und die Ziele für die kommende<br />
Periode.<br />
„Benchmarking ist ein kontinuierlicher Prozess, mit dem Produkte, Dienstleistungen<br />
und insbesondere Abläufe und Methoden betrieblicher Funktionen über mehrere<br />
Unternehmen hinweg verglichen werden. Dadurch sollen Unterschiede zu anderen<br />
Unternehmen offengelegt, ihre Ursache ermittelt, Möglichkeiten zur Verbesserung aufgezeigt<br />
und wettbewerbsorientierte Zielvorgaben erarbeitet werden. Mit Benchmarking<br />
wird der Anspruch verfolgt, sich in sämtlichen Bereichen des Unternehmens an<br />
den Besten der Besten („best of bread“) zu orientieren und die eigene Leistung ständig<br />
zu verbessern“ 1 .<br />
(4) Verrechnungs- und Lenkungspreissysteme<br />
„Der Bereichserfolg dezentraler Einheiten hängt maßgeblich von den Preisen ihrer<br />
Einsatz- und Ausbringungsgüter ab. Soweit diese von anderen Bereichen derselben<br />
Unternehmung beziehen bzw. an sie liefern, bieten deren Verrechnungspreise einen<br />
weiteren Ansatz zur Koordination. Bei derartigen Verrechnungspreisen handelt es sich<br />
um in der Unternehmung selbst festgelegte Werte für eingesetzte bzw. abgesetzte materielle<br />
und immaterielle Güter“ 2 . Empirische Erhebungen zeigen, dass die Koordination<br />
über Verrechnungs- und Lenkungspreise in der Praxis noch nicht hoch eingeschätzt<br />
wird. Allerdings spielen sie bei großen Unternehmungen und international<br />
tätigen Konzernen eine durchaus wichtige Rolle für das Controlling 3 . Im vorliegenden<br />
Beispiel des Südwestrundfunks wird deutlich, dass ebenfalls große Anstrengungen in<br />
diese Richtung unternommen werden.<br />
Blickwinkel Reichweite des Steuerungskonzepts<br />
Eine andere Sicht auf das Controlling ist mit dem Blickwinkel der Reichweite des Steuerungskonzepts<br />
gegeben. Zu unterscheiden sind hierbei:<br />
• Strategisches Controlling<br />
• Taktisches Controlling<br />
• Operatives Controlling<br />
1 Schwertzel 1997, S. 13, der ein umfassendes Modell für das Benchmarking für Rundfunkveranstalter entwickelt.<br />
2 Küpper 2005, S. 396.<br />
3 Vgl. ebd., S. 397.
Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte <strong>17</strong><br />
Abbildung 4 zeigt die zeitliche Reichweite der jeweiligen Controlling-Ansätze auf 1 :<br />
(1) Strategisches Controlling<br />
Strategisches Controlling ist diejenige „Kraft“ im Managementsystem, die dafür sorgen<br />
soll, dass eine wirkungsvolle Koordination der Führungsteilsysteme mit dem Fokus<br />
auf die langfristigen Erfolgs- und Entwicklungspotenziale erfolgt. Im Mittelpunkt steht<br />
die Zielsetzung der dauerhaften Existenzsicherung des Unternehmens.<br />
Strategisches Controlling bedeutet die Wahrnehmung der Controllingaufgaben zur<br />
Unterstützung der strategischen Führung der Unternehmung. Strategisches Controlling<br />
ist vor allem die Koordination von strategischer Planung und Kontrolle mit der<br />
strategischen Informationsversorgung. Aufgaben des strategischen Controlling sind:<br />
• Mitarbeit bei der Erarbeitung der Unternehmensziele<br />
• Mitarbeit am strategischen Leitbild des Unternehmens<br />
• Mitgestaltung der Unternehmensstrategie<br />
• Koordination und Beeinflussung der strategischen Planung<br />
• Permanente, zukunftsorientierte Chancen – Risiko – Identifikation / -Abwägung<br />
• Mitgestaltung und Beeinflussung an der Unternehmensorganisation<br />
• Mitgestaltung von Verantwortungs- und Kompetenzvorgaben Mitgestaltung<br />
von LeistungsvorgabenMitgestaltung und Entwicklung von Kennzahlen<br />
(Berichtswesen)<br />
• Mitgestaltung des Informationswesen (im Hinblick auf die Nutzung und<br />
Verarbeitung externer und interner Daten)<br />
1 In Anlehnung an Ebert/Koinecke/Peemöller (1995): Controlling, 5. Aufl., Landsberg/Lech 1995, S. 23.
18 Martin Gläser<br />
Abbildung 4: Controlling-Konzepte im Hinblick auf die zeitliche Reichweite<br />
Vergangenheit<br />
(2) Taktisches Controlling<br />
Taktisches Controlling versteht sich als Controlling, das sich zwischen strategischem<br />
und operativem Controlling bewegt. Es hat mittelfristigen Charakter. Der Zeithorizont<br />
liegt bei einem bis vier Jahren. Es ist auf der mittleren Führungsebene des Unternehmens<br />
angesiedelt und umfasst die taktische (mittelfristige) Planung und Kontrolle<br />
sowie Steuerung und Informationsversorgung. Der Detaillierungsgrad ist höher als<br />
beim strategischen Controlling.<br />
Der Begriff Taktik bezeichnet das geschickte Nutzen einer gegebenen Lage. Er stammt<br />
aus dem griechischen (τακτική, taktike = Kunst des Aufstellens und der Anordnung).<br />
Der Begriff des taktischen Controlling ist wenig gebräuchlich.<br />
(3) Operatives Controlling<br />
Gegenwart<br />
Strategisches Controlling<br />
Finanzbuchhaltung<br />
kurzfristig mittelfristig langfristig<br />
Operatives Controlling<br />
Zukunft<br />
Operatives Controlling ist auf die eher kurzfristige, unmittelbare Steuerung und Koordination<br />
der Prozesse ausgerichtet, bei der die Optik primär auf die unternehmensinterne<br />
Perspektive gelegt ist.<br />
Aufgabe von operativem Controlling ist es, Informationen zu liefern, wenn ein steuernder<br />
Eingriff in den Betriebsablauf notwendig ist, bei einem privaten Wirtschaftsunternehmen<br />
also vor allem dann, wenn die Erreichung des Gewinnziels gefährdet<br />
erscheint.<br />
Haupt-Instrumente des operativen Controlling ist die Durchführung von Soll-Ist-<br />
Vergleichen und die Entwicklung von Maßnahmen-Vorschlägen zur Erreichung von<br />
kurz- und mittelfristigen Zielen.
Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 19<br />
Blickwinkel sachlicher Bezug<br />
Zu unterscheiden sind die folgenden Kategorien:<br />
Controlling nach dem betrieblichen Leistungsprozess<br />
• F&E-Controlling (Forschung und Entwicklung)<br />
• Logistik-Controlling, Beschaffungscontrolling<br />
• Produktionscontrolling<br />
• Marketing-Controlling<br />
Controlling nach dem betrieblichen Finanzprozess<br />
• Investitionscontrolling<br />
• Finanz-Controlling<br />
Controlling mit Fokus auf spezielle Bereiche<br />
• Personal-Controlling<br />
• Projekt-Controlling<br />
• Kosten-Controlling<br />
• Anlagen-Controlling<br />
• Qualitätscontrolling<br />
• Risiko-Controlling<br />
• Konzern-Controlling<br />
4 Schluss-Bemerkung<br />
Es sei dem Verfasser gestattet, aus seiner Insider-Sicht und aus seiner wissenschaft-<br />
lichen Befassung mit der Thematik zu betonen, dass entgegen einer in wenig sach-<br />
kundigen Kreisen vertretenen Meinung die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
seit jeher mit mehr oder weniger gut ausgebauten Controllingsystemen arbeiten. So<br />
war es bei den Landesrundfunkanstalten z.B. bereits in den 50er-Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts eine Selbstverständlichkeit, eine umfassende und aussagefähige Kosten-<br />
und Leistungsrechnung zu besitzen, und ebenso selbstverständlich ist es im neuen<br />
Jahrtausend, dass sie operatives und strategisches Controlling nach dem „State of the<br />
Art“ des modernen Managements betreiben. Von einem rückschrittlichen Verhalten,<br />
von Nachholbedarf oder gar von „Stümperei“ kann bei der Steuerung öffentlich-<br />
rechtlicher Rundfunkanstalten nicht die Rede sein. Unqualifizierte Angriffe bestimmter<br />
Kreise lassen sich leicht als reine Propaganda entlarven. Die in diesem Heft vor-<br />
gelegten Beiträge zum Controlling in der Direktion Technik und Produktion des<br />
Südwestrundfunks zeigen dies in überzeugender Weise.
20 Martin Gläser<br />
Literatur-Hinweise<br />
Basis-Literatur zum Controlling<br />
Horváth, Peter (2006): Controlling, 10., vollst. überarb. Aufl., München (Verlag Franz Vahlen).<br />
Küpper, Hans-Ulrich (2005): Controlling. Konzeption, Aufgaben, Instrumente. 4., überarb.<br />
Aufl., <strong>Stuttg</strong>art (Schäffer-Poeschel Verlag).<br />
Schwarz, Rainer (2002): Controlling-Systeme. Eine Einführung in Grundlagen, Komponenten<br />
und Methoden des Controlling, Wiesbaden (Gabler).<br />
Weber, Jürgen (2004): Einführung in das Controlling, 10., überarb. u. akt. Aufl., <strong>Stuttg</strong>art<br />
(Schäffer-Poeschel Verlag).<br />
Basis-Literatur zum Rundfunk-Controlling<br />
Becker, Wolfgang/Geisler, Rainer (2006): Controlling – Funktionen, Besonderheiten und<br />
Entwicklungen in Medienunternehmen, in: Scholz, Christian (Hrsg.)(2006): Handbuch<br />
Medienmanagement, Berlin, Heidelberg, New York (Springer-Verlag), S. 899-918.<br />
Geisler, Rainer M. (2002): Controlling deutscher TV-Sender. Fernsehwirtschaftliche Grundlagen<br />
– Stand der Praxis – Weiterentwicklung. Wiesbaden (Deutscher Universitäts-Verlag).<br />
Kayser, Horst J. (1993): Controlling für Rundfunkanstalten, Baden-Baden (Nomos-Verlag).<br />
Köcher, Anette (2003): Controlling der werbefinanzierten Medienunternehmung, Lohmar, Köln<br />
(Josef Eul Verlag).<br />
Schneider, Beate/Knobloch, Silvia (1999): Controlling-Praxis in Medien-Unternehmen,<br />
Neuwied, Kriftel (Luchterhand).<br />
Publikationen des Verfassers zum Rundfunk-Controlling<br />
Gläser, Martin (1990): Controlling im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – Ein Wolf im<br />
Schafspelz? In: Weber, J./Tylkowski, O. (Hrsg.)(1990): Konzepte und Instrumente von<br />
Controlling-Systemen in öffentlichen Institutionen, <strong>Stuttg</strong>art, S. 3<strong>17</strong>-342.<br />
Gläser, Martin (1996): Operatives Controlling im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, in: Ebert, G.<br />
(Hrsg.): Controlling. Managementfunktion und Führungskonzeption, Landsberg/Lech 1990,<br />
Loseblatt-Ausgabe, 21. Nachlieferung 3/1996, S. 1-56.<br />
Gläser, Martin (1999a): Strategisches Controlling im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, in: Ebert,<br />
G. (Hrsg.): Controlling. Managementfunktion und Führungskonzeption, Landsberg/Lech<br />
1990, Loseblatt-Ausgabe, 35. Nachlieferung 9/1999, S. 1-64.
Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 21<br />
Gläser, Martin (1999b): Schlüsselfaktoren für das erfolgreiche Controlling im Rundfunk, in:<br />
Kostenrechnungspraxis, 43. Jg. (1999), S. 301-309.<br />
Gläser, M. (2003): Controlling im Rundfunk – Ganzheitliche Steuerung privater und öffentlich-<br />
rechtlicher Rundfunk-Unternehmen, in: Brösel, G./Keuper, F. (Hrsg.)(2003):<br />
Medienmanagement. Aufgaben und Lösungen. München, Wien, S.147-<strong>17</strong>0.<br />
Gläser, M. (2005): Zur Notwendigkeit von strategischem Controlling im öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk, in: Ridder, C.-M./Langenbucher, W. R./Saxer, U./Steininger, C. (Hrsg.)(2005):<br />
Bausteine einer Theorie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Festschrift für Marie Luise<br />
Kiefer, Wiesbaden, S. 380-396.<br />
Dannwolf, Siegfried/Gläser, Martin/Rismondo, Klaus/Ritter, Susanne/Troester, Nadja (2003):<br />
Controlling im Rundfunk. Steuerungskonzepte für die SWR-Beteiligungen. <strong>Stuttg</strong>arter<br />
Beiträge zur Medienwirtschaft, Heft 7. <strong>Stuttg</strong>art.
Betriebswirtschaftliche Steuerung in der SWR-Direktion Technik und Produktion 23<br />
Michael Rombach<br />
Betriebswirtschaftliche Steuerung in der<br />
Direktion Technik und Produktion des<br />
SWR<br />
Vom „Eh-da-Prinzip“ hin zu einem bewussten Umgang mit<br />
knappen Ressourcen<br />
1 Ausgangslage<br />
Ein kurzer Blick in das Haushaltsbuch 2005 des SWR macht deutlich, welche Budgetgrößen<br />
durch die Direktion Technik und Produktion verantwortet werden:<br />
Es gilt jedes Jahr ein Nettobudget in Höhe von 50 Mio. €, Investitionen von 30 Mio. €<br />
und Personalkosten in Höhe von 81 Mio. € zu steuern. 1300 Festangestellte und rund<br />
400 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen täglich die notwendigen Fernseh-<br />
und Hörfunkproduktionsleistungen sowie die gesamten IT-Leistungen bereit.<br />
Aufgabe der betriebswirtschaftlichen Steuerung in der Direktion Technik und Produktion<br />
ist es zum einen, die Einhaltung der Haushaltseckwerte sicherzustellen. Allen<br />
voran die Einhaltung der Kosten für die Fremdbeauftragung von Produktionsleistungen,<br />
die allein rund 30 Mio. € pro Jahr ausmachen. Dies allein würde jedoch nicht<br />
genügen. Ebenso wichtig - für die Zukunftsfähigkeit vielleicht sogar noch wichtiger -<br />
ist es, durch betriebswirtschaftliche Steuerungselemente einen kontinuierlichen Prozess<br />
in Gang zu setzen, der eine stetige Optimierung des Ressourceneinsatzes in der<br />
Produktion und im Programm zur Folge hat. Wie beides gelingen kann, auch unter<br />
den öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen einer Rundfunkanstalt, soll in diesem<br />
Aufsatz beschrieben werden.<br />
2 Was nichts kostet, ist auch nichts wert. Oder:<br />
Das „Eh-da-Prinzip“<br />
Interne Dienstleister, wie es die Direktion Technik und Produktion im SWR ist, sollen<br />
und wollen den Programmdirektionen „zu Diensten“ sein. Wenn, wie es im SWR der<br />
Fall ist, die Qualität der Leistungen stimmt, werden diese Dienste auch gerne in<br />
Anspruch genommen. Damit könnte man es bei der Beschreibung und Steuerung der<br />
internen Dienstleistungen auch bewenden lassen und auf eine sich selbst steuernde<br />
Angebots- und Nachfragesituation hoffen. Dass dies jedoch zu einer ungesteuerten,<br />
unreflektierten Nachfrage und damit zu hohen Kosten führen würde, ist klar und muss
24 Michael Rombach<br />
in der Praxis nicht erneut bewiesen werden. Dies ist die Grundproblematik interner<br />
Dienstleistungen, gleich ob in der Industrie oder im öffentlich-rechtlichen Bereich: Stehen<br />
die internen Dienstleistungen den internen Nachfragern kostenlos zur Verfügung,<br />
dann werden diese in großem Umfang nachgefragt. Der Umgang mit ihnen erfolgt<br />
unökonomisch: „Was nichts kostet, ist auch nichts wert“.<br />
Diesen Mechanismus erkennend, haben viele Unternehmen, darunter auch zahlreiche<br />
Rundfunkanstalten, Regelungen eingeführt, mit denen die internen Kunden an den<br />
durch ihre Nachfrage unmittelbar ausgelösten Kosten beteiligt wurden. Konkret musste,<br />
z. B. in Vorstufen der internen Leistungsverrechnung, die Redaktion immer dann<br />
für die Kosten eines Kamerateams aufkommen, wenn dieses nicht aus den eigenen Reihen<br />
gestellt werden konnte, sondern vom Markt zu beschaffen war. Diese Steuerung<br />
über die variablen Kosten einer Leistung jedoch hat einen entscheidenden Nachteil: Im<br />
Haus vorhandene Ressourcen kosten den Nachfrager weiterhin nichts, mit allen<br />
Konsequenzen für den wirtschaftlichen Umgang mit diesen. Dieses „Eh-da-Prinzip“<br />
führt dann aber dazu, dass die internen Ressourcen in ihrer mittel- und langfristigen<br />
Entwicklung von einer betriebswirtschaftlichen Steuerung und Dimensionierung<br />
ausgenommen sind. Sie sind eben „eh da“ und bleiben es dann auch, mit allen damit<br />
verbundenen fixen Kosten für die Unternehmen.<br />
3 Auch interne Leistungen sind etwas wert: Das Prinzip der<br />
internen Leistungsverrechnung<br />
Der SWR hat sich mit der Fusion für eine interne Leistungsverrechnung (ILV) seiner<br />
Produktionsleistungen entschieden. Fast alle von der Direktion Technik und Produktion<br />
angebotenen Dienstleistungen haben einen festgelegten Preis, gleich ob sie mit<br />
internen oder externen Ressourcen erbracht werden. Damit wird bereits in der Planungsphase<br />
erkennbar, welche Programmbereiche wie viele Leistungen für sich in<br />
Anspruch nehmen werden und innerhalb der Programmbereiche wird sicht- und<br />
damit steuerbar, mit welchem Produktionsaufwand welche Programmprodukte<br />
erstellt werden sollen. Die Programme nutzen die ILV ihrerseits konsequent zur Verteilung<br />
der Produktionsressourcen auf ihre Programmprodukte.<br />
Nur durch den objektiven Blick, den die ILV ermöglicht, ist im SWR die Verteilung der<br />
Produktionsleistungen auf die Programmdirektionen möglich. Aufgrund der Aufbauorganisation<br />
des Senders verteilen sich die Fernsehproduktionsleistungen auf drei<br />
Direktionen und die Hörfunkproduktionsleistungen ebenso.<br />
Was sich bei grundsätzlicher Betrachtung einfach darstellt, ist in der konkreten Ausprägung<br />
in einem großen Haus wie dem SWR und bei der breiten Palette der Programmprodukte<br />
reichlich komplex: Es existieren rund 870 unterschiedliche<br />
Leistungsarten, die vom Programm bestellt werden können. Pro Jahr werden rund<br />
72.000 Bestellvorgänge angestoßen und 750.000 Abrechnungen durchgeführt. Dass dies<br />
sinnvoll und mit vertretbarem Aufwand nur mit Hilfe eines durchgängigen, DVgestützten<br />
Prozesses erfolgen kann, ist klar. Und deshalb wurden gleich zu Beginn des<br />
SWR, mit der Einführung des Produktionsplanungssystems PPS, die Planungs-,<br />
Bestell- und Abrechnungsprozesse vereinheitlicht und in einem System abgebildet.
Betriebswirtschaftliche Steuerung in der SWR-Direktion Technik und Produktion 25<br />
Im Jahr 2004 erbrachte die Direktion Technik und Produktion 93 Mio. € Fernseh- und<br />
32 Mio. € Hörfunkproduktionsleistungen. Nicht einbezogen in die interne Leistungsverrechnung<br />
sind alle Infrastrukturleistungen der Direktion Technik und Produktion,<br />
die zur Aufrechterhaltung des Produktionsbetriebes und der IT-Systeme notwendig<br />
sind und die keiner Nachfragesteuerung unterworfen sein können, wie z. B. die Abspielung<br />
und die Schalträume in Hörfunk und Fernsehen. Dies erklärt auch, warum<br />
die Summe der ILV-Leistungen stets unterhalb der Gesamtkosten der Direktion Technik<br />
und Produktion liegen muss.<br />
4 Budgetierte Produktionsleistungen: „Funny Money“ oder<br />
harte Währung<br />
Ein Prüfstein für alle ILV-Systeme ist die Frage, ob die Währung der ILV auch eine<br />
„harte“ Währung wird, ob also die internen Dienstleistungen auch zu knappen Gütern<br />
gemacht werden können, mit denen dann in Folge ökonomisch umgegangen wird.<br />
Im SWR machte zu Beginn der ILV der Begriff „Funny Money“ die Runde. Die<br />
Währung der ILV, die sogenannten budgetierten Produktionsleistungen, kurz BPL,<br />
seien doch Spielgeld und nicht allzu ernst zu nehmen. Diesem Trugschluss wurde<br />
durch die Geschäftsleitung sehr früh der Boden entzogen. Anlass war die Tatsache,<br />
dass bereits im Jahr 1999 die Kosten für Fremdproduktionsleistungen den Haushaltsansatz<br />
deutlich überstiegen. Dies lag vor allem auch daran, dass bei der Festlegung<br />
dieses Ansatzes keine Erfahrungswerte vorlagen; niemand konnte genau abschätzen,<br />
was das neue Programm in den neuen Strukturen denn kosten würde. Für die ILV des<br />
SWR war dieses Etatproblem im Nachhinein betrachtet ein Glücksfall: Die BPL wurden<br />
als sehr knappe Ressource identifiziert und behandelt und wer danach immer noch<br />
von „Funny Money“ sprach, zeigte deutlich, dass er weder das Grundprinzip der ILV<br />
noch die Lage des SWR richtig verstanden hatte.<br />
5 Trotz klarer Kunden-Dienstleister-Beziehung: Wir sind ein<br />
SWR!<br />
Zu Beginn der Einführung, also auch in der Startphase des SWR, führte die interne<br />
Leistungsverrechnung zu einem interessanten Effekt, der als eine Art „Überschwinger“<br />
bezeichnet werden kann. Die Rollen waren klar beschrieben und voneinander abgegrenzt:<br />
der Dienstleister Technik und Produktion auf der einen und die Programmkunden<br />
auf der anderen Seite. Soweit so gut und auch so gewollt.<br />
Allerdings führte dies auch – da gerade öffentlich-rechtliche Milieus, wenn der Weg<br />
einmal eingeschlagen ist, zu einer fast gnadenlosen Konsequenz neigen – dazu, dass<br />
sich jeder hinter seiner ihm zugewiesenen Rolle verschanzte: Die Technik und<br />
Produktion lieferte, ohne kritisch zu hinterfragen und kollegial zu beraten, eben alles,<br />
was bestellt war. Schließlich galt es ja „Umsatz zu machen“. Die Programme als<br />
Kunden bestellten und bezahlten, waren aber nicht willens in problematischen<br />
Situationen, vor allem bei zeitlichen Überschneidungen von Anforderungen, von ihren
26 Michael Rombach<br />
Bestellungen und Wunschterminen abzuweichen. Zugegeben, dieser Absatz pauschalisiert<br />
und überzeichnet die damalige Situation, aber die Grundtendenz war vorhanden<br />
und blieb nicht ohne Auswirkungen. Dieser Effekt ist nicht nur im SWR, sondern fast<br />
überall dort zu beobachten, wo interne Verrechnungssysteme eingeführt werden.<br />
Gerade die Zeitachsenoptimierung, also die geschickte Terminierung von Produktionen<br />
mit dem Ziel, möglichst viel mit eigenen Ressourcen abzudecken und möglichst<br />
wenig am freien Markt einzukaufen, litt unter dem überzogenen Rollenverständnis.<br />
Aber auch dieses Problem erreichte, getrieben von anhaltenden Etatproblemen, die Geschäftsleitung<br />
und als Folge wurden Steuerungskreise von Programm und Produktion<br />
eingerichtet, hierarchische Eskalationsstufen zur Beförderung des Einigungswillens auf<br />
der Arbeitsebene verabredet und alles in allem wieder klar und deutlich gemacht: Wir<br />
sind ein Sender, ein SWR und trotz aller Kunden-Dienstleister-Beziehungen muss sich<br />
am Ende alles an der Frage messen lassen, ob für den SWR die jeweils optimale Lösung<br />
gefunden werden konnte.<br />
6 Nur wer seine Ziele kennt, weiß in welche Richtung er gehen<br />
muss!<br />
Nachdem die ILV ihre positiven Effekte auf Programm- und Produktionsseite entfalten<br />
konnte und sich eine gewisse Routine und Stabilität eingestellt hatte, stellte sich in der<br />
Technik und Produktion die Frage, welcher nun der nächste Schritt bei der Einführung<br />
betriebswirtschaftlicher Steuerungssysteme sein könnte.<br />
Eine der Grundthesen bei der Einführung von Steuerungssystemen ist die, dass im<br />
Idealfall durch die Systeme im Prozess eine Art „natürliches Gefälle“ entsteht, was<br />
dazu führt, dass die Ressourcenströme „von allein“ in die richtige Richtung laufen und<br />
alle Akteure „von selbst“ die richtigen Entscheidungen treffen. Gelingt dies nicht, führen<br />
Steuerungssysteme oft dazu, dass mit großem Kontrollaufwand „von oben“ nachgesteuert<br />
werden muss, ohne dass sich zwingend ein entsprechender Erfolg einstellt.<br />
Ist das Gefälle falsch eingestellt, findet sich die Hierarchie schnell in der Rolle eines<br />
Hausmeisters wieder, der versucht das Regenwasser in die fälschlicherweise am Dachfirst<br />
angebrachte Regenrinne umzuleiten. Und so stellte sich die Frage, mit welchen<br />
Mitteln die Hauptabteilungen und Abteilungen der Direktion in die Lage versetzt werden<br />
könnten, die betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Einheiten zu messen<br />
und wie damit auch konkrete Entwicklungsziele vorgegeben und Optimierungsprozesse<br />
eingeleitet werden könnten.<br />
Der aufgesetzte Prozess ist mit der Abkürzung EZAM versehen, die für Eigenoptimierung,<br />
Ziele, Analyse und Maßnahmen steht. Damit sind die wesentlichen Elemente<br />
des Prozesses auch benannt: Ziel ist die Eigenoptimierung der Bereiche, die mit einer<br />
Analyse der betriebswirtschaftlichen Daten beginnt, zu Zielvorgaben für jeden Bereich<br />
führt, die wiederum durch einen vom Bereich zu entwickelnden Maßnahmenkatalog<br />
erreicht werden sollen.
Betriebswirtschaftliche Steuerung in der SWR-Direktion Technik und Produktion 27<br />
Die ILV bildet die Basis für diesen Prozess. Dreh- und Angelpunkt ist der Vergleich<br />
zwischen den Leistungen der Bereiche durch die Erbringung und Verrechnung der<br />
Produktionsleistungen (BPL) und den durch den Bereich ausgelösten Kosten. Die<br />
eingeführte Systematik ähnelt stark den in der Industrie eingeführten Profit-Center-<br />
Systemen, unterscheidet sich aber von diesen vor allem dadurch, dass nicht alle<br />
Leistungen der Bereiche verrechnet werden und somit auch Elemente der Cost-Center-<br />
Betrachtung einbezogen werden müssen. Die Zielgrößen je Bereich werden vom<br />
Direktor Technik und Produktion in Abstimmung mit den Hauptabteilungsleitern vorgegeben.<br />
Für die Bereiche gilt es, diese Ziele mittelfristig zu erreichen. Die konkrete<br />
Zeitplanung der Maßnahmen liegt bei den Abteilungsleitern, da gerade im Personalbereich<br />
oft nicht kurz-, sondern nur mittelfristig reagiert werden kann.<br />
EZAM ist aber nicht nur ein Controlling-, sondern vielmehr auch ein Führungsinstrument.<br />
Zentraler Bestandteil ist die jährliche Vorstellung der EZAM-Kennzahlen<br />
und der durchgeführten sowie der geplanten Maßnahmen durch die Abteilungsleiter<br />
in der HAL-Runde der Direktion. Insgesamt konnte mit dem EZAM-Prozess ein in sich<br />
geschlossener Steuerungskreis geschaffen werden und vor allem ist es gelungen, einer<br />
der zentralen Führungsaufgaben nachzukommen: Führung bedeutet für Ziele zu sorgen,<br />
die nachvollziehbar, messbar, realistisch und doch ambitioniert sind.<br />
7 Erfolg ist messbar und schafft Nachahmer<br />
In den vorangegangenen Kapiteln wurde lediglich beschrieben, mit welchen Werkzeugen<br />
die Direktion Technik und Produktion versucht, mit den ihr überantworteten<br />
Budgets ökonomisch umzugehen. Zum Ende dieses Aufsatzes stellt sich jedoch<br />
zwingend die Frage, ob diese Werkzeuge auch greifen, ob sie - und nur darauf kommt<br />
es an - tatsächlich wirkungsvoll sind. Denn eines muss bei allen Controlling- und Führungsinstrumenten,<br />
bei allen Regelungen, Anweisungen und Vorgaben immer klar<br />
sein und klar bleiben: am Ende zählt nur die Wirkung, zählt nur das Ergebnis. Und das<br />
Ergebnis kann sich sehen lassen:<br />
Es trägt bekanntermaßen außerordentlich zur Glaubwürdigkeit von Bewertungen bei,<br />
wenn diese nicht durch den Betroffenen selbst vorgenommen werden. Deshalb kommen<br />
hier nun „andere zu Wort“:<br />
Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF)<br />
bewertet in ihren umfang- und kenntnisreichen Analysen auch die Wirtschaftlichkeit<br />
der Produktionsbetriebe. Eine der Kennzahlen sind dabei die Kosten, die für die<br />
Eigenproduktion einer Fernseh- und einer Hörfunkminute anfallen. Diese Kennzahl<br />
muss zugunsten ihrer einfachen Interpretierbarkeit viele Details und Besonderheiten<br />
einzelner Rundfunkanstalten vernachlässigen. Der SWR wird tendenziell durch diese<br />
Definition der Kennzahl gegenüber anderen Anstalten benachteiligt, da er mehr als<br />
andere Anstalten Programmprodukte in den „teuren“ Genres wie z. B. dem Szenischen<br />
eigenproduziert, was infolge den Minutenpreis anhebt und auch anheben darf.<br />
Dennoch - und vor diesem Hintergrund besonders bemerkenswert - sind im SWR (vgl.<br />
14. KEF-Bericht) die durchschnittlichen Kosten je hergestellter Sendeminute Fernsehen
28 Michael Rombach<br />
niedriger als im NDR, WDR und BR. Der SWR liegt somit in dieser Kategorie vor allen<br />
anderen großen und damit im Hinblick auf das Produktportfolio vergleichbaren Rundfunkanstalten<br />
der ARD. Dies war nicht immer so: Die Vorgängeranstalten SDR und<br />
SWF lagen eher im hinteren Mittelfeld.<br />
Im Hörfunk ist die Position des SWR noch entwicklungsfähig. Bei den Kosten je produzierter<br />
Sendeminute liegt der SWR unter den „Großen“ im Mittelfeld. Hier zeigt sich<br />
deutlich, dass der ILV- und EZAM-Prozess im Hörfunk noch nicht den Anwendungsgrad<br />
gefunden hat wie im Fernsehen. Darauf liegt nun auch der Schwerpunkt der<br />
aktuellen Anstrengungen in der Direktion Technik und Produktion. Hörfunkproduktionsleistungen<br />
werden - gemeinsam mit dem Programm - schrittweise verknappt;<br />
die EZAM-Vorgaben für die Hörfunkbereiche sind kürzlich festgelegt worden.<br />
Noch deutlicher ist die positive Entwicklung des SWR-Produktionsbetriebes in einer<br />
kürzlich erschienenen Dissertationsschrift 1 nachzulesen. Die dort angestellten Analysen<br />
zur Wirtschaftlichkeit der Fernsehproduktionsbetriebe der ARD berücksichtigen<br />
in Erweiterung der KEF-Systematik die unterschiedlichen Produktportfolios der<br />
Anstalten und werden damit der tatsächlichen Situation gerecht. Hier fällt das Ergebnis<br />
dann mehr als eindeutig aus: Der SWR-Produktionsbetrieb hat sich im Bereich<br />
Fernsehen unter den großen Anstalten mit Abstand am deutlichsten optimiert. Gegenüber<br />
dem Vergleichsjahr 1997 konnte im SWR eine Reduktion der Kosten je Sendeminute<br />
um 28 % erzielt werden.<br />
Mit anderen Worten: Die Direktion Technik und Produktion und die Programme des<br />
SWR haben die Chance der Fusion genutzt und mit geeigneten Führungs- und Steuer-<br />
ungsinstrumenten einen nachhaltig erfolgreichen Prozess in Gang gesetzt, der zeigt,<br />
dass wirtschaftliches Handeln, Kundenzufriedenheit und Innovation auch in öffent-<br />
lich-rechtlichen Einheiten etablierbar sind.<br />
1 Zimmermann, Stephan (2005): Prozessinnovation im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Berlin (Logos Verlag).
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 29<br />
Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
Controlling-Instrumente zur<br />
Center-Steuerung der SWR-Produktion<br />
im Hörfunk und Fernsehen<br />
Um in einem zunehmend schwieriger werdenden Umfeld den Bestand und die Zukunfts-<br />
fähigkeit des SWR als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt zu sichern, ist der Einsatz eines<br />
wirkungsvollen rundfunkspezifischen Controlling von grundlegender Bedeutung. Als zentrales<br />
Steuerungsinstrument für wirtschaftliche Optimierungen in Programm und Produktion beim<br />
SWR dient die interne Leistungsverrechnung. Sie schafft zugleich die Voraussetzungen für den<br />
EZAM-Prozess, der im wesentlichen einen Vergleich zwischen den erbrachten Leistungen der<br />
einzelnen Abteilungen im Fernseh- und Hörfunkbereich und den in diesen Bereichen<br />
ausgelösten Kosten zum Gegenstand hat.<br />
Nachfolgender Aufsatz ist die Kurzfassung der Diplomarbeit von Michaela Schüler, die von<br />
Prof. Edgar H. Tritschler als Erstgutachter und Dr. Michael Rombach als Zweitgutachter<br />
betreut wurde.<br />
1 Ausgangslage<br />
Mit der Öffnung des deutschen Rundfunkmarktes für private Rundfunkanbieter im<br />
Jahre 1984, der Zunahme privatwirtschaftlich organisierter Produktionsdienstleister<br />
sowie dem verstärkten Aufkommen neuer Medienangebote auf Basis technischer Ent-<br />
wicklungen ist die Konkurrenz öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten im Hinblick<br />
auf Zuschauer und Ressourcen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Dabei<br />
stehen jährlich nur gering steigende Gebühreneinnahmen einer erheblichen Preis-<br />
steigerung insbesondere für Film- und Fernsehproduktionen sowie für den Rechte-<br />
erwerb gegenüber, was für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten einen jährlich<br />
steigenden Kaufkraftverlust zur Folge hat. Dennoch ist zu gewährleisten, dass sie<br />
ihrem gesetzlichen Programmauftrag gerecht werden und nicht durch zunehmende<br />
Anpassung an das Programmangebot privater Rundfunkanbieter ihr eigenständiges<br />
Profil verlieren. Zugleich haben sie den in den Rundfunkgesetzen und Staatsverträgen<br />
festgeschriebenen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten, da<br />
die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht unternehmerisch erwirtschaftet<br />
werden, sondern vorrangig aus Rundfunkgebühren stammen. Zur Festlegung des<br />
Finanzbedarfs öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten und der daraus abgeleiteten<br />
Empfehlung einer angemessenen Gebührenhöhe prüft die Kommission zur Ermittlung<br />
des Finanzbedarfs (KEF), ob die Bedarfsanmeldungen der einzelnen Rundfunk-<br />
anstalten im Einklang mit diesem Grundsatz erfolgen.
30 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
Die Anforderungen, die durch die optimale Erfüllung des Programmauftrages bei<br />
gleichzeitiger Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots und darüber hinaus durch<br />
zunehmend knapper werdende finanzielle Mittel bei gleichzeitig kontinuierlich stei-<br />
gender Teuerungsrate an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gestellt werden,<br />
machen den Einsatz von leistungsfähigen Controlling-Instrumenten in öffentlich-recht-<br />
lichen Rundfunkanstalten erforderlich. Als ein wesentliches Steuerungsinstrument, das<br />
in einer verschärften Wettbewerbssituation entscheidend zur Zukunftssicherung der<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beitragen soll, wird von der Mehrheit der<br />
Vertreter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, wie auch vom SWR, die auf einen<br />
internen Markt beruhende interne Leistungsverrechnung zwischen Programm- und<br />
Produktionsbereich angesehen. Eine höhere Kostentransparenz und eine verstärkte<br />
Einbeziehung marktwirtschaftlicher Elemente sieht auch die KEF als wesentliche Vor-<br />
aussetzung für eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit öffentlich-rechtlicher Rund-<br />
funkanstalten. In jüngster Zeit ist daher bei einem Großteil der ARD-Anstalten eine<br />
Neuorganisation der Produktionsbetriebe im Sinne der Einführung einer internen<br />
Leistungsverrechnung für Produktionsleistungen nach dem Konzept der Markt-<br />
steuerung und Budgetierung dieser Leistungen zu beobachten.<br />
2 Die interne Leistungsverrechnung als Controlling-Instrument<br />
beim SWR<br />
Der SWR hat bereits mit seiner Gründung im Jahr 1998 die interne Leistungsver-<br />
rechnung als zentrales Controlling-Instrument eingeführt, um einen wirtschaftlichen<br />
Umgang mit den ihm überwiegend aus öffentlichen Finanzmitteln zur Verfügung<br />
gestellten Budgets zu erzielen und somit der ökonomischen Zielsetzung zu ent-<br />
sprechen. Sie setzt an der Programmherstellung und damit an der Kerntätigkeit der<br />
Produktionsbetriebe des SWR an und steht im Mittelpunkt sämtlicher Controlling-<br />
aktivitäten der Direktion Technik und Produktion. Der SWR erachtet dabei auch den<br />
Markt als geeignetes Steuerungsverfahren, dessen Vorteile er durch die Einbeziehung<br />
marktwirtschaftlicher Elemente zur Verrechnung der internen Produktionsleistungen<br />
nutzen will.<br />
Controlling der Direktion Technik und Produktion als konzeptioneller Rahmen der<br />
internen Leistungsverrechnung<br />
Die Organisation des Controlling innerhalb der Direktion Technik und Produktion<br />
lässt sich anhand nachfolgender Abbildung 1 erläutern:
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 31<br />
Abbildung 1: Organisation des Controlling der Direktion Technik und Produktion 1<br />
HA Technik und Produktion<br />
Baden-Baden<br />
Wie Abbildung 1 zeigt, ist das Controlling der Direktion Technik und Produktion<br />
standortübergreifend organisiert: An den drei Hauptstandorten des SWR sind jeweils<br />
die Produktionseinrichtungen der Direktion Technik und Produktion ansässig, die in<br />
einer Hauptabteilung Technik und Produktion zusammengefasst und von dieser ge-<br />
leitet werden. Für die Wahrnehmung der operativen Controllingaufgaben des<br />
jeweiligen Standorts sind die dezentral eingerichteten Produktionswirtschaften der<br />
Hauptabteilungen Technik und Produktion zuständig. Strategische Controllingstelle<br />
der Direktion Technik und Produktion ist die Zentrale Produktionswirtschaft der<br />
Hauptabteilung Zentrale Aufgaben. Sie übernimmt alle zentralen Controllingaufgaben<br />
und stimmt diese mit den Produktionswirtschaften an den jeweiligen Standorten ab. 2<br />
Der Fokus des Controlling der Direktion Technik und Produktion richtet sich hierbei<br />
auf die einzelnen Kostenstellen und deren Verantwortliche innerhalb der Direktion. Zu<br />
den wichtigsten Aufgaben des strategischen Controlling zählen die Planung, Erstel-<br />
lung und Kontrolle der Budgets der Direktion Technik und Produktion. Im Rahmen<br />
des Haushaltsplanungsprozesses sind nachvollziehbare Budgetgrößen als Soll-<br />
Vorgaben für die einzelnen Kostenstellen zu ermitteln und anschließend ist die Einhal-<br />
tung der Haushaltseckwerte sicherzustellen. Dazu zählt allem voran die Einhaltung<br />
der Kosten für die Fremdbeauftragung von Produktionsleistungen, die allein rund<br />
1 Eigene Darstellung in Anlehnung an Pfeiffer, Jürgen: Controlling/Controller in der Produktion, unveröffentlichte<br />
Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2005, Vortragsfolie 3.<br />
2 Vgl. SWR-Haushaltsplan 2005, S. 108-110.<br />
Direktion<br />
Technik und Produktion<br />
HA Technik und Produktion<br />
Mainz<br />
Produktionswirtschaft Produktionswirtschaft<br />
dezentrales / operatives Controlling<br />
Hauptabteilung Zentrale<br />
Aufgaben (HA ZA)<br />
Zentrale<br />
Produktionswirtschaft<br />
zentrales /<br />
strategisches<br />
Controlling<br />
HA Technik und Produktion<br />
<strong>Stuttg</strong>art<br />
Produktionswirtschaft
32 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
30 Mio. Euro pro Jahr ausmachen. 1 Die dezentralen Standortproduktionswirtschaften<br />
unterstützen und beraten die jeweiligen Hauptabteilungsleiter bei der Wahrnehmung<br />
ihrer Budgetverantwortung und kontrollieren die Mittelabflüsse im laufenden Betrieb. 2<br />
Dies allein reicht jedoch nicht aus, um der ökonomischen Zielsetzung zu entsprechen.<br />
Für eine wirtschaftliche Optimierung der Produktionsbetriebe des SWR hat das<br />
Controlling der Direktion Technik und Produktion durch betriebswirtschaftliche<br />
Steuerungselemente einen kontinuierlichen Prozess in Gang zu setzen, der eine stetige<br />
Optimierung des Ressourceneinsatzes in der Produktion und im Programm zur Folge<br />
hat. 3 Es hat den Produktionsablauf so zu steuern, dass die Anforderungen der Pro-<br />
grammbereiche mit möglichst geringen Mitteln erfüllt und die eigenen Kapazitäten<br />
optimal ausgelastet werden. Im Vordergrund steht demnach der effiziente Einsatz<br />
eigener Ressourcen bei gleichzeitiger Reduktion des Fremdmittelbedarfs.<br />
Als zentrales Steuerungsinstrument zur Erfüllung dieser Aufgaben dient die interne<br />
Leistungsverrechnung. Sie legt dabei den Grundstein für eine wirtschaftliche<br />
Optimierung der Produktions- und Programmbereiche des SWR und ist zugleich Vor-<br />
aussetzung für die Anwendung weiterer Controlling-Instrumente. Neben dem in nach-<br />
folgenden Ausführungen dargestellten EZAM-Prozess zählen hierzu regelmäßige Con-<br />
trolling-Berichte, mittels derer die Produktionswirtschaften der Direktion Technik und<br />
Produktion unter Anwendung von Soll-Ist-Vergleichen und eigens entwickelten Kenn-<br />
zahlen die Entwicklung des Fremdmittelbedarfs und der Erlöse der Kostenstellen über-<br />
wachen.<br />
Anwendungsbereich und Zielsetzung der internen Leistungsverrechnung<br />
Wie nachfolgende Abbildung 2 zeigt, vollzieht sich die interne Leistungsverrechnung<br />
zwischen der Direktion Technik und Produktion und den vier Programmdirektionen<br />
des SWR. Hierzu zählen die Hörfunkdirektion, die beiden Landessenderdirektionen<br />
Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie die Fernsehdirektion. Gegenstand der<br />
Verrechnung sind diejenigen Leistungen, welche die einzelnen Bereiche der drei<br />
Hauptabteilungen Technik und Produktion (HA TuP) sowie der Stabstelle Zentrale<br />
Herstellung und Produktionsplanung (ZHPP) den Programmdirektionen für die<br />
Realisierung der eigenproduzierten Fernseh- und Hörfunksendungen bereitstellen.<br />
1 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />
unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.<br />
2 Vgl. SWR-Haushaltsplan 2005, S. 110.<br />
3 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />
unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 33<br />
Abbildung 2: Anwendungsbereich der internen Leistungsverrechnung des SWR<br />
Direktion Technik und Produktion<br />
HA TuP Baden-Baden<br />
HA TuP <strong>Stuttg</strong>art<br />
HA TuP Mainz<br />
ZHPP<br />
Nicht einbezogen in die interne Leistungsverrechnung sind alle Infrastrukturleis-<br />
tungen der Direktion Technik und Produktion, die der Aufrechterhaltung der Produk-<br />
tionsbetriebe und der IT-Systeme dienen sowie Leistungen, die keiner Nachfrage-<br />
steuerung unterworfen sein können. Hierzu zählen beispielsweise die Abspielung von<br />
Fernseh- und Hörfunkprogrammen und das Bedienen der Schalträume. Dies erklärt<br />
auch, warum die Summe der ILV-Leistungen stets unterhalb der Gesamtkosten der<br />
Direktion Technik und Produktion liegen muss. 1<br />
Die interne Leistungsverrechnung des SWR hat zum Ziel, als Voraussetzung für eine<br />
betriebswirtschaftliche Optimierung des Produktionsprozesses zum einen innerhalb<br />
des Produktionsbetriebes Transparenz der von diesen Bereichen erbrachten Produk-<br />
tionsleistungen sowie der für ihre Leistungserstellung angefallenen Kosten zu schaf-<br />
fen. Zum anderen sollen in den Programmdirektionen die für die jeweiligen Sendun-<br />
gen aufgewendeten Kosten transparent werden. 2<br />
In der Direktion Technik und Produktion bildet die interne Leistungsverrechnung da-<br />
mit die Basis für bereichsbezogene Erfolgsrechnungen ihrer Abteilungen, da die Leis-<br />
tungen einer Kostenstelle den hierfür aufgewendeten Kosten gegenübergestellt werden<br />
können. Die Erfassung der bei den leistenden Kostenstellen angefallenen Kosten,<br />
welche die Kosten für die Bereitstellung eigener Personal- und Sachmittel sowie zuge-<br />
kaufter Fremdmittel umfassen, dient zudem als Planungs- und Steuerungsgrundlage<br />
für die Entwicklung der eigenen Ressourcen und des Fremdmittelbedarfs. 3<br />
1 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />
unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.<br />
2 Vgl. derselbe: Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele, Voraussetzungen und Ergebnisse,<br />
unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2004, Vortragsfolie 3.<br />
3 Vgl. ebenda, Vortragsfolie 8.<br />
Hörfunkdirektion<br />
Landessenderdirektion<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Fernsehdirektion<br />
Landessenderdirektion<br />
Baden-Württemberg
34 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
In den Programmdirektionen soll durch die Transparenz der für die einzelnen Sen-<br />
dungen aufgewendeten Produktionskosten ein wirtschaftlicher Umgang mit dieser<br />
Ressource erzielt werden. 1 Durch die interne Leistungsverrechnung können den<br />
Kostenträgern neben den primären Programmdirektkosten, welche die Programmbe-<br />
reiche für die Inanspruchnahme externer Programmleistungen zahlen, wie beispiels-<br />
weise Honorare für Schauspieler oder Drehbuchautoren, auch die Kosten für die<br />
Bereitstellung von Produktionsleistungen zugerechnet werden. Im Vordergrund steht<br />
folglich die positive Beeinflussung des Verhaltens aller am Produktionsprozess<br />
beteiligten Personen im Sinne eines gesteigerten Wirtschaftlichkeitsdenkens. Es geht<br />
darum, durch Kostentransparenz das Kostenbewusstsein und die Kostenverant-<br />
wortung in Programm und Produktion zu steigern und die richtigen Verhaltensanreize<br />
zum wirtschaftlichen Einsatz von Ressourcen zu setzen.<br />
Unterjähriger Vollzug der internen Leistungsverrechnung<br />
Die Durchführung der internen Leistungsverrechnung beim SWR erfolgt über den<br />
Aufbau eines internen Marktes zwischen den Programmdirektionen als Auftraggeber<br />
und der Direktion Technik und Produktion als Auftragnehmer. Es sind somit klar<br />
definierte Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen etabliert. Dabei besteht zwischen<br />
den beiden Transaktionspartnern ein interner Liefer- und Bezugszwang. Die auftrag-<br />
gebenden Stellen müssen folglich alle Leistungen von der Direktion Technik und Pro-<br />
duktion beziehen, die diese als Eigenkapazitäten vorhält, und dürfen keine Fremdleis-<br />
tungen am jeweiligen Fachbereich des Produktionsbetriebes vorbei einkaufen. Hier-<br />
durch sollen Doppelkosten vermieden werden, die durch direkte Bestellungen von<br />
Fremdleistungen bei gleichzeitigem Vorhandensein eigener Kapazitäten entstehen. 2<br />
Die Direktion Technik und Produktion entscheidet demzufolge über die Inanspruch-<br />
nahme externer Kapazitäten. Dadurch soll gewährleistet werden, dass nur dann<br />
Ressourcen auf dem freien Markt eingekauft werden, wenn der Produktionsbetrieb<br />
zum gewünschten Zeitpunkt bereits ausgelastet ist.<br />
Der unterjährige Vollzug der internen Leistungsverrechnung des SWR lässt sich an-<br />
hand folgender Abbildung 3 erläutern:<br />
1 Vgl. Rombach, Michael: Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele, Voraussetzungen und Ergebnisse,<br />
unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2004, Vortragsfolie 8.<br />
2 Vgl. SWR: o.V.: Budgetierungsregeln des SWR, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2005, S. 2.
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 35<br />
Abbildung 3: Vollzug der internen Leistungsverrechnung über den Aufbau eines fiktiven<br />
internen Marktes<br />
Auftrag<br />
Auftraggeber / Nachfrager Auftragnehmer / Anbieter<br />
Programmdirektionen<br />
fiktiver interner Markt<br />
realer externer Markt<br />
Produktionsleistungen<br />
interner Verrechnungspreis<br />
Direktion<br />
Technik und Produktion<br />
Eigene Kapazitäten<br />
Personal- & Sachmittel<br />
Fremdkapazitäten<br />
Personal- & Sachmittel<br />
Für die Realisierung der eigenproduzierten Sendungen des SWR fordern die Pro-<br />
grammdirektionen die benötigten Produktionsleistungen bei der Direktion Technik<br />
und Produktion an. Die Bestellung der Produktionsleistungen erfolgt dabei grund-<br />
sätzlich nur über einen verbindlichen Auftrag zwischen den Programmdirektionen<br />
und der Direktion Technik und Produktion. Die Befugnis zur Erteilung von Produk-<br />
tionsaufträgen liegt ausschließlich bei dem für den jeweiligen Sendeplatz Verant-<br />
wortlichen oder einer von ihm autorisierten Person, die Befugnis zur Entgegennahme<br />
von Aufträgen bei den jeweiligen Disponenten der Direktion Technik und Produktion. 1<br />
Die leistenden Fachbereiche der Direktion Technik und Produktion können die inter-<br />
nen Produktionsleistungen sowohl mit eigenen Ressourcen als auch über die Fremdbe-<br />
auftragung externer Dienstleister erbringen. Für ihre Bereitstellung erhalten sie eine<br />
Vergütung in Höhe eines internen Verrechnungspreises. Dabei handelt es sich jedoch<br />
nicht um eine reale Vergütung in Form von Geld, sondern um eine speziell für die<br />
Leistungsverrechnung zur Anwendung kommende interne Währung. Verrechnet wer-<br />
den dabei Sach- und Personalleistungen sowie die Kombination beider Formen. In den<br />
Programmbereichen soll die monetäre Bewertung der von ihnen beantragten Produk-<br />
tionsleistungen eine Sensibilisierung des Wertbewusstseins und somit ein wirtschaft-<br />
licheres Nachfrageverhalten bewirken, da die Produktionsleistungen den internen<br />
Nachfragern nun nicht mehr kostenlos zur Verfügung stehen. Vielmehr wird bereits in<br />
der Planungsphase erkennbar, welche Programmbereiche wie viele Leistungen zu<br />
1 Vgl. SWR: o.V.: Budgetierungsregeln des SWR, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2005, S. 2..
36 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
welchen Preisen für sich in Anspruch nehmen werden. Innerhalb der Produktions-<br />
bereiche wird sicht- und damit steuerbar, mit welchem Produktionsaufwand welche<br />
Programmprodukte erstellt werden sollen. 1<br />
Bei Beauftragung von Fernsehproduktionsleistungen werden die Bestellaufträge für<br />
ihre Abwicklung und anschließende Verrechnung bestimmten Herstellverfahren zuge-<br />
ordnet und innerhalb dieser Verfahren nach Betriebsnotwendigkeit in Leistungsarten<br />
gegliedert. Die verschiedenen Leistungsarten je Herstellverfahren werden dann auf<br />
Basis eines Leistungsartenkatalogs zu den hierfür vereinbarten internen Verrechnungs-<br />
preisen bewertet, wobei feste Verrechnungssätze in Form von Taktzeiten und Mindest-<br />
verrechnungszeiten oder –mengen vorgegeben sind. Eine Konvertierbarkeit einzelner<br />
Leistungsarten ist dabei vom Grundsatz her nicht vorgesehen, d.h. das Programm<br />
kann beim Produktionsbetrieb bestellte Leistungsarten nicht gegen andere Produk-<br />
tionsleistungen eintauschen. In der Praxis ist jedoch eine möglichst hohe Flexibilität<br />
des Produktionsbetriebes gefordert. So sind häufig auch noch kurz vor Produktions-<br />
beginn Anpassungen bezüglich der Programmgestaltung vorzunehmen, die länger-<br />
fristig nicht planbar sind. Daher können bei Bedarf Leistungsarten innerhalb eines Her-<br />
stellverfahrens auch getauscht werden. Entscheidet sich beispielsweise eine Redaktion<br />
aus aktuellem Anlass für eine Außenübertragung einen Übertragungswagen anstelle<br />
eines Kamerateams einzusetzen, kann sie unter Berücksichtigung der neu entste-<br />
henden Kosten die entsprechenden Kapazitäten anfordern, sofern diese vom Produk-<br />
tionsbetrieb bereitgestellt werden können.<br />
Die Kosten für Fremdleistungen sowie die eigenen Personal- und Sachkosten, die bei<br />
der Leistungserstellung in den Bereichen der Direktion Technik und Produktion anfal-<br />
len, werden in diesen Bereichen erfasst und zu Lasten der jeweiligen Kostenstelle ver-<br />
bucht. 2 Für die erbrachten Produktionsleistungen erhalten die Bereiche der Direktion<br />
Technik und Produktion Erlöse in Höhe des internen Verrechnungspreises. Durch die<br />
Gegenüberstellung der innerhalb einer Rechnungsperiode angefallenen Kosten und<br />
den hierfür erzielten Erlösen kann das Controlling der Direktion Technik und<br />
Produktion Erfolgsrechnungen für ihre Abteilungen durchführen.<br />
Auf Seiten der Programmdirektionen werden die Kosten für die Inanspruchnahme der<br />
internen Produktionsleistungen, die so genannten anteiligen Betriebskosten, als Einzel-<br />
kosten getrennt von den Programmdirektkosten direkt in Höhe des jeweiligen Ver-<br />
rechnungspreises zu Lasten der Programmkostenträger, d.h. der einzelnen Sendung,<br />
verbucht. 3 Die Kostenträgerkosten belasten zugleich die für die jeweilige Sendung<br />
zuständigen Kostenstellen, da diese den Sendeplatz bzw. die Sendereihe als Summe<br />
der einzelnen Sendungen abbilden. Somit werden die bei der Leistungserstellung<br />
1 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />
unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.<br />
2 Vgl. derselbe: Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele, Voraussetzungen und Ergebnisse,<br />
unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2004, Vortragsfolie 7.<br />
3 Vgl. ebenda, Vortragsfolie 7.
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 37<br />
angefallenen Kosten auch bei den Programmkostenstellen ausgewiesen, welche die<br />
innerbetriebliche Leistung in Anspruch nehmen.<br />
Verrechnung der internen Produktionsleistungen<br />
Für die Verrechnung der selbst erstellten Produktionsleistungen hat sich der SWR für<br />
die Verwendung von Marktpreisen entschieden, d.h. für eine Bewertung der eigenen<br />
Leistungen zu den Wertansätzen, zu denen gleiche oder ähnliche Leistungen am exter-<br />
nen Markt angeboten werden. Die internen Produktionsleistungen erfahren somit eine<br />
einheitliche Bewertung im Sinne einer gemeinsamen Währung für selbst erstellte und<br />
vom externen Markt bezogene Leistungen. 1 Mit anderen Worten: Die Programm-<br />
bereiche haben für die Inanspruchnahme der eigenen Leistungen den gleichen Preis zu<br />
zahlen wie für die Nutzung der Leistungen, die der Produktionsbetrieb von anderen<br />
Dienstleistern bezieht und den Programmbereichen zur Verfügung stellt. Somit<br />
werden interne Ressourcen wie externe Ressourcen behandelt. Dies ist für den SWR<br />
dahingehend von Bedeutung, da die Entscheidungsbefugnis über den Einsatz fremder<br />
oder eigener Kapazitäten zur Realisierung der Sendungen beim Produktionsbetrieb<br />
liegt. Für die Programmbereiche darf es infolge dessen nicht relevant sein, ob die Pro-<br />
duktionsleistungen mit fremden oder eigenen Mitteln erbracht werden.<br />
Die Verwendung von Marktpreisen ist beim SWR des weiteren erforderlich, um den<br />
im Rahmen der Budgetplanung ermittelten Fremdmittelbedarf der Direktion Technik<br />
und Produktion zu bewerten: Eine realistische Bewertung der von den Produktions-<br />
bereichen benötigten Budgets für den Kauf von Fremdkapazitäten kann nur dann er-<br />
folgen, wenn die geplante Menge an Fremdleistungen zu Marktpreisen bewertet wird,<br />
also zu den Preisen, welche die Produktionsbereiche für diese Leistungen am externen<br />
Markt voraussichtlich auch bezahlen werden.<br />
Die Festlegung der Marktpreise beim SWR erfolgt in den so genannten Preisrunden.<br />
Die Schwierigkeit der Preisermittlung für die Produktionsleistungen liegt zum einen<br />
darin begründet, dass die Preise auf dem externen Markt starken jahresbedingten<br />
Schwankungen unterliegen, beispielsweise bei erhöhter Nachfrage aufgrund sport-<br />
licher oder politischer Großereignisse. Zudem ergibt sich für den SWR infolge seiner<br />
Organisation über drei Standorte hinweg bei der Ermittlung der Marktpreise eine<br />
besondere Problematik: In Mainz ist die Konkurrenz bezüglich der Nachfrage nach<br />
externen Produktionsdienstleistungen in Vergleich zu <strong>Stuttg</strong>art oder Baden-Baden<br />
höher, da hier neben dem SWR auch das ZDF sowie der private Fernsehveranstalter<br />
Sat.1 ansässig sind. Folglich liegt das Preisniveau für extern angebotene Produk-<br />
tionsleistungen in Mainz vergleichsweise höher. Daneben gibt es in <strong>Stuttg</strong>art auf<br />
Anbieterseite relativ viele kleinere Produktionsfirmen, die in gegenseitiger Konkurrenz<br />
zueinander stehen. Baden-Baden dagegen liegt in ausgesprochener Randlage der<br />
1 Vgl. hierzu auch Zimmermann 2005, S. 162.
38 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
Medienindustrie. Somit werden in <strong>Stuttg</strong>art Produktionsleistungen auf dem freien<br />
Markt zu vergleichsweise niedrigeren Preisen angeboten. Häufig gewähren Pro-<br />
duktionsfirmen an den einzelnen Standorten auch individuell ausgehandelte Rabatte.<br />
In Abhängigkeit von dem regionalen Bezugsraum ist somit das Preisniveau unter-<br />
schiedlich. Für den SWR ist jedoch nur ein einheitlicher Preis für die Bewertung der<br />
Produktionsleistungen sinnvoll, da es für die Programmbereiche keine Rolle spielen<br />
darf, woher sie ihre Produktionsleistungen beziehen. Daher treffen sich die jeweiligen<br />
Leiter der verschiedenen Abteilungen der Direktion Technik und Produktion bereits<br />
im Vorfeld der Preisrunden und vergleichen im Zuge eines Benchmarking-Verfahrens<br />
anhand von bestehenden Preislisten externer, privatrechtlich organisierter Produk-<br />
tionsdienstleister die unterschiedlichen Preise, zu denen ihre Leistungen an den jewei-<br />
ligen Produktionsstandorten angeboten werden. Auf Basis dieser Preislisten ermitteln<br />
sie dann Durchschnittswerte als einheitliche Preisvorschläge für die einzelnen Produk-<br />
tionsleistungen bzw. Leistungsarten.<br />
Die Preisrunden zur Festlegung der Marktpreise finden im Dezember für das über-<br />
nächste Jahr statt. Der zeitliche Vorlauf von rund einem Jahr ist notwendig, da im März<br />
des darauf folgenden Jahres die Haushaltsplanungen für das nächste Jahr beginnen<br />
und hierfür die Preise für die internen Produktionsleistungen notwendig sind. Im<br />
Rahmen der Preisrunde verständigen sich ihre Teilnehmer auf die Preisvorschläge für<br />
die einzelnen Produktionsleistungen und erstellen einen Leistungsartenkatalog, der<br />
alle angebotenen Leistungsarten und zugrunde liegende Preise abbildet. Dieser wird<br />
letztlich von der Direktion Technik und Produktion in Abstimmung mit den Pro-<br />
grammbereichen verabschiedet. Es entsteht somit für das darauf folgende<br />
Geschäftsjahr eine umfassende Preisliste, gemäß derer die Auftraggeber die erforder-<br />
lichen Leistungen bestellen und die Auftragnehmer ihre bereitgestellten Leistungen ab-<br />
rechnen.<br />
3 Budgetierung der internen Produktionsleistungen<br />
Die interne Leistungsverrechnung schafft die notwendige Voraussetzung für betriebs-<br />
wirtschaftliche Optimierungen in Programm und Produktion. In den Produktions-<br />
betrieben werden neben den Kosten, die für die Fremdbeauftragung externer<br />
Dienstleister anfallen, nun auch die Kosten für selbst erstellte Produktionsleistungen<br />
transparent. Den Redaktionen aus den Programmbereichen wird durch den internen<br />
Verrechnungspreis ersichtlich, was ihnen die Inanspruchnahme dieser Leistungen<br />
kostet. Um auf Seiten der Programmbereiche einen ökonomischen Umgang mit den<br />
Produktionsressourcen zu erzielen, ist neben der Kostentransparenz jedoch auch eine<br />
wirtschaftliche Steuerung ihrer Nachfrage erforderlich. Dies erfolgt beim SWR im<br />
Rahmen der Budgetierung. Hierbei „wird die Zuweisung von Ressourcen in Form von<br />
Zahlungsmitteln und Produktionskapazitäten an die in die Erstellung der Programme
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 39<br />
einbezogenen Bereiche geplant“ 1 . Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei die<br />
Programmbereiche, da sie für die Bestellung der Ressourcen beim Produktionsbetrieb,<br />
den Umfang der erforderlichen Ressourcen und letztlich für ihren wirtschaftlichen<br />
Einsatz verantwortlich sind. 2 Um ihre Nachfrage nach Ressourcen effizient zu steuern,<br />
werden ihnen beim SWR für die Inanspruchnahme der internen Produktionsleistungen<br />
Budgets zugeteilt. Die interne Währung, die sie zum Kauf der internen Produk-<br />
tionsleistungen bereitgestellt bekommen und auf deren Basis diese Leistungen dann<br />
verrechnet werden, wird folgegemäß als budgetierte Produktionsleistungen (BPL’s)<br />
bezeichnet.<br />
Die Höhe der BPL-Budgets richtet sich nach den vorhandenen Eigenkapazitäten und<br />
den finanziellen Mitteln, die der Direktion Technik und Produktion als Haushaltseck-<br />
werte zur Beschaffung von Fremdmitteln vorgegeben werden. Bei zu hohen Pro-<br />
grammanforderungen, welche die eigenen Kapazitäten und zudem die für den Einkauf<br />
von Fremdleistungen vorgesehenen Mittel überschreiten, werden in der Regel die von<br />
den Programmdirektionen zur Erstellung ihrer Sendungen beantragten Budgets ge-<br />
kürzt. Mit der Budgetierung können die Programmdirektionen somit nicht mehr<br />
unkontrolliert Bestellungen an den Produktionsbetrieb aufgeben. Vielmehr werden sie<br />
dazu veranlasst, die internen Produktionsleistungen als knappe Güter anzusehen und<br />
ihre Programmanforderungen bzw. den Kostenrahmen der einzelnen Sendungen<br />
bereits in der Phase der Programmplanung zu überdenken. Die ihnen zugeteilten Zah-<br />
lungsmittel haben sie dann unterjährig auf die einzelnen Sendungen gemäß ihren<br />
Erfordernissen in entsprechender Höhe zu verteilen.<br />
Ziel der Budgetierung ist es, die Programmbereiche durch ihre erweiterte Budget-<br />
verantwortung zu einem sparsamen Ressourceneinsatz zu motivieren und ihre<br />
Programmanforderungen mit den Möglichkeiten der Produktionsbereiche dahin-<br />
gehend abzustimmen, dass die einzelnen Sendungen mit einem möglichst geringen<br />
Bedarf an Fremdkapazitäten produziert werden. Die Budgetierung als Steuerungs-<br />
instrument des SWR dient demzufolge auch und im besonderen Maße der Koor-<br />
dination betrieblicher Abläufe: Es geht um die Abstimmung zwischen Kapazitätsbe-<br />
darf der Programmbereiche und möglicher Kapazitätsbereitstellung durch die Pro-<br />
duktionsbereiche. 3<br />
In Abhängigkeit von dem möglichen Ausweis des Ressourcenbedarfs der Programm-<br />
bereiche haben sich in der Praxis öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten unter-<br />
schiedliche Budget-Modelle entwickelt. Nachfolgende Abbildung 4 gibt einen Über-<br />
blick, nach welchen Modellen gegenwärtig in den Rundfunkanstalten der Ressourcen-<br />
bedarf ausgewiesen wird:<br />
1 Frese 2004, S. 46.<br />
2 Vgl. ebenda 2004, S. 82.<br />
3 Vgl. derselbe 2001, S. 13.
40 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
Abbildung 4: Budget-Modelle in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten 1<br />
Einheitsmodell<br />
Ein-Budget-Modell<br />
Das Hybridmodell weist den Ressourcenbedarf teils wertmäßig und teils mengen-<br />
mäßig aus. Das in den Rundfunkanstalten vorherrschende Modell weist wertmäßig die<br />
Programmdirektkosten aus, die von den Redaktionen für externe Programmleistungen<br />
direkt aus ihrem Budget an die Zulieferer gezahlt werden. Mengenmäßig erfasst<br />
werden dagegen alle Kapazitätsanforderungen der Programmbereiche, d.h. auch die-<br />
jenigen, die über die Beauftragung externer Produktionsleistungen erfüllt werden. 2 Das<br />
Hybridmodell basiert folglich nicht auf der Etablierung eines internen Marktes, auf<br />
dem die internen Produktionsleistungen mit Preisen verrechnet werden. Diesem<br />
Steuerungssystem entsprachen bis zur Einführung des ersten Marktsteuerungs-<br />
konzepts in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten alle praktizierten Steuerungs-<br />
modelle.<br />
Beim Wertmodell hingegen werden sämtliche Ressourcen mittels monetärer<br />
Äquivalente wertmäßig ausgewiesen. Dabei werden alle externe Ressourcen, d.h.<br />
sämtliche vom Beschaffungsmarkt bezogenen Leistungen, mit Marktpreisen und alle<br />
interne Ressourcen, d.h. die selbst erstellten Leistungen, mit Kosten- oder Markt-<br />
preisen bewertet. 3 Das Wertmodell kann wiederum als Einheits- oder Trennungs-<br />
modell realisiert werden. Beim Einheitsmodell wird zwischen internen und externen<br />
Ressourcen nicht differenziert, sondern der gesamte Ressourcenbedarf der Pro-<br />
grammbereiche auf Basis der Bewertung mit Marktpreisen in einer Summe aus-<br />
gewiesen. Dieses Budget-Modell wird daher auch als ein Ein-Budget-Modell<br />
bezeichnet. Das Trennungsmodell hingegen differenziert zwischen internen und<br />
externen Ressourcen. Es erfasst für die Programmbereiche den Bedarf für die Inan-<br />
spruchnahme eigener Produktionskapazitäten und den Bedarf für die vom externen<br />
Markt bezogenen Leistungen gesondert. Die Programmbereiche verfügen folg-<br />
1 Eigene Darstellung in Anlehnung an Frese 2004, S. 92 und S. 96.<br />
2 Vgl. Frese 2004, S. 93.<br />
3 Vgl. ebenda, S. 91.<br />
Budget-Modelle<br />
Wertmodell Hybridmodell<br />
Trennungsmodell<br />
Zwei-Budget-Modell
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 41<br />
lich über zwei Budgets, weshalb dieses Modell auch als Zwei-Budget-Modell bezeich-<br />
net wird. 1<br />
Dieser Systematik folgend ist das Budget-Modell des SWR als Trennungsmodell bzw.<br />
Zwei-Budget-Modell zu bezeichnen. Der SWR sieht jedoch nicht die Zweiteilung nach<br />
internen und externen Ressourcen in reiner Form vor. So wird den Programm-<br />
bereichen des SWR zum einen ein Netto-Budget zugewiesen. Dies steht ihnen für die<br />
Inanspruchnahme externer Programmdienstleistungen sowie für Auftragsproduk-<br />
tionen, Reisekosten und für die Bezahlung freier Mitarbeiter zur Verfügung. Für die<br />
Nutzung sämtlicher interner Produktionsleistungen erhalten sie gesondert ein BPL-<br />
Budget. Dieses schließt folgegemäß neben dem Bedarf an Eigenkapazitäten auch die<br />
externen Produktionsleistungen ein. Hier wird nicht zwischen selbst erstellten oder<br />
extern bezogenen Produktionsleistungen unterschieden.<br />
Die Produktionsbereiche verfügen ebenfalls über ein sog. Netto-Budget. Die Personal-<br />
kosten der festen Mitarbeiter der einzelnen Abteilungen des Produktionsbetriebes<br />
sowie der Programmdirektionen werden in einem Personal-Budget getrennt ausge-<br />
wiesen. Die einzelnen Budgets sind dabei nicht deckungsfähig, d.h. die für ein Budget<br />
veranschlagten finanziellen Mittel können nicht für ein anderes Budget verwendet<br />
werden. Dadurch soll vermieden werden, dass die Programmdirektionen z.B. Zah-<br />
lungsmittel für die Inanspruchnahme interner Produktionsleistungen einsparen, um<br />
sie für den Kauf externer Ressourcen zu nutzen. Das Verfahren lässt sich wie folgt<br />
beschreiben (vgl. Abbildung 5):<br />
Abbildung 5: Budgetierungsverfahren des SWR<br />
BPL-Budget /<br />
Periode<br />
Budgetüber-<br />
schreitung<br />
1 Vgl. Frese 2004, S. 92 und S. 96.<br />
Programmbereiche<br />
Kosten<br />
für die Inanspruchnahme<br />
interner<br />
Leistungen<br />
verrechnete<br />
BPL’s<br />
Produktionsbereiche<br />
Erlöse<br />
für die Bereitstellung<br />
von<br />
Eigenkapazitäten<br />
Erlöse<br />
für die Bereitstellung<br />
von<br />
Fremdkapazitäten<br />
Kosten /<br />
Periode<br />
Kostenunterdeckung
42 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
Budgetiert und verrechnet werden alle Leistungsarten, die der Produktionsbetrieb als<br />
Eigenkapazität vorhält, wie beispielsweise Kameraleute, Übertragungswagen oder<br />
Schnittplätze. Sofern für diese Leistungen die eigenen Kapazitäten nicht ausreichen, ist<br />
die Direktion Technik und Produktion verpflichtet, sie durch Anmietung von Fremd-<br />
kapazitäten zu erbringen. Im Laufe der Produktion werden folglich alle budgetierten<br />
Leistungen in Höhe der BPL-Preise und zu Lasten des BPL-Budgets verbucht, unab-<br />
hängig davon, ob diese Leistungen auch tatsächlich mit eigenen Kapazitäten erbracht<br />
worden sind oder der Produktionsbetrieb sich hierfür externer Dienstleister bedient<br />
hat. Produktionsleistungen hingegen, die für die Programmerstellung erforderlich<br />
sind, vom Produktionsbetrieb aber nicht als Eigenkapazitäten vorgehalten werden,<br />
müssen die Programmdirektionen aus ihrem Netto-Budget bezahlen. Dies betrifft ins-<br />
besondere Sonderverbrauchsmaterialien und Sonderausstattungen.<br />
Verfügen die Programmbereiche aufgrund sparsamer Verwaltung ihres BPL-Budgets<br />
noch über Zahlungsmittel, wird dies ebenso angezeigt, wie wenn sie ihr BPL-Budget<br />
überschreiten. Im Bereich der Produktion erhalten die Kostenstellen für ihre erbrachten<br />
budgetierten Produktionsleistungen die BPL-Erlöse. Werden diese den Kosten der<br />
jeweiligen Organisationseinheit gegenübergestellt, kann der Produktionsbetrieb auf<br />
seine Effizienz überprüft werden. Kostenunterdeckungen sind dabei nicht nur auf zu<br />
hohe Kosten bei der Produktion im eigentlichen Sinne zurückzuführen, sondern auch<br />
auf unwirtschaftliches Verhalten der am Produktionsprozess beteiligten Personen.<br />
Die Ermittlung der von den Programmbereichen für das jeweilige Folgejahr benötigten<br />
BPL-Budgets ist Bestandteil der Etat-Beratungen der Programmdirektionen in Zusam-<br />
menarbeit mit dem Produktionsbetrieb im Rahmen des Haushaltsplanungsprozesses. 1<br />
Hierzu erstellen die Produktionsleiter im Frühjahr des vorausgehenden Jahres in<br />
Abstimmung mit dem jeweiligen Sendeplatzverantwortlichem ausgehend von ihrem<br />
Sendeleistungsplan die Haushaltskalkulationen für die einzelnen Sendungen und<br />
Sendeplätze. Der Ausweis der für eine Sendung voraussichtlich anfallenden Gesamt-<br />
kosten erfolgt dabei gesondert nach Programmdirektkosten und Kosten für die<br />
Inanspruchnahme interner Produktionsleistungen. Voraussetzung hierfür ist wieder-<br />
um die Ermittlung der erforderlichen Mengen externer Programmleistungen und inter-<br />
ner Produktionsleistungen. 2<br />
Auf Basis der Kalkulationen melden die jeweiligen Programmdirektionen ihren für das<br />
nächste Jahr geplanten Bedarf an internen Produktionsleistungen bei der Direktion<br />
Technik und Produktion an. Die Produktionswirtschaften ordnen dann zunächst<br />
mengenmäßig die verschiedenen Leistungsarten den einzelnen Abteilungen der<br />
Direktion Technik und Produktion zu 3 und stimmen mit den jeweiligen Fachab-<br />
1 Vgl. SWR: o.V.: Budgetierungsregeln des SWR, unveröffentlichtes internes Dokument , SWR, Baden-Baden, 2005, S. 2.<br />
2 Vgl. Rombach, Michael: Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele, Voraussetzungen und Ergebnisse,<br />
unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2004, Vortragsfolie 6.<br />
3 Vgl. ebenda, Vortragsfolie 6.
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 43<br />
teilungen die angeforderten Mengen mit den vorhandenen Eigenkapazitäten pro<br />
Leistungsart ab, um die fix vorgehaltenen eigenen Produktionskapazitäten optimal<br />
auszulasten. Mittels dieser Informationen kann anschließend im Rahmen der<br />
Kapazitätsausgleichsrechnungen der Fremdmittelbedarf je Abteilung der Direktion<br />
Technik und Produktion ermittelt werden. Dieser ergibt sich aus der Gesamtan-<br />
forderung der jeweiligen Programmdirektion pro Leistungsart abzüglich der vorhan-<br />
denen Eigenkapazitäten der Abteilungen (vgl. Abbildung 6).<br />
Die Summe der jeweiligen Ergebnisse der Abteilungen über die drei Standorte hinweg<br />
ergibt wiederum den Gesamtbedarf an Fremdkapazitäten für das Planjahr.<br />
Abbildung 6: Berechnung des Kapazitätsausgleichs 1<br />
Gesamtanforderung<br />
Programm<br />
pro<br />
Leistungsart<br />
minus<br />
Eigenkapazität<br />
pro<br />
Leistungsart<br />
Die für die Bereitstellung der eigenen Personal- und Sachmittel und für den Einkauf<br />
von Fremdmitteln benötigten Mengen werden anschließend anhand der in dem Leis-<br />
tungsartenkatalog ausgewiesenen BPL-Preise bewertet.<br />
Ob den einzelnen Programmdirektionen letztlich die von ihnen beantragten BPL-<br />
Budgets auch in dieser Höhe bereitgestellt werden, ist jedoch abhängig von den Haus-<br />
haltseckwerten, die das Controlling der Direktion Technik und Produktion ihren Ab-<br />
teilungsleitern zum Einkauf der Fremdleistungen auf Basis der von der Intendanz<br />
vorgesehenen Gesamteinkaufsmenge vorgibt. Sofern die Programmanforderungen<br />
nicht über diesen Haushaltseckwerten liegen, werden die BPL-Budgets den<br />
Programmdirektionen in voller Höhe zur Verfügung gestellt. Überschreitet hingegen<br />
die Anmeldung der Produktionsleistungen die vorhandenen Eigenkapazitäten in dem<br />
Maße, dass der benötigte Fremdmittelbedarf über den vorgesehenen Haushaltsetats<br />
der Abteilungen der Direktion Technik und Produktion liegt, hat das Controlling<br />
Lösungen für dieses Problem zu finden: Zum einen kann es bei der Geschäftsleitung,<br />
also dem Intendanten, eine Erhöhung der für den Einkauf von Fremdleistungen<br />
insgesamt veranschlagten Finanzmittel beantragen. Wird dies nicht genehmigt, hat das<br />
Controlling die Anforderungen der Programmdirektionen auf die Möglichkeiten des<br />
Produktionsbetriebes abzustimmen. Hierzu reduzieren die Produktionswirtschaften<br />
1 Eigene Darstellung in Anlehnung an Hoffmann, Klaus: Wirtschaftliche Aspekte von Hörfunk und Fernsehen,<br />
unveröffentlichte Präsentation, SWR, Mainz, 2005, Vortragsfolie 60.<br />
=<br />
Kapazitäts-<br />
ausgleich
44 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
im Wege von Vereinbarungen zwischen dem jeweiligen Programm- und Produktions-<br />
bereich den Bedarf an internen Produktionsleistungen für einzelne Sendungen. Die<br />
Programmanmeldungen müssen dabei so lange angepasst werden, bis die Höhe der<br />
Produktionsfremdleistungen der Haushaltsvorgabe entspricht. Das von den Pro-<br />
grammdirektionen im Rahmen des Haushaltsplanungsprozesses beantragte Budget<br />
wird somit gekürzt.<br />
4 Beurteilung der internen Leistungsverrechung und<br />
Zwischenfazit<br />
Mit der Einführung der internen Leistungsverrechnung wurde die Geschäftsbeziehung<br />
zwischen Programm und Produktion klar definiert und auf eine verständliche Basis<br />
gestellt. Zuvor musste das Programm die Produktionsleistungen am externen Markt<br />
einkaufen, wenn der Produktionsbetrieb zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht über<br />
genügend eigene Sach- oder Personalmittel verfügte. Da dies im Gegensatz zur<br />
Inanspruchnahme der selbst erstellten Leistungen eine Kostenbelastung zur Folge<br />
hatte, führte das Mengenmodell häufig zu Diskussionen zwischen Programm und<br />
Produktion. Mit der internen Leistungsverrechnung werden die Programmbereiche<br />
nun auch mit den Kosten für die Inanspruchnahme der selbst erstellten Leistungen<br />
belastet. Damit sind aus Sicht der Programmbereiche alle Produktionsleistungen<br />
unmittelbar budgetrelevant. Die Rollen sind dabei jetzt klar beschrieben: Auf der einen<br />
Seite die Direktion Technik und Produktion, die als Dienstleister den Programm-<br />
direktionen sämtliche Produktionsleistungen bereitzustellen hat, welche sie in ihrem<br />
Leistungsartenkatalog anbietet, und hierbei auch für die Kosten von Fremdleistungen<br />
aufzukommen hat. Auf der anderen Seite die Programmkunden, deren Budget für die<br />
Inanspruchnahme dieser Leistungen mit den entsprechenden Kosten belastet wird.<br />
Die interne Leistungsverrechnung hat sich im Zusammenhang mit der Budgetierung<br />
der internen Produktionsleistungen stetig weiterentwickelt und ist heute ein zentrales<br />
Controlling-Instrument, das eine betriebswirtschaftliche Steuerung und Dimensio-<br />
nierung der internen Produktionsleistungen ermöglicht. Das Controlling der Direktion<br />
Technik und Produktion nutzt die Daten der internen Leistungsverrechnung konse-<br />
quent zur Steuerung seiner Kostenstellen. Durch die Transparenz der in den Produk-<br />
tionsbereichen angefallenen Kosten kann die Einhaltung der Haushaltseckwerte für die<br />
einzelnen Kostenstellen überprüft werden. Die interne Leistungsverrechnung ermög-<br />
licht unterjährig ein konsequentes Controlling der abfließenden Mittel für Fremdpro-<br />
duktionsleistungen auf der einen Seite und der abgenommenen Produktionsleistungen<br />
auf der anderen Seite. Zudem können die entstandenen Kosten den entsprechenden<br />
Erlösen auf Ebene der einzelnen Organisationseinheiten gegenübergestellt werden,<br />
was im Rahmen des in nachfolgenden Ausführungen dargestellten EZAM-Prozesses<br />
erfolgt. Die spezifischen Ergebnisse der einzelnen Organisationseinheiten geben dabei<br />
dem Controlling Aufschluss über die Auslastung des betrachteten Bereichs und
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 45<br />
sind damit zugleich eine der Quellen für die Planung der mittelfristigen Entwicklung<br />
der Personal- und Sachmittelressourcen. 1<br />
In den Programmdirektionen ermöglicht die interne Leistungsverrechnung ein stetiges<br />
Controlling der einzelnen Sendungen. Während zuvor nur die Programmdirektkosten<br />
der externen Dienstleister und die Mengen der internen Produktionsleistungen<br />
benannt werden konnten, kann jetzt ein Gesamtpreis je Produktion ermittelt werden.<br />
Dieser Gesamtpreis gibt sowohl den Programm- als auch den Produktionsbereichen<br />
eine deutlich höhere Sicherheit über die Kosten einer Produktion. Dabei wird während<br />
des Produktionsprozesses transparent, ob die Programmbereiche oder der Produk-<br />
tionsbetrieb für eventuell entstehende Mehrkosten verantwortlich sind. Diese Transpa-<br />
renz überträgt sich letztlich auf das Ergebnis der Programmredaktionen bzgl. ihres<br />
verbleibenden BPL-Budgets oder auf die Ergebnisse der einzelnen Abteilungen des<br />
Produktionsbetriebes. 2<br />
Im Ergebnis haben die Verrechnung und Budgetierung der internen Produktions-<br />
leistungen insbesondere bei der Erstellung von Fernsehproduktionen zu erheblichen<br />
Einsparungen geführt. Als Voraussetzung für eine Kostenoptimierung im<br />
Produktionsbetrieb werden hier die Programmanforderungen mittels Kürzungen der<br />
beantragten BPL-Budgets konsequent gesteuert und reduziert. Die deutlichen Optimie-<br />
rungen im Bereich Fernsehen dokumentiert der aktuelle KEF-Bericht: Die Produktions-<br />
betriebe Fernsehen des SWR konnten ihre absoluten Kosten von 1<strong>17</strong>,5 Mio. Euro im<br />
Jahr 1999 3 über 116,4 Mio. Euro im Jahr 2001 4 nochmals auf 101,6 Mio. Euro im Jahr<br />
2003 absenken. Auch ihre durchschnittlichen Kosten je hergestellter Sendeminute<br />
konnten sie von 529 Euro im Jahr 1999 auf 454 Euro im Jahr 2003 deutlich verringern. 5<br />
Mit dieser Reduzierung um insgesamt 75 Euro im betrachteten Zeitraum schnitt der<br />
SWR unter den ARD-Anstalten, die mit ihm von ihrer Betriebsgröße her vergleichbar<br />
sind, mit Abstand am besten ab. Hierzu zählt die Gruppe der Großbetriebe der ARD-<br />
Anstalten, worunter neben dem SWR der Bayerische Rundfunk (BR), der West-<br />
deutsche Rundfunk (WDR) sowie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) fallen. Die an-<br />
geführten Ergebnisse der Fernsehproduktionsbetriebe des SWR sind bei einer verglei-<br />
chenden Analyse umso höher einzuschätzen, da diese Kennzahl zugunsten ihrer<br />
einfachen Interpretierbarkeit viele Details und Besonderheiten einzelner Rund-<br />
funkanstalten vernachlässigen muss und dadurch der SWR tendenziell gegenüber den<br />
anderen Rundfunkanstalten benachteiligt wird: Zum einen bleibt unberücksichtigt,<br />
1 Vgl. Rombach, Michael: Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele, Voraussetzungen und Ergebnisse,<br />
unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2004, Vortragsfolie 12.<br />
2 Vgl. hierzu auch Zimmermann 2005, S. <strong>17</strong>2 f.<br />
3 Vgl. KEF: 13. KEF-Bericht, Dezember 2001, S. 194, Tab. 53. Erhältlich im Internet unter:<br />
http://www.kef-online.de/inhalte/bericht13/13bericht.pdf [Zugriff am 27. 01.2006].<br />
4 Vgl. KEF: 14. KEF-Bericht, Dezember 2003, S. 284, Tab. 67. Erhältlich im Internet unter:<br />
http://www.kef-online.de/inhalte/bericht14/14bericht.pdf [Zugriff am 27. 01.2006].<br />
5 Vgl. KEF: 15. KEF-Bericht, Dezember 2005, Band 2, S. 112, Tab. 75. Erhältlich im Internet unter:<br />
http://www.kef-online.de/inhalte/bericht15/kef_15bericht_band2.pdf [Zugriff am 27.01.2006].
46 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
dass der SWR mehr als alle anderen Anstalten Programmprodukte in den „teuren“<br />
Genres wie der szenischen Produktion eigenproduziert, was folglich den Minutenpreis<br />
anhebt. Zudem besitzt der SWR gegenüber dem BR und WDR Kostennachteile, da er<br />
ebenso wie der NDR als Mehrländeranstalt Produktionsbetriebe an mehreren<br />
Standorten vorhalten muss. Des weiteren sind die Standortnachteile des SWR<br />
gegenüber allen anderen großen ARD-Anstalten zu berücksichtigen: Beinahe alle<br />
Produktionsdienstleistungen an den drei Medienstädten Hamburg, Köln und Mün-<br />
chen als Sitze des NDR, WDR und BR sind kostengünstiger zu beziehen als entspre-<br />
chende Leistungen an den Standorten Mainz, Baden-Baden und <strong>Stuttg</strong>art. Auch dies<br />
fließt nicht in die Kennzahlen mit ein. 1<br />
Der Autor Stephan Zimmermann widmete sich in seiner Dissertation „Prozessinnova-<br />
tion im öffentlich-rechtlichem Rundfunk: Die Bedeutung der Budgetierung für die<br />
Zukunft der öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktion“ einer Weiterentwicklung und<br />
Modifikation der KEF-Kennzahlen zur Verbesserung des Wirtschaftlichkeitsvergleichs<br />
der öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktionsbetriebe. Seine angeführten Analysen<br />
berücksichtigen erstmals in Erweiterung der KEF-Systematik die unterschiedlichen<br />
Produktportfolios der Anstalten, indem sie nach Herstellverfahren und Kosten je<br />
Herstellverfahren differenzieren. Bei Interpretation seiner Ergebnisse kommt auch er<br />
zu dem Schluss, dass sich der Fernsehproduktionsbetrieb des SWR mit der Einführung<br />
einer budgetwirksamen internen Leistungsverrechnung als Innovator in der Gruppe<br />
der Großbetriebe mit Abstand am deutlichsten optimiert hat. In dem von ihm betrach-<br />
teten Zeitraum von 1997 bis 2001 konnte er seine durchschnittlichen Kosten je Sende-<br />
minute um ca. 28 Prozent reduzieren und Netto-Einsparungen von insgesamt ca. 135<br />
Mio. DM verzeichnen. 2 Da für die Erstellung von Hörfunkprogrammen der Bedarf an<br />
Fremdleistungen vergleichsweise gering ist, wurde hier der Programmbedarf der<br />
zuständigen Redaktionen bisher nicht über Kürzungen der BPL-Budgets gesteuert. Die<br />
überaus positive Entwicklung im Fernsehbereich hat jedoch in jüngster Zeit beim SWR<br />
zu der Erwägung geführt, die konsequente Steuerung der BPL-Budgets auch beim<br />
Hörfunk einzuführen.<br />
Um die Verrechnung und Budgetierung der internen Produktionsleistungen beim<br />
SWR unter Beibehaltung ihrer jetzigen Leistungsfähigkeit sowohl im Hörfunk- als auch<br />
im Fernsehbereich stetig zu optimieren, beauftragte die Direktion Technik und<br />
Produktion gegen Ende des Jahres 2005 eine Arbeitsgruppe. Im Rahmen des Projektes<br />
„BPL-Review“ überprüfte sie das bestehende Regelwerk der internen Leistungs-<br />
verrechnung und zeigte Möglichkeiten für eine weitere Optimierung einzelner<br />
Bereiche auf. Als Leitlinie für ihre Empfehlungen orientierte sich die Arbeitsgruppe<br />
dabei immer am Gedanken der Gesamtsicht des SWR, nach dem die Partikular-<br />
interessen der verschiedenen Direktionen zugunsten einer für den gesamten SWR<br />
1 Vgl. hierzu auch Zimmermann 2005, S. 142, S. 189 sowie S. 214.<br />
2 Vgl. ebenda, S. 196 und S. 212.
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 47<br />
optimalen Lösung in den Hintergrund zu stellen sind. Um eine Einigung zwischen den<br />
einzelnen Parteien zugunsten der SWR-Gesamtsicht zu erzielen, legte die Arbeits-<br />
gruppe ihr Augenmerk im besonderen Maße auf eine klare Definition der<br />
unterschiedlichen Gesprächsebenen und Eskalationsstufen, so dass nur in Ausnahme-<br />
fällen Uneinigkeiten zwischen Programm und Produktion eine Entscheidung von<br />
Seiten der Direktoren bedürfen.<br />
5 Center-Steuerung der Produktionsbereiche über den<br />
EZAM-Prozess<br />
Nachdem sich eine gewisse Routine und Stabilität in der Anwendung der internen<br />
Leistungsverrechnung eingestellt hatte und sie im Zusammenhang mit der Budge-<br />
tierung insbesondere durch die Verknappung der budgetierten Produktionsleistungen<br />
und konsequente Kürzungen der BPL-Budgets ihre positiven Effekte auf Programm-<br />
und Produktionsseite entfalten konnte, entwickelte die Direktion Technik und<br />
Produktion gegen Ende des Jahres 2002 als zentrales Instrument zur weiteren<br />
Optimierung der Kostenstruktur ihrer Abteilungen im Fernseh- und Hörfunkbereich<br />
den EZAM-Prozess. Die Abkürzung EZAM steht hierbei für Eigenoptimierung, Ziele,<br />
Analyse und Maßnahmen. Damit sind die wesentlichen Elemente des Prozessablaufs<br />
von EZAM bereits benannt: Ziel ist die Eigenoptimierung der Produktionsbereiche.<br />
Auf Grundlage umfangreicher Analysen werden für jede Abteilung Ziele festgelegt<br />
und Maßnahmen zur Zielerreichung vereinbart. 1 Zur Erläuterung dieses Prozesses,<br />
dessen Systematik auf das Center-Konzept zurückgreift, werden nachfolgend zunächst<br />
die wesentlichen Grundlagen zur Center-Organisation erläutert.<br />
Grundlagen zur Center-Organisation<br />
Center-Konzepte dienen im allgemeinen der Bewältigung von Steuerungsproblemen in<br />
dezentralisierten Unternehmen. Häufig werden auch die Termini „Responsibility<br />
Center“ bzw. Verantwortungsbereiche verwendet. Sie bezeichnen zunächst organisa-<br />
torische Einheiten, deren Erfolgsbeitrag für das Gesamtsystem anhand vorzugsweise<br />
monetärer Indikatoren beurteilt wird. Als zweites Merkmal tritt die Übernahme von<br />
Verantwortung seitens der Bereichsleitung für alle ihrem Zuständigkeitsbereich<br />
zurechenbaren Handlungskonsequenzen hinzu, wodurch die Unternehmensführung<br />
die Legitimation zur Sanktionierung von Bereichsergebnissen erhält. 2 Der Center-<br />
Ansatz ist dabei ein auf den Profit-Center-Gedanken zurückgehendes Organisations-<br />
konzept. Da das Profit-Center-Konzept jedoch nicht immer in Reinform umgesetzt<br />
1 Vgl. SWR: o.V.: Bericht zum aktuellen Stand im EZAM-Prozess in der Direktion Technik und Produktion,<br />
unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 1.<br />
2 Vgl. Frese/Lehmann 2002, S. 1541.
48 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
werden kann, sind weitere Center-Konzepte entwickelt worden. 1 Sie unterscheiden<br />
sich im wesentlichen bezüglich des Verantwortungsbereiches der Center-Führung im<br />
Hinblick auf die Zahl der steuerbaren Größen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die<br />
Abgrenzung zwischen Profit Centern und Service Centern, da in der Praxis häufig<br />
Service Center als Profit Center bezeichnet werden 2 , obwohl sie gemäß ihrer Definition<br />
die Voraussetzungen für Profit Center nicht erfüllen. Entscheidendes Kriterium für die<br />
Unterscheidung beider Center-Konzepte ist die Frage, ob der betrachtete Teilbereich<br />
einen unmittelbaren Zugang zum externen Markt hat: Während Profit Center Schnitt-<br />
stellen nach außen besitzen, d.h. eine marktfähige Leistung auf dem externen Markt<br />
anbieten und auch selbständig Leistungen am Markt nachfragen, geben Service Center<br />
ihre Leistungen nur innerhalb des Unternehmens ab. 3 Sie erbringen folglich ausschließ-<br />
lich Dienstleistungen, um die Bedürfnisse anderer Teilbereiche zu befriedigen. Lassen<br />
sich ihre Leistungen nicht monetär bewerten, werden sie nur kostenverantwortlich<br />
geführt und stellen somit eine besondere Form von Cost Centern dar. Können die<br />
innerbetrieblichen Leistungen hingegen monetär verrechnet werden, kann der Erfolg<br />
des Service Centers wie bei Profit Centern durch die Gegenüberstellung der internen<br />
Erlöse und angefallenen Kosten gemessen werden. 4 Da man sich hierbei in der Regel<br />
der Fiktion eines internes Marktes bedient und auf diese Weise ein bereichseigener<br />
Marktzugang gewissermaßen nachgebildet wird, werden diese Center häufig in der<br />
Praxis sowie Literatur als Profit Center bezeichnet. 5<br />
Aus Sicht des Controlling können mit der Bildung eindeutig abgegrenzter Verantwor-<br />
tungsbereiche sowie der Definition hierauf abgestimmter Erfolgsindikatoren Effek-<br />
tivität und Effizienz der Aufgabenerfüllung der betroffenen Organisationseinheiten<br />
beurteilt und nachgewiesen werden. Die Einführung einer Center-Organisation führt<br />
folglich zu einer verbesserten Erfolgskontrolle einzelner Organisationseinheiten, was<br />
wiederum zu einem erhöhten Kostenbewusstsein der Mitarbeiter und Bereichsleiter<br />
sowie zu einer wirtschaftlicheren Ressourcennutzung in diesen Bereichen führen soll.<br />
Der gesonderte Erfolgsausweis bietet dabei sowohl aus Bereichssicht als auch aus der<br />
Perspektive der Unternehmensführung und des Controlling grundsätzlich die Mög-<br />
lichkeit einer verbesserten Steuerung der einzelnen Bereichsaktivitäten. 6 Die<br />
Anwendung von Center-Konzepten erhöht außerdem die Flexibilität des<br />
Unternehmens: der Entscheidungsprozess kann bereichsbezogen strukturiert werden,<br />
aufgrund verkürzter Kommunikationswege können Informationen schneller generiert<br />
und verarbeitet und somit erforderliche Anpassungen an Veränderungen des<br />
1 Vgl. Preißner 2002, S. 18.<br />
2 Vgl. hierzu auch ebenda, S. 20.<br />
3 Vgl. ebenda 2002, S. 22.<br />
4 Vgl. ebenda, S. 19.<br />
5 Vgl. beispielhaft Oelsnitz 2000, S. 55.<br />
6 Vgl. Frese 2000, S. 208.
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 49<br />
Marktes zeitiger erkannt und durchgeführt werden. 1 Die Einführung des Center-<br />
ansatzes führt zugleich zu neuen, erweiterten Anforderungen an das Controlling eines<br />
Unternehmens: Der Koordinationsbedarf der Unternehmensleitung steigt, zugleich<br />
gewinnt die Erfolgsermittlung an Bedeutung, da die Bereiche an ihren Ergebnissen<br />
gemessen und beurteilt werden. 2 Das Controlling hat dabei zunächst für eine<br />
geordnete Vorgehensweise beim Übergang der Verantwortung auf die Bereichsleiter<br />
zu sorgen. Zudem muss es in der Lage sein, die Führung bei der Steuerung ihrer<br />
dezentralen Organisationseinheiten durch geeignete Wahl von Controlling-Instru-<br />
menten zu unterstützen und sie zur operativen Beherrschung der neuen Instrumente<br />
oder Verfahren zu befähigen. 3<br />
Zu den wichtigsten operativen Controlling-Instrumenten, die zur Steuerung von<br />
Unternehmen beitragen, zählen Kennzahlen und Kennzahlensysteme. 4 Kennzahlen<br />
ermöglichen präzise Aussagen, indem sie wichtige Sachverhalte und Zusammenhänge<br />
quantifizierbar machen. Durch die Bereitstellung spezifischer Informationen sollen sie<br />
komplizierte Strukturen und Prozesse auf einfache Weise darstellen, um insbesondere<br />
der Unternehmensführung einen schnellen und umfassenden Überblick zu erlauben. 5<br />
Kennzahlensysteme wiederum umfassen zwei oder mehrere Kennzahlen, die in einer<br />
sinnvollen Beziehung zueinander stehen und sich somit einander ergänzen oder erklä-<br />
ren. Dadurch werden zum einen Mehrdeutigkeiten bei der Interpretation einzelner<br />
Kennzahlen ausgeschaltet und zum anderen die Auswirkungen einer Kennzahl auf<br />
eine andere Kennzahl sichtbar. Außerdem sind sie breiter angelegt als eine einzelne<br />
Kennzahl und erfassen somit die Komplexität eines Sachverhalts umfassender. 6<br />
Für das Controlling einer Center-Organisation mittels Kennzahlen sind folgende<br />
Aspekte von besonderer Bedeutung: Center stellen eine neue, meist kleinere und damit<br />
auch konkretere Bezugsbasis für die Kennzahlen dar. Die Kennzahlen können somit<br />
zuverlässiger ermittelt werden. Gleichzeitig steigt jedoch auch die Zahl der verfüg-<br />
baren und auszuwertenden Daten. Des weiteren ist ein Überblick über die einzelnen<br />
Center sowie deren Koordination erforderlich. Hierzu sind den Bereichsleitern klar<br />
abgegrenzte und realistische Ziele in Form von Vorgaben zu den angestrebten Kenn-<br />
zahlenwerten zuzuweisen, die auf die Gesamtziele des Unternehmens ausgerichtet<br />
sind und für die Führung der einzelnen Center maßgeblich sind. Die Bereichsleiter<br />
sind außerdem mit fachlichen Informationen zu versorgen, die auf ihren Einsatzbe-<br />
reich zugeschnitten sind. Für sie ergeben sich mit der Center-Organisation neue Auf-<br />
gaben, wobei sie den Einsatz von Kennzahlen auch erst üben müssen. Auf Basis<br />
1 Vgl. Schweitzer 1992, S. 2081-2082.<br />
2 Vgl. Schuster/ Mähler 2002, S. 600.<br />
3 Vgl. Friedrich 2003, S. 1<strong>17</strong>0-1<strong>17</strong>2.<br />
4 Vgl. Preißner 2002, S. 95.<br />
5 Vgl. Reichmann 1985, S. 15.<br />
6 Vgl. Weber 2001, S. 37.
50 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
der Kennzahlen als Vergleichswerte kann das Controlling zugleich gezielte Vergleiche<br />
der einzelnen Organisationseinheiten nach dem Prinzip des Benchmarking vor-<br />
nehmen. 1<br />
Übertragung der Center-Organisation auf die Produktionsbetriebe des SWR<br />
Im Mittelpunkt des EZAM-Prozesses steht der Vergleich zwischen den erbrachten und<br />
verrechneten BPL-Leistungen der einzelnen Abteilungen im Fernseh- und Hörfunk-<br />
bereich der Direktion Technik und Produktion und den in diesen Bereichen ausge-<br />
lösten Kosten. Die interne Leistungsverrechnung bildet somit die Basis für den EZAM-<br />
Prozess. 2 In der Praxis des SWR wird für die eingeführte Systematik auch des öfteren<br />
der Begriff des Profit-Center-Konzepts verwendet, da über diesen Vergleich der Erfolg<br />
der einzelnen Organisationseinheiten gemessen werden kann. Nach der angeführten<br />
Unterscheidung von Center-Konzepten trifft diese Bezeichnung jedoch nicht zu: Zwar<br />
besitzen die Produktionsbetriebe zum einen über den Einkauf von Fremdleistungen<br />
Zugang zu den externen Beschaffungsmärkten und können außerdem im Rahmen der<br />
Randnutzung ihre Leistungen am externen Markt anbieten, sofern diese von den<br />
eigenen Programmdirektionen nicht nachgefragt werden und ihr Angebot die Existenz<br />
privatwirtschaftlich organisierter Produktionsdienstleistungsbetriebe nicht gefährdet.<br />
Insofern besitzen die Produktionsbereiche neben dem Zugang zu den externen<br />
Beschaffungsmärkten und dem innerbetrieblichen Absatzmarkt, der über die Fiktion<br />
eines internen Marktes nachgebildet wird, auch einen Zugang zu den externen Absatz-<br />
märkten. Die auf den externen Absatzmärkten angebotenen Leistungen werden im<br />
Rahmen des EZAM-Kennzahlensystems jedoch nicht den Kosten der Produktions-<br />
bereiche gegenübergestellt. Als Steuerungsgrößen der einzelnen Abteilungen werden<br />
hier lediglich die intern verrechneten BPL’s herangezogen. Demzufolge werden die<br />
Produktionseinheiten des SWR gemäß der Center-Definition nicht als Profit Center,<br />
sondern als Service Center geführt. Als Dienstleister für die Programmbereiche kann<br />
ihr Erfolg beurteilt werden, indem ihre Leistungen über die Fiktion eines internen<br />
Marktes zu Marktpreisen in Rechnung gestellt und mit den angefallenen Kosten<br />
verglichen werden.<br />
Zielsetzungen des EZAM-Prozesses<br />
Die Ziele des EZAM-Prozesses lassen sich in einen ökonomischen und einen<br />
methodischen Aspekt differenzieren: Aus ökonomischer Sicht hat der EZAM-Prozess<br />
zum Ziel, in den einzelnen Abteilungen der Direktion Technik und Produktion, die<br />
ihre Leistungen intern an das Programm verrechnen, einen Rationalisierungsprozess in<br />
Gang zu setzen, der eine Reduktion der Kosten, eine Verbesserung des Kosten-<br />
Leistungsverhältnisses und eine Anpassung der Personalstruktur im Rahmen der<br />
1 Vgl. hierzu Preißner 2002, S. 22 sowie S. 95.<br />
2 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />
unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 51<br />
Zielgröße der Direktion Technik und Produktion zur Folge hat. 1 Ihr Einsatz soll<br />
verhindern, dass für diese Abteilungen im Rahmen des Haushaltsplanungsprozesses<br />
zu große Kostenblöcke als Budgets geplant werden und nur unzureichend unter dem<br />
Gesichtspunkt der Notwendigkeit ihres <strong>Beitrag</strong>es für die Leistungserbringung<br />
analysiert, kontrolliert und beurteilt werden. Die für die Dauer von einem Jahr zuge-<br />
wiesenen Budgets sollen daher auch unterjährig einem Steuerungsmechanismus<br />
unterliegen, der darauf ausgerichtet ist, dass die Produktionseinheiten ihre Leistungen<br />
mit möglichst geringen Kosten erbringen. Mit Hilfe des EZAM-Prozesses will das<br />
Controlling der Direktion Technik und Produktion seine Abteilungen auf ihre Struktur<br />
und Leistungsfähigkeit hin überprüfen und ihrer Effektivität und Effizienz bei der<br />
eigenen Leistungserstellung optimieren. Der Verknappung der budgetierten Produk-<br />
tionsleistungen soll nun die Reduktion der Kosten folgen, indem die jeweiligen<br />
Abteilungen bei rückläufigen BPL-Erlösen ihre Eigenkapazitäten an die verringerten<br />
Programmanforderungen anpassen. Erzielen die einzelnen Organisationseinheiten<br />
konstante BPL-Erlöse, sollen sie ebenfalls ihre Kosten reduzieren, indem sie effizienter<br />
und effektiver ihre Leistungen erstellen. Die ermittelten Kennzahlen pro Abteilung<br />
sollen dabei den zuständigen Führungskräften Anreize zur betriebswirtschaftlichen<br />
Optimierung ihrer Abteilung geben, indem sie nach dem Prinzip des Benchmarking<br />
über die drei Standorte hinweg einen Vergleich ihrer Abteilung mit denjenigen Abtei-<br />
lungen ermöglichen, die gleiche oder ähnliche Leistungen an das Programm erbringen.<br />
Bei Betrachtung des methodischen Aspektes handelt es sich bei EZAM nicht nur um<br />
ein Controlling-, sondern auch um ein Führungsinstrument. So wird EZAM nicht aus-<br />
schließlich vom Controlling als Instrument zur Erfassung und Auswertung von<br />
Informationen in Form regelmäßiger Controlling-Berichte eingesetzt, die dem Inten-<br />
danten und der Geschäftsleitung einen Überblick über die Leistungsfähigkeit der<br />
Produktionsbetriebe erlauben. EZAM soll in den einzelnen Produktionsbereichen auch<br />
für Ziele sorgen, die nachvollziehbar, messbar, realistisch und doch ambitioniert sind,<br />
und die konsequente Verfolgung der zur Zielerreichung notwendigen Schritte sicher-<br />
stellen. 2 Daher hat sich die Direktion Technik und Produktion bewusst dafür entschie-<br />
den, EZAM nicht, wie zunächst vorgesehen, als Projekt zu organisieren. Das Setzen<br />
von Zielen und die konsequente Verfolgung der zur Erreichung notwendigen Schritte<br />
sind originäre Führungsaufgaben. Deshalb ist EZAM als Prozess organisiert, in dem<br />
von Beginn an nicht Projektleiter und –gruppen des Controlling der Direktion Technik<br />
und Produktion die Arbeit und die Verantwortung übernehmen, sondern die zustän-<br />
1 Vgl. SWR: o.V.: Bericht zum aktuellen Stand im EZAM-Prozess in der Direktion Technik und Produktion,<br />
unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 1.<br />
2 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />
unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.
52 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
digen Führungskräfte. Lediglich die Erarbeitung der notwendigen Analysewerkzeuge<br />
wird im Rahmen von begleitenden Projekten vorgenommen. 1<br />
Die Leiter der Hauptabteilungen und Abteilungen sollen EZAM als zentrales Instru-<br />
ment zur Führung ihrer Einheiten einsetzen und sich somit selbst mit der betriebs-<br />
wirtschaftlichen Steuerung ihres Bereiches beschäftigen. Als Erfolgsrezept für eine<br />
hohe Akzeptanz auf Seiten der Führung hat sich das Controlling der Direktion Technik<br />
und Produktion infolge dessen zum Ziel gesetzt, den gesamten EZAM-Prozess<br />
möglichst einfach zu gestalten. Dies bedeutet zum einen, dass die zur Anwendung<br />
kommenden Kennzahlen leicht verständlich und auf eine übersichtliche Anzahl<br />
reduziert sind. Des weiteren hat der operative Aufwand für die Führungskräfte zur<br />
Erfüllung ihrer Aufgaben während der einzelnen Phasen des EZAM-Prozesses immer<br />
in einem angemessenen Verhältnis zu dem hieraus gewonnenen Nutzen zu stehen.<br />
Grundlegender Prozessablauf<br />
Der EZAM-Prozess, dessen Systematik in nachfolgenden Ausführungen erläutert wird,<br />
wurde zunächst nur für den Bereich Fernsehen gegen Ende des Jahres 2002 konzipiert<br />
und im Laufe des Jahres 2003 schrittweise in die Praxis eingeführt, da anfangs lediglich<br />
eine Behandlung der Fernsehproduktionsbereiche in EZAM vorgesehen war. Er<br />
konnte jedoch unter Anwendung der gleichen Systematik mit geringfügigen Modi-<br />
fikationen nach und nach auch auf die Hörfunkproduktionsbereiche übertragen wer-<br />
den, so dass heute Fernseh- und Hörfunkproduktionsbereiche in gleicher Weise dem<br />
EZAM-Prozess unterliegen. Gemäß dieser Systematik lässt sich der EZAM-Prozess in<br />
fünf aufeinander folgende Phasen gliedern (vgl. Abbildung 7).<br />
Abbildung 7: Prozessablauf von EZAM<br />
Prozessablauf Tätigkeiten<br />
Phase 1 Erarbeitung der Analysewerkzeuge<br />
Phase 2 Analyse der Abteilungen<br />
Phase 3 Festlegung der Ziele<br />
Phase 4 Erarbeitung der Maßnahmenpläne und der mittelfristigen Zeitplanung<br />
Phase 5 Umsetzung und Übergang in das Regelcontrolling<br />
1 Vgl. SWR: o.V.: Bericht zum aktuellen Stand im EZAM-Prozess in der Direktion Technik und Produktion,<br />
unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 2.
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 53<br />
In der ersten Phase des EZAM-Prozesses wurden zunächst die Analysewerkzeuge und<br />
Kennzahlen zur Festlegung der Kostenziele vereinbart. Im Ergebnis liegt den Fernseh-<br />
und Hörfunkproduktionsbereichen pro Abteilung ein Kennzahlensystem vor, mit dem<br />
die Kosten- und Leistungsstruktur der Abteilungen beschrieben werden kann (vgl.<br />
Abbildung 8). Dieses Kennzahlensystem umfasst zum einen eine Kennzahlengruppe,<br />
die sich auf den Personalbereich bezieht. Hierbei erfolgt eine Differenzierung zwischen<br />
Kennzahlen, die bestimmte Kostengrößen zueinander in Relation setzen, und Kenn-<br />
zahlen, die das Verhältnis der Personalkosten zu den Personalleistungen betrachten.<br />
Zudem beinhaltet es eine Kennzahl, die eine Aussage über die Sachmittelauslastung<br />
des betrachteten Bereichs ermöglicht sowie eine Kennzahl, die das Verhältnis der<br />
gesamten BPL-Leistungen, welche über die Bereitstellung von Personal- und Sach-<br />
mitteln erbracht wurden, zu den gesamten Kosten der einzelnen Abteilungen abbildet.<br />
Abbildung 8: Kennzahlen des EZAM-Prozesses<br />
Kennzahlengruppe Kennzahl Beschreibung / Anmerkung<br />
Personalbereich:<br />
K1: Personalkosten<br />
Overhead<br />
K2.1: feste budgetierte<br />
Peronalkosten<br />
K2.2: freie budgetierte<br />
Personalkosten<br />
K2.3: budgetierte<br />
Personalkosten Firmen<br />
K3.1: BPL Personal zu<br />
Personalkosten<br />
budgetiert<br />
K3.2: BPL Personal zu<br />
Personalkosten gesamt<br />
Sachmittelbereich:<br />
K4: Sachmittelauslastung<br />
K1 = (PKO / PKG) x 100%<br />
K2.1 = (PKFeB / PKB) x 100%<br />
K2.2 = (PKFrB / PKB) x 100%<br />
K2.3 = (PKFiB / PKB) x 100%<br />
K3.1 = BPL Personal / PKB<br />
K3.2 = BPL Personal / PKG<br />
K4 = (BPL Sachmittel –<br />
Kapazitätsausgleich Sachmittel) /<br />
Eigenkapazität x 100%<br />
Gibt den Anteil der für Overheadleistungen<br />
aufgewendeten Personalkosten an den<br />
gesamten Personalkosten fest, frei und<br />
Firmen an.<br />
Gibt den Anteil der Personalkosten im<br />
budgetierten Bereich an, der durch feste<br />
Mitarbeiter ausgelöst wird.<br />
Gibt den Anteil der Personalkosten im<br />
budgetierten Bereich an, der durch freie<br />
Mitarbeiter ausgelöst wird.<br />
Gibt den Anteil der Personalkosten im<br />
budgetierten Bereich an, der durch Firmen<br />
ausgelöst wird.<br />
Gibt an, wie hoch die erbrachten BPL<br />
Personal im Verhältnis zu den<br />
budgetierten Personalkosten sind.<br />
Gibt an, wie hoch die erbrachten BPL<br />
Personal im Verhältnis zu den gesamten<br />
Personalkosten sind.<br />
Kennzahlenbildung als Durchschnitt über<br />
die gesamte Abteilung bzw. des jeweiligen<br />
Teilbereichs, keine Differenzierung nach<br />
Leistungsarten.
54 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
Gesamtkostenorientierte<br />
Kennzahl:<br />
K5: Leistung zu<br />
Gesamtkosten<br />
K5 = BPL gesamt / GK<br />
Weicht von der strengen Systematik der<br />
Kennzahlen K1 bis K4 ab. Sie enthält auch<br />
Kostenbestandteile, die keiner näheren<br />
Überprüfung unterzogen werden können,<br />
wie z.B. die Abschreibungen.<br />
Erläuterung:<br />
PKO = Personalkosten Overhead<br />
PKG = Gesamtpersonalkosten = PKO + PKB (ohne PK Nicht-ILV-Bereiche, da im Vorfeld abgetrennt)<br />
PKB = Personalkosten budgetiert = PKFeB + PKFrB + PKFiB<br />
PKFeB = Personalkosten der festangestellten, budgetierten Mitarbeiter; PKFrB = Personalkosten der<br />
freien, budgetierten Mitarbeiter; PKFiB = Personalkosten Firmen im budgetierten Bereich<br />
BPL Personal = Summe der vom Bereich erbrachten BPL im Bereich Personal<br />
BPL Gesamt = BPL Personal + BPL Sachmittel; GK = Gesamtkosten = Netto-Budget + Abschreibungen +<br />
Personalkosten + Raumumlage + AV + sonstige Kosten nicht Mittelverwaltung<br />
In der zweiten Phase des EZAM-Prozesses erfolgte eine Analyse der einzelnen Abtei-<br />
lungen des Fernseh- und Hörfunkproduktionsbetriebes. Zur Definition der Kosten-<br />
begriffe von EZAM, die dann in die Bildung der Kennzahlen eingehen, wurden in<br />
einem ersten Schritt die Kostenstellen der einzelnen Abteilungen in ILV-Bereiche,<br />
Overhead-Bereiche sowie Nicht-ILV-Bereiche gegliedert. 1 So wurden beispielsweise<br />
die Kostenstellen der Abteilungsleiter dem Overhead-Bereich zugeordnet, da sie in<br />
ihrer betrieblichen Funktion als Führungskraft keine Leistungen erbringen, die<br />
budgetiert und intern verrechnet werden. Neben der Leitung umfasst der Overhead-<br />
Bereich beispielsweise auch das Sekretariat und die Disposition. Die Nicht-ILV-<br />
Bereiche umfassen die Bereiche, die keiner Nachfragesteuerung unterliegen und somit<br />
nicht intern an das Programm verrechnet werden. Hierzu zählen die Sendeabwicklung<br />
in Baden-Baden und die Schalträume. Sie gehen nicht in die Kennzahlen von EZAM<br />
ein und wurden daher bereits zu Beginn von den ILV- und Overhead-Bereichen, die<br />
Bestandteil des EZAM-Kennziffernsystems sind, abgetrennt. Zur praktischen Durch-<br />
führung dieses ersten Schrittes der Definition der Analysebereiche hatte der<br />
Abteilungsleiter in Abstimmung mit dem Hauptabteilungsleiter und der Produktions-<br />
wirtschaft nachfolgende Tabelle auszufüllen (vgl. Abbildung 9):<br />
1 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 5.
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 55<br />
Abbildung 9: Gliederung der Kostenstellen in ILV-, Overhead- und Nicht-ILV-Bereiche 1<br />
Kostenstelle Bezeichnung Anmerkung Nicht-ILV-<br />
Bereich<br />
K624600 Bereich FS<br />
Bearbeitung<br />
Abteilung<br />
Knoten<br />
K624631 Bereich<br />
Fernsehen<br />
Cutter<br />
K624651<br />
u.s.w.<br />
Bereich<br />
Fernsehen<br />
Schnittplätze<br />
ILV-Bereich Overhead-<br />
Bereich<br />
X<br />
X<br />
Kennzahlen<br />
K1-K5<br />
Mit dieser Tabelle wurde die gesamte Abteilung, orientiert am geltenden<br />
Kostenstellenaufbau, den in EZAM verwendeten Begrifflichkeiten zugeordnet. In der<br />
zweiten Spalte der Tabelle waren zunächst alle im Kostenstellenplan aufgeführten<br />
Kostenstellen aufzulisten. Die drei Spalten Nicht-ILV-Bereich, ILV-Bereich und Over-<br />
head-Bereich mussten für jede Kostenstelle bis auf die so genannten Knoten-<br />
kostenstellen 2 und die reinen Planungskostenstellen angekreuzt werden. Die zu<br />
erhebenden Kennzahlen legt die letzte Spalte der Tabelle fest. Hierzu wurde bereits im<br />
ersten Schritt durch die jeweilige Produktionswirtschaft in Abstimmung mit dem<br />
zuständigen Abeilungsleiter und Hauptabteilungsleiter ein Vorschlag für die Fest-<br />
legung des Kennzahlenrasters erarbeitet. Dabei sollte im Grundsatz gelten, dass für<br />
jede Kostenstelle der Abteilung die Kennzahlen erhoben werden, die für diese Kosten-<br />
stelle eine Aussagefähigkeit haben. 3<br />
Der Grund für die vorgesehene Erhebung der Kennzahlen auf Kostenstellenebene war<br />
die unterschiedliche Aufstellung vergleichbarer Abteilungen über die Standorte hin-<br />
weg. Beispielsweise gehört die Synchronisation in <strong>Stuttg</strong>art und Baden-Baden zur<br />
Abteilung Bearbeitung, in Mainz zur Abteilung Ton. Außer den Abteilungen Grafik,<br />
Design und Ausstattung sind keine Abteilungen über die drei Standorte hinweg gleich<br />
aufgestellt. Die Kennzahlen auf Kostenstellenebene sollten hier helfen, eine Vergleich-<br />
barkeit der einzelnen Abteilungen herzustellen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die<br />
Kennzahlenerhebung jedoch nur auf Abteilungsebene relevant. Kennzahlen auf Ebene<br />
der einzelnen Kostenstellen werden zwar in einzelnen Abteilungen erhoben, sind aber<br />
bisher noch nicht für einen Vergleich herangezogen worden.<br />
1 Eigene Darstellung in Anlehnung an SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument,<br />
SWR, Baden-Baden, 2003, S. 5.<br />
2 Die Knoten fassen dabei mehrere Kostenstellen zusammen. Die gesamten Kostenstellen einer Abteilung werden<br />
durch den so genannten Abteilungsknoten abgebildet.<br />
3 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 4.
56 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
Nach Bearbeitung der Tabelle wurde diese an die Hauptabteilung Zentrale Aufgaben<br />
weitergegeben. Dort wurde letztlich entschieden, welche Aufteilung für die jeweilige<br />
Abteilung vorgenommen wird und welche Kennzahlen zu erheben sind. 1 Die Auf-<br />
teilung in die drei Bereiche ILV, Nicht-ILV und Overhead und die Festlegung des<br />
Kennzahlenrasters erfolgte dabei für vergleichbare Abteilungen über die drei Stand-<br />
orte hinweg möglichst einheitlich, um auf Basis der Kennzahlen trotz unterschiedlicher<br />
Aufstellung der Abteilungen die Voraussetzungen für einen Vergleich einzelner Abtei-<br />
lungen zu schaffen.<br />
Falls die Aufteilung der Abteilung in ILV- und Overhead-Bereiche einerseits und<br />
Nicht-ILV-Bereiche andererseits nicht stringent über die Kostenstellenzuordnung<br />
erfolgen konnte, weil beispielsweise in einer Kostenstelle sowohl ILV- als auch Nicht-<br />
ILV-Personal verbucht wird, so musste eine Detailbetrachtung erfolgen. 2 Hierzu hatte<br />
der zuständige Abteilungsleiter zunächst nachfolgende Tabelle auszufüllen (vgl.<br />
Abbildung 10):<br />
Abbildung 10: Korrektur zur Abgrenzung der Overhead- und ILV-Bereiche zu den Nicht-ILV-<br />
Bereichen 3<br />
von KST<br />
(ILV-Bereich oder<br />
Overhead-Bereich)<br />
nach KST<br />
(Nicht-ILV-Bereich)<br />
zu verlagernde Personalkosten<br />
im Berichtsjahr<br />
Anmerkungen<br />
634253 634210 87.000 € PK Sendeabwicklung<br />
Summe<br />
von KST<br />
(Nicht-ILV-Bereich)<br />
Summe<br />
nach KST<br />
(ILV-Bereich oder<br />
Overhead-Bereich)<br />
zu verlagernde Personalkosten<br />
im Berichtsjahr<br />
Anmerkungen<br />
Der erste Teil der Tabelle beschreibt, welche Personalkosten aus welcher Kostenstelle<br />
des ILV- oder Overhead-Bereiches herauszunehmen sind und welcher Kostenstelle des<br />
Nicht-ILV-Bereichs diese Kosten zuzurechnen sind. Im zweiten Teil der Tabelle waren<br />
die Korrekturen in umgekehrter Richtung anzugeben. Im Ergebnis ermöglicht die<br />
Tabelle in Verbindung mit der Aufteilung der Kostenstellen eine eindeutige Beziffer-<br />
1 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 4.<br />
2 Vgl. ebenda, S. 6. Grundsätzlich sollte jedoch nur in den Fällen eine Korrektur vorgenommen werden, denen auch<br />
eine relevante Quantität an Personalkosten zugrunde liegt.<br />
3 Eigene Darstellung in Anlehnung an SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument,<br />
SWR, Baden-Baden, 2003, S. 6.
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 57<br />
ung der Personalkosten der Kostenstellen des Overhead- und ILV-Bereiches sowie des<br />
Nicht-ILV-Bereiches. 1<br />
Für die Definition des Overhead-Bereiches hatte der Abeilungsleiter in bestimmten<br />
Fällen weitere Korrekturen vorzunehmen. Nachfolgende Abbildung 11 gibt einen<br />
Überblick über die vorzunehmenden Korrekturen:<br />
Abbildung 11: Korrekturen zur Definition des Overhead-Bereiches 2<br />
Hinzurechnung:<br />
Overheadleistungen<br />
außerhalb der<br />
Abteilung<br />
Kürzung:<br />
Nicht-ILV-<br />
Leistungen des<br />
Overhead-Bereiches<br />
Nicht-ILV-Bereich<br />
(-)<br />
(+)<br />
Die Kürzung der Nicht-ILV-Leistungen aus dem Overhead-Bereich und Hinzurech-<br />
nung dieser Leistungen in den Nicht-ILV-Bereich erfolgte bereits mit vorangehender<br />
Tabelle zur Abgrenzung der Overhead- und ILV-Bereiche zu den Nicht-ILV-Bereichen.<br />
Mit der Hinzurechnung von Overheadleistungen außerhalb der Abteilungen sind die-<br />
jenigen Fälle gemeint, in denen eine Overheadfunktion einer anderen Abteilung zuge-<br />
ordnet ist. 3 Im nachfolgenden Beispiel wäre dies die für diese Abteilung zuständige<br />
Produktionswirtschaft (vgl. Abbildung 12).<br />
1 In der Spalte Anmerkungen war dabei eine kurze Beschreibung des Sachverhaltes zu geben, der zur Verlagerung der<br />
Personalkosten (PK) geführt hat. Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes<br />
Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 6.<br />
2 Eigene Darstellung in Anlehnung an SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument,<br />
SWR, Baden-Baden, 2003, S. 7.<br />
(+)<br />
Overhead-Bereich<br />
3 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 8.<br />
(+)<br />
(-) (-)<br />
Hinzurechnung:<br />
Overheadleistungen des<br />
ILV-Bereiches<br />
(-)<br />
(+)<br />
ILV-Bereich<br />
Kürzung:<br />
ILV-Leistungen des<br />
Overhead-Bereiches
58 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
Abbildung 12: Zuordnung von Overheadleistungen, die nicht Teil der Abteilung sind 1<br />
von KST nach KST Overhead<br />
der hier analysierten<br />
Abteilung<br />
zu verlagernde Personalkosten<br />
im Berichtsjahr<br />
Anmerkungen<br />
630120 634510 8.000 € Honorarabrechnung<br />
Summe<br />
Von der Hinzurechnung von Leistungen in den Overhead-Bereich, die Mitarbeiter des<br />
ILV-Bereiches für den Overhead-Bereich ihrer Abteilung erbringen, bzw. von der<br />
Kürzung der Leistungen aus dem Overhead-Bereich, die Mitarbeiter des Overhead-<br />
Bereiches für den ILV-Bereich ihrer Abteilung erbringen, sollte nur Gebrauch gemacht<br />
werden, wenn relevante Anteile zu korrigieren waren. 2 Die Verlagerungen waren mit<br />
nachfolgender Tabelle zu beschreiben (vgl. Abbildung 13):<br />
Abbildung 13: Korrekturen der Overheadkosten um anteilige Overheadleistungen von Mitarbeitern<br />
des ILV-Bereiches und/oder anteilige ILV-Leistungen von Mitarbeitern<br />
des Overhead-Bereiches 3<br />
von KST nach KST zu verlagernde Personalkosten<br />
im Berichtsjahr<br />
Anmerkungen<br />
634631 634610 25.000 € Vertretung Disposition<br />
Summe<br />
Im letzten Schritt der Analyse sichteten die zuständigen Hauptabteilungsleiter und<br />
Abteilungsleiter mit Unterstützung der jeweiligen Produktionswirtschaft die Analyse-<br />
ergebnisse. Nach Freigabe durch den Hauptabteilungsleiter wurden die Ergebnisse der<br />
ermittelten Kennzahlen an die Hauptabteilung Zentrale Aufgaben übermittelt. 4 Basis<br />
für alle Zahlenwerte, die in die Kennzahlen eingingen, war dabei die Ist-Situation der<br />
Abteillungen des Jahres 2002. Diese Kennzahlen bildeten die Ausgangslage für die<br />
dritte Phase des EZAM-Prozesses. In dieser Phase verglich der Direktor der Direktion<br />
Technik und Produktion zunächst die EZAM-Kennzahlen derjenigen Abteilungen, die<br />
an den jeweiligen Standorten ähnliche oder gleiche Leistungen für das Programm<br />
erbringen. Die geplanten Zielgrößen für die folgenden Jahre orientierten sich an den<br />
jeweils besten Abteilungsergebnissen und wurden vom Direktor der Technik und<br />
1 Eigene Darstellung in Anlehnung an SWR : o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes<br />
Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 8.<br />
2 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 8.<br />
3 Eigene Darstellung in Anlehnung an SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument,<br />
SWR, Baden-Baden, 2003, S. 8.<br />
4 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 4.
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 59<br />
Produktion in Abstimmung mit den Hauptabteilungsleitern vorgegeben. Die Vorgaben<br />
wurden hierbei nicht in relativen Größen für alle Bereiche identisch formuliert, wie<br />
beispielsweise eine einheitliche Zielvorgabe in Form der Reduktion der Personalkosten<br />
um zehn Prozent. Vielmehr gab der Direktor einen absoluten und auf jede Abteilung<br />
spezifisch ausgerichteten Zahlenwert vor. Dabei war zu berücksichtigen, dass an den<br />
drei Standorten für vergleichbare Abteilungen unterschiedliche Bedingungen vor-<br />
liegen können und die Zielvorgaben je nach Standort entsprechend anzupassen waren.<br />
Mit Formulierung der Zielvorgaben für die Abteilungen begann die vierte Phase des<br />
EZAM-Prozesses. In dieser Phase waren die Hauptabteilungsleiter für die Erarbeitung<br />
der Maßnahmen, die aus ihrer Sicht zur mittelfristigen Erfüllung der Zielvorgaben<br />
notwendig sind, und für eine konkrete Zeitplanung für die Durchführung dieser Maß-<br />
nahmen verantwortlich.<br />
In der letzten Phase des EZAM-Prozesses erfolgt gegenwärtig der Übergang in das<br />
Regelcontrolling. Zentraler Bestandteil dieser Phase ist die jährliche Vorstellung der<br />
EZAM-Kennzahlen und der durchgeführten sowie geplanten Maßnahmen durch die<br />
Abteilungsleiter in der Hauptabteilungsrunde der Direktion Technik und Produktion.<br />
Für die Bereiche gilt es nun, ihre Zielvorgaben auf mittelfristige Sicht, d.h. in einem<br />
Zeitraum von bis zu fünf Jahren, zu erreichen. Zielsetzung dabei ist, dass im Ergebnis<br />
vergleichbare Abteilungen möglichst einheitliche Kennzahlen aufweisen. Der geplante<br />
Zeitraum von bis zu fünf Jahren ist notwendig, da gerade im Personalbereich der fest<br />
angestellten Mitarbeiter oft nicht kurz-, sondern nur mittelfristig reagiert werden kann.<br />
Die Ermittlung der Kennzahlen findet dabei in einem zeitlichen Abstand von einem<br />
Jahr statt. Damit die Abteilungsleiter rechtzeitig Veränderungen ihrer Kennzahlen<br />
erkennen, mit denen dann auch kritisch umgegangen wird, erstellen die Produktions-<br />
wirtschaften bereits zur Jahresmitte eine Hochrechnung. Der zeitliche Abstand der<br />
Kennzahlenermittlung von mindestens einem halben Jahr ist hier ebenfalls notwendig,<br />
damit Veränderungen der Kennzahlen, die auf umgesetzte Maßnahmen im Personal-<br />
bereich zurückzuführen sind, sichtbar sind.<br />
Mit der regelmäßigen Vorstellung der EZAM-Kennzahlen in der Hauptabteilungs-<br />
runde soll im Ergebnis ein in sich geschlossener Steuerungskreis geschaffen werden,<br />
der die Abteilungsleiter durch die eigenständige Erarbeitung, Umsetzung und regel-<br />
mäßigen Vorstellung notwendiger Maßnahmen in der Hauptabteilungsrunde zu einer<br />
aktiven Steuerung ihrer Abteilungen veranlasst. Mit dem jährlichen Vortrag ihrer<br />
Ergebnisse in der Hauptabteilungsrunde wird den Abteilungsleitern die Möglichkeit<br />
geboten, ihre Leistungen der vergangenen Periode unmittelbar gegenüber der<br />
Direktion vorzutragen. In einem gemeinsamen Gespräch der Führungskräfte soll hier-<br />
bei eine kollegiale Beratung und Meinungsäußerung zu den Konzepten der Abtei-<br />
lungsleiter anderer Standorte ermöglicht und im Ergebnis ein Konsens zwischen den<br />
Führungskräften bzgl. ihrer Konzepte erzielt werden. Mit Weitergabe der Ziel-<br />
vorgaben an ihre Mitarbeiter sollen sie für die Durchsetzung der Maßnahmen
60 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
sorgen und somit die Kennzahlenergebnisse ihrer Abteilungen kontinuierlich<br />
verbessern.<br />
6 Beurteilung des EZAM-Prozesses und Ausblick<br />
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht hat das Controlling der Direktion Technik und<br />
Produktion mit dem EZAM-Kennzahlensystem ein Werkzeug entwickelt, mit dem es<br />
die Kostenstruktur der einzelnen Abteilungen im Fernseh- und Hörfunkbereich, die<br />
ihre Leistungen intern an das Programm verrechnen, sowie ihre Effizienz und<br />
Effektivität bei der Leistungserstellung unterjährig überprüfen kann. Mit Hilfe der<br />
Kennzahlen als Bezugsgrößen kann das Controlling gezielt Vergleiche derjenigen<br />
Abteilungen an den unterschiedlichen Standorten vornehmen, die gleiche oder ähn-<br />
liche Leistungen an das Programm erbringen, und somit die einzelnen Bereiche zu<br />
unternehmerischem Denken und Handeln motivieren. Damit sind die Voraus-<br />
setzungen geschaffen, dass der Verknappung der budgetierten Produktionsleistungen<br />
in Zukunft eine kontinuierliche Reduktion der Kosten folgt.<br />
Bei Betrachtung des methodischen Aspektes des EZAM-Prozesses ist es der Direktion<br />
Technik und Produktion gelungen, die Führung bei der Steuerung ihrer dezentralen<br />
Organisationseinheiten mit Hilfe der Vorgabe weniger und operativ leicht beherrsch-<br />
barer Kennzahlen zu unterstützen. Mit der Organisation von EZAM als Prozess liegt<br />
die Verantwortung nicht beim Controlling, sondern beim Direktor der Direktion<br />
Technik und Produktion und den jeweiligen Haupt- und Abteilungsleitern. Der Direk-<br />
tor hat als originäre Führungsaufgabe in den einzelnen Bereichen für klar abgegrenzte,<br />
realistische und doch ambitionierte Ziele zu Sorgen. Für die Abteilungsleiter gilt es, die<br />
Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele zu erarbeiten, die hierfür notwendigen<br />
Schritte einzuleiten und ihre konsequente Verfolgung sicherzustellen.<br />
Für einen wirkungsvollen Einsatz des EZAM-Prozesses als Führungsinstrument, der<br />
auch in Zukunft in einem zunehmend schwierigerem Umfeld einen wesentlichen<br />
<strong>Beitrag</strong> zur wirtschaftlichen Optimierung der Produktionsbetriebe des SWR leisten<br />
soll, hat sich dieser daran zu orientieren, die sich abzeichnenden Entwicklungen der<br />
nächsten zehn bis fünfzehn Jahre frühzeitig zu erkennen, um den Rahmenbe-<br />
dingungen der Direktion Technik und Produktion gerecht zu werden. Die künftigen<br />
wirtschaftlichen Entwicklungen, die für den Bestand öffentlich-rechtlicher Rund-<br />
funkanstalten von essentieller Bedeutung sind, lassen sich wie folgt skizzieren: Es ist<br />
davon auszugehen, dass in Zukunft die Diskussionen über die Gebührenfinanzierung<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht nur anhalten, sondern zunehmen werden<br />
und sich die Differenz aus kontinuierlich ansteigender Teuerungsrate und geringer<br />
ansteigenden Gebühreneinnahmen auch weiterhin vergrößern wird. Zudem werden<br />
künftig ohnehin demographisch bedingte Einbußen bzgl. der Einnahmen aus<br />
Gebühren hinzunehmen sein. Im Ergebnis werden die zur Verfügung stehenden<br />
Finanzmittel auch in Zukunft knapper werden. Für die Direktion Technik und
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 61<br />
Produktion bedeutet dies, dass als Folge die BPL-Anforderungen der Programm-<br />
bereiche bei den Produktionsbetrieben der Direktion Technik leicht, jedoch stetig<br />
zurückgehen werden und auch zurückgehen werden müssen. Auf der anderen Seite<br />
werden sich die Programme verstärkt gegenüber der Konkurrenz im öffentlich-<br />
rechtlichen wie auch im privaten Rundfunksektor behaupten müssen. Hierfür werden<br />
sie mehr denn je einen leistungsfähigen Produktionsbereich benötigen, der nach dem<br />
Gebot der Wirtschaftlichkeit die knapper werdenden Finanzmittel effizient einsetzt<br />
und trotz rückläufigen Gebühren ein quantitativ und qualitativ optimales Programm<br />
produziert.<br />
Auf den EZAM-Prozess übertragen könnte diese Strategie ihren Niederschlag dahin-<br />
gehend finden, dass jeder Abteilungsleiter neben der üblichen Darstellung der Kenn-<br />
zahlenergebnisse und durchgeführten Maßnahmen des vergangenen Jahres sowie der<br />
Planungen für das nächste Jahr eine Darstellung folgender zwei Szenarien vorlegt: Im<br />
ersten Szenarium wird gezeigt, wie sich die Kennzahlenergebnisse pro Abteilung in<br />
den nächsten vier Jahren voraussichtlich entwickeln werden, wenn in dem betrach-<br />
teten Zeitraum der BPL-Umsatz konstant bleibt. In einem zweiten Szenarium werden<br />
die Kennzahlenergebnisse für die nächsten vier Jahre bei jährlich um ca. zwei Prozent<br />
zurückgehenden BPL-Umsätzen vorgetragen. Auf diese Weise könnten die Auswir-<br />
kungen oben genannter Entwicklungen auf die künftigen Ergebnisse der Produktions-<br />
bereiche des SWR aufgezeigt werden. Die Einzelheiten, welche Sachverhalte in welcher<br />
Form in diesen Szenarien zu beschreiben wären, könnten in einer Arbeitsgemeinschaft<br />
erarbeitet werden.<br />
Entscheidend für den langfristigen Erfolg und die Zukunftsfähigkeit des EZAM-<br />
Prozesses ist dabei, dass ausnahmslos alle Führungskräfte den Grundsatzgedanken<br />
verstehen, der hinter diesem Konzept steht, diesen langfristig als Leitidee annehmen<br />
und entsprechend ihr Verhalten darauf ausrichten. Diesbezüglich ist ausdrücklich zu<br />
betonen, dass sich unternehmerisches Denken und Handeln beim SWR als öffentlich-<br />
rechtliche Rundfunkanstalt nicht auf die Gewinnmaximierung und damit auf die<br />
Einnahmenseite konzentriert und auch nicht konzentrieren darf, sondern ausschließ-<br />
lich auf die Ausgabenseite, also der Senkung und Steuerung der Kosten.<br />
Damit werden der Grundsatzgedanke und zugleich die Grenzen dieses Konzeptes<br />
deutlich: Die einzelnen Abteilungen der Direktion Technik und Produktion können<br />
und dürfen ihre Effizienz nicht durch Umsatzmaximierungen steigern, sondern nur<br />
durch eine Optimierung der eigenen Kostenstruktur. Eine Kostenreduktion bei<br />
konstanten BPL-Einnahmen ist daher einer Steigerung der BPL-Umsätze bei steigen-<br />
den Kosten, vor allem Fixkosten, unbedingt vorzuziehen. Konkret bedeutet dies, dass<br />
für die Abteilungsleiter nicht die Wahrung des Betriebstandes, sondern Rationali-<br />
sierung auch durch die Verringerung des bisherigen Betriebstandes im Vordergrund<br />
stehen sollte. Um den Rückgang der zur Verfügung stehenden Mittel künftig<br />
zumindest teilweise zu kompensieren und weiterhin die Produktion erfolgreicher Pro-<br />
gramme sicherzustellen, muss sich die Führungsaufgabe verstärkt auf die
62 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />
Rationalisierung ihrer Bereiche konzentrieren. Vorgehaltene Eigenkapazitäten sollten<br />
langfristig an die Einnahmen anpasst werden. Mehr noch als bisher ist hierbei zu<br />
beachten, dass die Produktionsbereiche ihre Flexibilität erhalten und damit auf<br />
Umsatzschwankungen reagieren können. Demzufolge sollten künftig insbesondere<br />
solche Umsatzsteigerungen vermieden werden, die nur temporärer Natur sind, jedoch<br />
zu einer dauerhaften Erhöhung der Fixkosten im Personal- und Sachmittelbereich<br />
führen und somit eine Verringerung der Flexibilität in diesen Bereichen nach sich<br />
ziehen. Langfristige Investitionen in Sachmittel oder ihre Aufrechterhaltung bei nur<br />
geringem Beschäftigungsgrad sollten ebenso wie eine dauerhafte Bindung von Per-<br />
sonal überdacht werden. Letztere dürfte ebenfalls nur dann erfolgen, wenn sie auf<br />
langfristige Sicht notwendig und zweckmäßig ist. Letztendlich sollten alle Maßnah-<br />
men, die in den Produktionsabteilungen dauerhaft Kapital binden oder längerfristig<br />
Kosten verursachen, auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden.<br />
Literatur<br />
Frese, Erich (2000): Grundlagen der Organisation: Konzept – Prinzipien – Strukturen, 8. Aufl.,<br />
Wiesbaden (Gabler Verlag).<br />
Frese, Erich (2001): Die Produktionssteuerung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten im<br />
Spannungsfeld von Markt und Plan, in: Kops, Manfred (Hrsg.)(2001): Produktions-<br />
steuerung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunk-<br />
ökonomie an der Universität zu Köln, Heft 144, Köln, S. 9-27.<br />
Frese, Erich/Lehmann, Patrick (2002): Profit Center, in: Küpper, Hans-Ulrich/Wagenhofer,<br />
Alfred (Hrsg.)(2002): Handwörterbuch Unternehmensrechnung und Controlling, 2. Band, 4.<br />
Aufl., <strong>Stuttg</strong>art (Schäffer-Poeschel Verlag), Sp. 1540-1551.<br />
Frese, Erich (2004): Plan- und Marktsteuerung in der Unternehmung: Interne Märkte im<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Wiesbaden (Deutscher Universitätsverlag).<br />
Friedrich, Rainer (2003): Centeransatz zur Führung und Steuerung dezentraler Einheiten, in:<br />
Bullinger, Hans-Jörg/Warnecke, Hans Jürgen/Westkämper, Engelbert (Hrsg.)(2003): Neue<br />
Organisationsformen im Unternehmen, Ein Handbuch für das moderne Management, 2.<br />
Aufl., Berlin, Heidelberg, New York (Springer Verlag), S. 1153-1183.<br />
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (Hrsg.): 13. KEF-Bericht vom Dezember 2001. Im<br />
Internet unter: http://www.kef-online.de/inhalte/bericht13/13bericht.pdf [27.01.2006].<br />
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (Hrsg.): 14. KEF-Bericht vom Dezember 2003. Im<br />
Internet unter: http://www.kef-online.de/inhalte/bericht14/14bericht.pdf [27.01.2006].<br />
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (Hrsg.): 15. KEF-Bericht vom Dezember 2005,<br />
Band 1 und 2. Im Internet unter: http://www.kef-online.de/inhalte/bericht15/kef_15bericht_<br />
band1.pdf (Band 1)<br />
http://www.kef-online.de/inhalte/bericht15/kef_15bericht_band2.pdf (Band 2) [27.01.2006]
Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 63<br />
Oelsnitz, Dietrich (2000): Marktorientierte Organisationsgestaltung: Eine Einführung. <strong>Stuttg</strong>art<br />
(Verlag W. Kohlhammer).<br />
Preißner, Andreas (2002): Profit Center managen. Transparenz schaffen – Erfolg steigern –<br />
Mitarbeiter motivieren. München, Wien (Carl Hanser Verlag).<br />
Reichmann, Thomas (1985): Controlling mit Kennzahlen. Grundlagen einer systemgestützten<br />
Controlling-Konzeption. München (Verlag Franz Vahlen).<br />
Schweitzer, Marcel (1992): Profit-Center, in: Frese, Erich (Hrsg.): Handwörterbuch der<br />
Organisation, 2. Band, 3. Aufl., <strong>Stuttg</strong>art (Schäffer-Poeschel Verlag), Sp. 2078-2089.<br />
Schuster, Peter/Mähler, Daniela (2002): Profit Center und Verrechnungspreise, in: Controller<br />
Magazin, 27. Jg., H. 6, S. 600-603.<br />
Weber, Manfred (2001): Kennzahlen: Unternehmen mit Erfolg führen, 2. Aufl., Planegg (WRS<br />
Verlag für Wirtschaft, Recht, Steuern).<br />
Zimmermann, Stephan (2005): Prozessinnovation im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die<br />
Bedeutung der Budgetierung für die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktion,<br />
Berlin (Logos-Verlag).<br />
SWR-interne Materialien:<br />
Hoffmann, Klaus (2005): Wirtschaftliche Aspekte von Hörfunk und Fernsehen,<br />
unveröffentlichte Präsentation, SWR, Mainz.<br />
Pfeiffer, Jürgen (2005): Controlling/Controller in der Produktion, unveröffentlichte Präsentation,<br />
SWR, Baden-Baden.<br />
Rombach, Michael (2004): Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele,<br />
Voraussetzungen und Ergebnisse, unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden.<br />
Rombach, Michael (2005): Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und<br />
Produktion, unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden.<br />
Südwestrundfunk (o.V.)(2003a): Bericht zum aktuellen Stand im EZAM-Prozess in der<br />
Direktion Technik und Produktion, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-<br />
Baden.<br />
Südwestrundfunk (o.V.)(2003b): Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes<br />
Dokument, SWR, Baden-Baden.<br />
Südwestrundfunk (o.V.)(2005): Budgetierungsregeln des SWR, unveröffentlichtes internes<br />
Dokument, SWR, Baden-Baden..<br />
Voß, Peter (2005): Haushaltsplan 2005, aufgestellt vom SWR-Intendanten Peter Voß gemäß § 34<br />
SWR-Staatsvertrag, zit. als SWR-Haushaltsplan 2005.
Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 65<br />
Edgar H. Tritschler<br />
Controlling als qualitatives Rating-<br />
Kriterium<br />
Controlling hat sich in deutschen Unternehmen allgemein als notwendige betriebliche Funktion<br />
etabliert; „notwendig“ im etymologischen Sinne von „Not wendend“. Dem Controlling kommt<br />
in dieser Definition sowohl in funktionaler als auch institutioneller Hinsicht zentrale<br />
Bedeutung zu. Es soll existenzsichernde Kräfte entfalten, als „Frühwarnsystem“ auf drohende<br />
Zielkollisionen bzw. Planabweichungen hinweisen und im Krisenfall dazu beitragen, dass<br />
Gefährdungsursachen erkannt und – zumindest partiell – behoben werden können.<br />
Dieser hohe Stellenwert kam dem Controlling nicht immer zu, Funktion und Institution<br />
mussten sich in vielen – zumal kleineren – Unternehmen erst ihren Weg bahnen, bis ihre<br />
vernunftbestimmte Existenz das heutige Maß der Selbstverständlichkeit erreicht hatte. Einen<br />
vergleichbar „steinigen Weg“ müssen heute Rating-Analyse, Rating-Dokumentation und<br />
Rating-Kommunikation gehen, die besonders in KMU in noch erheblichem Umfang als zusätz-<br />
liche Bürokratie empfunden werden. Sowohl Detailkenntnisse wie auch Umsetzungsgrad sind<br />
noch unzureichend 1 . Der Bankenapparat als fordernder und i. d .R. stärkerer Partner hat sich in<br />
zwar sehr unterschiedlicher Qualität, tendenziell aber noch zu wenig auf die Rating-Probleme<br />
ihrer Firmenkunden eingestellt 2 , die gerade in diesem sensiblen Bereich erforderliche<br />
Transparenz fehlt noch weitgehend.<br />
Die im Folgenden anzusprechenden Rating-Regeln enthalten klare Vorschriften für das Bank-<br />
wesen, die Controlling-Praxis in Unternehmen zu bewerten.<br />
1 Controlling-Definitionen<br />
Controlling-Begriff<br />
Der Begriff „Controlling“ erscheint in der Literatur so vielfältig wie seine praktischen<br />
Ausprägungen. Eine prägnante Beschreibung veröffentlicht der Internationale Control-<br />
ler Verein: „Controlling bedeutet Steuern oder Regeln. Das heißt Führen zum<br />
praktischen Erreichen der vereinbarten Ziele.“ 3 „Der Controller sorgt dafür, dass jeder<br />
sich selbst kontrollieren kann im Rahmen der erarbeiteten Ziele und Pläne.“ 4<br />
1 Vgl. z.B. Handelsblatt v. 15.08.2006: „Unternehmen stehen unvorbereitet vor Basel II“.<br />
2 Vgl. z.B. Financial Times Deutschland v. 06.07.2006: „Bundesbank fordert Sparkassen zu besserem Rating auf“.<br />
3 Vgl. http://www.controllerverein.com/_cmsdata_cache/cms_50.html (Abruf: 19.09.2006)<br />
4 Vgl. ebenda.
66 Edgar H. Tritschler<br />
Als weitere Ausführungen aus dieser Quelle sollen das Controller-Leitbild und die<br />
Aufgaben- und Rollenverteilung zitiert werden, um sie in dieser Struktur später<br />
wieder aufzugreifen:<br />
„Controller ...<br />
• sorgen für Strategie-, Ergebnis-, Finanz-, Prozesstransparenz und tragen somit<br />
zu höherer Wirtschaftlichkeit bei;<br />
• koordinieren Teilziele und Teilpläne ganzheitlich und organisieren unter-<br />
nehmensübergreifend das zukunftsorientierte Berichtswesen;<br />
• moderieren und gestalten den Management-Prozess der Zielfindung, der<br />
Planung und der Steuerung so, dass jeder Entscheidungsträger zielorientiert<br />
handeln kann;<br />
• leisten den dazu erforderlichen Service der betriebswirtschaftlichen Daten- und<br />
Informationsversorgung;<br />
• gestalten und pflegen die Controlling-Systeme.“ 1<br />
„Die Aufgaben- und Rollenverteilung zwischen Manager und Controller im Team<br />
wird durch das Bild der Schnittmenge deutlich. Die Manager betreiben etwas, die Con-<br />
troller sorgen für Einsehbarbeit in das wirtschaftliche Ergebnis. Hier zeigt sich, dass<br />
nicht die Controller allein das Controlling betreiben. Das Controlling als Prozess und<br />
Denkweise liegt in der Schnittmenge. Es entsteht durch Manager und Controller im<br />
Team (Controlling als angewandte Betriebswirtschaft):<br />
Controlling ergibt sich dabei als Schnittmenge der Funktionen des Managers einerseits<br />
(ergebnis-, finanz-, prozess- und strategieverantwortlich) und des Controllers anderer-<br />
seits (verantwortlich für Ergebnis-, Finanz-, Prozess- und Strategie-Transparenz).“ 2<br />
Strategisches und operatives Controlling<br />
Die Planung und Festlegung von betrieblichen Zielvereinbarungen ist Aufgabe des<br />
strategischen Controlling, mit dem das Management bei der Strategieentwicklung und<br />
-umsetzung unterstützt wird. Shareholder- und Stakeholderinteressen sind hierbei von<br />
gleichwertigem Interesse. Hauptaufgabe des strategischen Controllings ist die lang-<br />
fristige Existenzsicherung von Unternehmen, wobei die zugrunde gelegten Prämissen<br />
regelmäßig mit der eingetretenen Unternehmenswirklichkeit abzugleichen sind.<br />
Diesem Aspekt kommt insofern eine steigende Bedeutung zu, als in vielen Unter-<br />
nehmen durch kürzer werdende Innovationszyklen die Unternehmensszenarien einem<br />
fortlaufenden Wandel unterzogen sind.<br />
1 Controller-Leitbild der IGC International Group of Controlling, Fassung vom 14.09.2002, zitiert in vorstehender<br />
Quelle (vgl. Fn. 3).<br />
2 Vgl. http://www.controllerverein.com/_cmsdata_cache/cms_50.html (Abruf: 19.09.2006)
Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 67<br />
Das operative Controlling befasst sich vorrangig mit der laufenden und der nächsten<br />
Rechnungsperiode. Wie in anderen Zusammenhängen auch (z.B. Unternehmens[wert]-<br />
analysen) findet seit einigen Jahren ein Wandel von der vergangenheits- zur<br />
zukunftsorientierten Sicht der Dinge statt. Üblicherweise befasst das operative<br />
Controlling (vor dem Hintergrund der Unternehmensentwicklung der letzten Jahre)<br />
sich mit dem laufenden und dem künftigen Geschäftsjahr. Dabei besteht eine<br />
auffallende Kohärenz zwischen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen und recht-<br />
lichen Anforderungen aus dem Aktienrecht. Denn diese gewandelte Controlling-<br />
Perspektive deckt sich z.B. mit der zeitlichen Dimension des Lageberichts gem. § 289<br />
AktG:<br />
„(1) Im Lagebericht sind der Geschäftsverlauf einschließlich des<br />
Geschäftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so darzustellen, dass<br />
ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. ...<br />
Ferner ist im Lagebericht die voraussichtliche Entwicklung mit ihren<br />
wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern; zugrunde<br />
liegende Annahmen sind anzugeben.<br />
(2) Der Lagebericht soll auch eingehen auf:<br />
1. Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Schluss des<br />
Geschäftsjahrs eingetreten sind; ...“<br />
Zentrales und dezentrales Controlling<br />
Die Effizienz von Controlling-Abteilungen bzw. -funktionen spiegelt sich oft auch in<br />
ihren organisatorischen Ansiedlungen wider. Eine aufbauorganisatorische Zuordnung<br />
zu den zentralen Managementfunktionen – zumal in größeren Unternehmen – ist<br />
einerseits Ausdruck der Notwendigkeit ihrer Einbindung in strategische Unterneh-<br />
mensentscheidungen (als Lieferant hoch verdichteter betriebswirtschaftlicher Daten<br />
und Informationen), andererseits (als Empfänger, Verteiler) dafür, dass über sie<br />
Prozesse der Unternehmenskommunikation und -information stattfinden müssen, die<br />
inhaltlich und zeitlich koordiniert verlaufen müssen.<br />
Die Zentralfunktion Controlling wird bei größeren Unternehmen durch dezentrale<br />
Controlling-Funktionen unterstützt. Je nach Betriebsgröße und -struktur sind sie not-<br />
wendige Bestandteile eines unternehmensweiten schlüssigen Controlling-Konzepts.<br />
Ihre Existenz ist u. a. für die Plausibilitätsprüfung im Rating-Prozess von Banken ein<br />
Indiz dafür, ob „Top-Down- und Bottom-Up-Prozesse“ Gegenstand der Controlling-<br />
praxis eines Unternehmens sind. Dazu später mehr.<br />
Dezentrales Controlling kann aus der Sicht beurteilender Banken zwingend<br />
erforderlich sein, wenn z.B. aufgrund einer gegebenen Betriebsgröße und/oder –struk
68 Edgar H. Tritschler<br />
tur ein zentrales (Konzern-)Controlling offenbar überfordert wäre. Mittels Kenn-<br />
zahlensystemen 1 werden empirisch gewonnene Daten und Informationen generiert<br />
sowie betriebswirtschaftliche Sollgrößen definiert. Soweit möglich, finden komparable<br />
Kennzahlen auch für unternehmensübergreifende (Branchen)Analysen und für die<br />
unternehmensinterne Bereichs- und Abteilungssteuerung Verwendung.<br />
Funktional fokussiertes Controlling<br />
Vorrangig im Bereichs- oder Abteilungscontrolling werden ressortzentrierte Teilauf-<br />
gaben angesiedelt, um Verantwortung und Kompetenz für Controlling-Aufgaben<br />
möglichst eng an die delegierten Fachaufgaben zu binden. Dies ist eine wesentliche<br />
Voraussetzung für einen möglichst hohen Identifikationsgrad von Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern bei der Wahrnehmung ihrer Fach- und Führungsaufgaben und<br />
harmonisiert deren individuelle Ziele mit übergeordneten strategischen Unterneh-<br />
menszielen.<br />
Als Beispiele für funktional fokussiertes Controlling sollen hier (alphabetisch, ohne<br />
Wertung der innerbetrieblichen Bedeutung) genannt werden:<br />
• Finanz- und Rechnungswesen,<br />
• Informationstechnologie,<br />
• Investition und Finanzierung,<br />
• Logistik,<br />
• Marketing,<br />
• Ökologie und Nachhaltigkeit,<br />
• Personal- und Sozialwesen,<br />
• (incl. Personalentwicklung, Aus- und Weiterbildung),<br />
• Produktion,<br />
• Projektmanagement,<br />
• Recht und Steuern.<br />
Angesichts des in vielen Unternehmen gegebenen hohen Differenzierungsgrades in<br />
der Leistungserbringung kommt den hier beispielhaft genannten Teilfunktionen des<br />
Controllings eine wachsende Bedeutung zu. Diese Ausdifferenzierung betrieblicher<br />
(Controlling)Prozesse bildet sich sui generis durch steigende Anforderungen des<br />
Marktes und immer kürzer werdender Innovationszyklen. Auf der anderen Seite<br />
spiegelt sich darin auch das allgemein angestiegene Bildungsniveau des Personals<br />
wider: die Akademisierung vieler Ausbildungsgänge und fortschreitende professio-<br />
nelle Weiterbildung bilden ein Wissenspotenzial, aus dem – insbesondere durch<br />
Nachwuchskräfte – wertvolle Impulse für die Effizienz von Controllingaktivitäten in<br />
der Unternehmenswirklichkeit generiert werden können.<br />
1 Z.B. PIMS (Profit Impact of Market Strategies) und DuPont-System of Financial control.
Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 69<br />
2 Europa lebt – Globalisierung ist Wirklichkeit<br />
Ein – insbesondere für KMU – in großen Teilen völlig neuer Anforderungsrahmen für<br />
die allgemeine Unternehmenstätigkeit und damit auch für das Unternehmens-<br />
controlling ergibt sich aus der politischen bzw. rechtlichen Europawirklichkeit, die von<br />
vielen (Entscheidungsträgern in) Unternehmen erst allmählich wahrgenommen wird.<br />
Die Überlagerung der nationalen Rechtspraxis durch europäisches und ggf.<br />
internationales Recht wird insbesondere in den oben erst- bzw. letztgenannten<br />
Bereichen „Finanz- und Rechnungswesen“ sowie „Recht und Steuern“ deutlich. Ohne<br />
hier auf den weithin zu vernehmenden Generalvorwurf der zunehmenden Büro-<br />
kratisierung der Unternehmenswelt durch die europäische Rechtsprechung eingehen<br />
zu können, ist festzustellen, dass Führungs- und Spezialkräfte von Unternehmen sich<br />
häufig überfordert fühlen und auf die Beratung z.B. durch steuer- und unterneh-<br />
mensberatende Berufe angewiesen sind.<br />
Wenn dieser Teilabschnitt etwas journalistisch u. a. mit „Europa lebt“ überschrieben<br />
ist, so ist dies zunächst etwas Positives; die politisch-ökonomische Wirklichkeit hat sich<br />
aus den Visionen der Gründerväter Europas entwickelt und stellt ohne Zweifel eine<br />
der größten politischen Leistungen der Nachkriegszeit dar; sie dürfte von der ganz<br />
überwiegenden Mehrheit der Menschen in den europäischen Staaten grundsätzlich<br />
akzeptiert und mit positiven Empfindungen belegt sein. Bei dem Versuch einer<br />
Bewertung der politisch-administrativen Wirklichkeit hingegen stößt man allenthalben<br />
auf Vorbehalte, die möglicherweise mehr der Unkenntnis oder Unsicherheit ent-<br />
stammen und diesem Jahrhundertwerk der europäischen Harmonisierung von recht-<br />
lichen Rahmenbedingungen nicht gerecht werden. Dennoch ist es ein Faktum, dass die<br />
Umsetzung europäischer und/oder internationaler Regelungen in den betrieblichen<br />
Alltag oft mit technisch-organisatorischen Schwierigkeiten und teils erheblichen Kos-<br />
tenbelastungen einhergeht.<br />
So betrachtet ist folglich auch die Anpassung der strategischen und operativen<br />
Controlling-Funktionen an die veränderten Rahmenbedingungen eine der großen<br />
betriebswirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Vor dieser Dimension stehen<br />
auch die Anforderungen an die Evaluation bestehender Systeme und Praktiken. Wenn<br />
von der inzwischen hochgradig spezialisierten Wirtschaftsprüfung erwartet werden<br />
kann, dass sie zwischen dem „Dschungel der Eurokratie“ einerseits und den Unter-<br />
nehmensrealitäten andererseits evaluierend und beratend vermitteln kann, so stellen<br />
sich für die hier anzusprechenden Beteiligten, nämlich der Bankenapparat einerseits<br />
und die Unternehmenswelt andererseits, sehr komplexe Fragen.
70 Edgar H. Tritschler<br />
Deutsche Unternehmen sind – ihrer Anzahl nach – zu fast hundert Prozent mittel-<br />
ständisch geprägt. Löst man sich von einer mehr umgangssprachlichen Definition, so<br />
gelten nach einer EU-Definition 1 folgende Schwellenwerte:<br />
• Kleinstunternehmen sind Unternehmen, die<br />
• weniger als 10 Mitarbeiter und<br />
• einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme<br />
• von höchstens 2 Mio. Euro haben;<br />
• Kleine Unternehmen sind Unternehmen, die<br />
• weniger als 50 Mitarbeiter und<br />
• einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme<br />
• von höchstens 10 Mio. Euro haben;<br />
• Mittlere Unternehmen sind Unternehmen, die<br />
• weniger als 250 Mitarbeiter und<br />
• einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro oder<br />
• eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro haben.<br />
Diese Definition wird seit dem 1. Januar 2005 in den Gemeinschaftspolitiken der EU,<br />
insbesondere bei den Regeln für staatliche Beihilfen angewendet. Es hat seinen Grund,<br />
warum die Europäische Kommission darauf hinweist, dass „die Europäische Inves-<br />
titionsbank, der Europäische Investitionsfonds und die Mitgliedsstaaten aufgefordert<br />
sind, sich bei allen Programmen für KMU an diese Definition zu halten.“ Denn immer<br />
wieder wird von Mittelstand gesprochen und geschrieben, wenn es um Unternehmen<br />
z.B. von bis zu 500 Mitarbeitern geht, die sich im Interesse einer Teilhabe an<br />
(finanziellen) Mittelstands-Förderprogrammen gerne (und gelegentlich nur dann)<br />
dieser immens wichtigen Gruppe zugehörig fühlen Diese mögen mittelständischer<br />
Herkunft und Prägung sein, sie gehören aber nicht (mehr) zum – nun endlich definier-<br />
ten – Kreis der typischen KMU.<br />
Dies zu betonen ist schiere Pflicht, wenn es um den Themenkomplex Controlling geht.<br />
Denn gerade im deutschen Mittelstand (der im internationalen Vergleich sonst nir-<br />
gendwo eine vergleichbare Stellung einnimmt) tritt der Unterschied in der Wahrneh-<br />
mung von Controlling-Aufgaben deutlicher hervor.<br />
Controlling ist zwar grundsätzlich in Bewusstsein und Praxis. Mit einem zunächst rein<br />
quantitativen Ansatz belegt eine Studie der IT-Unternehmensberatung „Konzept &<br />
Lösung GmbH, Köln“ 2 auf der Basis von Daten von 2002/2003 die personelle Aus-<br />
gestaltung des Controlling in KMU (vgl. Abbildung 1).<br />
1 Vgl. Empfehlung der EU-Kommission vom 06.05.2003 „betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der<br />
kleinen und mittleren Unternehmen“, ABl der EU L 124/36 vom 20.05.2003.<br />
2 zitiert nach Behr, Patrick/Fischer, Jörg: Basel II und Controlling – Ein praxisorientiertes Konzept zur Basel II-<br />
konformen Unternehmenssteuerung, Wiesbaden 2005, S. 116.
Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 71<br />
Abbildung 1: Controlling-Mitarbeiter in KMU (Anteil in Prozent)<br />
Die der Abbildung 1 zu entnehmende Aussage, dass z.B. in 38 % der KMU 1–2<br />
Mitarbeiter mit Controlling-Aufgaben befasst sind, ist zunächst nur eine Moment-<br />
aufnahme; sie erlangt erst Aussagekraft im Kontext mit den KMU-Strukturdaten:<br />
Tabelle 1: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte nach Beschäftigtengrößenkassen<br />
KMU-<br />
mehr als 10 Mitarbeiter: 10 %<br />
Größenklasse<br />
Kleinstbetriebe<br />
Kleinbetriebe<br />
Mittlere Betriebe<br />
KMU gesamt<br />
2004 (in Tsd.) – Deutschland –. 1<br />
1 2 3 4 5<br />
Betriebe mit<br />
... bis zu ...<br />
Beschäftigte<br />
Anzahl<br />
Anteile in % Anteil in %<br />
an KMU<br />
Beschäftigten<br />
001 – 004 2.507.011 009,5 13,8<br />
005 – 009 2.314.319 008,7 12,8<br />
010 – 019 2.555.282 009,6 14,1<br />
020 – 049 3.673.<strong>17</strong>0 013,8 20,2<br />
050 – 099 3.084.619 011,6 <strong>17</strong>,0<br />
100 – 249 3.999.609 015,1 22.1<br />
001 - 249<br />
18.134.010<br />
068,3<br />
250 - 499<br />
ergänzend:<br />
2.721.035 010,3<br />
Große Betriebe 500 - 999 2.138.775 008,1<br />
1.000 und<br />
mehr<br />
3.530.162 013,3<br />
insgesamt 26.523.982 100,0<br />
100,0<br />
1 Vgl. zu Spalten 1-4: http://www.ifm.uni-mannheim.de/unter/fsb/eckdaten/hb3/2004/D_III_1_04.pdf (Abfrage am<br />
23.09.2006).<br />
5-10 Mitarbeiter: 13 %<br />
3-5 Mitarbeiter: 38 %<br />
keine Mitarbeiter: 1 %<br />
1-2 Mitarbeiter 38 %
72 Edgar H. Tritschler<br />
Die Gesamtschau der Abb. 1 mit Tab. 1 lässt – vereinfachend – folgende grobe Über-<br />
legung zu: Etwa ein Viertel (26,6 %) der KMU arbeiten als Kleinstbetriebe (mit weniger<br />
als 10 Beschäftigten). Da aber ausweislich der o. g. Studie (vgl. Abb. 1) nur 1 % der<br />
KMU ohne Controllingfunktion sind, würde bereits für die kleinste KMU-Größe eine<br />
gesonderte Controllingfunktionen mitgeteilt worden sein, die dort vermutlich in den<br />
meisten Fällen von der Geschäftsleitung wahrgenommen wird.<br />
Ein starkes Drittel (34,3 %) der KMU sind Kleinbetriebe mit bis zu 49 Beschäftigten,<br />
ihnen können aus dem Kreisdiagramm in etwa die Blöcke mit bis zu 5 Controlling-<br />
Mitarbeitern zugeordnet werden. Die weiteren Angaben, nämlich 5 – 10 oder mehr<br />
Mitarbeiter in dieser Funktion gehören wohl überwiegend in die letzten Kategorie mit<br />
über 100 Beschäftigten (22,1 % der KMU). Eine detailliertere Erhebung wäre von Inter-<br />
esse.<br />
Die sich logisch anschließende Frage richtet sich auf die Intensität der wahrgenom-<br />
menen Controllingaufgaben. Die genannte Studie kommt für die KMU zu dem Ergeb-<br />
nis, dass in den Unternehmen in 23 % monatlich, 46 % quartalsweise und 31 % jährlich<br />
ein Soll-/Ist-Vergleich mit Plan-/Ist-Korrekturen vorgenommen wird, was zutreffend<br />
als „ein wenig vorteilhaftes Bild über die Umsetzung des Controllings im Mittelstand“ 1<br />
bezeichnet wird. Das unternehmerische Verständnis, was Controlling sei, geht weit<br />
auseinander. Der Schwerpunkt liegt nach den Ergebnissen dieser Studie deutlich auf<br />
dem operativen, sehr stark am Rechnungswesen orientierten Controlling:<br />
Abbildung 2: Verbreitung von Controlling-Konzepten in deutschen KMU<br />
Strategisches<br />
Controlling<br />
Operatives<br />
Controlling<br />
Erfolgscontrolling<br />
Kostenrechnung<br />
1 Behr/Fischer, a.a.O., S. 1<strong>17</strong>.<br />
0 10 20 30 40 50 60 70
Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 73<br />
Die KuL-Studie 2005 1 belegt, dass der deutsche Mittelstand sich auf professionellere<br />
Controlling-Konzepte ausgerichtet hat. Hieraus einige neuere Erkenntnisse:<br />
• 42 % der KMU investieren in den Controllingbereich und planen die An-<br />
schaffung von standardisierter Controlling-Software;<br />
• Tabellenkalkulationsprogramme werden immer seltener als Controlling-Tools<br />
eingesetzt;<br />
• (noch 26 % der Studienteilnehmer setzen ausschließlich diese ein);<br />
• auf standardisierte Software-Lösungen vertrauen mittlerweile 41 % der Unter-<br />
nehmen;<br />
• 52 % der befragten Unternehmen vertrauen bei der Implementierung von stan-<br />
dardisierten Lösungen auf die Beratung von externen Dienstleistern.<br />
Diese Studie wurde allerdings bei „mittelständischen Unternehmen mit Umsätzen von<br />
bis zu 500 Millionen Euro“ durchgeführt, was die veröffentlichten Erkenntnisse<br />
erheblich relativiert. Denn bei Analysen über den „Mittelstand“ oder über „KMU“ soll-<br />
ten die inzwischen europaweit vereinbarten Schwellenwerte von bis zu 250 Beschäf-<br />
tigten und einem Jahresumsatz von bis zu 50 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von<br />
höchstens 43 Mio. Euro auch strikt angewandt werden. Die in der „jährlichen durch-<br />
geführten“ KuL-Studie, die für sich in Anspruch nimmt, die „einzige ihrer Art in<br />
Deutschland“ zu sein, sollte – wenn sie mit ihren Analysen über diese Schwellenwerte<br />
aus sicher plausiblen Gründen hinausgeht – die Größenordnung innerhalb der EU-<br />
Definition auch explizit nennen.<br />
Abschließend soll erwähnt werden, dass auf die nicht unwesentlichen Fragen des<br />
fachlichen und disziplinarischen Weisungsrechts in der Wahrnehmung von Con-<br />
trollingaufgaben im Rahmen dieses Aufsatzes nicht eingegangen wird.<br />
1 Vgl. www.KuL-online.de (Abruf: 23.09.2006).
74 Edgar H. Tritschler<br />
3 Rating als betriebswirtschaftliches Instrumentarium und<br />
Kulturwandel<br />
Auf die Wiedergabe allgemein zugänglicher Rating-Definitionen wird an dieser Stelle<br />
verzichtet. Durch breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit von Kreditinstituten, Kammern,<br />
Steuer- und Unternehmensberatungen sowie Weiterbildungsinstituten ist weithin<br />
geläufig, dass damit unter Zugrundlegung von quantitativen und qualitativen<br />
Kriterien die Messung von Ausfallwahrscheinlichkeiten im Kreditgeschäft gemeint ist,<br />
die in eine Fülle von bankenaufsichtlichen Handlungsdirektiven und -empfehlungen<br />
für den Finanzdienstleistungssektor einmündet. Die mit den Schlagworten „Basel I“<br />
und „Basel II“ bzw. „Rating“ zu verbindenden neuen Anforderungen des Gesetz-<br />
gebers bzw. des Bankenapparats sind hinreichend kommuniziert.<br />
Bevor die aktuellen praktischen Rating-Verhältnisse zu besprechen sind, sollen die<br />
Unterschiede bzw. die Bedeutung zweier grundlegender Begriffspaare kurz erläutert<br />
werden:<br />
Externes und bankinternes Rating<br />
Von der ursprünglichen Absicht des Basel-Kommitees, nur externe Ratings zuzulassen,<br />
hat man dank der massiven Intervention hauptsächlich der Sparkassen- und<br />
Volksbanken-Organisationen Abstand genommen und das bankinterne Rating als<br />
gleichwertige Alternative zugelassen. Während diese beiden typischen Mittel-<br />
standsbankorganisationen mit ihren Firmenkunden in teils jahrelanger Geschäfts-<br />
verbindung stehen und deren Verhältnisse präzise kennen (sollten), hätte die exklusive<br />
Zulassung externer Rating-Agenturen eine Bevorteilung zu Lasten des Mittelstands<br />
dargestellt, die sich (bei völlig anderen Wirtschaftsstrukturen wie z.B. in den USA)<br />
diese Begutachtung gar nicht hätte leisten können.<br />
Bei Betrachtung des eigentlichen Mittelstandes (Def. s.o.) ist die eingetretene Praxis des<br />
Ratings durch die Hausbank zunächst als eigentlich ideale Vernunftslösung anzu-<br />
sehen. Das Rating ist für die Kunden nicht mit unmittelbaren Kosten verbunden, die<br />
Hausbanken können auf Daten und Informationen aus der täglichen Bankpraxis<br />
zurückgreifen und sie in ihre Rating-Datenbanken einfließen lassen. Die Kritik an der<br />
Praxis des bankinternen Ratings entzündet sich u.a. daran, dass viele für das Rating<br />
relevante und bei den Banken grundsätzlich zu vermutenden Kundeninformationen<br />
nicht systematisch verfügbar sind und deswegen neu erhoben werden müssen. Das bei<br />
der Abwehr des exklusiven externen Ratings hauptsächlich eingebrachte Argument,<br />
die Hausbanken seien gegenüber externen Ratingagenturen genau in diesem Punkt im<br />
Vorteil, der an die Kunden in Form von kostengünstigen Verfahren weitergegeben<br />
werden könne, relativiert sich mit den zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen.
Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 75<br />
Qualitative und quantitative Kriterien<br />
Der Unterschied zwischen „Basel I“ und „Basel II“ besteht im Wesentlichen darin, dass<br />
zu den tradierten quantitativen Kriterien qualitative Kriterien hinzukommen. Dies<br />
entspricht der Grundphilosophie von „Basel II“, dass die Kreditausfallrisiken nicht<br />
mehr pauschal auf das Kreditvolumen eines Instituts, sondern individuell auf jedes<br />
einzelne Kreditengagement bezogen berechnet werden. Dieser qualitative Ansatz löst<br />
sich auch von statischen Betrachtungsweisen, wie sie bei der Analyse von Jahres-<br />
abschlusszahlen gegeben sind. Der dynamische Ansatz bestand im Vergleich mehrerer,<br />
in der Vergangenheit liegender Jahresabschlüsse, durch den Entwicklungslinien und<br />
Trends sichtbar und aus dem Blickwinkel der banktechnischen Risikoabwägung<br />
beurteilt wurden. Ein Wesensmerkmal der quantitativ basierten Risikomessung war es<br />
auch, die Qualität bzw. Verwertbarkeit von Kreditsicherheiten in die Beurteilung ein-<br />
zubeziehen. Spätestens seit das vorrangige Sicherungsmittel, die Grundschuld, etwa<br />
seit 1995 aufgrund (erstmals in der Nachkriegsgeschichte) rückläufiger Verkehrswerte<br />
ein Umdenken erzwang, tritt z.B. die Beurteilung der inneren Ertragskraft von Unter-<br />
nehmen vor die der gestellten Sicherheiten.<br />
Als qualitative Ratingkriterien werden – zusammenfassend – genannt:<br />
• „Qualität des Managements,<br />
• Art der Rechnungslegung,<br />
• Markstellung,<br />
• Kontoführung,<br />
• Kundentransparenz,<br />
• Produkt-/Dienstleistungsqualität,<br />
• Rechtsform der Unternehmung,<br />
• Nachfolgeregelung,<br />
• Existenz von Planungs- und Kontrollinstrumenten.“ 1<br />
Bereits bei der hoch verdichteten Nennung von qualitativen Kriterien ist die „Existenz<br />
von Planungs- und Kontrollinstrumenten“ für das Thema dieses Aufsatzes von zentra-<br />
ler Bedeutung.<br />
Die IT-Wirtschaft hat früh erkannt, dass der Bedarf an ordinaler Messung qualitativer<br />
Kriterien Software-Tools erfordert und sich diesem neuen Geschäftszweig zugewandt.<br />
Es bestehen zahllose Angebote mit höchst unterschiedlicher Qualität. Für die seriöse<br />
und wirtschaftlich effiziente Selbstanalyse bietet die Software „R-Cockpit TM “ 2 eine auch<br />
für KMU leicht anwendbare und für den Abgleich mit Banken fundierte Anwendung,<br />
deren Struktur hinsichtlich der qualitativen Kriterien in einer Übersicht dargestellt<br />
werden soll (vgl. Tab. 2). Dabei sollen lediglich die hier themenrelevanten Kriterien<br />
1 Vgl. Behr/Fischer, a.a.O., S. 52.<br />
2 Entwickelt und vertrieben durch Prof. Dr. Schneck Rating GmbH, Reutlingen.
76 Edgar H. Tritschler<br />
„Organisation und Prozesse“, „Informationspolitik und Unternehmensplanung“ und<br />
„Controlling und Risikosteuerung“ mit 11 von insgesamt 90 Einzelkriterien näher<br />
betrachtet werden. Diese Kriterien sind mit diesen oder ähnlichen Formulierungen<br />
Bestandteil der Rating-Programme aller Kreditinstitute:<br />
Tabelle 2: Themenrelevante qualitative Rating-Kriterien in der Software R-Cockpit TM<br />
Nr. Qualitatives Kriterium Einzelkriterien<br />
01 Produkt und Branche<br />
02 Marktdynamik<br />
03 Strategie<br />
04 Unternehmensführung<br />
05 Personalpolitik<br />
06 Organisation und<br />
Prozesse<br />
06.1 Existenz eines internen<br />
Kommunikationssystems<br />
06.2 Qualität der EDV-Systeme und der<br />
Datensicherheit<br />
06.3 Dokumentation der EDV-Plattform und der<br />
Datensicherheit<br />
07 Forschung und<br />
Entwicklung<br />
08 Einkauf, Lager,<br />
Produktion,<br />
Marktbearbeitung<br />
09 Informationspolitik 09.1 Qualität, Effizienz der eingesetzten Instrumente<br />
und<br />
der Unternehmensplanung<br />
Unternehmensplanung 09.2 Vorhandensein eines Leiters für den Bereich<br />
Finanzen<br />
10 Controlling und 10.1 Existenz einer Kostenrechnung und deren<br />
Risikosteuerung<br />
qualitative Ausprägung<br />
10.2 Existenz eines unterjährigen Berichtswesens<br />
10.3 Existenz eines regelmäßigen Soll-Ist-<br />
Vergleichs bezüglich des<br />
Unternehmenserfolgs auf Basis von<br />
Planungsrechnungen<br />
10.4 Abweichung von Ist- zu Planzahlen in der<br />
Vergangenheit (3 bis 5 Jahre)<br />
10.5 Existenz und Effizienz eines<br />
Risikomanagementsystems<br />
10.6 Absicherung von Unternehmensrisiken<br />
12 Finanzpolitik<br />
Zu Tz. 06.1 – 06.3 in Tab. 2:<br />
Die Bewertung der hier angesprochenen Teilthemen dürfte den beurteilenden<br />
Kreditsachbearbeiter vor nicht einfache Fragen stellen. Das Erfordernis des Einsatzes
Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 77<br />
eines internen Kommunikationssystems ist schon innerhalb der Gruppe der KMU<br />
unterschiedlich zu beurteilen. Genügt etwa die Anweisung einer Geschäftsleitung an<br />
weniger als 10 Mitarbeiter (Kleinstunternehmen), von allen wesentlichen Vorgängen<br />
elektronische Kopien an definierte Mitarbeiter (Stellvertreter) zu senden? Welche<br />
technisch-organisatorische Ausprägung eines i. d. R. DV-gestützten Systems einerseits<br />
und welche Regelungstechnik hierzu (Arbeitsanweisungen) können als (kosten)-<br />
effizient angesehen und entsprechend bewertet werden. Allein dieses Beispiel zeigt,<br />
wie tief ein Bankmitarbeiter allein zu diesen Fragen sich mit den Kundenverhältnissen<br />
vertraut machen muss.<br />
Vor dieser Problematik steht die Bankbeurteilung bei der Bewertung der eingesetzten<br />
Hard- und Software sowie der Netzwerktopologie in ganz besonderem Maße. Denn<br />
das EDV-Wissen von Bankmitarbeitern beschränkt sich i. d. R. auf die Nutzung der<br />
eigenen Bank-Rechenzentrumsleistungen mit benutzerfreundlicher Oberfläche. Dabei<br />
dürfen die RZ-Mitarbeiter in die Beurteilung der DV-Ausstattungen von (Kredit-) Kun-<br />
den selbstverständlich nicht einbezogen werden. Bei der Evaluation von Datensicher-<br />
heitsaspekten wird sich die Bank bestenfalls Arbeitsanweisungen vorlegen lassen, mit<br />
denen Datensicherungskonzepte durchgesetzt werden. Ob diese ausreichen und ob sie<br />
Anwendung finden, entzieht sich ihrer Beurteilungsmöglichkeit.<br />
Ist das Qualitätsmanagementsystem eines (Kredit-)Kunden zertifiziert, liegt i. d. R. eine<br />
schlüssige Dokumentation der EDV-Plattform und der Datensicherung vor. Ist dies<br />
nicht der Fall, wird die Bank nachvollziehbare Dokumentationen für diesen Bereich<br />
verlangen müssen, wenn eine solide Prüfung der Verhältnisse durchgeführt werden<br />
soll.<br />
Zu Tz. 09.1 – 09.2 in Tab. 2:<br />
Die Bewertung der „Qualität und Effizienz der eingesetzten Instrumente der Unter-<br />
nehmensplanung“ setzt bei der beurteilenden Bank die Kenntnisse von Standards<br />
voraus. Größen- und branchenadäquate Instrumente zu kennen und zu beurteilen ist<br />
eine anspruchsvolle, weil bisher nicht zwingend geübte Herausforderung für Banken.<br />
Lediglich verbale Beschreibungen von Kreditkunden dürfte kein nachvollziehbares<br />
Bild für den Beurteiler erzeugen; hier sind dringend plausible Dokumentationen der<br />
Planungsprozesse erforderlich, um der Bank einen möglichst klaren Einblick in die<br />
Praxis zu geben. Für die aufbauorganisatorische Einbindung des Planungswesens und<br />
der personellen Besetzung (der Führungsfunktion) gilt dasselbe.<br />
Zu Tz. 10.1 – 10.6 in Tab. 2:<br />
Bei diesem Anforderungskatalog wird besonders deutlich, wie weit die Beur-<br />
teilungstiefe im bankinternen Rating reicht und wie sehr sich die Verhältnisse nach<br />
„Basel II“ von den früheren Gepflogenheiten unterscheiden. Denn – etwas überspitzt<br />
formuliert – ob vor diesem Kulturwandel eine funktionierende Kostenrechnung oder<br />
ein Risikobewusstsein vorhanden war, hat die Bank(beurteilung) nur nachrangig
78 Edgar H. Tritschler<br />
interessiert. Erst im Krisenfall und bei u. U. nicht ausreichenden Gegenwerten von<br />
Kreditsicherheiten waren betriebswirtschaftliche Detailfragen Gegenstand von Bank-<br />
Kunde-Gesprächen. Eine indirekte Beurteilung des Risikomanagements durch die<br />
Bank gab es schon immer, aber i. d. R. nur ex post. Besonders im Auslandsgeschäft von<br />
Firmenkunden hat die Frage nach der Absicherung von (Währungs-)Risiken ebenfalls<br />
schon lange Tradition, aber neben dem Bankinteresse an der Identifizierung von Unter-<br />
nehmensrisiken deswegen, weil z.B. die Sicherung von Auslandsrisiken ein ei-<br />
genständiges Bankgeschäft ist.<br />
Zu allen zitierten Tz. in Tab. 2:<br />
Es fällt auf, dass alle genannten Rating-Einzelkriterien (die Reihe ließe sich fortsetzen)<br />
eine gemeinsame Problematik aufweisen: Alle zitierten (und weitere, in anderen Tz.<br />
enthaltene) Fragen, die im Bank-Kunde-Gespräch „auf den Tisch“ kommen müssen<br />
und – wie oben ausgeführt – in erheblichem Maße der fachlich fundierten Dokumenta-<br />
tion bedürfen, stehen in unmittelbarem Kontext zur EDV-Praxis und –strategie in den<br />
Unternehmen von Firmenkunden der Banken. Alle genannten Bereiche bedürfen der<br />
IT-Unterstützung, besser: sind ohne IT-Unterstützung heute nicht mehr denkbar.<br />
Wie oben in der erwähnten KuL-Studie bereits genannt, setzen 26 % der befragten<br />
Unternehmen noch ausschließlich „selbst gestrickte“ Tabellenkalkulationsprogramme<br />
als Controlling-Tools ein und 41 % der Unternehmen „vertrauen mittlerweile auf stan-<br />
dardisierte Software-Lösungen.“ Die zur Studie bereits geäußerte Kritik (s. o.) war<br />
anzubringen, weil in diese Zahlen auch Unternehmen hineingerechnet sind, die nicht<br />
mehr der Gruppe der KMU zuzurechnen sind. Bei strenger Beschränkung auf die<br />
eigentlichen KMU dürfte der Anteil der noch nicht professionell ausgestatteten<br />
Unternehmen deutlich höher als 26 % sein. So sieht der Deutschlandchef des britischen<br />
Softwarehauses Sage, Peter Dewald, im Zuge der Einführung der „Basel II“-Richtlinien<br />
noch großen Investitionsbedarf bei Controlling-Software für kleinere und mittlere<br />
Unternehmen. Die Wichtigkeit einer transparenten Unternehmenssteuerung werde oft<br />
unterschätzt. 1<br />
Bei der Evaluation einer beachtlichen Anzahl betrieblicher Fakten muss eine Bank<br />
folglich neben der Einzelbewertung von Rating-Kriterien eine funktionsübergreifende<br />
Betrachtung der vielfältigen, übergreifenden IT-Bezüge in den betrieblichen Strukturen<br />
und Abläufen vornehmen. Dazu kann es nicht das Ziel des Ratingprozesses sein, die<br />
Qualität einzelner IT-Strukturen in Unternehmen „abzufragen“ (die Erkenntnisse<br />
wären mangels wirklicher Beurteilungskompetenz bei den Kreditsachbearbeitern meist<br />
nicht tragfähig), es sollte vielmehr von Unternehmen ab einer zu definierenden<br />
Größenordnung ein selbst durchgeführtes IT-Controlling mit entsprechenden<br />
1 Vgl. Financial Times Deutschland v. 24.10.2005 (www.ftd.de/technik/it_telekommunikation/27395.html) (Abruf:<br />
13.09.2006)
Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 79<br />
Dokumentationspflichten verlangt werden. Dann bezieht sich das bankinterne Rating<br />
dieser Bereiche nicht (mehr) auf die Evaluation (vermeintlicher) Qualitäten von einzel-<br />
nen IT-Strukturen oder -prozessen sondern auf die Frage von Erkenntnissen aus dem<br />
IT-Controlling und deren Umsetzung im Unternehmen.<br />
4 Aktuelle Rating-Verhältnisse<br />
Die aktuellen praktischen Verhältnisse in der Praxis des bankinternen Ratings sollen<br />
im Folgenden skizziert werden:<br />
Mittelständische Wirtschaftsunternehmen<br />
Die „Rating-Spielregeln“ werden von Kredit nehmenden Wirtschaftsunternehmen,<br />
insbesondere des Mittelstandes (zur Definition s. o.), noch immer nicht ausreichend<br />
umgesetzt. Es ist festzustellen, dass auch nach mehreren Jahren der Ankündigung und<br />
bereits mehrjähriger praktischer Anwendung der „Basel II“-Regeln (im Vorfeld des<br />
zum 01.01.2007 beschlossenen gesetzlichen Inkrafttretens) in nahezu allen Unter-<br />
nehmen zwar ein „Rating-Bewusstsein“ vorhanden ist, die erforderlichen hausinternen<br />
Maßnahmen aber noch in sehr unterschiedlicher Qualität umgesetzt sind. Häufig sind<br />
sie noch nicht wirklich in Angriff genommen worden. Es muss verwundern, dass trotz<br />
des (vielfach beklagten) „Anziehens von Daumenschrauben“ durch Banken und<br />
Sparkassen auch wenige Wochen vor der gesetzlichen Wirksamkeit „noch jedes dritte<br />
deutsche Unternehmen sich nicht ausreichend auf die neuen europäischen Eigen-<br />
kapitalrichtlinien vorbereitet hat.“ 1<br />
Dabei wirkt das schärfste „Disziplinierungsmittel“ im Rating-Prozess offenbar noch<br />
immer als relativ stumpfe Waffe: bei einem historischen Tiefstand des deutschen<br />
Zinsniveaus sollten Kontokorrentzinsen von 10 – 12 % und mehr (je nach Rating-Stufe)<br />
eigentlich dazu führen, dass die Rating-Hausaufgaben in den Unternehmen schnellst-<br />
möglich erledigt werden. Die Erfahrung von Kreditbankern zeigt dagegen, dass in<br />
vielen Fällen hinsichtlich der Zinsbelastung und – in manchen Fällen noch mehr – der<br />
als unnötige Bürokratie empfundenen Forderung nach Vorlage qualitativer Rating-<br />
Belege „die Schmerzgrenze“ bei Kreditkunden erreicht ist, aber dennoch eine effiziente<br />
Mitwirkung am Rating-Prozess ausbleibt. Dass dies in Teilen nicht wirksam oder nur<br />
so schleppend geschieht, hat allerdings Gründe, auf die noch einzugehen sein wird.<br />
Ein Vergleich dieser Erkenntnis mit der oben ausgeführten Quantität und Qualität von<br />
Controlling-Aktivitäten in Unternehmen drängt sich auf: hier wie dort bestehen<br />
technisch-organisatorische Defizite zum Nachteil des jeweiligen Unternehmens, die<br />
(mehr oder weniger sehenden Auges) hingenommen werden. Der Unterschied liegt<br />
darin, dass mangelhaftes Controlling irgendwann vom Markt bestraft wird, während<br />
1 Vgl. „Unternehmen stehen unvorbereitet vor Basel II“, in: Handelsblatt v. 15.08.2006.
80 Edgar H. Tritschler<br />
unzureichende Rating-Aktivitäten zu exorbitanten Finanzierungskosten und zu<br />
unmittelbar existenziell gefährdenden Unternehmenssituationen führen können.<br />
Kreditinstitute<br />
Controlling und Rating verhalten sich zueinander wie z.B. gesundheitsbewusste<br />
Lebensführung und ärztliche Diagnostik. So etwa könnte man die Ausgangslage<br />
umschreiben, vor deren Hintergrund im Verhältnis von Kreditwirtschaft zu Kredit-<br />
kunden ein weit reichender Kulturwandel stattfindet. Um im Bild zu bleiben und<br />
etwas überspitzt formuliert: Ein funktionstüchtiges Controlling hat die Bank seither<br />
nur insoweit interessiert, wie es im Jahresabschluss von Unternehmen sichtbar<br />
geworden ist. Umgekehrt: Brachte die Geschäftsleitung eines Kredit nehmenden<br />
Unternehmens gar keine oder unzureichende Controlling-Instrumente zur Anwen-<br />
dung, war es der Bank so lange gleichgültig, wie „schwarze Zahlen“ auf den Tisch<br />
kamen.<br />
Nun zur „ärztlichen Diagnostik“ mit einer Binsenwahrheit: Der Arzt kann nur dia-<br />
gnostizieren und therapieren, was ihm vorgeführt wird. Wenn der Patient nicht<br />
erscheint oder dem Arzt Krankheitssymptome oder Lebensgewohnheiten verschweigt<br />
oder „geschönt“ darstellt, ist eine Erfolg versprechende Diagnose und Therapie<br />
schwierig. Genauso können Banken und Sparkassen die Verhältnisse von Kredit-<br />
kunden nur soweit bewerten, wie sie sie kennen und plausibel nachgewiesen<br />
bekommen. Ignorieren oder verschweigen kann in beiden Beispielen fatale Folgen<br />
nach sich ziehen.<br />
Dies ist im Bankwesen im Grunde nichts Neues. Denn schon die rechtzeitige Vorlage<br />
von Bilanzen, GuV-Rechnungen, BWAs etc. wird schon immer von den Banken einge-<br />
fordert, wenngleich schon die Mahnung der Hausbank etwa im September, nun<br />
endlich den Jahresabschluss per Ende des letzten Jahres vorzulegen, von vielen Unter-<br />
nehmen (sehr zu Unrecht) als bürokratische Plage empfunden wird. Die Kenntnis<br />
dieser auch schon nicht mehr aktuellen Zahlen fließt als rein quantitatives, wesent-<br />
liches Kriterium in den Rating-Prozess ein. Insofern ist der Bankenapparat aus langer<br />
Tradition auf das bankinterne Rating bestens vorbereitet. Denn besonders die Kredit-<br />
leute unter den Bankern sind professionelle Bilanzanalysten; damit kennen sie sich<br />
wirklich aus. Aber eben überwiegend auf quantitative Kriterien bezogen.<br />
Die „ärztliche Kunst“, sprich: die Kunst des Bankers oder die Kultur der Kredit-<br />
wirtschaft drückt sich nunmehr darin aus, den Patienten nicht mehr nur danach zu<br />
fragen, „wie es uns denn heute geht“, sondern danach, warum ein Unternehmen so<br />
existiert, wie es existiert. Damit wird der Kulturwandel und das weitgehend neue<br />
Anforderungsprofil auf der Seite der Kreditgeber sichtbar. Die Entscheidungsträger<br />
auf der Bankenseite müssen sich weitaus tiefer in betriebswirtschaftliche und bran-<br />
chentypische Sachverhalte ihrer Kreditkunden hineindenken, als es bisher von ihnen<br />
verlangt wurde. Gut gemachtes (bankinternes) Rating auf der Seite der Kredit-<br />
wirtschaft muss sich nun also fortentwickeln von der Rolle des „Adressenausfall
Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 81<br />
risiko-Minimierers“ hin zur betriebswirtschaftlichen fundierten Finanzpartnerschaft im<br />
Interesse beider Seiten. Diesem Anspruch werden auch affine Studiengänge sowie<br />
insbesondere die bankinternen Aus- und Weiterbildungsprogramme entsprechen<br />
müssen.<br />
Die Kritik an der Rating-Praxis von Banken entzündet sich nach dem aktuellen Stand<br />
der Dinge hauptsächlich an folgenden Sachverhalten, die kurz skizziert werden sollen:<br />
Umstellungsprozess<br />
Der Enstehungsweg des „Basel II“-Prozesses reicht von den ersten nationalen<br />
Konsultationen im Jahr 1999 über die zweiten (2001) und dritten (2003) Konsultationen<br />
bis zur Verabschiedung der endgültigen Version des „Basel-II-Akkords“ im Jahr 2004<br />
und der Umsetzung in nationales Recht im Jahr 2005. In dieser mehr als fünfjährigen<br />
Phase hatten die Bankorganisationen 1 ein grundsätzlich neues Instrumentarium IT-<br />
technisch zu entwickeln und (mit erheblichem Schulungsaufwand) einzuführen. Die<br />
Entwicklungs- und Einführungsphase war durch mehrfache, nicht nur marginale<br />
Änderungen begleitet (z.B. durch die Konsultationsergebnisse und bankenaufsichtliche<br />
Interpretationen), die den Anpassungs- und Umstellungsprozess erschwerten. Mit der<br />
Bereitstellung der erforderlichen Programme war aber nur der technische Rahmen<br />
erstellt, in den nun in kurzer Zeit – nicht zuletzt unter dem Druck der Wirtschafts-<br />
prüfungen bzw. Prüfungsverbände – zehntausende von Kreditverhältnissen in die<br />
Rating-Dateien einzupflegen waren. Damit einher gingen (bzw. gehen) Defizite in der<br />
Qualität der Kreditakten und massive Überforderungsphänomene zeitlicher und<br />
mengenmäßiger Art. Wenige Wochen bevor „Basel II“ Gesetzeskraft erlangt, sehen<br />
Experten die „Banken bei Umsetzung von „Basel II“ in Verzug. 2<br />
„Branchen-Rating“<br />
Das Rating von Branchen ist etwas volkswirtschaftlich sinnvolles und langjährig<br />
praktiziertes. Es kennzeichnet den wirtschaftlichen Zustand von Clustern von Wirt-<br />
schaftsunternehmen. Im Zusammenhang mit dem individuellen, bankinternen Rating<br />
ist damit aber der Vorwurf an die Kreditwirtschaft gemeint, angesichts der<br />
dargestellten Umstellungsprobleme Einzel-Ratings mit einer – je nach Unternehmens-<br />
größe – Vielzahl von Einzelkriterien (s.o.) insofern nur partiell oder gar nicht durchzu-<br />
führen, als nicht die einzelwirtschaftliche Situation eines Unternehmens (i. d. R. mit<br />
hohem Zeitaufwand) in die Rating-Datei eingepflegt wird, sondern für das einzelne<br />
Unternehmen das Rating-Ergebnis des Branchendurchschnitts Anwendung findet.<br />
Damit ist der mit dem Rating beauftragte Mitarbeiter „auf der sicheren Seite“, ja er<br />
muss gegenüber seinem Abteilungsleiter, dem Kreditvorstand, der Internen Revision,<br />
dem Kreditausschuss des Aufsichtsrates, der Verbandsprüfung keine Begrün-<br />
1 Jede Bankengruppe mit ihre(m/n) eigenen Rechenzentr(um/en), z.B. genossenschaftlichen Bankengruppe mit<br />
FIDUCIA IT AG.<br />
2 DIE WELT vom 30.06.2006 (www.welt.de/data/2006/0630/938572.html?prx=1) (Abruf: 30.06.2006)
82 Edgar H. Tritschler<br />
dung abgeben, wenn er im Einzelfall zu einem vom Branchendurchschnitt abwei-<br />
chenden, besseren Ergebnis gelangt ist.<br />
Qualität der Kreditakten<br />
Dass eine bisher quantitativ orientierte Kreditpraxis nur bestimmte Akteninhalte<br />
erzeugt, ist einleuchtend. Die Ausweitung der Erkenntnisbreite auf qualitative<br />
Kriterien erfordert – in weitaus größerem Umfang als bisher – Nachweise für eine von<br />
der Kreditsachbearbeitung durchzuführende Plausibilitätsprüfung. Solange diese der<br />
Bank nicht vorliegen – sei es, dass sie (noch) nicht angefordert wurden oder sie trotz<br />
Aufforderung (noch) nicht eingereicht wurden – ist das Rating-Ergebnis bestenfalls<br />
tendenziell richtig. In sehr vielen Kreditakten fehlen die für qualitative Rating-<br />
Beurteilungen erforderlichen, aussagekräftigen und zitierfähigen Unterlagen.<br />
Aktuelle Kritikpunkte<br />
Ein schwer wiegendes Defizit in der bisherigen Rating-Umsetzungspraxis der Banken<br />
ist die weithin fehlende Transparenz über die angewandten Algorithmen bei der<br />
Berechnung von Rating-Kennziffern und – vor allem – hinsichtlich der Bekanntgabe<br />
dieser Kennziffer gegenüber den betroffenen Kunden. Angesichts der in jedem Fall<br />
eintretenden Wirkungen ist dieser Sachverhalt nur schwer verständlich; dazu ist<br />
allerdings festzuhalten, dass Unternehmen, die „ihre Hausaufgaben“ bereits erledigt<br />
und die Ergebnisse ihren Banken im Rahmen eines begonnenen, ernsthaften Rating-<br />
Berichtswesens kommuniziert haben, ihre Einstufungen häufig mehr oder weniger<br />
detailliert kennen. Der Verbraucherschutzminister Seehofer hat jedenfalls nicht ohne<br />
Grund mehr Transparenz eingefordert und bei weiterem Fehlen mit gesetzlichen<br />
Zwangsmaßnahmen gedroht. 1<br />
Aufgrund neuester Entwicklungen in den USA fürchtet indes der Bundesverband<br />
deutscher Banken ein „Scheitern von Basel II“. 2 Ohne diese erst in Konturen<br />
erkennbare Bedrohung einer weltweit gültigen, von den USA initiierten Regelung,<br />
bereits kommentieren zu können, ist festzuhalten, dass jede, auch nur vage Störung<br />
eines verbindlich vereinbarten Zeit- und Verfahrensplans bei den Beteiligten schwer<br />
wiegende Irritationen auslösen kann. Vor allem bei den KMU, die sich mit der<br />
Akzeptanz und Umsetzung der „Basel II“-Regeln ohnehin noch immer sehr schwer tun<br />
und letztlich hohe (Zins)Kosten aus noch nicht abgeschlossenen Rating-Verfahren zu<br />
tragen haben, wirken solche politische Entwicklungen und teils unbedachte öffentliche<br />
Äußerungen über „den Basel-Weg“ hochgradig kontraproduktiv.<br />
1 Vgl. www.mittelstanddirekt.de/transfer/kdmod_md_showteaser.de v. 28.06.06 (Abruf: <strong>17</strong>.08.2006)<br />
2 Vgl. DIE WELT v. 18.09.2006 (www.welt.de/data/2006/09/18/1041236.html?prx=1) (Abruf: 24.09.2006)
Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 83<br />
5 Fazit<br />
„Basel II“ und Ratingverfahren sind unumkehrbar, weil im Grunde richtig und<br />
gerecht. Sie wären nicht schon deswegen unrichtig oder ungerecht, weil die Praxis auf<br />
beiden Seiten (Kreditwirtschaft und Kredit nehmende Wirtschaft, vor allem KMU)<br />
noch erhebliche, aber behebbare Schwächen aufweist. Der Bundesfinanzminister, die<br />
Deutsche Bundesbank und die BaFin 1 sind aufgerufen, alles daran zu setzen, dass<br />
dieser einmal begonnene Weg konsequent weiter beschritten wird. Ohne Hinnahme<br />
von Ausweichungen und ohne Zulassen von Aufweichungen. Denn das Erreichen des<br />
angestrebten Ziels ist aller Mühe wert, wenn – und dies muss aktuell noch hervor-<br />
gehoben werden – Rating von allen Beteiligten mit Überzeugung richtig gemacht wird.<br />
Die hier versuchte Zusammenschau von Controlling und Rating unterstützt diese<br />
Forderung. Denn hier wie dort bedarf es der Überzeugungsarbeit, die Instrumente für<br />
optimierte Unternehmensführungen, die Praxis und Wissenschaft entwickelt haben,<br />
auch konsequent anzuwenden. In diesem Punkt müssen gerade die KMU, die sonst<br />
mit Recht die Flexibilität „kleiner Schnellboote“ vor der Schwerfälligkeit „der<br />
Ozeanriesen“ rühmen, dazu lernen. Die innere Ordnung von Unternehmen muss mit<br />
wissenschaftlich probaten und praktisch vernünftig anwendbaren Methoden messbar<br />
sein.<br />
1 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Die Autoren<br />
Bertram Bittel<br />
Bertram Bittel, Jahrgang 1953, studierte Nachrichtentechnik an den Technischen<br />
Universitäten in München und Karlsruhe. Nach einer wissenschaftlichen Tätigkeit an<br />
einem Forschungsinstitut wechselte er 1981 als Projektingenieur zum Südwestfunk<br />
(SWF). Er wurde 1984 stellvertretender Abteilungsleiter Hörfunk-Projektierung und -<br />
Messtechnik. Von 1989 bis 1991 war er im Stabsbereich der Technischen Direktion als<br />
leitender Ingenieur u. a. mit ARD/EBU-Aufgaben betraut, bis er 1992 als Abteilungs-<br />
leiter in die Abteilung Hörfunk-Projektierung und -Messtechnik zurückkehrte. Dort<br />
setzte er sich bereits zu diesem Zeitpunkt intensiv mit der Einführung der Digitali-<br />
sierung im Hörfunk auseinander. Von 1993 bis zur Fusion von Süddeutschem Rund-<br />
funk (SDR) und Südwestfunk (SWF) zum Südwestrundfunk (SWR) im Jahr 1998 war<br />
Bertram Bittel als Hauptabteilungsleiter Hörfunk-Produktion des SWF für den gesam-<br />
ten Hörfunkbetrieb zuständig. Mit der Fusion im Sommer 1998 erweiterte sich sein<br />
Aufgabengebiet um den Bereich der Fernsehproduktion, er wurde mit der Leitung der<br />
bimedialen Hauptabteilung Technik und Produktion am Standort Baden-Baden<br />
betraut. Er wurde im Sommer 2000 zum Stellvertreter und zum 1. Januar 2001 zum<br />
Direktor Technik und Produktion des SWR berufen. Er vertritt den SWR in der Pro-<br />
duktions- und Technik- Konferenz der ARD und ZDF, sowie in mehreren Arbeits-<br />
gruppen. Schwerpunkt nach der erfolgreichen Umsetzung der Digitalisierung und<br />
Vernetzung im Hörfunk ist die Einführung der Digitalisierung im Fernsehen. Kontakt:<br />
bertram.bittel@swr.de<br />
Prof. Dr. Martin Gläser<br />
Martin Gläser, Jg. 1947, studierte Volkswirtschaftslehre und Statistik und promovierte<br />
anschließend an der Universität Mannheim. Er war fast 14 Jahre beim Süddeutschen<br />
Rundfunk <strong>Stuttg</strong>art (heute SWR) als Referent in der Verwaltungsdirektion, Leiter der<br />
Abteilung Programmwirtschaft Hörfunk sowie in Personalunion Kaufmännischer<br />
Geschäftsführer der Schwetzinger Festspiele GmbH. Vier Jahre war er an der Fach-<br />
hochschule Furtwangen im Fachbereich Digitale Medien, Studiengang Medien-<br />
informatik tätig. Er blickt auf zahlreiche Publikationen zurück und Mit-Herausgeber<br />
der Fachzeitschrift "MedienWirtschaft" sowie Mitherausgeber der "Schriften zur<br />
Medienwirtschaft und zum Medienmanagement". Er lehrt an der Hochschule der<br />
Medien, <strong>Stuttg</strong>art, Studiengang Medienwirtschaft, Fachbereich Electronic Media. Seine<br />
Spezialgebiete sind Medienökonomie, Medienmanagement, TV- und Radiomanage-<br />
ment, Controlling, Unternehmenskultur, Projektmanagement und Kalkulation von<br />
Medienprojekten, Medien- und Kommunikationstheorie und Führung. Kontakt:<br />
glaeser@hdm-stuttgart.de<br />
85
86<br />
Dr. Ing. Michael Rombach<br />
Michael Rombach, Jg. 1967, studierte Physik an der Universität Freiburg und<br />
promovierte anschließend innerhalb eines Graduiertenkollegs der DFG an der<br />
Universität Karlsruhe. Parallel zu seinem Studium befasste er sich intensiv mit<br />
betriebswirtschaftlichen Inhalten und Fragestellungen. Seine berufliche Laufbahn be-<br />
gann er bei der Fraunhofer-Gesellschaft, nachdem er dort bereits während des<br />
Studiums und der Promotionszeit in Beratungs- und Forschungsprojekten leitend tätig<br />
war. Seit 1999 ist er beim SWR. Dort leitete er zunächst den Bereich Zentrale Pro-<br />
duktionswirtschaft der Direktion Technik und Produktion in Baden-Baden, war dann<br />
Leiter der Internen Unternehmensplanung des SWR in <strong>Stuttg</strong>art bis er schließlich 2001<br />
die Leitung der Hauptabteilung Zentrale Aufgaben der Direktion Technik und Pro-<br />
duktion in Baden-Baden übernahm. Neben der Leitung der Hauptabteilung, deren<br />
Bereiche das zentrale Controlling, den Bereich Personal-, Aus- und Fortbildung sowie<br />
die zentrale Projektierung umfassen, ist er stellvertretender Direktor Technik und<br />
Produktion des SWR. Kontakt: michael.rombach@swr.de<br />
Michaela Schüler<br />
Michaela Schüler, Jg. 1981, studierte nach ihrer Reifeprüfung Medienwirtschaft an der<br />
Hochschule der Medien in <strong>Stuttg</strong>art. Während des Studiums absolvierte sie ihr erstes<br />
praktisches Studiensemester beim Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-<br />
Württemberg mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Projektmanagement und Grafik und<br />
war dort anschließend freie Mitarbeiterin. Im Rahmen ihres zweiten praktischen<br />
Studiensemesters arbeitete sie bei der RTL2 Fernsehen GmbH & Co. KG in der Abtei-<br />
lung Finanz- und Rechnungswesen. Nach einem Auslandssemester am Institut Univer-<br />
sitaire de Technologie Charlemagne der Université Nancy 2 als Studentin der Betriebs-<br />
wirtschaftslehre mit dem Studienschwerpunkt Finanzen und Rechnungswesen war sie<br />
als Werkstudentin für die DaimlerChrysler AG im Bereich Accounting Research and<br />
Reporting Systems tätig. Ihre Diplomarbeit schrieb sie über die interne Leistungs-<br />
verrechnung beim Südwestrundfunk (SWR). Seit Mai 2006 ist sie in der Abteilung<br />
Produktionswirtschaft beim Südwestrundfunk in <strong>Stuttg</strong>art fest angestellt. Kontakt:<br />
michaela.schueler@swr.de<br />
Prof. Edgar Tritschler<br />
Edgar Tritschler, Jg. 1946, absolvierte eine Banklehre und ein BWL-Studium und<br />
durchlief anschließend eine Laufbahnausbildung bei der Deutschen Bundesbank. In<br />
den nächsten Jahren schloss sich eine Tätigkeit in der Bankenaufsicht an, der weitere<br />
Berufsjahre bei einer Landesbank in den Bereichen Interne Revision, Organisation,
EDV-Organisation und Vorstandsassistenz folgten. Für eine Reihe von Jahren leitete er<br />
danach den Vorstandsbereich einer großen Banken-Rechenzentrale, wo er auch die<br />
Wissenschaftskontakte des Konzerns wahrnahm. Seit 1985 nahm Prof. Tritschler<br />
Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen und Akademien in Baden-Württemberg<br />
wahr. Ein Magisterstudium in Geschichte und Politik ergänzte seinen überwiegend<br />
bankbetriebswirtschaftlichen Werdegang, der seinen weiteren Schwerpunkt im Bereich<br />
Wissenstransfer fand. Prof. Tritschler wurde mit dem Aufbau einer privaten Hoch-<br />
schule betraut, bevor er auf die Professur für Finanzwirtschaft an der Hochschule der<br />
Medien berufen wurde. Sein Schwerpunkt in Lehre und Forschung sind die Lehrge-<br />
biete „Bilanz- und Unternehmensanalyse“, „Existenzgründung/Unternehmensnach-<br />
folge“, „(Internationale) Rechnungslegung und Bilanzierung“, „Investition und Finan-<br />
zierung“ sowie „Rating-Analyse“. Er ist gewähltes Mitglied des Hochschulsenats und<br />
ständiges Mitglied der Berufungskommission. Kontakt: edgar.tritschler@t-online.de<br />
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In der Reihe „<strong>Stuttg</strong>arter Beiträge zur Medienwirtschaft“ sind bisher erschienen:<br />
Nr. 1 (Juni 2001)<br />
Friedrichsen, Mike/Gläser, Martin (2001): Entwicklungspotenziale von Multimedia<br />
Unternehmen in Baden-Württemberg.<br />
Nr. 2 (November 2001)<br />
Friedrichsen, Mike (2001): Sind Wirtschaftsthemen wahlentscheidend? Eine theoretische<br />
und empirische Analyse zum Spannungsfeld Wirtschaft, Politik und Medien.<br />
Nr. 3 (Februar 2002)<br />
Frey, Tanja (2002): Die Zukunft der Medien. Eine Expertenbefragung zur Entwicklung<br />
und Akzeptanz traditioneller und innovativer Medienangebote.<br />
Nr. 4 (Juli 2002)<br />
Welker, Martin/Winchenbach, Ulrich (Hrsg.) (2002): Herausforderung „Internet für<br />
alle“; Nutzung, Praxis, Perspektiven.<br />
Nr. 5 (Oktober 2002)<br />
Friedrichsen, Mike/Möllenbeck, Sylvia (2002): Kommerzialisierung des Sports – Zur<br />
Medienfinanzierung des Profifußballs.<br />
Nr. 6 (Februar 2003)<br />
Mödinger, Wilfried/Mann, Thomas (2003): Kundenindividuelles Marketing in Theorie<br />
und Praxis.<br />
Nr. 7 (Februar 2003)<br />
Dannwolf, Siegfried/Gläser, Martin/Rismondo, Klaus/Ritter, Susanne/Troester, Nadja<br />
(2003): Controlling im Rundfunk; Steuerungskonzepte für die SWR-Beteiligungen.<br />
Nr. 8 (April 2003)<br />
Eble, Karin/Welker, Martin (Hrsg.) (2003): Mädchen machen Medien; Stärkung der IT-<br />
und Medienkompetenz von Mädchen und jungen Frauen am Beispiel des<br />
Landesleitprojekts medi@girls.<br />
Nr. 9 (Juli 2003)<br />
Bischof, Ulrike/Heidtmann, Horst (2003): Film- und Fernsehbücher: Kinder- und<br />
Jugendliteratur im Medienverbund.<br />
Nr. 10 (Januar 2004)<br />
Zerfaß, Ansgar/Zimmermann, Hansjörg (Hrsg.) (2004): Usability von Internet-<br />
Angeboten – Grundlagen und Fallstudien.<br />
Nr. 11 (Juli 2004)<br />
Dilg, Ines Alice/Friedrichsen, Mike/Przyklenk, Günther (2004): Mobile Banking-<br />
Konzepte im internationalen Vergleich. Grundlagen für einen mobilen Vertriebskanal.<br />
Nr. 12 (November 2004)<br />
Schenk, Michael/Wolf, Malthe (2004): Nutzung und Akzeptanz von Internet und E-<br />
Commerce.<br />
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90<br />
Nr. 13 (Dezember 2004)<br />
Mast, Claudia/Zerfaß, Ansgar (Hrsg.) (2004): Innovationskommunikation als<br />
Herausforderung für PR und Journalismus<br />
Nr. 14 (August 2005)<br />
Pfendert, Eva/Zerfaß, Ansgar/Gehring, Robert (Hrsg.) (2005): E-Procurement in der<br />
öffentlichen Verwaltung.<br />
Nr. 15 (Oktober 2005)<br />
Zerfaß, Ansgar/Gläser, Martin (Hrsg.) (2005): Bewertung und Rating von Kommunikationsagenturen.<br />
Nr. 16 (September 2006)<br />
Schenk, Michael/Wolf, Malthe (2006): Nutzung und Akzeptanz von Internet und E-<br />
Commerce.<br />
Download im Internet unter www.doIT-online.de/SB