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Stuttg. Beitrag_17

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Martin Gläser / Michael Rombach / Michaela Schüler /<br />

Edgar H. Tritschler<br />

Controlling-Konzepte im<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunk<br />

Zur Steuerung der Fernseh- und Hörfunk-Produktion beim<br />

Südwestrundfunk (SWR)<br />

<strong>Stuttg</strong>arter Beiträge zur Medienwirtschaft Nr. <strong>17</strong><br />

Dezember 2006<br />

ISSN-Nr. 1616-4695


Controlling-Konzepte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk 3<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Bertram Bittel, Direktor Technik und Produktion, Südwestrundfunk (SWR) ............... 5<br />

Martin Gläser<br />

Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte ................................................ 7<br />

Michael Rombach<br />

Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion<br />

des SWR – Vom „Eh-da-Prinzip“ hin zu einem bewussten Umgang mit<br />

knappen Ressourcen ...................................................................................................23<br />

Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion im<br />

Hörfunk und Fernsehen .............................................................................................29<br />

Edgar H. Tritschler<br />

Controlling als qualitatives Rating-Kriterium .........................................................65<br />

Die Autoren und Herausgeber ...................................................................................85<br />

Übersicht bisher erschienener Bände der <strong>Stuttg</strong>arter Beiträge ..............................89


Controlling-Konzepte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk 5<br />

Vorwort<br />

Der SWR ist 1998 aus der Fusion zwischen SDR und SWF hervorgegangen. Er ist mit<br />

einem Aufwands- und Ertragsvolumen von rund 1 Mrd. € das zweitgrößte Mitglied<br />

der ARD und inzwischen mit seinen Radio- und Fernsehprogrammen sowie seinen<br />

Onlineangeboten eine feste Größe in der Medienlandschaft.<br />

Die Direktion Technik und Produktion (TuP) mit Sitz in Baden-Baden versteht sich als<br />

Dienstleiter der Programme und stellt an allen SWR-Standorten die gesamte technische<br />

Infrastruktur zur Verfügung: Der Produktionsbetrieb deckt das gesamte Spektrum der<br />

Herstellung in Hörfunk und Fernsehen ab, von der Aufnahme über die Bearbeitung bis<br />

hin zur Sendung - und die Hörfunk-, Fernseh-, Informations- und Kommunikations-<br />

technik des SWR wird in der TuP geplant, betrieben und gewartet. Unsere Mit-<br />

arbeiterinnen und Mitarbeiter stellen täglich die notwendigen Fernseh- und Hör-<br />

funkproduktionsleistungen sowie die gesamten IT-Leistungen bereit – von der Betreu-<br />

ung der Hörfunk- und Fernseh-Regelsendungen wie Nachrichten, über Hörspiel- und<br />

Orchester-Produktionen, Features, szenische Produktionen wie der „Tatort“, große<br />

Unterhaltungssendungen wie „Verstehen Sie Spaß?“ bis hin zu Großproduktionen wie<br />

die Berichterstattung über die Olympischen Spiele.<br />

Für die Direktion TuP gilt: „Wir müssen so innovativ und leistungsfähig sein, dass das<br />

Programm mit uns zusammenarbeiten möchte, und wir müssen so wirtschaftlich sein,<br />

dass der SWR sich uns leisten kann“. Entsprechend bilden die „Betriebswirtschaftliche<br />

Steuerung“ und die „Technische Innovation“ das Fundament der Direktion.<br />

Aufgabe der betriebswirtschaftlichen Steuerung in der Direktion TuP ist es zum einen,<br />

die Einhaltung der Haushaltseckwerte sicherzustellen, allen voran die Einhaltung der<br />

Kosten für die Fremdbeauftragung von Produktionsleistungen. Dies allein würde<br />

jedoch nicht genügen. Ebenso wichtig – für die Zukunftsfähigkeit vielleicht sogar noch<br />

wichtiger – ist es, durch betriebswirtschaftliche Steuerungselemente einen kontinuier-<br />

lichen Prozess in Gang zu setzen, der eine stetige Optimierung des Ressourcen-<br />

einsatzes in der Produktion und im Programm zur Folge hat.<br />

Vor diesem Hintergrund ist es mir eine große Freude, in der vorliegenden Veröffent-<br />

lichung das Thema „Controlling-Konzepte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“<br />

ausführlich und aus verschiedenen Perspektiven dargestellt zu sehen. Gelungen ist vor<br />

allem, den Bogen von den grundlegenden theoretisch-methodischen Konzepten, wie<br />

sie im <strong>Beitrag</strong> von Herrn Prof. Dr. Gläser erläutert werden, zu den praxisnahen<br />

Adaptionen zu spannen.


6<br />

Die Aufsätze von Frau Schüler und Herrn Prof. Tritschler sowie von Herrn Dr.<br />

Rombach zeigen, wie wir als interner Dienstleister Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und<br />

Innovationsfähigkeit durch maßgeschneiderte Controllingkonzepte, die immer auch<br />

Führungsinstrumente sein müssen, dauerhaft sichern.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre!<br />

Bertram Bittel<br />

Direktor Technik und Produktion, Südwestrundfunk (SWR)<br />

Baden-Baden, im November 2006


Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 7<br />

Martin Gläser<br />

Controlling im Rundfunk – Methodische<br />

Aspekte<br />

Dieser <strong>Beitrag</strong> vermittelt einen knappen Überblick über das moderne Verständnis von<br />

Controlling, das eng mit den Begriffen Komplexitätsmanagement, Koordination und ziel-<br />

orientierter Steuerung der Wertschöpfungsprozesse verbunden ist. Controlling sorgt für<br />

Transparenz und unterstützt das Management in allen relevanten Entscheidungslagen.<br />

Controlling ist eine unverzichtbare Managementfunktion, die im Management nicht mehr weg-<br />

zudenken ist. Vor dem hier vorgestellten begrifflichen Hintergrund kann die Controlling-<br />

Konzeption, wie sie in der Direktion Technik und Produktion des Südwestrundfunks (SWR)<br />

praktiziert wird, besser eingeordnet und nachvollzogen werden. Dabei wird deutlich, dass die<br />

beim SWR zur Anwendung kommenden Instrumente voll auf der Höhe der Zeit sind und<br />

modernsten Grundsätzen folgen, die auch hohen Ansprüchen standhalten.<br />

1 Zur Positionierung von Controlling – Die systemtheoretische<br />

Perspektive<br />

Aus systemtheoretischer Sicht ist ein Medienunternehmen ein komplexes und<br />

dynamisches Gebilde mit einer sinnvollen Anordnung von Elementen (personell,<br />

sachlich), die in Austauschbeziehungen zueinander stehen und die Austausch-<br />

beziehungen nach außen unterhalten. Insofern ist dieses Gebilde als ein offenes System<br />

zu verstehen, das – um überleben zu können – bei Störungen jederzeit in der Lage sein<br />

muss, einen Zustand des Gleichgewichts (Fließgleichgewicht, Homöostase) zu errei-<br />

chen bzw. dieses Gleichgewicht zurück zu gewinnen.<br />

Kernaufgabe des Managements ist es aus dieser Perspektive, Komplexität professionell<br />

zu handhaben und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die dazu beitragen, das System<br />

im Gleichgewicht zu halten. Die systemtheoretische Sichtweise führt zu einem<br />

Managementverständnis, das sich von der Grundposition der sog. „voluntaristischen<br />

Steuerungslogik“ abwendet. Diese geht davon aus, dass es möglich ist, Unterneh-<br />

mensführung nach rational-technokratischen Methoden zu vollziehen.<br />

Aufbauend auf dem systemtheoretisch geprägten St. Galler Management-Modell kann<br />

für das Management von Medienunternehmen ein Referenzmodell zugrunde gelegt<br />

werden, das drei Denk- und Handlungsebenen unterscheidet (vgl. Abbildung 1):<br />

• Medienunternehmen<br />

• Markt: Unmittelbares aufgabenspezifisches Umfeld<br />

• Globales Umfeld: Rahmenbedingungen


8 Martin Gläser<br />

Abbildung 1: Das Medienunternehmen und seine Umwelt in systemtheoretischer Perspektive<br />

Betrachtet man das „Innenleben“ eines Medienunternehmens, lassen sich drei Teil-<br />

systeme unterscheiden, die in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander stehen:<br />

Leistungssystem<br />

Im Zentrum steht das Leistungssystem mit dem Wirtschafts- und Wertschöpfungs-<br />

prozess, der die Transformation von Input-Faktoren in den Output beschreibt. Es geht<br />

darum, marktfähige Produkte zu generieren und am Markt zu verkaufen bzw. – bei<br />

Non-Profit-Institutionen – gemäß eines Auftrages zu erstellen, die dafür notwendigen<br />

Ressourcen bzw. Produktionsfaktoren zu beschaffen und in einem Produktions- bzw.<br />

Kombinationsprozess herzustellen. In gegenläufiger Richtung bewegen sich die<br />

Finanzprozesse.<br />

Zielsystem<br />

GLOBALES UMFELD<br />

Beschaffungsmärkte<br />

Lieferanten<br />

Ressourcen:<br />

� Finanzen<br />

� Personal<br />

� Content:<br />

Rechte, Pogramme<br />

� Material<br />

� Betriebsmittel<br />

� Fremdleistungen<br />

MARKT<br />

Gesellschaft<br />

Wirtschafts- und Wertschöpfungsprozesse<br />

Beschaffung � Produktion � PRODUKTE � Marketing<br />

Kooperationspartner<br />

Politik & Recht Technologie<br />

MEDIENUNTERNEHMEN<br />

Managementsystem<br />

Leistungssystem<br />

���� Finanzprozesse ����<br />

Zielsystem<br />

Ökonomie<br />

Konkurrenten<br />

Alle Aktivitäten sind darauf ausgerichtet, erklärte Ziele zu erreichen. Das Zielsystem<br />

eines Medienunternehmens wird nach Sachzielen und Formalzielen unterschieden:<br />

Das Sachziel beschreibt die Aufgabe bzw. den Betriebszweck, den das Unternehmen<br />

erfüllen soll, z.B. bei einer ARD-Rundfunkanstalt die Aufgabe, nach bestimmten Vor-<br />

gaben Radio- und Fernsehprogramme herzustellen und zu verbreiten.<br />

Ökologie<br />

Absatzmärkte<br />

Kunden<br />

Geschäftsfelder:<br />

� Content<br />

� Werbung<br />

� Rechtehandel<br />

Kundengruppen:<br />

� Konsumenten<br />

� Business


Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 9<br />

• Formalziele bezeichnen die Form, in der das Sachziel erreicht werden soll. Die<br />

wichtigste Form ist der wirtschaftliche Erfolg, der mit dem klassischen Drei-<br />

gestirn Liquidität, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit beschrieben wird. Jedes<br />

dieser Formalziele beschreibt die Frage des wirtschaftlichen Erfolgs aus einer<br />

anderen Perspektive: Liquidität blickt auf die Finanzen und die Finanzierung<br />

(Kasse, kurzfristiges Umlaufvermögen), Rentabilität blickt auf das eingesetzte<br />

Eigenkapital (Reinvermögen, Erfolg), Wirtschaftlichkeit schließlich blickt auf<br />

Kosten und Leistung im betrieblichen Bereich, also auf denjenigen Bereich im<br />

Unternehmen, der nur den Betriebszweck betrifft. Bei gemeinnützigen Ein-<br />

richtungen ist das Rentabilitätsziel in geeigneter Weise umzudefinieren.<br />

Managementsystem<br />

Um den Wirtschafts- und Leistungsprozess erfolgreich zu gestalten, bedarf es eines<br />

Managementsystems bzw. Führungssystems, das auf die Geschehnisse des Leistungs-<br />

systems Einfluss nimmt. Bestandteile des Managementsystems sind die folgenden Teil-<br />

systeme (vgl. Abbildung 2):<br />

• Planungs- und Kontrollsystem („PK-System“)<br />

• Informationssystem bzw. Informationsversorgungssystem („IV-System”)<br />

• Personalführungssystem bzw. Human Resources System („HR-System”)<br />

• Organisationssystem<br />

• Controllingsystem<br />

Controlling ist damit als Subsystem des Managementsystems „verortet“ und hat als ein<br />

integraler Bestandteil desselben zu gelten.<br />

Abbildung 2: Das Managementsystem und seine Teilsysteme<br />

Personalführungssystem<br />

Planung- und<br />

Kontrollsystem<br />

Management-System<br />

Koordination<br />

Controllingsystem<br />

Zielorientierte<br />

Steuerung<br />

Organisationssystem<br />

Informationssystem


10 Martin Gläser<br />

2 Rolle und Bedeutung des Controllingsystems<br />

Das Controllingsystem ist dasjenige Management-Teilsystem, das für die Koordination<br />

und das bestmögliche Zusammenspiel aller Managementaktivitäten sorgt, in der<br />

Absicht, die zielorientierte Steuerung des Gesamtsystems zu unterstützen.<br />

Mit dieser Definition wird das Kernanliegen von Controlling deutlich: „Controlling ist<br />

– funktional gesehen – dasjenige Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle<br />

sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert<br />

koordiniert und so die Adaption und Koordination des Gesamtsystems<br />

unterstützt“ 1 .<br />

Im Zentrum steht damit die Koordination des Planungs- und Kontrollsystems mit dem<br />

Informationsversorgungssystem. Diese gilt es allerdings zu ergänzen um das Organi-<br />

sationssystem und das Informationsversorgungssystem. 2 In ganzheitlicher Sicht ist das<br />

Controllingsystem damit in umfassender Weise für die Koordination aller Managementteilsysteme<br />

zuständig.<br />

Mit anderen Worten kann man sagen, dass die vier Teilsysteme Planungs- und Kontrollsystem,<br />

Informationsversorgungssystem, Organisationssystem und das Personalführungssystem<br />

zusammen genommen die Basis des Managementsystems darstellen,<br />

während das Controllingsystem als eine Art „Super-System“ fungiert, das für die<br />

gegenseitige Abstimmung und damit für die Funktionsfähigkeit des gesamten<br />

Managementsystems sorgt.<br />

Es hängt es von der Grundeinstellung der Führungsverantwortlichen eines Unternehmens<br />

ab, welche Positionierung dem Controlling innerhalb des Managementsystems<br />

zugewiesen wird: Controlling kann zum einen eng, zum anderen extensiv<br />

definiert werden. In diesem Lichte können die unterschiedlichen Vorstellungen von<br />

Controlling – aufsteigend nach dem Grad der zugewiesenen Bedeutung – in einer<br />

Skala angeordnet werden:<br />

• Level 1: Controlling als Registrator interner und externer Strukturen und<br />

Entwicklungen<br />

• Level 2: Controlling als interne Servicefunktion<br />

• Level 3: Controlling als Navigator<br />

• Level 4: Controlling als interne Unternehmensberatung<br />

• Level 5: Controlling als Innovator<br />

• Level 6: Controlling als Instrument der ganzheitlichen internen Koordination<br />

aller Management-Teilsysteme<br />

• Level 7: Controlling als umfassendes Konzept einer zielorientierten Steuerung<br />

1 Horváth 2006, S. 134.<br />

2 Vgl. z.B. Küpper 2005 und Weber 2004.


Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 11<br />

Gut geführte Unternehmen vertreten ein progressives Controlling-Verständnis und<br />

versuchen Controlling auf der Skala der „Intelligenz-Levels“ möglichst hoch zu<br />

positionieren. In diesem Sinne trägt ein gut gemachtes Controlling dazu bei, den<br />

steigenden Beratungsbedarf des Managements durch ein hochqualitatives Informationssystem<br />

zu decken. Es fungiert als ein interner Service, der eine bessere<br />

„Navigation“ sicherstellt und die Beratung des Managements aktiv forciert. Es ist<br />

ferner ein nicht selten durchaus unliebsamer „Unruheherd“, der ständig Veränderungen<br />

und Innovation einklagt und durch Strukturen, Arbeitskreise, Foren, Informationsströme<br />

die Voraussetzungen für eine innovative Atmosphäre schafft.<br />

Progressiv ist das Controlling vor allem dann, wenn es das Verständnis für die Notwendigkeit<br />

einer umfassenden zielorientierten Steuerung vermittelt und von den Verantwortlichen<br />

abfordert.<br />

Im Fokus der Controlling-Funktion steht die Unterstützung der Entscheidungsträger.<br />

Diese traten die Entscheidungsverantwortung, während die Controller die Transparenz-Verantwortung<br />

zufällt. Im „IGC-Controller-Leitbild“ der International Group<br />

of Controlling (IGC) wird dieser Aspekt des Controlling-Verständnisses betont 1 :<br />

„Controller leisten begleitenden betriebswirtschaftlichen Service für das Management<br />

zur zielorientierten Planung und Steuerung. Das heißt:<br />

• Controller sorgen für Ergebnis-, Finanz-, Prozess- und Strategietransparenz<br />

und tragen somit zu höherer Wirtschaftlichkeit bei.<br />

• Controller koordinieren Teilziele und Teilpläne ganzheitlich und organisieren<br />

unternehmensübergreifend ein zukunftsorientiertes Berichtswesen.<br />

• Controller moderieren den Controlling-Prozess so, dass jeder Entscheidungsträger<br />

zielorientiert handeln kann.<br />

• Controller sichern die dazu erforderliche Daten- und Informationsversorgung.<br />

• Controller gestalten und pflegen die Controllingsysteme.“<br />

Zweck von Controlling ist es also vorrangig, in systematischer Form und strukturiert<br />

die Managemententscheidungen zu unterstützen:<br />

„Controlling-Systeme sind also durch diese spezifische Unterstützungsfunktion für das<br />

Management zu kennzeichnen, wobei ihnen zugleich die Aufgabe zukommt, den komplexen<br />

und dynamischen Managementprozess zu integrieren, zu objektivieren (d.h.<br />

vor allem zu quantifizieren) und zu systematisieren. In diesem Sinne sollen Controlling-Systeme<br />

Transparenz durch klare Zahlen und Fakten schaffen und so ein<br />

Gegengewicht zum Irrationalen in den Manager-Entscheidungen bilden. Inwieweit<br />

dies jedoch gelingt, ist nicht zuletzt eine Frage der Akzeptanz des Controllings bzw.<br />

der Controller-Tätigkeiten durch die verantwortlichen Entscheidungsträger“ 2 .<br />

1 Vgl. Horváth 2006, S. 135 sowie den <strong>Beitrag</strong> von Tritschler in diesem Heft.<br />

2 Schierenbeck 2000, S. 144 (im Original teilweise hervorgehoben).


12 Martin Gläser<br />

3 Instrumente des Controlling im Überblick<br />

Die zur Verfügung stehenden Controlling-Instrumente sind nach drei Blickwinkeln zu<br />

unterscheiden:<br />

• Art der Koordination des Managementsystems: Zentralistische Koordination,<br />

Systeme der Budgetvorgabe, Kennzahlen- und Zielsysteme, Koordination über<br />

Verrechnungs- und Lenkungspreise<br />

• Reichweite des Steuerungskonzepts: Strategisches, taktisches und operatives<br />

Controlling<br />

• Sachlicher Bezug: Controlling-Instrumente mit Bezug auf den Leistungsprozess<br />

(Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Absatz und Marketing);<br />

mit Bezug auf den Finanzprozess (Investitions- und Finanzcontrolling);<br />

mit Bezug auf spezielle Bereiche (z.B. Projekt-Controlling).<br />

Abbildung 3: Instrumentale Kategorien des Controlling-Systems<br />

Personalsystem<br />

Zentralistische<br />

Koordination<br />

Strategisches<br />

Controlling<br />

Management-System<br />

Planung- und<br />

Kontrollsystem<br />

Controlling-System<br />

Budgetvorgabe<br />

Budgetierung<br />

Taktisches<br />

Controlling<br />

Informationssystem<br />

Kennzahlen-/<br />

Zielsysteme<br />

Leistungssystem<br />

Operatives<br />

Controlling<br />

Leistungsprozess: F&E-, Beschaffungs-, Produktions-, Marketing-Controlling<br />

Finanzprozess: Investitions-, Finanz-Controlling<br />

Spezielle Bereiche: z.B. Personal-, Projekt-, Qualitäts-, Konzern-Controlling<br />

Leistungs- bzw. Wertschöpfungsprozess / Finanzprozess<br />

Organisationssystem<br />

Verrechnungs-/<br />

Lenkungspreise


Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 13<br />

Blickwinkel Koordination des Managementsystems<br />

Gemäß der Hauptaufgabe von Controlling, der Koordination des gesamten<br />

Managementsystems, lassen sich vier Ansätze der übergreifenden Koordination unter-<br />

scheiden 1 :<br />

• Zentralistische Führungssysteme<br />

• Systeme der Budgetvorgabe: Budgetierung<br />

• Kennzahlen- und Zielsysteme<br />

• Verrechnungs- und Lenkungspreissysteme<br />

(1) Zentralistische Führungssysteme<br />

Hierbei wird versucht, das Entscheidungsverhalten im Unternehmen zentral zu<br />

steuern. Begleiterscheinungen sind eine formal geregelte Kommunikationsstruktur, die<br />

Einhaltung des Instanzenweges, eine Informationsversorgung von oben nach unten<br />

(Top down) und die Betonung des Einliniensystems in der Aufbauorganisation. Die<br />

jeweiligen übergeordneten Instanzen sind mit großer legitimierter Macht ausgestattet,<br />

um den Willen der Zentrale durchsetzen zu können. Hauptinstrumente sind zentral<br />

aufgestellte und bewirtschaftete Pläne und deren Kontrolle.<br />

Die Koordination über zentralistische Systeme ist generell, speziell aber im Medienbereich,<br />

so gut wie unüblich und gilt als nicht Erfolg versprechend.<br />

(2) Budgetierung<br />

Der Begriff Budgetierung beschreibt die Gesamtheit aller Regelungen, nach denen die<br />

im Wirtschaftsplan aufgeführten Wertgrößen auf die dezentralen Entscheidungsträger<br />

verteilt werden. Die dezentralen Entscheidungsträger sind berechtigt, die ihnen dadurch<br />

zur Verfügung gestellten Mittel in Eigenverantwortung zu verausgaben. Ziel der<br />

Budgetierung ist es, das Prinzip der Delegation zu untermauern. Es wird davon ausgegangen,<br />

dass eine dezentrale Entscheidung über die Finanzmittel zu mehr Sparsamkeit<br />

führt, die Motivation der Mitarbeiter verbessert und die Entscheidungsträger zum<br />

Mitdenken aktiviert. Darüber hinaus sollen die Verwaltungswege verkürzt, Mehrfachverwaltungen<br />

eingespart und der Leistungswille gestärkt werden.<br />

Ein Budget ist ein „formalzielorientierter, in wertmäßigen Größen formulierter Plan,<br />

der einer Entscheidungseinheit für eine bestimmte Zeitperiode mit einem bestimmten<br />

Verbindlichkeitsgrad vorgegeben wird“ 2<br />

Mit diesen Begriffen wird deutlich, dass Budget und Wirtschaftsplan nicht gleichgesetzt<br />

werden dürfen. Das Budget ist vielmehr eine spezielle Ausprägung des<br />

Wirtschaftsplans: Erst die Festlegung der dezentralisierten Mittelverantwortung macht<br />

1 Vgl. Küpper 2005, S. 331 ff.<br />

2 Horváth 2006, S. 213.


14 Martin Gläser<br />

aus einem Wirtschaftsplan ein Budget, also erst mit der Delegation von Verantwortung<br />

entsteht das Budget. Wirtschaftsplan ist der Überbegriff, Budget ist eine Teilmenge<br />

bzw. eine spezielle Version. Gelegentlich werden die Begriffe Plan, Wirtschaftsplan,<br />

Budget synonym verwendet. Dieser Sprachregelung soll hier – im Einklang mit der<br />

überwiegenden Ansicht der Experten – nicht gefolgt werden.<br />

Dem Budget kommt in der Controllingpraxis eine hohe Bedeutung zu, was in der<br />

häufig anzutreffenden Gleichsetzung von „Controllership“ mit „Budgeting“ in USamerikanischen<br />

Unternehmungen zum Ausdruck kommt. Budgets sind nach unterschiedlichen<br />

Kriterien zu differenzieren 1 (in Anlehnung an Horváth 1998, S. 227):<br />

• Objekte der Budgetierung: (a) Funktionen, Prozesse, Produkte, Regionen oder<br />

Projekte als horizontale Differenzierung; (b) Hierarchieebenen der Unternehmung<br />

als vertikale Differenzierung<br />

• Zeitraum der Budgetierung: (a) Monatsbudget, (b) Quartalsbudget, (c) Jahresbudget,<br />

(d) Mehrjahresbudget<br />

• Wertkategorien: (a) Ausgabenbudget, (b) Kostenbudget, (c) Deckungsbeitragsbudget,<br />

(d) Umsatzbudget<br />

• Grad der Verbindlichkeit: (a) Vorgabe fester Zielgrößen (Etat), (b) Vorgabe von<br />

Orientierungsgrößen<br />

• Bindung an Bezugsgrößen: (a) starre Budgets für einen bestimmten Beschäftigungsgrad,<br />

(b) flexible Budgets für schwankende Beschäftigungs-grade.<br />

(3) Kennzahlen- und Zielsysteme<br />

„Unter den in einer Unternehmung ermittelten Zahlen bezeichnet man diejenigen als<br />

Kennzahlen, die besonders informativ sind. Sie stellen Größen dar, die als Zahlen einen<br />

quantitativ messbaren Sachverhalt wiedergeben und relevante Tatbestände sowie<br />

Zusammenhänge in einfacher, verdichteter Form kennzeichnen sollen. Damit sind sie<br />

speziell herauszuhebende Informationen“ 2 . Kennzahlen können in folgenden Ausprä-<br />

gungen verwendet werden 3 :<br />

• Absolute Kennzahlen, z.B. Kapitalwert, Betriebsergebnis<br />

• Verhältniszahlen, z.B. Rentabilität, Indexzahlen<br />

Im Hinblick auf ihre Funktion unterscheidet man Kennzahlen wie folgt 4 :<br />

1 In Anlehnung an Horváth 2006, S. 215.<br />

2 Küpper 2005, S. 359.<br />

3 Vgl. ebd., S. 359 f.<br />

4 Vgl. ebd., S. 362 ff.


Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 15<br />

• Kennzahlen als Informationsinstrument: z.B. Indikatoren, empirisch ermittelte<br />

Einflussgrößen (Ursachen), Vergleichsgrößen, Gliederungszahlen<br />

• Kennzahlen als Steuerungsinstrument<br />

Kennzahlen in der Funktion als Steuerungsinstrument kommt ein besonderer Rang zu,<br />

wenn Controlling als ein Konzept der aktiven Entscheidungsunterstützung für das<br />

Management verstanden wird. In diesem Fall werden Kennzahlen zu Zielvorgaben,<br />

die von den Entscheidungsträgern im Unternehmen erfüllt werden sollen. Kennzahlen<br />

dienen dann als Maßstab für den Erfolg von Managementhandlungen.<br />

Im Hinblick auf die Anzahl der eingesetzten Kennzahlen kann man unterscheiden:<br />

• Verwendung einer einzelnen Kennzahl: z.B. Deckungsbeitrag als „Spitzen“ der<br />

Steuerung;<br />

• Verwendung weniger – plakativer – Kennzahlen: z.B. Balanced Scorecard (BSC)<br />

mit vier Kennzahlen, Management by Objectives (MbO);<br />

• Verwendung eines ganzen Kennzahlensystems: z.B. DuPont-Kennzahlensystem<br />

(ROI), Benchmarking-Konzepte.<br />

Der Deckungsbeitrag spielt als Spitzenkennzahl im werbefinanzierten Fernsehen eine<br />

erhebliche Rolle 1 .<br />

Die Balanced Scorecard ist ein modernes Führungs- und Controlling-Instrument, das<br />

die operative Ausrichtung der Unternehmung auf ihre Mission, Ziele und Strategien<br />

bewirken soll. Die Messung und Steuerung erfolgt sowohl über finanzielle als auch<br />

über nicht-finanzielle Leistungsindikatoren. Mission, Ziele und Strategie des<br />

Unternehmens werden in Kennzahlen „übersetzt“, die in vier verschiedene<br />

Perspektiven unterteilt sind:<br />

• Wirtschaftliche Perspektive<br />

• Kundenperspektive<br />

• Interne Prozess-Perspektive<br />

• Lern- und Entwicklungsperspektive<br />

Management by Objectives (deutsch: Führen durch Zielvereinbarung) ist eine Methode<br />

zur Führung von Mitarbeitern. Ziel ist es, die strategischen Ziele des Gesamtunternehmens<br />

und der Mitarbeiter so umzusetzen, dass Ziele für jede Organisationseinheit<br />

und für die Mitarbeiter formuliert werden. Aus der Summe der Einzelziele<br />

ergeben sich die Unternehmensziele. Alle Mitarbeiter sollen ihre tägliche operative<br />

Arbeit an den vereinbarten Zielen ausrichten. Wenn die Vorgesetzten die Leistung<br />

1 Vgl. Geisler 2001, Köcher 2002, Gläser 2003.


16 Martin Gläser<br />

ihrer Mitarbeiter beurteilen, prüfen sie den Erreichungsgrad der vereinbarten Ziele.<br />

Normalerweise führen Mitarbeiter und Vorgesetzter ein Zielvereinbarungsgespräch, in<br />

dem die Ziele und die angestrebten Zielwerte vereinbart werden. Mit der Zielerreichung<br />

kann die Entlohnung verbunden sein ( z.B. eine Bonuszahlung). Zur Hälfte<br />

des Jahres (bei jährlicher Messung) wird in der Regel eine erste Rückmeldung gegeben,<br />

wie der Mitarbeiter bei der Erreichung seiner Ziele „im Rennen“ liegt. Nach dem Ende<br />

der vereinbarten Laufzeit der Ziele kommen Mitarbeiter und Führungskraft erneut zusammen,<br />

besprechen den Grad der Zielerreichung und die Ziele für die kommende<br />

Periode.<br />

„Benchmarking ist ein kontinuierlicher Prozess, mit dem Produkte, Dienstleistungen<br />

und insbesondere Abläufe und Methoden betrieblicher Funktionen über mehrere<br />

Unternehmen hinweg verglichen werden. Dadurch sollen Unterschiede zu anderen<br />

Unternehmen offengelegt, ihre Ursache ermittelt, Möglichkeiten zur Verbesserung aufgezeigt<br />

und wettbewerbsorientierte Zielvorgaben erarbeitet werden. Mit Benchmarking<br />

wird der Anspruch verfolgt, sich in sämtlichen Bereichen des Unternehmens an<br />

den Besten der Besten („best of bread“) zu orientieren und die eigene Leistung ständig<br />

zu verbessern“ 1 .<br />

(4) Verrechnungs- und Lenkungspreissysteme<br />

„Der Bereichserfolg dezentraler Einheiten hängt maßgeblich von den Preisen ihrer<br />

Einsatz- und Ausbringungsgüter ab. Soweit diese von anderen Bereichen derselben<br />

Unternehmung beziehen bzw. an sie liefern, bieten deren Verrechnungspreise einen<br />

weiteren Ansatz zur Koordination. Bei derartigen Verrechnungspreisen handelt es sich<br />

um in der Unternehmung selbst festgelegte Werte für eingesetzte bzw. abgesetzte materielle<br />

und immaterielle Güter“ 2 . Empirische Erhebungen zeigen, dass die Koordination<br />

über Verrechnungs- und Lenkungspreise in der Praxis noch nicht hoch eingeschätzt<br />

wird. Allerdings spielen sie bei großen Unternehmungen und international<br />

tätigen Konzernen eine durchaus wichtige Rolle für das Controlling 3 . Im vorliegenden<br />

Beispiel des Südwestrundfunks wird deutlich, dass ebenfalls große Anstrengungen in<br />

diese Richtung unternommen werden.<br />

Blickwinkel Reichweite des Steuerungskonzepts<br />

Eine andere Sicht auf das Controlling ist mit dem Blickwinkel der Reichweite des Steuerungskonzepts<br />

gegeben. Zu unterscheiden sind hierbei:<br />

• Strategisches Controlling<br />

• Taktisches Controlling<br />

• Operatives Controlling<br />

1 Schwertzel 1997, S. 13, der ein umfassendes Modell für das Benchmarking für Rundfunkveranstalter entwickelt.<br />

2 Küpper 2005, S. 396.<br />

3 Vgl. ebd., S. 397.


Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte <strong>17</strong><br />

Abbildung 4 zeigt die zeitliche Reichweite der jeweiligen Controlling-Ansätze auf 1 :<br />

(1) Strategisches Controlling<br />

Strategisches Controlling ist diejenige „Kraft“ im Managementsystem, die dafür sorgen<br />

soll, dass eine wirkungsvolle Koordination der Führungsteilsysteme mit dem Fokus<br />

auf die langfristigen Erfolgs- und Entwicklungspotenziale erfolgt. Im Mittelpunkt steht<br />

die Zielsetzung der dauerhaften Existenzsicherung des Unternehmens.<br />

Strategisches Controlling bedeutet die Wahrnehmung der Controllingaufgaben zur<br />

Unterstützung der strategischen Führung der Unternehmung. Strategisches Controlling<br />

ist vor allem die Koordination von strategischer Planung und Kontrolle mit der<br />

strategischen Informationsversorgung. Aufgaben des strategischen Controlling sind:<br />

• Mitarbeit bei der Erarbeitung der Unternehmensziele<br />

• Mitarbeit am strategischen Leitbild des Unternehmens<br />

• Mitgestaltung der Unternehmensstrategie<br />

• Koordination und Beeinflussung der strategischen Planung<br />

• Permanente, zukunftsorientierte Chancen – Risiko – Identifikation / -Abwägung<br />

• Mitgestaltung und Beeinflussung an der Unternehmensorganisation<br />

• Mitgestaltung von Verantwortungs- und Kompetenzvorgaben Mitgestaltung<br />

von LeistungsvorgabenMitgestaltung und Entwicklung von Kennzahlen<br />

(Berichtswesen)<br />

• Mitgestaltung des Informationswesen (im Hinblick auf die Nutzung und<br />

Verarbeitung externer und interner Daten)<br />

1 In Anlehnung an Ebert/Koinecke/Peemöller (1995): Controlling, 5. Aufl., Landsberg/Lech 1995, S. 23.


18 Martin Gläser<br />

Abbildung 4: Controlling-Konzepte im Hinblick auf die zeitliche Reichweite<br />

Vergangenheit<br />

(2) Taktisches Controlling<br />

Taktisches Controlling versteht sich als Controlling, das sich zwischen strategischem<br />

und operativem Controlling bewegt. Es hat mittelfristigen Charakter. Der Zeithorizont<br />

liegt bei einem bis vier Jahren. Es ist auf der mittleren Führungsebene des Unternehmens<br />

angesiedelt und umfasst die taktische (mittelfristige) Planung und Kontrolle<br />

sowie Steuerung und Informationsversorgung. Der Detaillierungsgrad ist höher als<br />

beim strategischen Controlling.<br />

Der Begriff Taktik bezeichnet das geschickte Nutzen einer gegebenen Lage. Er stammt<br />

aus dem griechischen (τακτική, taktike = Kunst des Aufstellens und der Anordnung).<br />

Der Begriff des taktischen Controlling ist wenig gebräuchlich.<br />

(3) Operatives Controlling<br />

Gegenwart<br />

Strategisches Controlling<br />

Finanzbuchhaltung<br />

kurzfristig mittelfristig langfristig<br />

Operatives Controlling<br />

Zukunft<br />

Operatives Controlling ist auf die eher kurzfristige, unmittelbare Steuerung und Koordination<br />

der Prozesse ausgerichtet, bei der die Optik primär auf die unternehmensinterne<br />

Perspektive gelegt ist.<br />

Aufgabe von operativem Controlling ist es, Informationen zu liefern, wenn ein steuernder<br />

Eingriff in den Betriebsablauf notwendig ist, bei einem privaten Wirtschaftsunternehmen<br />

also vor allem dann, wenn die Erreichung des Gewinnziels gefährdet<br />

erscheint.<br />

Haupt-Instrumente des operativen Controlling ist die Durchführung von Soll-Ist-<br />

Vergleichen und die Entwicklung von Maßnahmen-Vorschlägen zur Erreichung von<br />

kurz- und mittelfristigen Zielen.


Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 19<br />

Blickwinkel sachlicher Bezug<br />

Zu unterscheiden sind die folgenden Kategorien:<br />

Controlling nach dem betrieblichen Leistungsprozess<br />

• F&E-Controlling (Forschung und Entwicklung)<br />

• Logistik-Controlling, Beschaffungscontrolling<br />

• Produktionscontrolling<br />

• Marketing-Controlling<br />

Controlling nach dem betrieblichen Finanzprozess<br />

• Investitionscontrolling<br />

• Finanz-Controlling<br />

Controlling mit Fokus auf spezielle Bereiche<br />

• Personal-Controlling<br />

• Projekt-Controlling<br />

• Kosten-Controlling<br />

• Anlagen-Controlling<br />

• Qualitätscontrolling<br />

• Risiko-Controlling<br />

• Konzern-Controlling<br />

4 Schluss-Bemerkung<br />

Es sei dem Verfasser gestattet, aus seiner Insider-Sicht und aus seiner wissenschaft-<br />

lichen Befassung mit der Thematik zu betonen, dass entgegen einer in wenig sach-<br />

kundigen Kreisen vertretenen Meinung die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />

seit jeher mit mehr oder weniger gut ausgebauten Controllingsystemen arbeiten. So<br />

war es bei den Landesrundfunkanstalten z.B. bereits in den 50er-Jahren des letzten<br />

Jahrhunderts eine Selbstverständlichkeit, eine umfassende und aussagefähige Kosten-<br />

und Leistungsrechnung zu besitzen, und ebenso selbstverständlich ist es im neuen<br />

Jahrtausend, dass sie operatives und strategisches Controlling nach dem „State of the<br />

Art“ des modernen Managements betreiben. Von einem rückschrittlichen Verhalten,<br />

von Nachholbedarf oder gar von „Stümperei“ kann bei der Steuerung öffentlich-<br />

rechtlicher Rundfunkanstalten nicht die Rede sein. Unqualifizierte Angriffe bestimmter<br />

Kreise lassen sich leicht als reine Propaganda entlarven. Die in diesem Heft vor-<br />

gelegten Beiträge zum Controlling in der Direktion Technik und Produktion des<br />

Südwestrundfunks zeigen dies in überzeugender Weise.


20 Martin Gläser<br />

Literatur-Hinweise<br />

Basis-Literatur zum Controlling<br />

Horváth, Peter (2006): Controlling, 10., vollst. überarb. Aufl., München (Verlag Franz Vahlen).<br />

Küpper, Hans-Ulrich (2005): Controlling. Konzeption, Aufgaben, Instrumente. 4., überarb.<br />

Aufl., <strong>Stuttg</strong>art (Schäffer-Poeschel Verlag).<br />

Schwarz, Rainer (2002): Controlling-Systeme. Eine Einführung in Grundlagen, Komponenten<br />

und Methoden des Controlling, Wiesbaden (Gabler).<br />

Weber, Jürgen (2004): Einführung in das Controlling, 10., überarb. u. akt. Aufl., <strong>Stuttg</strong>art<br />

(Schäffer-Poeschel Verlag).<br />

Basis-Literatur zum Rundfunk-Controlling<br />

Becker, Wolfgang/Geisler, Rainer (2006): Controlling – Funktionen, Besonderheiten und<br />

Entwicklungen in Medienunternehmen, in: Scholz, Christian (Hrsg.)(2006): Handbuch<br />

Medienmanagement, Berlin, Heidelberg, New York (Springer-Verlag), S. 899-918.<br />

Geisler, Rainer M. (2002): Controlling deutscher TV-Sender. Fernsehwirtschaftliche Grundlagen<br />

– Stand der Praxis – Weiterentwicklung. Wiesbaden (Deutscher Universitäts-Verlag).<br />

Kayser, Horst J. (1993): Controlling für Rundfunkanstalten, Baden-Baden (Nomos-Verlag).<br />

Köcher, Anette (2003): Controlling der werbefinanzierten Medienunternehmung, Lohmar, Köln<br />

(Josef Eul Verlag).<br />

Schneider, Beate/Knobloch, Silvia (1999): Controlling-Praxis in Medien-Unternehmen,<br />

Neuwied, Kriftel (Luchterhand).<br />

Publikationen des Verfassers zum Rundfunk-Controlling<br />

Gläser, Martin (1990): Controlling im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – Ein Wolf im<br />

Schafspelz? In: Weber, J./Tylkowski, O. (Hrsg.)(1990): Konzepte und Instrumente von<br />

Controlling-Systemen in öffentlichen Institutionen, <strong>Stuttg</strong>art, S. 3<strong>17</strong>-342.<br />

Gläser, Martin (1996): Operatives Controlling im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, in: Ebert, G.<br />

(Hrsg.): Controlling. Managementfunktion und Führungskonzeption, Landsberg/Lech 1990,<br />

Loseblatt-Ausgabe, 21. Nachlieferung 3/1996, S. 1-56.<br />

Gläser, Martin (1999a): Strategisches Controlling im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, in: Ebert,<br />

G. (Hrsg.): Controlling. Managementfunktion und Führungskonzeption, Landsberg/Lech<br />

1990, Loseblatt-Ausgabe, 35. Nachlieferung 9/1999, S. 1-64.


Controlling im Rundfunk – Methodische Aspekte 21<br />

Gläser, Martin (1999b): Schlüsselfaktoren für das erfolgreiche Controlling im Rundfunk, in:<br />

Kostenrechnungspraxis, 43. Jg. (1999), S. 301-309.<br />

Gläser, M. (2003): Controlling im Rundfunk – Ganzheitliche Steuerung privater und öffentlich-<br />

rechtlicher Rundfunk-Unternehmen, in: Brösel, G./Keuper, F. (Hrsg.)(2003):<br />

Medienmanagement. Aufgaben und Lösungen. München, Wien, S.147-<strong>17</strong>0.<br />

Gläser, M. (2005): Zur Notwendigkeit von strategischem Controlling im öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk, in: Ridder, C.-M./Langenbucher, W. R./Saxer, U./Steininger, C. (Hrsg.)(2005):<br />

Bausteine einer Theorie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Festschrift für Marie Luise<br />

Kiefer, Wiesbaden, S. 380-396.<br />

Dannwolf, Siegfried/Gläser, Martin/Rismondo, Klaus/Ritter, Susanne/Troester, Nadja (2003):<br />

Controlling im Rundfunk. Steuerungskonzepte für die SWR-Beteiligungen. <strong>Stuttg</strong>arter<br />

Beiträge zur Medienwirtschaft, Heft 7. <strong>Stuttg</strong>art.


Betriebswirtschaftliche Steuerung in der SWR-Direktion Technik und Produktion 23<br />

Michael Rombach<br />

Betriebswirtschaftliche Steuerung in der<br />

Direktion Technik und Produktion des<br />

SWR<br />

Vom „Eh-da-Prinzip“ hin zu einem bewussten Umgang mit<br />

knappen Ressourcen<br />

1 Ausgangslage<br />

Ein kurzer Blick in das Haushaltsbuch 2005 des SWR macht deutlich, welche Budgetgrößen<br />

durch die Direktion Technik und Produktion verantwortet werden:<br />

Es gilt jedes Jahr ein Nettobudget in Höhe von 50 Mio. €, Investitionen von 30 Mio. €<br />

und Personalkosten in Höhe von 81 Mio. € zu steuern. 1300 Festangestellte und rund<br />

400 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen täglich die notwendigen Fernseh-<br />

und Hörfunkproduktionsleistungen sowie die gesamten IT-Leistungen bereit.<br />

Aufgabe der betriebswirtschaftlichen Steuerung in der Direktion Technik und Produktion<br />

ist es zum einen, die Einhaltung der Haushaltseckwerte sicherzustellen. Allen<br />

voran die Einhaltung der Kosten für die Fremdbeauftragung von Produktionsleistungen,<br />

die allein rund 30 Mio. € pro Jahr ausmachen. Dies allein würde jedoch nicht<br />

genügen. Ebenso wichtig - für die Zukunftsfähigkeit vielleicht sogar noch wichtiger -<br />

ist es, durch betriebswirtschaftliche Steuerungselemente einen kontinuierlichen Prozess<br />

in Gang zu setzen, der eine stetige Optimierung des Ressourceneinsatzes in der<br />

Produktion und im Programm zur Folge hat. Wie beides gelingen kann, auch unter<br />

den öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen einer Rundfunkanstalt, soll in diesem<br />

Aufsatz beschrieben werden.<br />

2 Was nichts kostet, ist auch nichts wert. Oder:<br />

Das „Eh-da-Prinzip“<br />

Interne Dienstleister, wie es die Direktion Technik und Produktion im SWR ist, sollen<br />

und wollen den Programmdirektionen „zu Diensten“ sein. Wenn, wie es im SWR der<br />

Fall ist, die Qualität der Leistungen stimmt, werden diese Dienste auch gerne in<br />

Anspruch genommen. Damit könnte man es bei der Beschreibung und Steuerung der<br />

internen Dienstleistungen auch bewenden lassen und auf eine sich selbst steuernde<br />

Angebots- und Nachfragesituation hoffen. Dass dies jedoch zu einer ungesteuerten,<br />

unreflektierten Nachfrage und damit zu hohen Kosten führen würde, ist klar und muss


24 Michael Rombach<br />

in der Praxis nicht erneut bewiesen werden. Dies ist die Grundproblematik interner<br />

Dienstleistungen, gleich ob in der Industrie oder im öffentlich-rechtlichen Bereich: Stehen<br />

die internen Dienstleistungen den internen Nachfragern kostenlos zur Verfügung,<br />

dann werden diese in großem Umfang nachgefragt. Der Umgang mit ihnen erfolgt<br />

unökonomisch: „Was nichts kostet, ist auch nichts wert“.<br />

Diesen Mechanismus erkennend, haben viele Unternehmen, darunter auch zahlreiche<br />

Rundfunkanstalten, Regelungen eingeführt, mit denen die internen Kunden an den<br />

durch ihre Nachfrage unmittelbar ausgelösten Kosten beteiligt wurden. Konkret musste,<br />

z. B. in Vorstufen der internen Leistungsverrechnung, die Redaktion immer dann<br />

für die Kosten eines Kamerateams aufkommen, wenn dieses nicht aus den eigenen Reihen<br />

gestellt werden konnte, sondern vom Markt zu beschaffen war. Diese Steuerung<br />

über die variablen Kosten einer Leistung jedoch hat einen entscheidenden Nachteil: Im<br />

Haus vorhandene Ressourcen kosten den Nachfrager weiterhin nichts, mit allen<br />

Konsequenzen für den wirtschaftlichen Umgang mit diesen. Dieses „Eh-da-Prinzip“<br />

führt dann aber dazu, dass die internen Ressourcen in ihrer mittel- und langfristigen<br />

Entwicklung von einer betriebswirtschaftlichen Steuerung und Dimensionierung<br />

ausgenommen sind. Sie sind eben „eh da“ und bleiben es dann auch, mit allen damit<br />

verbundenen fixen Kosten für die Unternehmen.<br />

3 Auch interne Leistungen sind etwas wert: Das Prinzip der<br />

internen Leistungsverrechnung<br />

Der SWR hat sich mit der Fusion für eine interne Leistungsverrechnung (ILV) seiner<br />

Produktionsleistungen entschieden. Fast alle von der Direktion Technik und Produktion<br />

angebotenen Dienstleistungen haben einen festgelegten Preis, gleich ob sie mit<br />

internen oder externen Ressourcen erbracht werden. Damit wird bereits in der Planungsphase<br />

erkennbar, welche Programmbereiche wie viele Leistungen für sich in<br />

Anspruch nehmen werden und innerhalb der Programmbereiche wird sicht- und<br />

damit steuerbar, mit welchem Produktionsaufwand welche Programmprodukte<br />

erstellt werden sollen. Die Programme nutzen die ILV ihrerseits konsequent zur Verteilung<br />

der Produktionsressourcen auf ihre Programmprodukte.<br />

Nur durch den objektiven Blick, den die ILV ermöglicht, ist im SWR die Verteilung der<br />

Produktionsleistungen auf die Programmdirektionen möglich. Aufgrund der Aufbauorganisation<br />

des Senders verteilen sich die Fernsehproduktionsleistungen auf drei<br />

Direktionen und die Hörfunkproduktionsleistungen ebenso.<br />

Was sich bei grundsätzlicher Betrachtung einfach darstellt, ist in der konkreten Ausprägung<br />

in einem großen Haus wie dem SWR und bei der breiten Palette der Programmprodukte<br />

reichlich komplex: Es existieren rund 870 unterschiedliche<br />

Leistungsarten, die vom Programm bestellt werden können. Pro Jahr werden rund<br />

72.000 Bestellvorgänge angestoßen und 750.000 Abrechnungen durchgeführt. Dass dies<br />

sinnvoll und mit vertretbarem Aufwand nur mit Hilfe eines durchgängigen, DVgestützten<br />

Prozesses erfolgen kann, ist klar. Und deshalb wurden gleich zu Beginn des<br />

SWR, mit der Einführung des Produktionsplanungssystems PPS, die Planungs-,<br />

Bestell- und Abrechnungsprozesse vereinheitlicht und in einem System abgebildet.


Betriebswirtschaftliche Steuerung in der SWR-Direktion Technik und Produktion 25<br />

Im Jahr 2004 erbrachte die Direktion Technik und Produktion 93 Mio. € Fernseh- und<br />

32 Mio. € Hörfunkproduktionsleistungen. Nicht einbezogen in die interne Leistungsverrechnung<br />

sind alle Infrastrukturleistungen der Direktion Technik und Produktion,<br />

die zur Aufrechterhaltung des Produktionsbetriebes und der IT-Systeme notwendig<br />

sind und die keiner Nachfragesteuerung unterworfen sein können, wie z. B. die Abspielung<br />

und die Schalträume in Hörfunk und Fernsehen. Dies erklärt auch, warum<br />

die Summe der ILV-Leistungen stets unterhalb der Gesamtkosten der Direktion Technik<br />

und Produktion liegen muss.<br />

4 Budgetierte Produktionsleistungen: „Funny Money“ oder<br />

harte Währung<br />

Ein Prüfstein für alle ILV-Systeme ist die Frage, ob die Währung der ILV auch eine<br />

„harte“ Währung wird, ob also die internen Dienstleistungen auch zu knappen Gütern<br />

gemacht werden können, mit denen dann in Folge ökonomisch umgegangen wird.<br />

Im SWR machte zu Beginn der ILV der Begriff „Funny Money“ die Runde. Die<br />

Währung der ILV, die sogenannten budgetierten Produktionsleistungen, kurz BPL,<br />

seien doch Spielgeld und nicht allzu ernst zu nehmen. Diesem Trugschluss wurde<br />

durch die Geschäftsleitung sehr früh der Boden entzogen. Anlass war die Tatsache,<br />

dass bereits im Jahr 1999 die Kosten für Fremdproduktionsleistungen den Haushaltsansatz<br />

deutlich überstiegen. Dies lag vor allem auch daran, dass bei der Festlegung<br />

dieses Ansatzes keine Erfahrungswerte vorlagen; niemand konnte genau abschätzen,<br />

was das neue Programm in den neuen Strukturen denn kosten würde. Für die ILV des<br />

SWR war dieses Etatproblem im Nachhinein betrachtet ein Glücksfall: Die BPL wurden<br />

als sehr knappe Ressource identifiziert und behandelt und wer danach immer noch<br />

von „Funny Money“ sprach, zeigte deutlich, dass er weder das Grundprinzip der ILV<br />

noch die Lage des SWR richtig verstanden hatte.<br />

5 Trotz klarer Kunden-Dienstleister-Beziehung: Wir sind ein<br />

SWR!<br />

Zu Beginn der Einführung, also auch in der Startphase des SWR, führte die interne<br />

Leistungsverrechnung zu einem interessanten Effekt, der als eine Art „Überschwinger“<br />

bezeichnet werden kann. Die Rollen waren klar beschrieben und voneinander abgegrenzt:<br />

der Dienstleister Technik und Produktion auf der einen und die Programmkunden<br />

auf der anderen Seite. Soweit so gut und auch so gewollt.<br />

Allerdings führte dies auch – da gerade öffentlich-rechtliche Milieus, wenn der Weg<br />

einmal eingeschlagen ist, zu einer fast gnadenlosen Konsequenz neigen – dazu, dass<br />

sich jeder hinter seiner ihm zugewiesenen Rolle verschanzte: Die Technik und<br />

Produktion lieferte, ohne kritisch zu hinterfragen und kollegial zu beraten, eben alles,<br />

was bestellt war. Schließlich galt es ja „Umsatz zu machen“. Die Programme als<br />

Kunden bestellten und bezahlten, waren aber nicht willens in problematischen<br />

Situationen, vor allem bei zeitlichen Überschneidungen von Anforderungen, von ihren


26 Michael Rombach<br />

Bestellungen und Wunschterminen abzuweichen. Zugegeben, dieser Absatz pauschalisiert<br />

und überzeichnet die damalige Situation, aber die Grundtendenz war vorhanden<br />

und blieb nicht ohne Auswirkungen. Dieser Effekt ist nicht nur im SWR, sondern fast<br />

überall dort zu beobachten, wo interne Verrechnungssysteme eingeführt werden.<br />

Gerade die Zeitachsenoptimierung, also die geschickte Terminierung von Produktionen<br />

mit dem Ziel, möglichst viel mit eigenen Ressourcen abzudecken und möglichst<br />

wenig am freien Markt einzukaufen, litt unter dem überzogenen Rollenverständnis.<br />

Aber auch dieses Problem erreichte, getrieben von anhaltenden Etatproblemen, die Geschäftsleitung<br />

und als Folge wurden Steuerungskreise von Programm und Produktion<br />

eingerichtet, hierarchische Eskalationsstufen zur Beförderung des Einigungswillens auf<br />

der Arbeitsebene verabredet und alles in allem wieder klar und deutlich gemacht: Wir<br />

sind ein Sender, ein SWR und trotz aller Kunden-Dienstleister-Beziehungen muss sich<br />

am Ende alles an der Frage messen lassen, ob für den SWR die jeweils optimale Lösung<br />

gefunden werden konnte.<br />

6 Nur wer seine Ziele kennt, weiß in welche Richtung er gehen<br />

muss!<br />

Nachdem die ILV ihre positiven Effekte auf Programm- und Produktionsseite entfalten<br />

konnte und sich eine gewisse Routine und Stabilität eingestellt hatte, stellte sich in der<br />

Technik und Produktion die Frage, welcher nun der nächste Schritt bei der Einführung<br />

betriebswirtschaftlicher Steuerungssysteme sein könnte.<br />

Eine der Grundthesen bei der Einführung von Steuerungssystemen ist die, dass im<br />

Idealfall durch die Systeme im Prozess eine Art „natürliches Gefälle“ entsteht, was<br />

dazu führt, dass die Ressourcenströme „von allein“ in die richtige Richtung laufen und<br />

alle Akteure „von selbst“ die richtigen Entscheidungen treffen. Gelingt dies nicht, führen<br />

Steuerungssysteme oft dazu, dass mit großem Kontrollaufwand „von oben“ nachgesteuert<br />

werden muss, ohne dass sich zwingend ein entsprechender Erfolg einstellt.<br />

Ist das Gefälle falsch eingestellt, findet sich die Hierarchie schnell in der Rolle eines<br />

Hausmeisters wieder, der versucht das Regenwasser in die fälschlicherweise am Dachfirst<br />

angebrachte Regenrinne umzuleiten. Und so stellte sich die Frage, mit welchen<br />

Mitteln die Hauptabteilungen und Abteilungen der Direktion in die Lage versetzt werden<br />

könnten, die betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Einheiten zu messen<br />

und wie damit auch konkrete Entwicklungsziele vorgegeben und Optimierungsprozesse<br />

eingeleitet werden könnten.<br />

Der aufgesetzte Prozess ist mit der Abkürzung EZAM versehen, die für Eigenoptimierung,<br />

Ziele, Analyse und Maßnahmen steht. Damit sind die wesentlichen Elemente<br />

des Prozesses auch benannt: Ziel ist die Eigenoptimierung der Bereiche, die mit einer<br />

Analyse der betriebswirtschaftlichen Daten beginnt, zu Zielvorgaben für jeden Bereich<br />

führt, die wiederum durch einen vom Bereich zu entwickelnden Maßnahmenkatalog<br />

erreicht werden sollen.


Betriebswirtschaftliche Steuerung in der SWR-Direktion Technik und Produktion 27<br />

Die ILV bildet die Basis für diesen Prozess. Dreh- und Angelpunkt ist der Vergleich<br />

zwischen den Leistungen der Bereiche durch die Erbringung und Verrechnung der<br />

Produktionsleistungen (BPL) und den durch den Bereich ausgelösten Kosten. Die<br />

eingeführte Systematik ähnelt stark den in der Industrie eingeführten Profit-Center-<br />

Systemen, unterscheidet sich aber von diesen vor allem dadurch, dass nicht alle<br />

Leistungen der Bereiche verrechnet werden und somit auch Elemente der Cost-Center-<br />

Betrachtung einbezogen werden müssen. Die Zielgrößen je Bereich werden vom<br />

Direktor Technik und Produktion in Abstimmung mit den Hauptabteilungsleitern vorgegeben.<br />

Für die Bereiche gilt es, diese Ziele mittelfristig zu erreichen. Die konkrete<br />

Zeitplanung der Maßnahmen liegt bei den Abteilungsleitern, da gerade im Personalbereich<br />

oft nicht kurz-, sondern nur mittelfristig reagiert werden kann.<br />

EZAM ist aber nicht nur ein Controlling-, sondern vielmehr auch ein Führungsinstrument.<br />

Zentraler Bestandteil ist die jährliche Vorstellung der EZAM-Kennzahlen<br />

und der durchgeführten sowie der geplanten Maßnahmen durch die Abteilungsleiter<br />

in der HAL-Runde der Direktion. Insgesamt konnte mit dem EZAM-Prozess ein in sich<br />

geschlossener Steuerungskreis geschaffen werden und vor allem ist es gelungen, einer<br />

der zentralen Führungsaufgaben nachzukommen: Führung bedeutet für Ziele zu sorgen,<br />

die nachvollziehbar, messbar, realistisch und doch ambitioniert sind.<br />

7 Erfolg ist messbar und schafft Nachahmer<br />

In den vorangegangenen Kapiteln wurde lediglich beschrieben, mit welchen Werkzeugen<br />

die Direktion Technik und Produktion versucht, mit den ihr überantworteten<br />

Budgets ökonomisch umzugehen. Zum Ende dieses Aufsatzes stellt sich jedoch<br />

zwingend die Frage, ob diese Werkzeuge auch greifen, ob sie - und nur darauf kommt<br />

es an - tatsächlich wirkungsvoll sind. Denn eines muss bei allen Controlling- und Führungsinstrumenten,<br />

bei allen Regelungen, Anweisungen und Vorgaben immer klar<br />

sein und klar bleiben: am Ende zählt nur die Wirkung, zählt nur das Ergebnis. Und das<br />

Ergebnis kann sich sehen lassen:<br />

Es trägt bekanntermaßen außerordentlich zur Glaubwürdigkeit von Bewertungen bei,<br />

wenn diese nicht durch den Betroffenen selbst vorgenommen werden. Deshalb kommen<br />

hier nun „andere zu Wort“:<br />

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF)<br />

bewertet in ihren umfang- und kenntnisreichen Analysen auch die Wirtschaftlichkeit<br />

der Produktionsbetriebe. Eine der Kennzahlen sind dabei die Kosten, die für die<br />

Eigenproduktion einer Fernseh- und einer Hörfunkminute anfallen. Diese Kennzahl<br />

muss zugunsten ihrer einfachen Interpretierbarkeit viele Details und Besonderheiten<br />

einzelner Rundfunkanstalten vernachlässigen. Der SWR wird tendenziell durch diese<br />

Definition der Kennzahl gegenüber anderen Anstalten benachteiligt, da er mehr als<br />

andere Anstalten Programmprodukte in den „teuren“ Genres wie z. B. dem Szenischen<br />

eigenproduziert, was infolge den Minutenpreis anhebt und auch anheben darf.<br />

Dennoch - und vor diesem Hintergrund besonders bemerkenswert - sind im SWR (vgl.<br />

14. KEF-Bericht) die durchschnittlichen Kosten je hergestellter Sendeminute Fernsehen


28 Michael Rombach<br />

niedriger als im NDR, WDR und BR. Der SWR liegt somit in dieser Kategorie vor allen<br />

anderen großen und damit im Hinblick auf das Produktportfolio vergleichbaren Rundfunkanstalten<br />

der ARD. Dies war nicht immer so: Die Vorgängeranstalten SDR und<br />

SWF lagen eher im hinteren Mittelfeld.<br />

Im Hörfunk ist die Position des SWR noch entwicklungsfähig. Bei den Kosten je produzierter<br />

Sendeminute liegt der SWR unter den „Großen“ im Mittelfeld. Hier zeigt sich<br />

deutlich, dass der ILV- und EZAM-Prozess im Hörfunk noch nicht den Anwendungsgrad<br />

gefunden hat wie im Fernsehen. Darauf liegt nun auch der Schwerpunkt der<br />

aktuellen Anstrengungen in der Direktion Technik und Produktion. Hörfunkproduktionsleistungen<br />

werden - gemeinsam mit dem Programm - schrittweise verknappt;<br />

die EZAM-Vorgaben für die Hörfunkbereiche sind kürzlich festgelegt worden.<br />

Noch deutlicher ist die positive Entwicklung des SWR-Produktionsbetriebes in einer<br />

kürzlich erschienenen Dissertationsschrift 1 nachzulesen. Die dort angestellten Analysen<br />

zur Wirtschaftlichkeit der Fernsehproduktionsbetriebe der ARD berücksichtigen<br />

in Erweiterung der KEF-Systematik die unterschiedlichen Produktportfolios der<br />

Anstalten und werden damit der tatsächlichen Situation gerecht. Hier fällt das Ergebnis<br />

dann mehr als eindeutig aus: Der SWR-Produktionsbetrieb hat sich im Bereich<br />

Fernsehen unter den großen Anstalten mit Abstand am deutlichsten optimiert. Gegenüber<br />

dem Vergleichsjahr 1997 konnte im SWR eine Reduktion der Kosten je Sendeminute<br />

um 28 % erzielt werden.<br />

Mit anderen Worten: Die Direktion Technik und Produktion und die Programme des<br />

SWR haben die Chance der Fusion genutzt und mit geeigneten Führungs- und Steuer-<br />

ungsinstrumenten einen nachhaltig erfolgreichen Prozess in Gang gesetzt, der zeigt,<br />

dass wirtschaftliches Handeln, Kundenzufriedenheit und Innovation auch in öffent-<br />

lich-rechtlichen Einheiten etablierbar sind.<br />

1 Zimmermann, Stephan (2005): Prozessinnovation im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Berlin (Logos Verlag).


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 29<br />

Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

Controlling-Instrumente zur<br />

Center-Steuerung der SWR-Produktion<br />

im Hörfunk und Fernsehen<br />

Um in einem zunehmend schwieriger werdenden Umfeld den Bestand und die Zukunfts-<br />

fähigkeit des SWR als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt zu sichern, ist der Einsatz eines<br />

wirkungsvollen rundfunkspezifischen Controlling von grundlegender Bedeutung. Als zentrales<br />

Steuerungsinstrument für wirtschaftliche Optimierungen in Programm und Produktion beim<br />

SWR dient die interne Leistungsverrechnung. Sie schafft zugleich die Voraussetzungen für den<br />

EZAM-Prozess, der im wesentlichen einen Vergleich zwischen den erbrachten Leistungen der<br />

einzelnen Abteilungen im Fernseh- und Hörfunkbereich und den in diesen Bereichen<br />

ausgelösten Kosten zum Gegenstand hat.<br />

Nachfolgender Aufsatz ist die Kurzfassung der Diplomarbeit von Michaela Schüler, die von<br />

Prof. Edgar H. Tritschler als Erstgutachter und Dr. Michael Rombach als Zweitgutachter<br />

betreut wurde.<br />

1 Ausgangslage<br />

Mit der Öffnung des deutschen Rundfunkmarktes für private Rundfunkanbieter im<br />

Jahre 1984, der Zunahme privatwirtschaftlich organisierter Produktionsdienstleister<br />

sowie dem verstärkten Aufkommen neuer Medienangebote auf Basis technischer Ent-<br />

wicklungen ist die Konkurrenz öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten im Hinblick<br />

auf Zuschauer und Ressourcen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Dabei<br />

stehen jährlich nur gering steigende Gebühreneinnahmen einer erheblichen Preis-<br />

steigerung insbesondere für Film- und Fernsehproduktionen sowie für den Rechte-<br />

erwerb gegenüber, was für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten einen jährlich<br />

steigenden Kaufkraftverlust zur Folge hat. Dennoch ist zu gewährleisten, dass sie<br />

ihrem gesetzlichen Programmauftrag gerecht werden und nicht durch zunehmende<br />

Anpassung an das Programmangebot privater Rundfunkanbieter ihr eigenständiges<br />

Profil verlieren. Zugleich haben sie den in den Rundfunkgesetzen und Staatsverträgen<br />

festgeschriebenen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten, da<br />

die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht unternehmerisch erwirtschaftet<br />

werden, sondern vorrangig aus Rundfunkgebühren stammen. Zur Festlegung des<br />

Finanzbedarfs öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten und der daraus abgeleiteten<br />

Empfehlung einer angemessenen Gebührenhöhe prüft die Kommission zur Ermittlung<br />

des Finanzbedarfs (KEF), ob die Bedarfsanmeldungen der einzelnen Rundfunk-<br />

anstalten im Einklang mit diesem Grundsatz erfolgen.


30 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

Die Anforderungen, die durch die optimale Erfüllung des Programmauftrages bei<br />

gleichzeitiger Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots und darüber hinaus durch<br />

zunehmend knapper werdende finanzielle Mittel bei gleichzeitig kontinuierlich stei-<br />

gender Teuerungsrate an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gestellt werden,<br />

machen den Einsatz von leistungsfähigen Controlling-Instrumenten in öffentlich-recht-<br />

lichen Rundfunkanstalten erforderlich. Als ein wesentliches Steuerungsinstrument, das<br />

in einer verschärften Wettbewerbssituation entscheidend zur Zukunftssicherung der<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beitragen soll, wird von der Mehrheit der<br />

Vertreter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, wie auch vom SWR, die auf einen<br />

internen Markt beruhende interne Leistungsverrechnung zwischen Programm- und<br />

Produktionsbereich angesehen. Eine höhere Kostentransparenz und eine verstärkte<br />

Einbeziehung marktwirtschaftlicher Elemente sieht auch die KEF als wesentliche Vor-<br />

aussetzung für eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit öffentlich-rechtlicher Rund-<br />

funkanstalten. In jüngster Zeit ist daher bei einem Großteil der ARD-Anstalten eine<br />

Neuorganisation der Produktionsbetriebe im Sinne der Einführung einer internen<br />

Leistungsverrechnung für Produktionsleistungen nach dem Konzept der Markt-<br />

steuerung und Budgetierung dieser Leistungen zu beobachten.<br />

2 Die interne Leistungsverrechnung als Controlling-Instrument<br />

beim SWR<br />

Der SWR hat bereits mit seiner Gründung im Jahr 1998 die interne Leistungsver-<br />

rechnung als zentrales Controlling-Instrument eingeführt, um einen wirtschaftlichen<br />

Umgang mit den ihm überwiegend aus öffentlichen Finanzmitteln zur Verfügung<br />

gestellten Budgets zu erzielen und somit der ökonomischen Zielsetzung zu ent-<br />

sprechen. Sie setzt an der Programmherstellung und damit an der Kerntätigkeit der<br />

Produktionsbetriebe des SWR an und steht im Mittelpunkt sämtlicher Controlling-<br />

aktivitäten der Direktion Technik und Produktion. Der SWR erachtet dabei auch den<br />

Markt als geeignetes Steuerungsverfahren, dessen Vorteile er durch die Einbeziehung<br />

marktwirtschaftlicher Elemente zur Verrechnung der internen Produktionsleistungen<br />

nutzen will.<br />

Controlling der Direktion Technik und Produktion als konzeptioneller Rahmen der<br />

internen Leistungsverrechnung<br />

Die Organisation des Controlling innerhalb der Direktion Technik und Produktion<br />

lässt sich anhand nachfolgender Abbildung 1 erläutern:


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 31<br />

Abbildung 1: Organisation des Controlling der Direktion Technik und Produktion 1<br />

HA Technik und Produktion<br />

Baden-Baden<br />

Wie Abbildung 1 zeigt, ist das Controlling der Direktion Technik und Produktion<br />

standortübergreifend organisiert: An den drei Hauptstandorten des SWR sind jeweils<br />

die Produktionseinrichtungen der Direktion Technik und Produktion ansässig, die in<br />

einer Hauptabteilung Technik und Produktion zusammengefasst und von dieser ge-<br />

leitet werden. Für die Wahrnehmung der operativen Controllingaufgaben des<br />

jeweiligen Standorts sind die dezentral eingerichteten Produktionswirtschaften der<br />

Hauptabteilungen Technik und Produktion zuständig. Strategische Controllingstelle<br />

der Direktion Technik und Produktion ist die Zentrale Produktionswirtschaft der<br />

Hauptabteilung Zentrale Aufgaben. Sie übernimmt alle zentralen Controllingaufgaben<br />

und stimmt diese mit den Produktionswirtschaften an den jeweiligen Standorten ab. 2<br />

Der Fokus des Controlling der Direktion Technik und Produktion richtet sich hierbei<br />

auf die einzelnen Kostenstellen und deren Verantwortliche innerhalb der Direktion. Zu<br />

den wichtigsten Aufgaben des strategischen Controlling zählen die Planung, Erstel-<br />

lung und Kontrolle der Budgets der Direktion Technik und Produktion. Im Rahmen<br />

des Haushaltsplanungsprozesses sind nachvollziehbare Budgetgrößen als Soll-<br />

Vorgaben für die einzelnen Kostenstellen zu ermitteln und anschließend ist die Einhal-<br />

tung der Haushaltseckwerte sicherzustellen. Dazu zählt allem voran die Einhaltung<br />

der Kosten für die Fremdbeauftragung von Produktionsleistungen, die allein rund<br />

1 Eigene Darstellung in Anlehnung an Pfeiffer, Jürgen: Controlling/Controller in der Produktion, unveröffentlichte<br />

Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2005, Vortragsfolie 3.<br />

2 Vgl. SWR-Haushaltsplan 2005, S. 108-110.<br />

Direktion<br />

Technik und Produktion<br />

HA Technik und Produktion<br />

Mainz<br />

Produktionswirtschaft Produktionswirtschaft<br />

dezentrales / operatives Controlling<br />

Hauptabteilung Zentrale<br />

Aufgaben (HA ZA)<br />

Zentrale<br />

Produktionswirtschaft<br />

zentrales /<br />

strategisches<br />

Controlling<br />

HA Technik und Produktion<br />

<strong>Stuttg</strong>art<br />

Produktionswirtschaft


32 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

30 Mio. Euro pro Jahr ausmachen. 1 Die dezentralen Standortproduktionswirtschaften<br />

unterstützen und beraten die jeweiligen Hauptabteilungsleiter bei der Wahrnehmung<br />

ihrer Budgetverantwortung und kontrollieren die Mittelabflüsse im laufenden Betrieb. 2<br />

Dies allein reicht jedoch nicht aus, um der ökonomischen Zielsetzung zu entsprechen.<br />

Für eine wirtschaftliche Optimierung der Produktionsbetriebe des SWR hat das<br />

Controlling der Direktion Technik und Produktion durch betriebswirtschaftliche<br />

Steuerungselemente einen kontinuierlichen Prozess in Gang zu setzen, der eine stetige<br />

Optimierung des Ressourceneinsatzes in der Produktion und im Programm zur Folge<br />

hat. 3 Es hat den Produktionsablauf so zu steuern, dass die Anforderungen der Pro-<br />

grammbereiche mit möglichst geringen Mitteln erfüllt und die eigenen Kapazitäten<br />

optimal ausgelastet werden. Im Vordergrund steht demnach der effiziente Einsatz<br />

eigener Ressourcen bei gleichzeitiger Reduktion des Fremdmittelbedarfs.<br />

Als zentrales Steuerungsinstrument zur Erfüllung dieser Aufgaben dient die interne<br />

Leistungsverrechnung. Sie legt dabei den Grundstein für eine wirtschaftliche<br />

Optimierung der Produktions- und Programmbereiche des SWR und ist zugleich Vor-<br />

aussetzung für die Anwendung weiterer Controlling-Instrumente. Neben dem in nach-<br />

folgenden Ausführungen dargestellten EZAM-Prozess zählen hierzu regelmäßige Con-<br />

trolling-Berichte, mittels derer die Produktionswirtschaften der Direktion Technik und<br />

Produktion unter Anwendung von Soll-Ist-Vergleichen und eigens entwickelten Kenn-<br />

zahlen die Entwicklung des Fremdmittelbedarfs und der Erlöse der Kostenstellen über-<br />

wachen.<br />

Anwendungsbereich und Zielsetzung der internen Leistungsverrechnung<br />

Wie nachfolgende Abbildung 2 zeigt, vollzieht sich die interne Leistungsverrechnung<br />

zwischen der Direktion Technik und Produktion und den vier Programmdirektionen<br />

des SWR. Hierzu zählen die Hörfunkdirektion, die beiden Landessenderdirektionen<br />

Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie die Fernsehdirektion. Gegenstand der<br />

Verrechnung sind diejenigen Leistungen, welche die einzelnen Bereiche der drei<br />

Hauptabteilungen Technik und Produktion (HA TuP) sowie der Stabstelle Zentrale<br />

Herstellung und Produktionsplanung (ZHPP) den Programmdirektionen für die<br />

Realisierung der eigenproduzierten Fernseh- und Hörfunksendungen bereitstellen.<br />

1 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />

unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.<br />

2 Vgl. SWR-Haushaltsplan 2005, S. 110.<br />

3 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />

unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 33<br />

Abbildung 2: Anwendungsbereich der internen Leistungsverrechnung des SWR<br />

Direktion Technik und Produktion<br />

HA TuP Baden-Baden<br />

HA TuP <strong>Stuttg</strong>art<br />

HA TuP Mainz<br />

ZHPP<br />

Nicht einbezogen in die interne Leistungsverrechnung sind alle Infrastrukturleis-<br />

tungen der Direktion Technik und Produktion, die der Aufrechterhaltung der Produk-<br />

tionsbetriebe und der IT-Systeme dienen sowie Leistungen, die keiner Nachfrage-<br />

steuerung unterworfen sein können. Hierzu zählen beispielsweise die Abspielung von<br />

Fernseh- und Hörfunkprogrammen und das Bedienen der Schalträume. Dies erklärt<br />

auch, warum die Summe der ILV-Leistungen stets unterhalb der Gesamtkosten der<br />

Direktion Technik und Produktion liegen muss. 1<br />

Die interne Leistungsverrechnung des SWR hat zum Ziel, als Voraussetzung für eine<br />

betriebswirtschaftliche Optimierung des Produktionsprozesses zum einen innerhalb<br />

des Produktionsbetriebes Transparenz der von diesen Bereichen erbrachten Produk-<br />

tionsleistungen sowie der für ihre Leistungserstellung angefallenen Kosten zu schaf-<br />

fen. Zum anderen sollen in den Programmdirektionen die für die jeweiligen Sendun-<br />

gen aufgewendeten Kosten transparent werden. 2<br />

In der Direktion Technik und Produktion bildet die interne Leistungsverrechnung da-<br />

mit die Basis für bereichsbezogene Erfolgsrechnungen ihrer Abteilungen, da die Leis-<br />

tungen einer Kostenstelle den hierfür aufgewendeten Kosten gegenübergestellt werden<br />

können. Die Erfassung der bei den leistenden Kostenstellen angefallenen Kosten,<br />

welche die Kosten für die Bereitstellung eigener Personal- und Sachmittel sowie zuge-<br />

kaufter Fremdmittel umfassen, dient zudem als Planungs- und Steuerungsgrundlage<br />

für die Entwicklung der eigenen Ressourcen und des Fremdmittelbedarfs. 3<br />

1 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />

unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.<br />

2 Vgl. derselbe: Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele, Voraussetzungen und Ergebnisse,<br />

unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2004, Vortragsfolie 3.<br />

3 Vgl. ebenda, Vortragsfolie 8.<br />

Hörfunkdirektion<br />

Landessenderdirektion<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Fernsehdirektion<br />

Landessenderdirektion<br />

Baden-Württemberg


34 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

In den Programmdirektionen soll durch die Transparenz der für die einzelnen Sen-<br />

dungen aufgewendeten Produktionskosten ein wirtschaftlicher Umgang mit dieser<br />

Ressource erzielt werden. 1 Durch die interne Leistungsverrechnung können den<br />

Kostenträgern neben den primären Programmdirektkosten, welche die Programmbe-<br />

reiche für die Inanspruchnahme externer Programmleistungen zahlen, wie beispiels-<br />

weise Honorare für Schauspieler oder Drehbuchautoren, auch die Kosten für die<br />

Bereitstellung von Produktionsleistungen zugerechnet werden. Im Vordergrund steht<br />

folglich die positive Beeinflussung des Verhaltens aller am Produktionsprozess<br />

beteiligten Personen im Sinne eines gesteigerten Wirtschaftlichkeitsdenkens. Es geht<br />

darum, durch Kostentransparenz das Kostenbewusstsein und die Kostenverant-<br />

wortung in Programm und Produktion zu steigern und die richtigen Verhaltensanreize<br />

zum wirtschaftlichen Einsatz von Ressourcen zu setzen.<br />

Unterjähriger Vollzug der internen Leistungsverrechnung<br />

Die Durchführung der internen Leistungsverrechnung beim SWR erfolgt über den<br />

Aufbau eines internen Marktes zwischen den Programmdirektionen als Auftraggeber<br />

und der Direktion Technik und Produktion als Auftragnehmer. Es sind somit klar<br />

definierte Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen etabliert. Dabei besteht zwischen<br />

den beiden Transaktionspartnern ein interner Liefer- und Bezugszwang. Die auftrag-<br />

gebenden Stellen müssen folglich alle Leistungen von der Direktion Technik und Pro-<br />

duktion beziehen, die diese als Eigenkapazitäten vorhält, und dürfen keine Fremdleis-<br />

tungen am jeweiligen Fachbereich des Produktionsbetriebes vorbei einkaufen. Hier-<br />

durch sollen Doppelkosten vermieden werden, die durch direkte Bestellungen von<br />

Fremdleistungen bei gleichzeitigem Vorhandensein eigener Kapazitäten entstehen. 2<br />

Die Direktion Technik und Produktion entscheidet demzufolge über die Inanspruch-<br />

nahme externer Kapazitäten. Dadurch soll gewährleistet werden, dass nur dann<br />

Ressourcen auf dem freien Markt eingekauft werden, wenn der Produktionsbetrieb<br />

zum gewünschten Zeitpunkt bereits ausgelastet ist.<br />

Der unterjährige Vollzug der internen Leistungsverrechnung des SWR lässt sich an-<br />

hand folgender Abbildung 3 erläutern:<br />

1 Vgl. Rombach, Michael: Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele, Voraussetzungen und Ergebnisse,<br />

unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2004, Vortragsfolie 8.<br />

2 Vgl. SWR: o.V.: Budgetierungsregeln des SWR, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2005, S. 2.


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 35<br />

Abbildung 3: Vollzug der internen Leistungsverrechnung über den Aufbau eines fiktiven<br />

internen Marktes<br />

Auftrag<br />

Auftraggeber / Nachfrager Auftragnehmer / Anbieter<br />

Programmdirektionen<br />

fiktiver interner Markt<br />

realer externer Markt<br />

Produktionsleistungen<br />

interner Verrechnungspreis<br />

Direktion<br />

Technik und Produktion<br />

Eigene Kapazitäten<br />

Personal- & Sachmittel<br />

Fremdkapazitäten<br />

Personal- & Sachmittel<br />

Für die Realisierung der eigenproduzierten Sendungen des SWR fordern die Pro-<br />

grammdirektionen die benötigten Produktionsleistungen bei der Direktion Technik<br />

und Produktion an. Die Bestellung der Produktionsleistungen erfolgt dabei grund-<br />

sätzlich nur über einen verbindlichen Auftrag zwischen den Programmdirektionen<br />

und der Direktion Technik und Produktion. Die Befugnis zur Erteilung von Produk-<br />

tionsaufträgen liegt ausschließlich bei dem für den jeweiligen Sendeplatz Verant-<br />

wortlichen oder einer von ihm autorisierten Person, die Befugnis zur Entgegennahme<br />

von Aufträgen bei den jeweiligen Disponenten der Direktion Technik und Produktion. 1<br />

Die leistenden Fachbereiche der Direktion Technik und Produktion können die inter-<br />

nen Produktionsleistungen sowohl mit eigenen Ressourcen als auch über die Fremdbe-<br />

auftragung externer Dienstleister erbringen. Für ihre Bereitstellung erhalten sie eine<br />

Vergütung in Höhe eines internen Verrechnungspreises. Dabei handelt es sich jedoch<br />

nicht um eine reale Vergütung in Form von Geld, sondern um eine speziell für die<br />

Leistungsverrechnung zur Anwendung kommende interne Währung. Verrechnet wer-<br />

den dabei Sach- und Personalleistungen sowie die Kombination beider Formen. In den<br />

Programmbereichen soll die monetäre Bewertung der von ihnen beantragten Produk-<br />

tionsleistungen eine Sensibilisierung des Wertbewusstseins und somit ein wirtschaft-<br />

licheres Nachfrageverhalten bewirken, da die Produktionsleistungen den internen<br />

Nachfragern nun nicht mehr kostenlos zur Verfügung stehen. Vielmehr wird bereits in<br />

der Planungsphase erkennbar, welche Programmbereiche wie viele Leistungen zu<br />

1 Vgl. SWR: o.V.: Budgetierungsregeln des SWR, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2005, S. 2..


36 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

welchen Preisen für sich in Anspruch nehmen werden. Innerhalb der Produktions-<br />

bereiche wird sicht- und damit steuerbar, mit welchem Produktionsaufwand welche<br />

Programmprodukte erstellt werden sollen. 1<br />

Bei Beauftragung von Fernsehproduktionsleistungen werden die Bestellaufträge für<br />

ihre Abwicklung und anschließende Verrechnung bestimmten Herstellverfahren zuge-<br />

ordnet und innerhalb dieser Verfahren nach Betriebsnotwendigkeit in Leistungsarten<br />

gegliedert. Die verschiedenen Leistungsarten je Herstellverfahren werden dann auf<br />

Basis eines Leistungsartenkatalogs zu den hierfür vereinbarten internen Verrechnungs-<br />

preisen bewertet, wobei feste Verrechnungssätze in Form von Taktzeiten und Mindest-<br />

verrechnungszeiten oder –mengen vorgegeben sind. Eine Konvertierbarkeit einzelner<br />

Leistungsarten ist dabei vom Grundsatz her nicht vorgesehen, d.h. das Programm<br />

kann beim Produktionsbetrieb bestellte Leistungsarten nicht gegen andere Produk-<br />

tionsleistungen eintauschen. In der Praxis ist jedoch eine möglichst hohe Flexibilität<br />

des Produktionsbetriebes gefordert. So sind häufig auch noch kurz vor Produktions-<br />

beginn Anpassungen bezüglich der Programmgestaltung vorzunehmen, die länger-<br />

fristig nicht planbar sind. Daher können bei Bedarf Leistungsarten innerhalb eines Her-<br />

stellverfahrens auch getauscht werden. Entscheidet sich beispielsweise eine Redaktion<br />

aus aktuellem Anlass für eine Außenübertragung einen Übertragungswagen anstelle<br />

eines Kamerateams einzusetzen, kann sie unter Berücksichtigung der neu entste-<br />

henden Kosten die entsprechenden Kapazitäten anfordern, sofern diese vom Produk-<br />

tionsbetrieb bereitgestellt werden können.<br />

Die Kosten für Fremdleistungen sowie die eigenen Personal- und Sachkosten, die bei<br />

der Leistungserstellung in den Bereichen der Direktion Technik und Produktion anfal-<br />

len, werden in diesen Bereichen erfasst und zu Lasten der jeweiligen Kostenstelle ver-<br />

bucht. 2 Für die erbrachten Produktionsleistungen erhalten die Bereiche der Direktion<br />

Technik und Produktion Erlöse in Höhe des internen Verrechnungspreises. Durch die<br />

Gegenüberstellung der innerhalb einer Rechnungsperiode angefallenen Kosten und<br />

den hierfür erzielten Erlösen kann das Controlling der Direktion Technik und<br />

Produktion Erfolgsrechnungen für ihre Abteilungen durchführen.<br />

Auf Seiten der Programmdirektionen werden die Kosten für die Inanspruchnahme der<br />

internen Produktionsleistungen, die so genannten anteiligen Betriebskosten, als Einzel-<br />

kosten getrennt von den Programmdirektkosten direkt in Höhe des jeweiligen Ver-<br />

rechnungspreises zu Lasten der Programmkostenträger, d.h. der einzelnen Sendung,<br />

verbucht. 3 Die Kostenträgerkosten belasten zugleich die für die jeweilige Sendung<br />

zuständigen Kostenstellen, da diese den Sendeplatz bzw. die Sendereihe als Summe<br />

der einzelnen Sendungen abbilden. Somit werden die bei der Leistungserstellung<br />

1 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />

unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.<br />

2 Vgl. derselbe: Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele, Voraussetzungen und Ergebnisse,<br />

unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2004, Vortragsfolie 7.<br />

3 Vgl. ebenda, Vortragsfolie 7.


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 37<br />

angefallenen Kosten auch bei den Programmkostenstellen ausgewiesen, welche die<br />

innerbetriebliche Leistung in Anspruch nehmen.<br />

Verrechnung der internen Produktionsleistungen<br />

Für die Verrechnung der selbst erstellten Produktionsleistungen hat sich der SWR für<br />

die Verwendung von Marktpreisen entschieden, d.h. für eine Bewertung der eigenen<br />

Leistungen zu den Wertansätzen, zu denen gleiche oder ähnliche Leistungen am exter-<br />

nen Markt angeboten werden. Die internen Produktionsleistungen erfahren somit eine<br />

einheitliche Bewertung im Sinne einer gemeinsamen Währung für selbst erstellte und<br />

vom externen Markt bezogene Leistungen. 1 Mit anderen Worten: Die Programm-<br />

bereiche haben für die Inanspruchnahme der eigenen Leistungen den gleichen Preis zu<br />

zahlen wie für die Nutzung der Leistungen, die der Produktionsbetrieb von anderen<br />

Dienstleistern bezieht und den Programmbereichen zur Verfügung stellt. Somit<br />

werden interne Ressourcen wie externe Ressourcen behandelt. Dies ist für den SWR<br />

dahingehend von Bedeutung, da die Entscheidungsbefugnis über den Einsatz fremder<br />

oder eigener Kapazitäten zur Realisierung der Sendungen beim Produktionsbetrieb<br />

liegt. Für die Programmbereiche darf es infolge dessen nicht relevant sein, ob die Pro-<br />

duktionsleistungen mit fremden oder eigenen Mitteln erbracht werden.<br />

Die Verwendung von Marktpreisen ist beim SWR des weiteren erforderlich, um den<br />

im Rahmen der Budgetplanung ermittelten Fremdmittelbedarf der Direktion Technik<br />

und Produktion zu bewerten: Eine realistische Bewertung der von den Produktions-<br />

bereichen benötigten Budgets für den Kauf von Fremdkapazitäten kann nur dann er-<br />

folgen, wenn die geplante Menge an Fremdleistungen zu Marktpreisen bewertet wird,<br />

also zu den Preisen, welche die Produktionsbereiche für diese Leistungen am externen<br />

Markt voraussichtlich auch bezahlen werden.<br />

Die Festlegung der Marktpreise beim SWR erfolgt in den so genannten Preisrunden.<br />

Die Schwierigkeit der Preisermittlung für die Produktionsleistungen liegt zum einen<br />

darin begründet, dass die Preise auf dem externen Markt starken jahresbedingten<br />

Schwankungen unterliegen, beispielsweise bei erhöhter Nachfrage aufgrund sport-<br />

licher oder politischer Großereignisse. Zudem ergibt sich für den SWR infolge seiner<br />

Organisation über drei Standorte hinweg bei der Ermittlung der Marktpreise eine<br />

besondere Problematik: In Mainz ist die Konkurrenz bezüglich der Nachfrage nach<br />

externen Produktionsdienstleistungen in Vergleich zu <strong>Stuttg</strong>art oder Baden-Baden<br />

höher, da hier neben dem SWR auch das ZDF sowie der private Fernsehveranstalter<br />

Sat.1 ansässig sind. Folglich liegt das Preisniveau für extern angebotene Produk-<br />

tionsleistungen in Mainz vergleichsweise höher. Daneben gibt es in <strong>Stuttg</strong>art auf<br />

Anbieterseite relativ viele kleinere Produktionsfirmen, die in gegenseitiger Konkurrenz<br />

zueinander stehen. Baden-Baden dagegen liegt in ausgesprochener Randlage der<br />

1 Vgl. hierzu auch Zimmermann 2005, S. 162.


38 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

Medienindustrie. Somit werden in <strong>Stuttg</strong>art Produktionsleistungen auf dem freien<br />

Markt zu vergleichsweise niedrigeren Preisen angeboten. Häufig gewähren Pro-<br />

duktionsfirmen an den einzelnen Standorten auch individuell ausgehandelte Rabatte.<br />

In Abhängigkeit von dem regionalen Bezugsraum ist somit das Preisniveau unter-<br />

schiedlich. Für den SWR ist jedoch nur ein einheitlicher Preis für die Bewertung der<br />

Produktionsleistungen sinnvoll, da es für die Programmbereiche keine Rolle spielen<br />

darf, woher sie ihre Produktionsleistungen beziehen. Daher treffen sich die jeweiligen<br />

Leiter der verschiedenen Abteilungen der Direktion Technik und Produktion bereits<br />

im Vorfeld der Preisrunden und vergleichen im Zuge eines Benchmarking-Verfahrens<br />

anhand von bestehenden Preislisten externer, privatrechtlich organisierter Produk-<br />

tionsdienstleister die unterschiedlichen Preise, zu denen ihre Leistungen an den jewei-<br />

ligen Produktionsstandorten angeboten werden. Auf Basis dieser Preislisten ermitteln<br />

sie dann Durchschnittswerte als einheitliche Preisvorschläge für die einzelnen Produk-<br />

tionsleistungen bzw. Leistungsarten.<br />

Die Preisrunden zur Festlegung der Marktpreise finden im Dezember für das über-<br />

nächste Jahr statt. Der zeitliche Vorlauf von rund einem Jahr ist notwendig, da im März<br />

des darauf folgenden Jahres die Haushaltsplanungen für das nächste Jahr beginnen<br />

und hierfür die Preise für die internen Produktionsleistungen notwendig sind. Im<br />

Rahmen der Preisrunde verständigen sich ihre Teilnehmer auf die Preisvorschläge für<br />

die einzelnen Produktionsleistungen und erstellen einen Leistungsartenkatalog, der<br />

alle angebotenen Leistungsarten und zugrunde liegende Preise abbildet. Dieser wird<br />

letztlich von der Direktion Technik und Produktion in Abstimmung mit den Pro-<br />

grammbereichen verabschiedet. Es entsteht somit für das darauf folgende<br />

Geschäftsjahr eine umfassende Preisliste, gemäß derer die Auftraggeber die erforder-<br />

lichen Leistungen bestellen und die Auftragnehmer ihre bereitgestellten Leistungen ab-<br />

rechnen.<br />

3 Budgetierung der internen Produktionsleistungen<br />

Die interne Leistungsverrechnung schafft die notwendige Voraussetzung für betriebs-<br />

wirtschaftliche Optimierungen in Programm und Produktion. In den Produktions-<br />

betrieben werden neben den Kosten, die für die Fremdbeauftragung externer<br />

Dienstleister anfallen, nun auch die Kosten für selbst erstellte Produktionsleistungen<br />

transparent. Den Redaktionen aus den Programmbereichen wird durch den internen<br />

Verrechnungspreis ersichtlich, was ihnen die Inanspruchnahme dieser Leistungen<br />

kostet. Um auf Seiten der Programmbereiche einen ökonomischen Umgang mit den<br />

Produktionsressourcen zu erzielen, ist neben der Kostentransparenz jedoch auch eine<br />

wirtschaftliche Steuerung ihrer Nachfrage erforderlich. Dies erfolgt beim SWR im<br />

Rahmen der Budgetierung. Hierbei „wird die Zuweisung von Ressourcen in Form von<br />

Zahlungsmitteln und Produktionskapazitäten an die in die Erstellung der Programme


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 39<br />

einbezogenen Bereiche geplant“ 1 . Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei die<br />

Programmbereiche, da sie für die Bestellung der Ressourcen beim Produktionsbetrieb,<br />

den Umfang der erforderlichen Ressourcen und letztlich für ihren wirtschaftlichen<br />

Einsatz verantwortlich sind. 2 Um ihre Nachfrage nach Ressourcen effizient zu steuern,<br />

werden ihnen beim SWR für die Inanspruchnahme der internen Produktionsleistungen<br />

Budgets zugeteilt. Die interne Währung, die sie zum Kauf der internen Produk-<br />

tionsleistungen bereitgestellt bekommen und auf deren Basis diese Leistungen dann<br />

verrechnet werden, wird folgegemäß als budgetierte Produktionsleistungen (BPL’s)<br />

bezeichnet.<br />

Die Höhe der BPL-Budgets richtet sich nach den vorhandenen Eigenkapazitäten und<br />

den finanziellen Mitteln, die der Direktion Technik und Produktion als Haushaltseck-<br />

werte zur Beschaffung von Fremdmitteln vorgegeben werden. Bei zu hohen Pro-<br />

grammanforderungen, welche die eigenen Kapazitäten und zudem die für den Einkauf<br />

von Fremdleistungen vorgesehenen Mittel überschreiten, werden in der Regel die von<br />

den Programmdirektionen zur Erstellung ihrer Sendungen beantragten Budgets ge-<br />

kürzt. Mit der Budgetierung können die Programmdirektionen somit nicht mehr<br />

unkontrolliert Bestellungen an den Produktionsbetrieb aufgeben. Vielmehr werden sie<br />

dazu veranlasst, die internen Produktionsleistungen als knappe Güter anzusehen und<br />

ihre Programmanforderungen bzw. den Kostenrahmen der einzelnen Sendungen<br />

bereits in der Phase der Programmplanung zu überdenken. Die ihnen zugeteilten Zah-<br />

lungsmittel haben sie dann unterjährig auf die einzelnen Sendungen gemäß ihren<br />

Erfordernissen in entsprechender Höhe zu verteilen.<br />

Ziel der Budgetierung ist es, die Programmbereiche durch ihre erweiterte Budget-<br />

verantwortung zu einem sparsamen Ressourceneinsatz zu motivieren und ihre<br />

Programmanforderungen mit den Möglichkeiten der Produktionsbereiche dahin-<br />

gehend abzustimmen, dass die einzelnen Sendungen mit einem möglichst geringen<br />

Bedarf an Fremdkapazitäten produziert werden. Die Budgetierung als Steuerungs-<br />

instrument des SWR dient demzufolge auch und im besonderen Maße der Koor-<br />

dination betrieblicher Abläufe: Es geht um die Abstimmung zwischen Kapazitätsbe-<br />

darf der Programmbereiche und möglicher Kapazitätsbereitstellung durch die Pro-<br />

duktionsbereiche. 3<br />

In Abhängigkeit von dem möglichen Ausweis des Ressourcenbedarfs der Programm-<br />

bereiche haben sich in der Praxis öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten unter-<br />

schiedliche Budget-Modelle entwickelt. Nachfolgende Abbildung 4 gibt einen Über-<br />

blick, nach welchen Modellen gegenwärtig in den Rundfunkanstalten der Ressourcen-<br />

bedarf ausgewiesen wird:<br />

1 Frese 2004, S. 46.<br />

2 Vgl. ebenda 2004, S. 82.<br />

3 Vgl. derselbe 2001, S. 13.


40 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

Abbildung 4: Budget-Modelle in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten 1<br />

Einheitsmodell<br />

Ein-Budget-Modell<br />

Das Hybridmodell weist den Ressourcenbedarf teils wertmäßig und teils mengen-<br />

mäßig aus. Das in den Rundfunkanstalten vorherrschende Modell weist wertmäßig die<br />

Programmdirektkosten aus, die von den Redaktionen für externe Programmleistungen<br />

direkt aus ihrem Budget an die Zulieferer gezahlt werden. Mengenmäßig erfasst<br />

werden dagegen alle Kapazitätsanforderungen der Programmbereiche, d.h. auch die-<br />

jenigen, die über die Beauftragung externer Produktionsleistungen erfüllt werden. 2 Das<br />

Hybridmodell basiert folglich nicht auf der Etablierung eines internen Marktes, auf<br />

dem die internen Produktionsleistungen mit Preisen verrechnet werden. Diesem<br />

Steuerungssystem entsprachen bis zur Einführung des ersten Marktsteuerungs-<br />

konzepts in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten alle praktizierten Steuerungs-<br />

modelle.<br />

Beim Wertmodell hingegen werden sämtliche Ressourcen mittels monetärer<br />

Äquivalente wertmäßig ausgewiesen. Dabei werden alle externe Ressourcen, d.h.<br />

sämtliche vom Beschaffungsmarkt bezogenen Leistungen, mit Marktpreisen und alle<br />

interne Ressourcen, d.h. die selbst erstellten Leistungen, mit Kosten- oder Markt-<br />

preisen bewertet. 3 Das Wertmodell kann wiederum als Einheits- oder Trennungs-<br />

modell realisiert werden. Beim Einheitsmodell wird zwischen internen und externen<br />

Ressourcen nicht differenziert, sondern der gesamte Ressourcenbedarf der Pro-<br />

grammbereiche auf Basis der Bewertung mit Marktpreisen in einer Summe aus-<br />

gewiesen. Dieses Budget-Modell wird daher auch als ein Ein-Budget-Modell<br />

bezeichnet. Das Trennungsmodell hingegen differenziert zwischen internen und<br />

externen Ressourcen. Es erfasst für die Programmbereiche den Bedarf für die Inan-<br />

spruchnahme eigener Produktionskapazitäten und den Bedarf für die vom externen<br />

Markt bezogenen Leistungen gesondert. Die Programmbereiche verfügen folg-<br />

1 Eigene Darstellung in Anlehnung an Frese 2004, S. 92 und S. 96.<br />

2 Vgl. Frese 2004, S. 93.<br />

3 Vgl. ebenda, S. 91.<br />

Budget-Modelle<br />

Wertmodell Hybridmodell<br />

Trennungsmodell<br />

Zwei-Budget-Modell


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 41<br />

lich über zwei Budgets, weshalb dieses Modell auch als Zwei-Budget-Modell bezeich-<br />

net wird. 1<br />

Dieser Systematik folgend ist das Budget-Modell des SWR als Trennungsmodell bzw.<br />

Zwei-Budget-Modell zu bezeichnen. Der SWR sieht jedoch nicht die Zweiteilung nach<br />

internen und externen Ressourcen in reiner Form vor. So wird den Programm-<br />

bereichen des SWR zum einen ein Netto-Budget zugewiesen. Dies steht ihnen für die<br />

Inanspruchnahme externer Programmdienstleistungen sowie für Auftragsproduk-<br />

tionen, Reisekosten und für die Bezahlung freier Mitarbeiter zur Verfügung. Für die<br />

Nutzung sämtlicher interner Produktionsleistungen erhalten sie gesondert ein BPL-<br />

Budget. Dieses schließt folgegemäß neben dem Bedarf an Eigenkapazitäten auch die<br />

externen Produktionsleistungen ein. Hier wird nicht zwischen selbst erstellten oder<br />

extern bezogenen Produktionsleistungen unterschieden.<br />

Die Produktionsbereiche verfügen ebenfalls über ein sog. Netto-Budget. Die Personal-<br />

kosten der festen Mitarbeiter der einzelnen Abteilungen des Produktionsbetriebes<br />

sowie der Programmdirektionen werden in einem Personal-Budget getrennt ausge-<br />

wiesen. Die einzelnen Budgets sind dabei nicht deckungsfähig, d.h. die für ein Budget<br />

veranschlagten finanziellen Mittel können nicht für ein anderes Budget verwendet<br />

werden. Dadurch soll vermieden werden, dass die Programmdirektionen z.B. Zah-<br />

lungsmittel für die Inanspruchnahme interner Produktionsleistungen einsparen, um<br />

sie für den Kauf externer Ressourcen zu nutzen. Das Verfahren lässt sich wie folgt<br />

beschreiben (vgl. Abbildung 5):<br />

Abbildung 5: Budgetierungsverfahren des SWR<br />

BPL-Budget /<br />

Periode<br />

Budgetüber-<br />

schreitung<br />

1 Vgl. Frese 2004, S. 92 und S. 96.<br />

Programmbereiche<br />

Kosten<br />

für die Inanspruchnahme<br />

interner<br />

Leistungen<br />

verrechnete<br />

BPL’s<br />

Produktionsbereiche<br />

Erlöse<br />

für die Bereitstellung<br />

von<br />

Eigenkapazitäten<br />

Erlöse<br />

für die Bereitstellung<br />

von<br />

Fremdkapazitäten<br />

Kosten /<br />

Periode<br />

Kostenunterdeckung


42 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

Budgetiert und verrechnet werden alle Leistungsarten, die der Produktionsbetrieb als<br />

Eigenkapazität vorhält, wie beispielsweise Kameraleute, Übertragungswagen oder<br />

Schnittplätze. Sofern für diese Leistungen die eigenen Kapazitäten nicht ausreichen, ist<br />

die Direktion Technik und Produktion verpflichtet, sie durch Anmietung von Fremd-<br />

kapazitäten zu erbringen. Im Laufe der Produktion werden folglich alle budgetierten<br />

Leistungen in Höhe der BPL-Preise und zu Lasten des BPL-Budgets verbucht, unab-<br />

hängig davon, ob diese Leistungen auch tatsächlich mit eigenen Kapazitäten erbracht<br />

worden sind oder der Produktionsbetrieb sich hierfür externer Dienstleister bedient<br />

hat. Produktionsleistungen hingegen, die für die Programmerstellung erforderlich<br />

sind, vom Produktionsbetrieb aber nicht als Eigenkapazitäten vorgehalten werden,<br />

müssen die Programmdirektionen aus ihrem Netto-Budget bezahlen. Dies betrifft ins-<br />

besondere Sonderverbrauchsmaterialien und Sonderausstattungen.<br />

Verfügen die Programmbereiche aufgrund sparsamer Verwaltung ihres BPL-Budgets<br />

noch über Zahlungsmittel, wird dies ebenso angezeigt, wie wenn sie ihr BPL-Budget<br />

überschreiten. Im Bereich der Produktion erhalten die Kostenstellen für ihre erbrachten<br />

budgetierten Produktionsleistungen die BPL-Erlöse. Werden diese den Kosten der<br />

jeweiligen Organisationseinheit gegenübergestellt, kann der Produktionsbetrieb auf<br />

seine Effizienz überprüft werden. Kostenunterdeckungen sind dabei nicht nur auf zu<br />

hohe Kosten bei der Produktion im eigentlichen Sinne zurückzuführen, sondern auch<br />

auf unwirtschaftliches Verhalten der am Produktionsprozess beteiligten Personen.<br />

Die Ermittlung der von den Programmbereichen für das jeweilige Folgejahr benötigten<br />

BPL-Budgets ist Bestandteil der Etat-Beratungen der Programmdirektionen in Zusam-<br />

menarbeit mit dem Produktionsbetrieb im Rahmen des Haushaltsplanungsprozesses. 1<br />

Hierzu erstellen die Produktionsleiter im Frühjahr des vorausgehenden Jahres in<br />

Abstimmung mit dem jeweiligen Sendeplatzverantwortlichem ausgehend von ihrem<br />

Sendeleistungsplan die Haushaltskalkulationen für die einzelnen Sendungen und<br />

Sendeplätze. Der Ausweis der für eine Sendung voraussichtlich anfallenden Gesamt-<br />

kosten erfolgt dabei gesondert nach Programmdirektkosten und Kosten für die<br />

Inanspruchnahme interner Produktionsleistungen. Voraussetzung hierfür ist wieder-<br />

um die Ermittlung der erforderlichen Mengen externer Programmleistungen und inter-<br />

ner Produktionsleistungen. 2<br />

Auf Basis der Kalkulationen melden die jeweiligen Programmdirektionen ihren für das<br />

nächste Jahr geplanten Bedarf an internen Produktionsleistungen bei der Direktion<br />

Technik und Produktion an. Die Produktionswirtschaften ordnen dann zunächst<br />

mengenmäßig die verschiedenen Leistungsarten den einzelnen Abteilungen der<br />

Direktion Technik und Produktion zu 3 und stimmen mit den jeweiligen Fachab-<br />

1 Vgl. SWR: o.V.: Budgetierungsregeln des SWR, unveröffentlichtes internes Dokument , SWR, Baden-Baden, 2005, S. 2.<br />

2 Vgl. Rombach, Michael: Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele, Voraussetzungen und Ergebnisse,<br />

unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2004, Vortragsfolie 6.<br />

3 Vgl. ebenda, Vortragsfolie 6.


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 43<br />

teilungen die angeforderten Mengen mit den vorhandenen Eigenkapazitäten pro<br />

Leistungsart ab, um die fix vorgehaltenen eigenen Produktionskapazitäten optimal<br />

auszulasten. Mittels dieser Informationen kann anschließend im Rahmen der<br />

Kapazitätsausgleichsrechnungen der Fremdmittelbedarf je Abteilung der Direktion<br />

Technik und Produktion ermittelt werden. Dieser ergibt sich aus der Gesamtan-<br />

forderung der jeweiligen Programmdirektion pro Leistungsart abzüglich der vorhan-<br />

denen Eigenkapazitäten der Abteilungen (vgl. Abbildung 6).<br />

Die Summe der jeweiligen Ergebnisse der Abteilungen über die drei Standorte hinweg<br />

ergibt wiederum den Gesamtbedarf an Fremdkapazitäten für das Planjahr.<br />

Abbildung 6: Berechnung des Kapazitätsausgleichs 1<br />

Gesamtanforderung<br />

Programm<br />

pro<br />

Leistungsart<br />

minus<br />

Eigenkapazität<br />

pro<br />

Leistungsart<br />

Die für die Bereitstellung der eigenen Personal- und Sachmittel und für den Einkauf<br />

von Fremdmitteln benötigten Mengen werden anschließend anhand der in dem Leis-<br />

tungsartenkatalog ausgewiesenen BPL-Preise bewertet.<br />

Ob den einzelnen Programmdirektionen letztlich die von ihnen beantragten BPL-<br />

Budgets auch in dieser Höhe bereitgestellt werden, ist jedoch abhängig von den Haus-<br />

haltseckwerten, die das Controlling der Direktion Technik und Produktion ihren Ab-<br />

teilungsleitern zum Einkauf der Fremdleistungen auf Basis der von der Intendanz<br />

vorgesehenen Gesamteinkaufsmenge vorgibt. Sofern die Programmanforderungen<br />

nicht über diesen Haushaltseckwerten liegen, werden die BPL-Budgets den<br />

Programmdirektionen in voller Höhe zur Verfügung gestellt. Überschreitet hingegen<br />

die Anmeldung der Produktionsleistungen die vorhandenen Eigenkapazitäten in dem<br />

Maße, dass der benötigte Fremdmittelbedarf über den vorgesehenen Haushaltsetats<br />

der Abteilungen der Direktion Technik und Produktion liegt, hat das Controlling<br />

Lösungen für dieses Problem zu finden: Zum einen kann es bei der Geschäftsleitung,<br />

also dem Intendanten, eine Erhöhung der für den Einkauf von Fremdleistungen<br />

insgesamt veranschlagten Finanzmittel beantragen. Wird dies nicht genehmigt, hat das<br />

Controlling die Anforderungen der Programmdirektionen auf die Möglichkeiten des<br />

Produktionsbetriebes abzustimmen. Hierzu reduzieren die Produktionswirtschaften<br />

1 Eigene Darstellung in Anlehnung an Hoffmann, Klaus: Wirtschaftliche Aspekte von Hörfunk und Fernsehen,<br />

unveröffentlichte Präsentation, SWR, Mainz, 2005, Vortragsfolie 60.<br />

=<br />

Kapazitäts-<br />

ausgleich


44 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

im Wege von Vereinbarungen zwischen dem jeweiligen Programm- und Produktions-<br />

bereich den Bedarf an internen Produktionsleistungen für einzelne Sendungen. Die<br />

Programmanmeldungen müssen dabei so lange angepasst werden, bis die Höhe der<br />

Produktionsfremdleistungen der Haushaltsvorgabe entspricht. Das von den Pro-<br />

grammdirektionen im Rahmen des Haushaltsplanungsprozesses beantragte Budget<br />

wird somit gekürzt.<br />

4 Beurteilung der internen Leistungsverrechung und<br />

Zwischenfazit<br />

Mit der Einführung der internen Leistungsverrechnung wurde die Geschäftsbeziehung<br />

zwischen Programm und Produktion klar definiert und auf eine verständliche Basis<br />

gestellt. Zuvor musste das Programm die Produktionsleistungen am externen Markt<br />

einkaufen, wenn der Produktionsbetrieb zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht über<br />

genügend eigene Sach- oder Personalmittel verfügte. Da dies im Gegensatz zur<br />

Inanspruchnahme der selbst erstellten Leistungen eine Kostenbelastung zur Folge<br />

hatte, führte das Mengenmodell häufig zu Diskussionen zwischen Programm und<br />

Produktion. Mit der internen Leistungsverrechnung werden die Programmbereiche<br />

nun auch mit den Kosten für die Inanspruchnahme der selbst erstellten Leistungen<br />

belastet. Damit sind aus Sicht der Programmbereiche alle Produktionsleistungen<br />

unmittelbar budgetrelevant. Die Rollen sind dabei jetzt klar beschrieben: Auf der einen<br />

Seite die Direktion Technik und Produktion, die als Dienstleister den Programm-<br />

direktionen sämtliche Produktionsleistungen bereitzustellen hat, welche sie in ihrem<br />

Leistungsartenkatalog anbietet, und hierbei auch für die Kosten von Fremdleistungen<br />

aufzukommen hat. Auf der anderen Seite die Programmkunden, deren Budget für die<br />

Inanspruchnahme dieser Leistungen mit den entsprechenden Kosten belastet wird.<br />

Die interne Leistungsverrechnung hat sich im Zusammenhang mit der Budgetierung<br />

der internen Produktionsleistungen stetig weiterentwickelt und ist heute ein zentrales<br />

Controlling-Instrument, das eine betriebswirtschaftliche Steuerung und Dimensio-<br />

nierung der internen Produktionsleistungen ermöglicht. Das Controlling der Direktion<br />

Technik und Produktion nutzt die Daten der internen Leistungsverrechnung konse-<br />

quent zur Steuerung seiner Kostenstellen. Durch die Transparenz der in den Produk-<br />

tionsbereichen angefallenen Kosten kann die Einhaltung der Haushaltseckwerte für die<br />

einzelnen Kostenstellen überprüft werden. Die interne Leistungsverrechnung ermög-<br />

licht unterjährig ein konsequentes Controlling der abfließenden Mittel für Fremdpro-<br />

duktionsleistungen auf der einen Seite und der abgenommenen Produktionsleistungen<br />

auf der anderen Seite. Zudem können die entstandenen Kosten den entsprechenden<br />

Erlösen auf Ebene der einzelnen Organisationseinheiten gegenübergestellt werden,<br />

was im Rahmen des in nachfolgenden Ausführungen dargestellten EZAM-Prozesses<br />

erfolgt. Die spezifischen Ergebnisse der einzelnen Organisationseinheiten geben dabei<br />

dem Controlling Aufschluss über die Auslastung des betrachteten Bereichs und


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 45<br />

sind damit zugleich eine der Quellen für die Planung der mittelfristigen Entwicklung<br />

der Personal- und Sachmittelressourcen. 1<br />

In den Programmdirektionen ermöglicht die interne Leistungsverrechnung ein stetiges<br />

Controlling der einzelnen Sendungen. Während zuvor nur die Programmdirektkosten<br />

der externen Dienstleister und die Mengen der internen Produktionsleistungen<br />

benannt werden konnten, kann jetzt ein Gesamtpreis je Produktion ermittelt werden.<br />

Dieser Gesamtpreis gibt sowohl den Programm- als auch den Produktionsbereichen<br />

eine deutlich höhere Sicherheit über die Kosten einer Produktion. Dabei wird während<br />

des Produktionsprozesses transparent, ob die Programmbereiche oder der Produk-<br />

tionsbetrieb für eventuell entstehende Mehrkosten verantwortlich sind. Diese Transpa-<br />

renz überträgt sich letztlich auf das Ergebnis der Programmredaktionen bzgl. ihres<br />

verbleibenden BPL-Budgets oder auf die Ergebnisse der einzelnen Abteilungen des<br />

Produktionsbetriebes. 2<br />

Im Ergebnis haben die Verrechnung und Budgetierung der internen Produktions-<br />

leistungen insbesondere bei der Erstellung von Fernsehproduktionen zu erheblichen<br />

Einsparungen geführt. Als Voraussetzung für eine Kostenoptimierung im<br />

Produktionsbetrieb werden hier die Programmanforderungen mittels Kürzungen der<br />

beantragten BPL-Budgets konsequent gesteuert und reduziert. Die deutlichen Optimie-<br />

rungen im Bereich Fernsehen dokumentiert der aktuelle KEF-Bericht: Die Produktions-<br />

betriebe Fernsehen des SWR konnten ihre absoluten Kosten von 1<strong>17</strong>,5 Mio. Euro im<br />

Jahr 1999 3 über 116,4 Mio. Euro im Jahr 2001 4 nochmals auf 101,6 Mio. Euro im Jahr<br />

2003 absenken. Auch ihre durchschnittlichen Kosten je hergestellter Sendeminute<br />

konnten sie von 529 Euro im Jahr 1999 auf 454 Euro im Jahr 2003 deutlich verringern. 5<br />

Mit dieser Reduzierung um insgesamt 75 Euro im betrachteten Zeitraum schnitt der<br />

SWR unter den ARD-Anstalten, die mit ihm von ihrer Betriebsgröße her vergleichbar<br />

sind, mit Abstand am besten ab. Hierzu zählt die Gruppe der Großbetriebe der ARD-<br />

Anstalten, worunter neben dem SWR der Bayerische Rundfunk (BR), der West-<br />

deutsche Rundfunk (WDR) sowie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) fallen. Die an-<br />

geführten Ergebnisse der Fernsehproduktionsbetriebe des SWR sind bei einer verglei-<br />

chenden Analyse umso höher einzuschätzen, da diese Kennzahl zugunsten ihrer<br />

einfachen Interpretierbarkeit viele Details und Besonderheiten einzelner Rund-<br />

funkanstalten vernachlässigen muss und dadurch der SWR tendenziell gegenüber den<br />

anderen Rundfunkanstalten benachteiligt wird: Zum einen bleibt unberücksichtigt,<br />

1 Vgl. Rombach, Michael: Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele, Voraussetzungen und Ergebnisse,<br />

unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden, 2004, Vortragsfolie 12.<br />

2 Vgl. hierzu auch Zimmermann 2005, S. <strong>17</strong>2 f.<br />

3 Vgl. KEF: 13. KEF-Bericht, Dezember 2001, S. 194, Tab. 53. Erhältlich im Internet unter:<br />

http://www.kef-online.de/inhalte/bericht13/13bericht.pdf [Zugriff am 27. 01.2006].<br />

4 Vgl. KEF: 14. KEF-Bericht, Dezember 2003, S. 284, Tab. 67. Erhältlich im Internet unter:<br />

http://www.kef-online.de/inhalte/bericht14/14bericht.pdf [Zugriff am 27. 01.2006].<br />

5 Vgl. KEF: 15. KEF-Bericht, Dezember 2005, Band 2, S. 112, Tab. 75. Erhältlich im Internet unter:<br />

http://www.kef-online.de/inhalte/bericht15/kef_15bericht_band2.pdf [Zugriff am 27.01.2006].


46 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

dass der SWR mehr als alle anderen Anstalten Programmprodukte in den „teuren“<br />

Genres wie der szenischen Produktion eigenproduziert, was folglich den Minutenpreis<br />

anhebt. Zudem besitzt der SWR gegenüber dem BR und WDR Kostennachteile, da er<br />

ebenso wie der NDR als Mehrländeranstalt Produktionsbetriebe an mehreren<br />

Standorten vorhalten muss. Des weiteren sind die Standortnachteile des SWR<br />

gegenüber allen anderen großen ARD-Anstalten zu berücksichtigen: Beinahe alle<br />

Produktionsdienstleistungen an den drei Medienstädten Hamburg, Köln und Mün-<br />

chen als Sitze des NDR, WDR und BR sind kostengünstiger zu beziehen als entspre-<br />

chende Leistungen an den Standorten Mainz, Baden-Baden und <strong>Stuttg</strong>art. Auch dies<br />

fließt nicht in die Kennzahlen mit ein. 1<br />

Der Autor Stephan Zimmermann widmete sich in seiner Dissertation „Prozessinnova-<br />

tion im öffentlich-rechtlichem Rundfunk: Die Bedeutung der Budgetierung für die<br />

Zukunft der öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktion“ einer Weiterentwicklung und<br />

Modifikation der KEF-Kennzahlen zur Verbesserung des Wirtschaftlichkeitsvergleichs<br />

der öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktionsbetriebe. Seine angeführten Analysen<br />

berücksichtigen erstmals in Erweiterung der KEF-Systematik die unterschiedlichen<br />

Produktportfolios der Anstalten, indem sie nach Herstellverfahren und Kosten je<br />

Herstellverfahren differenzieren. Bei Interpretation seiner Ergebnisse kommt auch er<br />

zu dem Schluss, dass sich der Fernsehproduktionsbetrieb des SWR mit der Einführung<br />

einer budgetwirksamen internen Leistungsverrechnung als Innovator in der Gruppe<br />

der Großbetriebe mit Abstand am deutlichsten optimiert hat. In dem von ihm betrach-<br />

teten Zeitraum von 1997 bis 2001 konnte er seine durchschnittlichen Kosten je Sende-<br />

minute um ca. 28 Prozent reduzieren und Netto-Einsparungen von insgesamt ca. 135<br />

Mio. DM verzeichnen. 2 Da für die Erstellung von Hörfunkprogrammen der Bedarf an<br />

Fremdleistungen vergleichsweise gering ist, wurde hier der Programmbedarf der<br />

zuständigen Redaktionen bisher nicht über Kürzungen der BPL-Budgets gesteuert. Die<br />

überaus positive Entwicklung im Fernsehbereich hat jedoch in jüngster Zeit beim SWR<br />

zu der Erwägung geführt, die konsequente Steuerung der BPL-Budgets auch beim<br />

Hörfunk einzuführen.<br />

Um die Verrechnung und Budgetierung der internen Produktionsleistungen beim<br />

SWR unter Beibehaltung ihrer jetzigen Leistungsfähigkeit sowohl im Hörfunk- als auch<br />

im Fernsehbereich stetig zu optimieren, beauftragte die Direktion Technik und<br />

Produktion gegen Ende des Jahres 2005 eine Arbeitsgruppe. Im Rahmen des Projektes<br />

„BPL-Review“ überprüfte sie das bestehende Regelwerk der internen Leistungs-<br />

verrechnung und zeigte Möglichkeiten für eine weitere Optimierung einzelner<br />

Bereiche auf. Als Leitlinie für ihre Empfehlungen orientierte sich die Arbeitsgruppe<br />

dabei immer am Gedanken der Gesamtsicht des SWR, nach dem die Partikular-<br />

interessen der verschiedenen Direktionen zugunsten einer für den gesamten SWR<br />

1 Vgl. hierzu auch Zimmermann 2005, S. 142, S. 189 sowie S. 214.<br />

2 Vgl. ebenda, S. 196 und S. 212.


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 47<br />

optimalen Lösung in den Hintergrund zu stellen sind. Um eine Einigung zwischen den<br />

einzelnen Parteien zugunsten der SWR-Gesamtsicht zu erzielen, legte die Arbeits-<br />

gruppe ihr Augenmerk im besonderen Maße auf eine klare Definition der<br />

unterschiedlichen Gesprächsebenen und Eskalationsstufen, so dass nur in Ausnahme-<br />

fällen Uneinigkeiten zwischen Programm und Produktion eine Entscheidung von<br />

Seiten der Direktoren bedürfen.<br />

5 Center-Steuerung der Produktionsbereiche über den<br />

EZAM-Prozess<br />

Nachdem sich eine gewisse Routine und Stabilität in der Anwendung der internen<br />

Leistungsverrechnung eingestellt hatte und sie im Zusammenhang mit der Budge-<br />

tierung insbesondere durch die Verknappung der budgetierten Produktionsleistungen<br />

und konsequente Kürzungen der BPL-Budgets ihre positiven Effekte auf Programm-<br />

und Produktionsseite entfalten konnte, entwickelte die Direktion Technik und<br />

Produktion gegen Ende des Jahres 2002 als zentrales Instrument zur weiteren<br />

Optimierung der Kostenstruktur ihrer Abteilungen im Fernseh- und Hörfunkbereich<br />

den EZAM-Prozess. Die Abkürzung EZAM steht hierbei für Eigenoptimierung, Ziele,<br />

Analyse und Maßnahmen. Damit sind die wesentlichen Elemente des Prozessablaufs<br />

von EZAM bereits benannt: Ziel ist die Eigenoptimierung der Produktionsbereiche.<br />

Auf Grundlage umfangreicher Analysen werden für jede Abteilung Ziele festgelegt<br />

und Maßnahmen zur Zielerreichung vereinbart. 1 Zur Erläuterung dieses Prozesses,<br />

dessen Systematik auf das Center-Konzept zurückgreift, werden nachfolgend zunächst<br />

die wesentlichen Grundlagen zur Center-Organisation erläutert.<br />

Grundlagen zur Center-Organisation<br />

Center-Konzepte dienen im allgemeinen der Bewältigung von Steuerungsproblemen in<br />

dezentralisierten Unternehmen. Häufig werden auch die Termini „Responsibility<br />

Center“ bzw. Verantwortungsbereiche verwendet. Sie bezeichnen zunächst organisa-<br />

torische Einheiten, deren Erfolgsbeitrag für das Gesamtsystem anhand vorzugsweise<br />

monetärer Indikatoren beurteilt wird. Als zweites Merkmal tritt die Übernahme von<br />

Verantwortung seitens der Bereichsleitung für alle ihrem Zuständigkeitsbereich<br />

zurechenbaren Handlungskonsequenzen hinzu, wodurch die Unternehmensführung<br />

die Legitimation zur Sanktionierung von Bereichsergebnissen erhält. 2 Der Center-<br />

Ansatz ist dabei ein auf den Profit-Center-Gedanken zurückgehendes Organisations-<br />

konzept. Da das Profit-Center-Konzept jedoch nicht immer in Reinform umgesetzt<br />

1 Vgl. SWR: o.V.: Bericht zum aktuellen Stand im EZAM-Prozess in der Direktion Technik und Produktion,<br />

unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 1.<br />

2 Vgl. Frese/Lehmann 2002, S. 1541.


48 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

werden kann, sind weitere Center-Konzepte entwickelt worden. 1 Sie unterscheiden<br />

sich im wesentlichen bezüglich des Verantwortungsbereiches der Center-Führung im<br />

Hinblick auf die Zahl der steuerbaren Größen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die<br />

Abgrenzung zwischen Profit Centern und Service Centern, da in der Praxis häufig<br />

Service Center als Profit Center bezeichnet werden 2 , obwohl sie gemäß ihrer Definition<br />

die Voraussetzungen für Profit Center nicht erfüllen. Entscheidendes Kriterium für die<br />

Unterscheidung beider Center-Konzepte ist die Frage, ob der betrachtete Teilbereich<br />

einen unmittelbaren Zugang zum externen Markt hat: Während Profit Center Schnitt-<br />

stellen nach außen besitzen, d.h. eine marktfähige Leistung auf dem externen Markt<br />

anbieten und auch selbständig Leistungen am Markt nachfragen, geben Service Center<br />

ihre Leistungen nur innerhalb des Unternehmens ab. 3 Sie erbringen folglich ausschließ-<br />

lich Dienstleistungen, um die Bedürfnisse anderer Teilbereiche zu befriedigen. Lassen<br />

sich ihre Leistungen nicht monetär bewerten, werden sie nur kostenverantwortlich<br />

geführt und stellen somit eine besondere Form von Cost Centern dar. Können die<br />

innerbetrieblichen Leistungen hingegen monetär verrechnet werden, kann der Erfolg<br />

des Service Centers wie bei Profit Centern durch die Gegenüberstellung der internen<br />

Erlöse und angefallenen Kosten gemessen werden. 4 Da man sich hierbei in der Regel<br />

der Fiktion eines internes Marktes bedient und auf diese Weise ein bereichseigener<br />

Marktzugang gewissermaßen nachgebildet wird, werden diese Center häufig in der<br />

Praxis sowie Literatur als Profit Center bezeichnet. 5<br />

Aus Sicht des Controlling können mit der Bildung eindeutig abgegrenzter Verantwor-<br />

tungsbereiche sowie der Definition hierauf abgestimmter Erfolgsindikatoren Effek-<br />

tivität und Effizienz der Aufgabenerfüllung der betroffenen Organisationseinheiten<br />

beurteilt und nachgewiesen werden. Die Einführung einer Center-Organisation führt<br />

folglich zu einer verbesserten Erfolgskontrolle einzelner Organisationseinheiten, was<br />

wiederum zu einem erhöhten Kostenbewusstsein der Mitarbeiter und Bereichsleiter<br />

sowie zu einer wirtschaftlicheren Ressourcennutzung in diesen Bereichen führen soll.<br />

Der gesonderte Erfolgsausweis bietet dabei sowohl aus Bereichssicht als auch aus der<br />

Perspektive der Unternehmensführung und des Controlling grundsätzlich die Mög-<br />

lichkeit einer verbesserten Steuerung der einzelnen Bereichsaktivitäten. 6 Die<br />

Anwendung von Center-Konzepten erhöht außerdem die Flexibilität des<br />

Unternehmens: der Entscheidungsprozess kann bereichsbezogen strukturiert werden,<br />

aufgrund verkürzter Kommunikationswege können Informationen schneller generiert<br />

und verarbeitet und somit erforderliche Anpassungen an Veränderungen des<br />

1 Vgl. Preißner 2002, S. 18.<br />

2 Vgl. hierzu auch ebenda, S. 20.<br />

3 Vgl. ebenda 2002, S. 22.<br />

4 Vgl. ebenda, S. 19.<br />

5 Vgl. beispielhaft Oelsnitz 2000, S. 55.<br />

6 Vgl. Frese 2000, S. 208.


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 49<br />

Marktes zeitiger erkannt und durchgeführt werden. 1 Die Einführung des Center-<br />

ansatzes führt zugleich zu neuen, erweiterten Anforderungen an das Controlling eines<br />

Unternehmens: Der Koordinationsbedarf der Unternehmensleitung steigt, zugleich<br />

gewinnt die Erfolgsermittlung an Bedeutung, da die Bereiche an ihren Ergebnissen<br />

gemessen und beurteilt werden. 2 Das Controlling hat dabei zunächst für eine<br />

geordnete Vorgehensweise beim Übergang der Verantwortung auf die Bereichsleiter<br />

zu sorgen. Zudem muss es in der Lage sein, die Führung bei der Steuerung ihrer<br />

dezentralen Organisationseinheiten durch geeignete Wahl von Controlling-Instru-<br />

menten zu unterstützen und sie zur operativen Beherrschung der neuen Instrumente<br />

oder Verfahren zu befähigen. 3<br />

Zu den wichtigsten operativen Controlling-Instrumenten, die zur Steuerung von<br />

Unternehmen beitragen, zählen Kennzahlen und Kennzahlensysteme. 4 Kennzahlen<br />

ermöglichen präzise Aussagen, indem sie wichtige Sachverhalte und Zusammenhänge<br />

quantifizierbar machen. Durch die Bereitstellung spezifischer Informationen sollen sie<br />

komplizierte Strukturen und Prozesse auf einfache Weise darstellen, um insbesondere<br />

der Unternehmensführung einen schnellen und umfassenden Überblick zu erlauben. 5<br />

Kennzahlensysteme wiederum umfassen zwei oder mehrere Kennzahlen, die in einer<br />

sinnvollen Beziehung zueinander stehen und sich somit einander ergänzen oder erklä-<br />

ren. Dadurch werden zum einen Mehrdeutigkeiten bei der Interpretation einzelner<br />

Kennzahlen ausgeschaltet und zum anderen die Auswirkungen einer Kennzahl auf<br />

eine andere Kennzahl sichtbar. Außerdem sind sie breiter angelegt als eine einzelne<br />

Kennzahl und erfassen somit die Komplexität eines Sachverhalts umfassender. 6<br />

Für das Controlling einer Center-Organisation mittels Kennzahlen sind folgende<br />

Aspekte von besonderer Bedeutung: Center stellen eine neue, meist kleinere und damit<br />

auch konkretere Bezugsbasis für die Kennzahlen dar. Die Kennzahlen können somit<br />

zuverlässiger ermittelt werden. Gleichzeitig steigt jedoch auch die Zahl der verfüg-<br />

baren und auszuwertenden Daten. Des weiteren ist ein Überblick über die einzelnen<br />

Center sowie deren Koordination erforderlich. Hierzu sind den Bereichsleitern klar<br />

abgegrenzte und realistische Ziele in Form von Vorgaben zu den angestrebten Kenn-<br />

zahlenwerten zuzuweisen, die auf die Gesamtziele des Unternehmens ausgerichtet<br />

sind und für die Führung der einzelnen Center maßgeblich sind. Die Bereichsleiter<br />

sind außerdem mit fachlichen Informationen zu versorgen, die auf ihren Einsatzbe-<br />

reich zugeschnitten sind. Für sie ergeben sich mit der Center-Organisation neue Auf-<br />

gaben, wobei sie den Einsatz von Kennzahlen auch erst üben müssen. Auf Basis<br />

1 Vgl. Schweitzer 1992, S. 2081-2082.<br />

2 Vgl. Schuster/ Mähler 2002, S. 600.<br />

3 Vgl. Friedrich 2003, S. 1<strong>17</strong>0-1<strong>17</strong>2.<br />

4 Vgl. Preißner 2002, S. 95.<br />

5 Vgl. Reichmann 1985, S. 15.<br />

6 Vgl. Weber 2001, S. 37.


50 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

der Kennzahlen als Vergleichswerte kann das Controlling zugleich gezielte Vergleiche<br />

der einzelnen Organisationseinheiten nach dem Prinzip des Benchmarking vor-<br />

nehmen. 1<br />

Übertragung der Center-Organisation auf die Produktionsbetriebe des SWR<br />

Im Mittelpunkt des EZAM-Prozesses steht der Vergleich zwischen den erbrachten und<br />

verrechneten BPL-Leistungen der einzelnen Abteilungen im Fernseh- und Hörfunk-<br />

bereich der Direktion Technik und Produktion und den in diesen Bereichen ausge-<br />

lösten Kosten. Die interne Leistungsverrechnung bildet somit die Basis für den EZAM-<br />

Prozess. 2 In der Praxis des SWR wird für die eingeführte Systematik auch des öfteren<br />

der Begriff des Profit-Center-Konzepts verwendet, da über diesen Vergleich der Erfolg<br />

der einzelnen Organisationseinheiten gemessen werden kann. Nach der angeführten<br />

Unterscheidung von Center-Konzepten trifft diese Bezeichnung jedoch nicht zu: Zwar<br />

besitzen die Produktionsbetriebe zum einen über den Einkauf von Fremdleistungen<br />

Zugang zu den externen Beschaffungsmärkten und können außerdem im Rahmen der<br />

Randnutzung ihre Leistungen am externen Markt anbieten, sofern diese von den<br />

eigenen Programmdirektionen nicht nachgefragt werden und ihr Angebot die Existenz<br />

privatwirtschaftlich organisierter Produktionsdienstleistungsbetriebe nicht gefährdet.<br />

Insofern besitzen die Produktionsbereiche neben dem Zugang zu den externen<br />

Beschaffungsmärkten und dem innerbetrieblichen Absatzmarkt, der über die Fiktion<br />

eines internen Marktes nachgebildet wird, auch einen Zugang zu den externen Absatz-<br />

märkten. Die auf den externen Absatzmärkten angebotenen Leistungen werden im<br />

Rahmen des EZAM-Kennzahlensystems jedoch nicht den Kosten der Produktions-<br />

bereiche gegenübergestellt. Als Steuerungsgrößen der einzelnen Abteilungen werden<br />

hier lediglich die intern verrechneten BPL’s herangezogen. Demzufolge werden die<br />

Produktionseinheiten des SWR gemäß der Center-Definition nicht als Profit Center,<br />

sondern als Service Center geführt. Als Dienstleister für die Programmbereiche kann<br />

ihr Erfolg beurteilt werden, indem ihre Leistungen über die Fiktion eines internen<br />

Marktes zu Marktpreisen in Rechnung gestellt und mit den angefallenen Kosten<br />

verglichen werden.<br />

Zielsetzungen des EZAM-Prozesses<br />

Die Ziele des EZAM-Prozesses lassen sich in einen ökonomischen und einen<br />

methodischen Aspekt differenzieren: Aus ökonomischer Sicht hat der EZAM-Prozess<br />

zum Ziel, in den einzelnen Abteilungen der Direktion Technik und Produktion, die<br />

ihre Leistungen intern an das Programm verrechnen, einen Rationalisierungsprozess in<br />

Gang zu setzen, der eine Reduktion der Kosten, eine Verbesserung des Kosten-<br />

Leistungsverhältnisses und eine Anpassung der Personalstruktur im Rahmen der<br />

1 Vgl. hierzu Preißner 2002, S. 22 sowie S. 95.<br />

2 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />

unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 51<br />

Zielgröße der Direktion Technik und Produktion zur Folge hat. 1 Ihr Einsatz soll<br />

verhindern, dass für diese Abteilungen im Rahmen des Haushaltsplanungsprozesses<br />

zu große Kostenblöcke als Budgets geplant werden und nur unzureichend unter dem<br />

Gesichtspunkt der Notwendigkeit ihres <strong>Beitrag</strong>es für die Leistungserbringung<br />

analysiert, kontrolliert und beurteilt werden. Die für die Dauer von einem Jahr zuge-<br />

wiesenen Budgets sollen daher auch unterjährig einem Steuerungsmechanismus<br />

unterliegen, der darauf ausgerichtet ist, dass die Produktionseinheiten ihre Leistungen<br />

mit möglichst geringen Kosten erbringen. Mit Hilfe des EZAM-Prozesses will das<br />

Controlling der Direktion Technik und Produktion seine Abteilungen auf ihre Struktur<br />

und Leistungsfähigkeit hin überprüfen und ihrer Effektivität und Effizienz bei der<br />

eigenen Leistungserstellung optimieren. Der Verknappung der budgetierten Produk-<br />

tionsleistungen soll nun die Reduktion der Kosten folgen, indem die jeweiligen<br />

Abteilungen bei rückläufigen BPL-Erlösen ihre Eigenkapazitäten an die verringerten<br />

Programmanforderungen anpassen. Erzielen die einzelnen Organisationseinheiten<br />

konstante BPL-Erlöse, sollen sie ebenfalls ihre Kosten reduzieren, indem sie effizienter<br />

und effektiver ihre Leistungen erstellen. Die ermittelten Kennzahlen pro Abteilung<br />

sollen dabei den zuständigen Führungskräften Anreize zur betriebswirtschaftlichen<br />

Optimierung ihrer Abteilung geben, indem sie nach dem Prinzip des Benchmarking<br />

über die drei Standorte hinweg einen Vergleich ihrer Abteilung mit denjenigen Abtei-<br />

lungen ermöglichen, die gleiche oder ähnliche Leistungen an das Programm erbringen.<br />

Bei Betrachtung des methodischen Aspektes handelt es sich bei EZAM nicht nur um<br />

ein Controlling-, sondern auch um ein Führungsinstrument. So wird EZAM nicht aus-<br />

schließlich vom Controlling als Instrument zur Erfassung und Auswertung von<br />

Informationen in Form regelmäßiger Controlling-Berichte eingesetzt, die dem Inten-<br />

danten und der Geschäftsleitung einen Überblick über die Leistungsfähigkeit der<br />

Produktionsbetriebe erlauben. EZAM soll in den einzelnen Produktionsbereichen auch<br />

für Ziele sorgen, die nachvollziehbar, messbar, realistisch und doch ambitioniert sind,<br />

und die konsequente Verfolgung der zur Zielerreichung notwendigen Schritte sicher-<br />

stellen. 2 Daher hat sich die Direktion Technik und Produktion bewusst dafür entschie-<br />

den, EZAM nicht, wie zunächst vorgesehen, als Projekt zu organisieren. Das Setzen<br />

von Zielen und die konsequente Verfolgung der zur Erreichung notwendigen Schritte<br />

sind originäre Führungsaufgaben. Deshalb ist EZAM als Prozess organisiert, in dem<br />

von Beginn an nicht Projektleiter und –gruppen des Controlling der Direktion Technik<br />

und Produktion die Arbeit und die Verantwortung übernehmen, sondern die zustän-<br />

1 Vgl. SWR: o.V.: Bericht zum aktuellen Stand im EZAM-Prozess in der Direktion Technik und Produktion,<br />

unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 1.<br />

2 Vgl. Rombach, Michael: Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und Produktion,<br />

unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden, 2005.


52 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

digen Führungskräfte. Lediglich die Erarbeitung der notwendigen Analysewerkzeuge<br />

wird im Rahmen von begleitenden Projekten vorgenommen. 1<br />

Die Leiter der Hauptabteilungen und Abteilungen sollen EZAM als zentrales Instru-<br />

ment zur Führung ihrer Einheiten einsetzen und sich somit selbst mit der betriebs-<br />

wirtschaftlichen Steuerung ihres Bereiches beschäftigen. Als Erfolgsrezept für eine<br />

hohe Akzeptanz auf Seiten der Führung hat sich das Controlling der Direktion Technik<br />

und Produktion infolge dessen zum Ziel gesetzt, den gesamten EZAM-Prozess<br />

möglichst einfach zu gestalten. Dies bedeutet zum einen, dass die zur Anwendung<br />

kommenden Kennzahlen leicht verständlich und auf eine übersichtliche Anzahl<br />

reduziert sind. Des weiteren hat der operative Aufwand für die Führungskräfte zur<br />

Erfüllung ihrer Aufgaben während der einzelnen Phasen des EZAM-Prozesses immer<br />

in einem angemessenen Verhältnis zu dem hieraus gewonnenen Nutzen zu stehen.<br />

Grundlegender Prozessablauf<br />

Der EZAM-Prozess, dessen Systematik in nachfolgenden Ausführungen erläutert wird,<br />

wurde zunächst nur für den Bereich Fernsehen gegen Ende des Jahres 2002 konzipiert<br />

und im Laufe des Jahres 2003 schrittweise in die Praxis eingeführt, da anfangs lediglich<br />

eine Behandlung der Fernsehproduktionsbereiche in EZAM vorgesehen war. Er<br />

konnte jedoch unter Anwendung der gleichen Systematik mit geringfügigen Modi-<br />

fikationen nach und nach auch auf die Hörfunkproduktionsbereiche übertragen wer-<br />

den, so dass heute Fernseh- und Hörfunkproduktionsbereiche in gleicher Weise dem<br />

EZAM-Prozess unterliegen. Gemäß dieser Systematik lässt sich der EZAM-Prozess in<br />

fünf aufeinander folgende Phasen gliedern (vgl. Abbildung 7).<br />

Abbildung 7: Prozessablauf von EZAM<br />

Prozessablauf Tätigkeiten<br />

Phase 1 Erarbeitung der Analysewerkzeuge<br />

Phase 2 Analyse der Abteilungen<br />

Phase 3 Festlegung der Ziele<br />

Phase 4 Erarbeitung der Maßnahmenpläne und der mittelfristigen Zeitplanung<br />

Phase 5 Umsetzung und Übergang in das Regelcontrolling<br />

1 Vgl. SWR: o.V.: Bericht zum aktuellen Stand im EZAM-Prozess in der Direktion Technik und Produktion,<br />

unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 2.


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 53<br />

In der ersten Phase des EZAM-Prozesses wurden zunächst die Analysewerkzeuge und<br />

Kennzahlen zur Festlegung der Kostenziele vereinbart. Im Ergebnis liegt den Fernseh-<br />

und Hörfunkproduktionsbereichen pro Abteilung ein Kennzahlensystem vor, mit dem<br />

die Kosten- und Leistungsstruktur der Abteilungen beschrieben werden kann (vgl.<br />

Abbildung 8). Dieses Kennzahlensystem umfasst zum einen eine Kennzahlengruppe,<br />

die sich auf den Personalbereich bezieht. Hierbei erfolgt eine Differenzierung zwischen<br />

Kennzahlen, die bestimmte Kostengrößen zueinander in Relation setzen, und Kenn-<br />

zahlen, die das Verhältnis der Personalkosten zu den Personalleistungen betrachten.<br />

Zudem beinhaltet es eine Kennzahl, die eine Aussage über die Sachmittelauslastung<br />

des betrachteten Bereichs ermöglicht sowie eine Kennzahl, die das Verhältnis der<br />

gesamten BPL-Leistungen, welche über die Bereitstellung von Personal- und Sach-<br />

mitteln erbracht wurden, zu den gesamten Kosten der einzelnen Abteilungen abbildet.<br />

Abbildung 8: Kennzahlen des EZAM-Prozesses<br />

Kennzahlengruppe Kennzahl Beschreibung / Anmerkung<br />

Personalbereich:<br />

K1: Personalkosten<br />

Overhead<br />

K2.1: feste budgetierte<br />

Peronalkosten<br />

K2.2: freie budgetierte<br />

Personalkosten<br />

K2.3: budgetierte<br />

Personalkosten Firmen<br />

K3.1: BPL Personal zu<br />

Personalkosten<br />

budgetiert<br />

K3.2: BPL Personal zu<br />

Personalkosten gesamt<br />

Sachmittelbereich:<br />

K4: Sachmittelauslastung<br />

K1 = (PKO / PKG) x 100%<br />

K2.1 = (PKFeB / PKB) x 100%<br />

K2.2 = (PKFrB / PKB) x 100%<br />

K2.3 = (PKFiB / PKB) x 100%<br />

K3.1 = BPL Personal / PKB<br />

K3.2 = BPL Personal / PKG<br />

K4 = (BPL Sachmittel –<br />

Kapazitätsausgleich Sachmittel) /<br />

Eigenkapazität x 100%<br />

Gibt den Anteil der für Overheadleistungen<br />

aufgewendeten Personalkosten an den<br />

gesamten Personalkosten fest, frei und<br />

Firmen an.<br />

Gibt den Anteil der Personalkosten im<br />

budgetierten Bereich an, der durch feste<br />

Mitarbeiter ausgelöst wird.<br />

Gibt den Anteil der Personalkosten im<br />

budgetierten Bereich an, der durch freie<br />

Mitarbeiter ausgelöst wird.<br />

Gibt den Anteil der Personalkosten im<br />

budgetierten Bereich an, der durch Firmen<br />

ausgelöst wird.<br />

Gibt an, wie hoch die erbrachten BPL<br />

Personal im Verhältnis zu den<br />

budgetierten Personalkosten sind.<br />

Gibt an, wie hoch die erbrachten BPL<br />

Personal im Verhältnis zu den gesamten<br />

Personalkosten sind.<br />

Kennzahlenbildung als Durchschnitt über<br />

die gesamte Abteilung bzw. des jeweiligen<br />

Teilbereichs, keine Differenzierung nach<br />

Leistungsarten.


54 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

Gesamtkostenorientierte<br />

Kennzahl:<br />

K5: Leistung zu<br />

Gesamtkosten<br />

K5 = BPL gesamt / GK<br />

Weicht von der strengen Systematik der<br />

Kennzahlen K1 bis K4 ab. Sie enthält auch<br />

Kostenbestandteile, die keiner näheren<br />

Überprüfung unterzogen werden können,<br />

wie z.B. die Abschreibungen.<br />

Erläuterung:<br />

PKO = Personalkosten Overhead<br />

PKG = Gesamtpersonalkosten = PKO + PKB (ohne PK Nicht-ILV-Bereiche, da im Vorfeld abgetrennt)<br />

PKB = Personalkosten budgetiert = PKFeB + PKFrB + PKFiB<br />

PKFeB = Personalkosten der festangestellten, budgetierten Mitarbeiter; PKFrB = Personalkosten der<br />

freien, budgetierten Mitarbeiter; PKFiB = Personalkosten Firmen im budgetierten Bereich<br />

BPL Personal = Summe der vom Bereich erbrachten BPL im Bereich Personal<br />

BPL Gesamt = BPL Personal + BPL Sachmittel; GK = Gesamtkosten = Netto-Budget + Abschreibungen +<br />

Personalkosten + Raumumlage + AV + sonstige Kosten nicht Mittelverwaltung<br />

In der zweiten Phase des EZAM-Prozesses erfolgte eine Analyse der einzelnen Abtei-<br />

lungen des Fernseh- und Hörfunkproduktionsbetriebes. Zur Definition der Kosten-<br />

begriffe von EZAM, die dann in die Bildung der Kennzahlen eingehen, wurden in<br />

einem ersten Schritt die Kostenstellen der einzelnen Abteilungen in ILV-Bereiche,<br />

Overhead-Bereiche sowie Nicht-ILV-Bereiche gegliedert. 1 So wurden beispielsweise<br />

die Kostenstellen der Abteilungsleiter dem Overhead-Bereich zugeordnet, da sie in<br />

ihrer betrieblichen Funktion als Führungskraft keine Leistungen erbringen, die<br />

budgetiert und intern verrechnet werden. Neben der Leitung umfasst der Overhead-<br />

Bereich beispielsweise auch das Sekretariat und die Disposition. Die Nicht-ILV-<br />

Bereiche umfassen die Bereiche, die keiner Nachfragesteuerung unterliegen und somit<br />

nicht intern an das Programm verrechnet werden. Hierzu zählen die Sendeabwicklung<br />

in Baden-Baden und die Schalträume. Sie gehen nicht in die Kennzahlen von EZAM<br />

ein und wurden daher bereits zu Beginn von den ILV- und Overhead-Bereichen, die<br />

Bestandteil des EZAM-Kennziffernsystems sind, abgetrennt. Zur praktischen Durch-<br />

führung dieses ersten Schrittes der Definition der Analysebereiche hatte der<br />

Abteilungsleiter in Abstimmung mit dem Hauptabteilungsleiter und der Produktions-<br />

wirtschaft nachfolgende Tabelle auszufüllen (vgl. Abbildung 9):<br />

1 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 5.


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 55<br />

Abbildung 9: Gliederung der Kostenstellen in ILV-, Overhead- und Nicht-ILV-Bereiche 1<br />

Kostenstelle Bezeichnung Anmerkung Nicht-ILV-<br />

Bereich<br />

K624600 Bereich FS<br />

Bearbeitung<br />

Abteilung<br />

Knoten<br />

K624631 Bereich<br />

Fernsehen<br />

Cutter<br />

K624651<br />

u.s.w.<br />

Bereich<br />

Fernsehen<br />

Schnittplätze<br />

ILV-Bereich Overhead-<br />

Bereich<br />

X<br />

X<br />

Kennzahlen<br />

K1-K5<br />

Mit dieser Tabelle wurde die gesamte Abteilung, orientiert am geltenden<br />

Kostenstellenaufbau, den in EZAM verwendeten Begrifflichkeiten zugeordnet. In der<br />

zweiten Spalte der Tabelle waren zunächst alle im Kostenstellenplan aufgeführten<br />

Kostenstellen aufzulisten. Die drei Spalten Nicht-ILV-Bereich, ILV-Bereich und Over-<br />

head-Bereich mussten für jede Kostenstelle bis auf die so genannten Knoten-<br />

kostenstellen 2 und die reinen Planungskostenstellen angekreuzt werden. Die zu<br />

erhebenden Kennzahlen legt die letzte Spalte der Tabelle fest. Hierzu wurde bereits im<br />

ersten Schritt durch die jeweilige Produktionswirtschaft in Abstimmung mit dem<br />

zuständigen Abeilungsleiter und Hauptabteilungsleiter ein Vorschlag für die Fest-<br />

legung des Kennzahlenrasters erarbeitet. Dabei sollte im Grundsatz gelten, dass für<br />

jede Kostenstelle der Abteilung die Kennzahlen erhoben werden, die für diese Kosten-<br />

stelle eine Aussagefähigkeit haben. 3<br />

Der Grund für die vorgesehene Erhebung der Kennzahlen auf Kostenstellenebene war<br />

die unterschiedliche Aufstellung vergleichbarer Abteilungen über die Standorte hin-<br />

weg. Beispielsweise gehört die Synchronisation in <strong>Stuttg</strong>art und Baden-Baden zur<br />

Abteilung Bearbeitung, in Mainz zur Abteilung Ton. Außer den Abteilungen Grafik,<br />

Design und Ausstattung sind keine Abteilungen über die drei Standorte hinweg gleich<br />

aufgestellt. Die Kennzahlen auf Kostenstellenebene sollten hier helfen, eine Vergleich-<br />

barkeit der einzelnen Abteilungen herzustellen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die<br />

Kennzahlenerhebung jedoch nur auf Abteilungsebene relevant. Kennzahlen auf Ebene<br />

der einzelnen Kostenstellen werden zwar in einzelnen Abteilungen erhoben, sind aber<br />

bisher noch nicht für einen Vergleich herangezogen worden.<br />

1 Eigene Darstellung in Anlehnung an SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument,<br />

SWR, Baden-Baden, 2003, S. 5.<br />

2 Die Knoten fassen dabei mehrere Kostenstellen zusammen. Die gesamten Kostenstellen einer Abteilung werden<br />

durch den so genannten Abteilungsknoten abgebildet.<br />

3 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 4.


56 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

Nach Bearbeitung der Tabelle wurde diese an die Hauptabteilung Zentrale Aufgaben<br />

weitergegeben. Dort wurde letztlich entschieden, welche Aufteilung für die jeweilige<br />

Abteilung vorgenommen wird und welche Kennzahlen zu erheben sind. 1 Die Auf-<br />

teilung in die drei Bereiche ILV, Nicht-ILV und Overhead und die Festlegung des<br />

Kennzahlenrasters erfolgte dabei für vergleichbare Abteilungen über die drei Stand-<br />

orte hinweg möglichst einheitlich, um auf Basis der Kennzahlen trotz unterschiedlicher<br />

Aufstellung der Abteilungen die Voraussetzungen für einen Vergleich einzelner Abtei-<br />

lungen zu schaffen.<br />

Falls die Aufteilung der Abteilung in ILV- und Overhead-Bereiche einerseits und<br />

Nicht-ILV-Bereiche andererseits nicht stringent über die Kostenstellenzuordnung<br />

erfolgen konnte, weil beispielsweise in einer Kostenstelle sowohl ILV- als auch Nicht-<br />

ILV-Personal verbucht wird, so musste eine Detailbetrachtung erfolgen. 2 Hierzu hatte<br />

der zuständige Abteilungsleiter zunächst nachfolgende Tabelle auszufüllen (vgl.<br />

Abbildung 10):<br />

Abbildung 10: Korrektur zur Abgrenzung der Overhead- und ILV-Bereiche zu den Nicht-ILV-<br />

Bereichen 3<br />

von KST<br />

(ILV-Bereich oder<br />

Overhead-Bereich)<br />

nach KST<br />

(Nicht-ILV-Bereich)<br />

zu verlagernde Personalkosten<br />

im Berichtsjahr<br />

Anmerkungen<br />

634253 634210 87.000 € PK Sendeabwicklung<br />

Summe<br />

von KST<br />

(Nicht-ILV-Bereich)<br />

Summe<br />

nach KST<br />

(ILV-Bereich oder<br />

Overhead-Bereich)<br />

zu verlagernde Personalkosten<br />

im Berichtsjahr<br />

Anmerkungen<br />

Der erste Teil der Tabelle beschreibt, welche Personalkosten aus welcher Kostenstelle<br />

des ILV- oder Overhead-Bereiches herauszunehmen sind und welcher Kostenstelle des<br />

Nicht-ILV-Bereichs diese Kosten zuzurechnen sind. Im zweiten Teil der Tabelle waren<br />

die Korrekturen in umgekehrter Richtung anzugeben. Im Ergebnis ermöglicht die<br />

Tabelle in Verbindung mit der Aufteilung der Kostenstellen eine eindeutige Beziffer-<br />

1 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 4.<br />

2 Vgl. ebenda, S. 6. Grundsätzlich sollte jedoch nur in den Fällen eine Korrektur vorgenommen werden, denen auch<br />

eine relevante Quantität an Personalkosten zugrunde liegt.<br />

3 Eigene Darstellung in Anlehnung an SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument,<br />

SWR, Baden-Baden, 2003, S. 6.


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 57<br />

ung der Personalkosten der Kostenstellen des Overhead- und ILV-Bereiches sowie des<br />

Nicht-ILV-Bereiches. 1<br />

Für die Definition des Overhead-Bereiches hatte der Abeilungsleiter in bestimmten<br />

Fällen weitere Korrekturen vorzunehmen. Nachfolgende Abbildung 11 gibt einen<br />

Überblick über die vorzunehmenden Korrekturen:<br />

Abbildung 11: Korrekturen zur Definition des Overhead-Bereiches 2<br />

Hinzurechnung:<br />

Overheadleistungen<br />

außerhalb der<br />

Abteilung<br />

Kürzung:<br />

Nicht-ILV-<br />

Leistungen des<br />

Overhead-Bereiches<br />

Nicht-ILV-Bereich<br />

(-)<br />

(+)<br />

Die Kürzung der Nicht-ILV-Leistungen aus dem Overhead-Bereich und Hinzurech-<br />

nung dieser Leistungen in den Nicht-ILV-Bereich erfolgte bereits mit vorangehender<br />

Tabelle zur Abgrenzung der Overhead- und ILV-Bereiche zu den Nicht-ILV-Bereichen.<br />

Mit der Hinzurechnung von Overheadleistungen außerhalb der Abteilungen sind die-<br />

jenigen Fälle gemeint, in denen eine Overheadfunktion einer anderen Abteilung zuge-<br />

ordnet ist. 3 Im nachfolgenden Beispiel wäre dies die für diese Abteilung zuständige<br />

Produktionswirtschaft (vgl. Abbildung 12).<br />

1 In der Spalte Anmerkungen war dabei eine kurze Beschreibung des Sachverhaltes zu geben, der zur Verlagerung der<br />

Personalkosten (PK) geführt hat. Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes<br />

Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 6.<br />

2 Eigene Darstellung in Anlehnung an SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument,<br />

SWR, Baden-Baden, 2003, S. 7.<br />

(+)<br />

Overhead-Bereich<br />

3 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 8.<br />

(+)<br />

(-) (-)<br />

Hinzurechnung:<br />

Overheadleistungen des<br />

ILV-Bereiches<br />

(-)<br />

(+)<br />

ILV-Bereich<br />

Kürzung:<br />

ILV-Leistungen des<br />

Overhead-Bereiches


58 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

Abbildung 12: Zuordnung von Overheadleistungen, die nicht Teil der Abteilung sind 1<br />

von KST nach KST Overhead<br />

der hier analysierten<br />

Abteilung<br />

zu verlagernde Personalkosten<br />

im Berichtsjahr<br />

Anmerkungen<br />

630120 634510 8.000 € Honorarabrechnung<br />

Summe<br />

Von der Hinzurechnung von Leistungen in den Overhead-Bereich, die Mitarbeiter des<br />

ILV-Bereiches für den Overhead-Bereich ihrer Abteilung erbringen, bzw. von der<br />

Kürzung der Leistungen aus dem Overhead-Bereich, die Mitarbeiter des Overhead-<br />

Bereiches für den ILV-Bereich ihrer Abteilung erbringen, sollte nur Gebrauch gemacht<br />

werden, wenn relevante Anteile zu korrigieren waren. 2 Die Verlagerungen waren mit<br />

nachfolgender Tabelle zu beschreiben (vgl. Abbildung 13):<br />

Abbildung 13: Korrekturen der Overheadkosten um anteilige Overheadleistungen von Mitarbeitern<br />

des ILV-Bereiches und/oder anteilige ILV-Leistungen von Mitarbeitern<br />

des Overhead-Bereiches 3<br />

von KST nach KST zu verlagernde Personalkosten<br />

im Berichtsjahr<br />

Anmerkungen<br />

634631 634610 25.000 € Vertretung Disposition<br />

Summe<br />

Im letzten Schritt der Analyse sichteten die zuständigen Hauptabteilungsleiter und<br />

Abteilungsleiter mit Unterstützung der jeweiligen Produktionswirtschaft die Analyse-<br />

ergebnisse. Nach Freigabe durch den Hauptabteilungsleiter wurden die Ergebnisse der<br />

ermittelten Kennzahlen an die Hauptabteilung Zentrale Aufgaben übermittelt. 4 Basis<br />

für alle Zahlenwerte, die in die Kennzahlen eingingen, war dabei die Ist-Situation der<br />

Abteillungen des Jahres 2002. Diese Kennzahlen bildeten die Ausgangslage für die<br />

dritte Phase des EZAM-Prozesses. In dieser Phase verglich der Direktor der Direktion<br />

Technik und Produktion zunächst die EZAM-Kennzahlen derjenigen Abteilungen, die<br />

an den jeweiligen Standorten ähnliche oder gleiche Leistungen für das Programm<br />

erbringen. Die geplanten Zielgrößen für die folgenden Jahre orientierten sich an den<br />

jeweils besten Abteilungsergebnissen und wurden vom Direktor der Technik und<br />

1 Eigene Darstellung in Anlehnung an SWR : o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes<br />

Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 8.<br />

2 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 8.<br />

3 Eigene Darstellung in Anlehnung an SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument,<br />

SWR, Baden-Baden, 2003, S. 8.<br />

4 Vgl. SWR: o.V.: Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-Baden, 2003, S. 4.


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 59<br />

Produktion in Abstimmung mit den Hauptabteilungsleitern vorgegeben. Die Vorgaben<br />

wurden hierbei nicht in relativen Größen für alle Bereiche identisch formuliert, wie<br />

beispielsweise eine einheitliche Zielvorgabe in Form der Reduktion der Personalkosten<br />

um zehn Prozent. Vielmehr gab der Direktor einen absoluten und auf jede Abteilung<br />

spezifisch ausgerichteten Zahlenwert vor. Dabei war zu berücksichtigen, dass an den<br />

drei Standorten für vergleichbare Abteilungen unterschiedliche Bedingungen vor-<br />

liegen können und die Zielvorgaben je nach Standort entsprechend anzupassen waren.<br />

Mit Formulierung der Zielvorgaben für die Abteilungen begann die vierte Phase des<br />

EZAM-Prozesses. In dieser Phase waren die Hauptabteilungsleiter für die Erarbeitung<br />

der Maßnahmen, die aus ihrer Sicht zur mittelfristigen Erfüllung der Zielvorgaben<br />

notwendig sind, und für eine konkrete Zeitplanung für die Durchführung dieser Maß-<br />

nahmen verantwortlich.<br />

In der letzten Phase des EZAM-Prozesses erfolgt gegenwärtig der Übergang in das<br />

Regelcontrolling. Zentraler Bestandteil dieser Phase ist die jährliche Vorstellung der<br />

EZAM-Kennzahlen und der durchgeführten sowie geplanten Maßnahmen durch die<br />

Abteilungsleiter in der Hauptabteilungsrunde der Direktion Technik und Produktion.<br />

Für die Bereiche gilt es nun, ihre Zielvorgaben auf mittelfristige Sicht, d.h. in einem<br />

Zeitraum von bis zu fünf Jahren, zu erreichen. Zielsetzung dabei ist, dass im Ergebnis<br />

vergleichbare Abteilungen möglichst einheitliche Kennzahlen aufweisen. Der geplante<br />

Zeitraum von bis zu fünf Jahren ist notwendig, da gerade im Personalbereich der fest<br />

angestellten Mitarbeiter oft nicht kurz-, sondern nur mittelfristig reagiert werden kann.<br />

Die Ermittlung der Kennzahlen findet dabei in einem zeitlichen Abstand von einem<br />

Jahr statt. Damit die Abteilungsleiter rechtzeitig Veränderungen ihrer Kennzahlen<br />

erkennen, mit denen dann auch kritisch umgegangen wird, erstellen die Produktions-<br />

wirtschaften bereits zur Jahresmitte eine Hochrechnung. Der zeitliche Abstand der<br />

Kennzahlenermittlung von mindestens einem halben Jahr ist hier ebenfalls notwendig,<br />

damit Veränderungen der Kennzahlen, die auf umgesetzte Maßnahmen im Personal-<br />

bereich zurückzuführen sind, sichtbar sind.<br />

Mit der regelmäßigen Vorstellung der EZAM-Kennzahlen in der Hauptabteilungs-<br />

runde soll im Ergebnis ein in sich geschlossener Steuerungskreis geschaffen werden,<br />

der die Abteilungsleiter durch die eigenständige Erarbeitung, Umsetzung und regel-<br />

mäßigen Vorstellung notwendiger Maßnahmen in der Hauptabteilungsrunde zu einer<br />

aktiven Steuerung ihrer Abteilungen veranlasst. Mit dem jährlichen Vortrag ihrer<br />

Ergebnisse in der Hauptabteilungsrunde wird den Abteilungsleitern die Möglichkeit<br />

geboten, ihre Leistungen der vergangenen Periode unmittelbar gegenüber der<br />

Direktion vorzutragen. In einem gemeinsamen Gespräch der Führungskräfte soll hier-<br />

bei eine kollegiale Beratung und Meinungsäußerung zu den Konzepten der Abtei-<br />

lungsleiter anderer Standorte ermöglicht und im Ergebnis ein Konsens zwischen den<br />

Führungskräften bzgl. ihrer Konzepte erzielt werden. Mit Weitergabe der Ziel-<br />

vorgaben an ihre Mitarbeiter sollen sie für die Durchsetzung der Maßnahmen


60 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

sorgen und somit die Kennzahlenergebnisse ihrer Abteilungen kontinuierlich<br />

verbessern.<br />

6 Beurteilung des EZAM-Prozesses und Ausblick<br />

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht hat das Controlling der Direktion Technik und<br />

Produktion mit dem EZAM-Kennzahlensystem ein Werkzeug entwickelt, mit dem es<br />

die Kostenstruktur der einzelnen Abteilungen im Fernseh- und Hörfunkbereich, die<br />

ihre Leistungen intern an das Programm verrechnen, sowie ihre Effizienz und<br />

Effektivität bei der Leistungserstellung unterjährig überprüfen kann. Mit Hilfe der<br />

Kennzahlen als Bezugsgrößen kann das Controlling gezielt Vergleiche derjenigen<br />

Abteilungen an den unterschiedlichen Standorten vornehmen, die gleiche oder ähn-<br />

liche Leistungen an das Programm erbringen, und somit die einzelnen Bereiche zu<br />

unternehmerischem Denken und Handeln motivieren. Damit sind die Voraus-<br />

setzungen geschaffen, dass der Verknappung der budgetierten Produktionsleistungen<br />

in Zukunft eine kontinuierliche Reduktion der Kosten folgt.<br />

Bei Betrachtung des methodischen Aspektes des EZAM-Prozesses ist es der Direktion<br />

Technik und Produktion gelungen, die Führung bei der Steuerung ihrer dezentralen<br />

Organisationseinheiten mit Hilfe der Vorgabe weniger und operativ leicht beherrsch-<br />

barer Kennzahlen zu unterstützen. Mit der Organisation von EZAM als Prozess liegt<br />

die Verantwortung nicht beim Controlling, sondern beim Direktor der Direktion<br />

Technik und Produktion und den jeweiligen Haupt- und Abteilungsleitern. Der Direk-<br />

tor hat als originäre Führungsaufgabe in den einzelnen Bereichen für klar abgegrenzte,<br />

realistische und doch ambitionierte Ziele zu Sorgen. Für die Abteilungsleiter gilt es, die<br />

Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele zu erarbeiten, die hierfür notwendigen<br />

Schritte einzuleiten und ihre konsequente Verfolgung sicherzustellen.<br />

Für einen wirkungsvollen Einsatz des EZAM-Prozesses als Führungsinstrument, der<br />

auch in Zukunft in einem zunehmend schwierigerem Umfeld einen wesentlichen<br />

<strong>Beitrag</strong> zur wirtschaftlichen Optimierung der Produktionsbetriebe des SWR leisten<br />

soll, hat sich dieser daran zu orientieren, die sich abzeichnenden Entwicklungen der<br />

nächsten zehn bis fünfzehn Jahre frühzeitig zu erkennen, um den Rahmenbe-<br />

dingungen der Direktion Technik und Produktion gerecht zu werden. Die künftigen<br />

wirtschaftlichen Entwicklungen, die für den Bestand öffentlich-rechtlicher Rund-<br />

funkanstalten von essentieller Bedeutung sind, lassen sich wie folgt skizzieren: Es ist<br />

davon auszugehen, dass in Zukunft die Diskussionen über die Gebührenfinanzierung<br />

des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht nur anhalten, sondern zunehmen werden<br />

und sich die Differenz aus kontinuierlich ansteigender Teuerungsrate und geringer<br />

ansteigenden Gebühreneinnahmen auch weiterhin vergrößern wird. Zudem werden<br />

künftig ohnehin demographisch bedingte Einbußen bzgl. der Einnahmen aus<br />

Gebühren hinzunehmen sein. Im Ergebnis werden die zur Verfügung stehenden<br />

Finanzmittel auch in Zukunft knapper werden. Für die Direktion Technik und


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 61<br />

Produktion bedeutet dies, dass als Folge die BPL-Anforderungen der Programm-<br />

bereiche bei den Produktionsbetrieben der Direktion Technik leicht, jedoch stetig<br />

zurückgehen werden und auch zurückgehen werden müssen. Auf der anderen Seite<br />

werden sich die Programme verstärkt gegenüber der Konkurrenz im öffentlich-<br />

rechtlichen wie auch im privaten Rundfunksektor behaupten müssen. Hierfür werden<br />

sie mehr denn je einen leistungsfähigen Produktionsbereich benötigen, der nach dem<br />

Gebot der Wirtschaftlichkeit die knapper werdenden Finanzmittel effizient einsetzt<br />

und trotz rückläufigen Gebühren ein quantitativ und qualitativ optimales Programm<br />

produziert.<br />

Auf den EZAM-Prozess übertragen könnte diese Strategie ihren Niederschlag dahin-<br />

gehend finden, dass jeder Abteilungsleiter neben der üblichen Darstellung der Kenn-<br />

zahlenergebnisse und durchgeführten Maßnahmen des vergangenen Jahres sowie der<br />

Planungen für das nächste Jahr eine Darstellung folgender zwei Szenarien vorlegt: Im<br />

ersten Szenarium wird gezeigt, wie sich die Kennzahlenergebnisse pro Abteilung in<br />

den nächsten vier Jahren voraussichtlich entwickeln werden, wenn in dem betrach-<br />

teten Zeitraum der BPL-Umsatz konstant bleibt. In einem zweiten Szenarium werden<br />

die Kennzahlenergebnisse für die nächsten vier Jahre bei jährlich um ca. zwei Prozent<br />

zurückgehenden BPL-Umsätzen vorgetragen. Auf diese Weise könnten die Auswir-<br />

kungen oben genannter Entwicklungen auf die künftigen Ergebnisse der Produktions-<br />

bereiche des SWR aufgezeigt werden. Die Einzelheiten, welche Sachverhalte in welcher<br />

Form in diesen Szenarien zu beschreiben wären, könnten in einer Arbeitsgemeinschaft<br />

erarbeitet werden.<br />

Entscheidend für den langfristigen Erfolg und die Zukunftsfähigkeit des EZAM-<br />

Prozesses ist dabei, dass ausnahmslos alle Führungskräfte den Grundsatzgedanken<br />

verstehen, der hinter diesem Konzept steht, diesen langfristig als Leitidee annehmen<br />

und entsprechend ihr Verhalten darauf ausrichten. Diesbezüglich ist ausdrücklich zu<br />

betonen, dass sich unternehmerisches Denken und Handeln beim SWR als öffentlich-<br />

rechtliche Rundfunkanstalt nicht auf die Gewinnmaximierung und damit auf die<br />

Einnahmenseite konzentriert und auch nicht konzentrieren darf, sondern ausschließ-<br />

lich auf die Ausgabenseite, also der Senkung und Steuerung der Kosten.<br />

Damit werden der Grundsatzgedanke und zugleich die Grenzen dieses Konzeptes<br />

deutlich: Die einzelnen Abteilungen der Direktion Technik und Produktion können<br />

und dürfen ihre Effizienz nicht durch Umsatzmaximierungen steigern, sondern nur<br />

durch eine Optimierung der eigenen Kostenstruktur. Eine Kostenreduktion bei<br />

konstanten BPL-Einnahmen ist daher einer Steigerung der BPL-Umsätze bei steigen-<br />

den Kosten, vor allem Fixkosten, unbedingt vorzuziehen. Konkret bedeutet dies, dass<br />

für die Abteilungsleiter nicht die Wahrung des Betriebstandes, sondern Rationali-<br />

sierung auch durch die Verringerung des bisherigen Betriebstandes im Vordergrund<br />

stehen sollte. Um den Rückgang der zur Verfügung stehenden Mittel künftig<br />

zumindest teilweise zu kompensieren und weiterhin die Produktion erfolgreicher Pro-<br />

gramme sicherzustellen, muss sich die Führungsaufgabe verstärkt auf die


62 Michaela Schüler / Edgar H. Tritschler<br />

Rationalisierung ihrer Bereiche konzentrieren. Vorgehaltene Eigenkapazitäten sollten<br />

langfristig an die Einnahmen anpasst werden. Mehr noch als bisher ist hierbei zu<br />

beachten, dass die Produktionsbereiche ihre Flexibilität erhalten und damit auf<br />

Umsatzschwankungen reagieren können. Demzufolge sollten künftig insbesondere<br />

solche Umsatzsteigerungen vermieden werden, die nur temporärer Natur sind, jedoch<br />

zu einer dauerhaften Erhöhung der Fixkosten im Personal- und Sachmittelbereich<br />

führen und somit eine Verringerung der Flexibilität in diesen Bereichen nach sich<br />

ziehen. Langfristige Investitionen in Sachmittel oder ihre Aufrechterhaltung bei nur<br />

geringem Beschäftigungsgrad sollten ebenso wie eine dauerhafte Bindung von Per-<br />

sonal überdacht werden. Letztere dürfte ebenfalls nur dann erfolgen, wenn sie auf<br />

langfristige Sicht notwendig und zweckmäßig ist. Letztendlich sollten alle Maßnah-<br />

men, die in den Produktionsabteilungen dauerhaft Kapital binden oder längerfristig<br />

Kosten verursachen, auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden.<br />

Literatur<br />

Frese, Erich (2000): Grundlagen der Organisation: Konzept – Prinzipien – Strukturen, 8. Aufl.,<br />

Wiesbaden (Gabler Verlag).<br />

Frese, Erich (2001): Die Produktionssteuerung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten im<br />

Spannungsfeld von Markt und Plan, in: Kops, Manfred (Hrsg.)(2001): Produktions-<br />

steuerung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunk-<br />

ökonomie an der Universität zu Köln, Heft 144, Köln, S. 9-27.<br />

Frese, Erich/Lehmann, Patrick (2002): Profit Center, in: Küpper, Hans-Ulrich/Wagenhofer,<br />

Alfred (Hrsg.)(2002): Handwörterbuch Unternehmensrechnung und Controlling, 2. Band, 4.<br />

Aufl., <strong>Stuttg</strong>art (Schäffer-Poeschel Verlag), Sp. 1540-1551.<br />

Frese, Erich (2004): Plan- und Marktsteuerung in der Unternehmung: Interne Märkte im<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Wiesbaden (Deutscher Universitätsverlag).<br />

Friedrich, Rainer (2003): Centeransatz zur Führung und Steuerung dezentraler Einheiten, in:<br />

Bullinger, Hans-Jörg/Warnecke, Hans Jürgen/Westkämper, Engelbert (Hrsg.)(2003): Neue<br />

Organisationsformen im Unternehmen, Ein Handbuch für das moderne Management, 2.<br />

Aufl., Berlin, Heidelberg, New York (Springer Verlag), S. 1153-1183.<br />

Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (Hrsg.): 13. KEF-Bericht vom Dezember 2001. Im<br />

Internet unter: http://www.kef-online.de/inhalte/bericht13/13bericht.pdf [27.01.2006].<br />

Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (Hrsg.): 14. KEF-Bericht vom Dezember 2003. Im<br />

Internet unter: http://www.kef-online.de/inhalte/bericht14/14bericht.pdf [27.01.2006].<br />

Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (Hrsg.): 15. KEF-Bericht vom Dezember 2005,<br />

Band 1 und 2. Im Internet unter: http://www.kef-online.de/inhalte/bericht15/kef_15bericht_<br />

band1.pdf (Band 1)<br />

http://www.kef-online.de/inhalte/bericht15/kef_15bericht_band2.pdf (Band 2) [27.01.2006]


Controlling-Instrumente zur Center-Steuerung der SWR-Produktion 63<br />

Oelsnitz, Dietrich (2000): Marktorientierte Organisationsgestaltung: Eine Einführung. <strong>Stuttg</strong>art<br />

(Verlag W. Kohlhammer).<br />

Preißner, Andreas (2002): Profit Center managen. Transparenz schaffen – Erfolg steigern –<br />

Mitarbeiter motivieren. München, Wien (Carl Hanser Verlag).<br />

Reichmann, Thomas (1985): Controlling mit Kennzahlen. Grundlagen einer systemgestützten<br />

Controlling-Konzeption. München (Verlag Franz Vahlen).<br />

Schweitzer, Marcel (1992): Profit-Center, in: Frese, Erich (Hrsg.): Handwörterbuch der<br />

Organisation, 2. Band, 3. Aufl., <strong>Stuttg</strong>art (Schäffer-Poeschel Verlag), Sp. 2078-2089.<br />

Schuster, Peter/Mähler, Daniela (2002): Profit Center und Verrechnungspreise, in: Controller<br />

Magazin, 27. Jg., H. 6, S. 600-603.<br />

Weber, Manfred (2001): Kennzahlen: Unternehmen mit Erfolg führen, 2. Aufl., Planegg (WRS<br />

Verlag für Wirtschaft, Recht, Steuern).<br />

Zimmermann, Stephan (2005): Prozessinnovation im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die<br />

Bedeutung der Budgetierung für die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktion,<br />

Berlin (Logos-Verlag).<br />

SWR-interne Materialien:<br />

Hoffmann, Klaus (2005): Wirtschaftliche Aspekte von Hörfunk und Fernsehen,<br />

unveröffentlichte Präsentation, SWR, Mainz.<br />

Pfeiffer, Jürgen (2005): Controlling/Controller in der Produktion, unveröffentlichte Präsentation,<br />

SWR, Baden-Baden.<br />

Rombach, Michael (2004): Interne Leistungsverrechnung im SWR: Grundzüge, Ziele,<br />

Voraussetzungen und Ergebnisse, unveröffentlichte Präsentation, SWR, Baden-Baden.<br />

Rombach, Michael (2005): Betriebswirtschaftliche Steuerung in der Direktion Technik und<br />

Produktion, unveröffentlichter interner Aufsatz, SWR, Baden-Baden.<br />

Südwestrundfunk (o.V.)(2003a): Bericht zum aktuellen Stand im EZAM-Prozess in der<br />

Direktion Technik und Produktion, unveröffentlichtes internes Dokument, SWR, Baden-<br />

Baden.<br />

Südwestrundfunk (o.V.)(2003b): Leitfaden zur EZAM-Analyse, unveröffentlichtes internes<br />

Dokument, SWR, Baden-Baden.<br />

Südwestrundfunk (o.V.)(2005): Budgetierungsregeln des SWR, unveröffentlichtes internes<br />

Dokument, SWR, Baden-Baden..<br />

Voß, Peter (2005): Haushaltsplan 2005, aufgestellt vom SWR-Intendanten Peter Voß gemäß § 34<br />

SWR-Staatsvertrag, zit. als SWR-Haushaltsplan 2005.


Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 65<br />

Edgar H. Tritschler<br />

Controlling als qualitatives Rating-<br />

Kriterium<br />

Controlling hat sich in deutschen Unternehmen allgemein als notwendige betriebliche Funktion<br />

etabliert; „notwendig“ im etymologischen Sinne von „Not wendend“. Dem Controlling kommt<br />

in dieser Definition sowohl in funktionaler als auch institutioneller Hinsicht zentrale<br />

Bedeutung zu. Es soll existenzsichernde Kräfte entfalten, als „Frühwarnsystem“ auf drohende<br />

Zielkollisionen bzw. Planabweichungen hinweisen und im Krisenfall dazu beitragen, dass<br />

Gefährdungsursachen erkannt und – zumindest partiell – behoben werden können.<br />

Dieser hohe Stellenwert kam dem Controlling nicht immer zu, Funktion und Institution<br />

mussten sich in vielen – zumal kleineren – Unternehmen erst ihren Weg bahnen, bis ihre<br />

vernunftbestimmte Existenz das heutige Maß der Selbstverständlichkeit erreicht hatte. Einen<br />

vergleichbar „steinigen Weg“ müssen heute Rating-Analyse, Rating-Dokumentation und<br />

Rating-Kommunikation gehen, die besonders in KMU in noch erheblichem Umfang als zusätz-<br />

liche Bürokratie empfunden werden. Sowohl Detailkenntnisse wie auch Umsetzungsgrad sind<br />

noch unzureichend 1 . Der Bankenapparat als fordernder und i. d .R. stärkerer Partner hat sich in<br />

zwar sehr unterschiedlicher Qualität, tendenziell aber noch zu wenig auf die Rating-Probleme<br />

ihrer Firmenkunden eingestellt 2 , die gerade in diesem sensiblen Bereich erforderliche<br />

Transparenz fehlt noch weitgehend.<br />

Die im Folgenden anzusprechenden Rating-Regeln enthalten klare Vorschriften für das Bank-<br />

wesen, die Controlling-Praxis in Unternehmen zu bewerten.<br />

1 Controlling-Definitionen<br />

Controlling-Begriff<br />

Der Begriff „Controlling“ erscheint in der Literatur so vielfältig wie seine praktischen<br />

Ausprägungen. Eine prägnante Beschreibung veröffentlicht der Internationale Control-<br />

ler Verein: „Controlling bedeutet Steuern oder Regeln. Das heißt Führen zum<br />

praktischen Erreichen der vereinbarten Ziele.“ 3 „Der Controller sorgt dafür, dass jeder<br />

sich selbst kontrollieren kann im Rahmen der erarbeiteten Ziele und Pläne.“ 4<br />

1 Vgl. z.B. Handelsblatt v. 15.08.2006: „Unternehmen stehen unvorbereitet vor Basel II“.<br />

2 Vgl. z.B. Financial Times Deutschland v. 06.07.2006: „Bundesbank fordert Sparkassen zu besserem Rating auf“.<br />

3 Vgl. http://www.controllerverein.com/_cmsdata_cache/cms_50.html (Abruf: 19.09.2006)<br />

4 Vgl. ebenda.


66 Edgar H. Tritschler<br />

Als weitere Ausführungen aus dieser Quelle sollen das Controller-Leitbild und die<br />

Aufgaben- und Rollenverteilung zitiert werden, um sie in dieser Struktur später<br />

wieder aufzugreifen:<br />

„Controller ...<br />

• sorgen für Strategie-, Ergebnis-, Finanz-, Prozesstransparenz und tragen somit<br />

zu höherer Wirtschaftlichkeit bei;<br />

• koordinieren Teilziele und Teilpläne ganzheitlich und organisieren unter-<br />

nehmensübergreifend das zukunftsorientierte Berichtswesen;<br />

• moderieren und gestalten den Management-Prozess der Zielfindung, der<br />

Planung und der Steuerung so, dass jeder Entscheidungsträger zielorientiert<br />

handeln kann;<br />

• leisten den dazu erforderlichen Service der betriebswirtschaftlichen Daten- und<br />

Informationsversorgung;<br />

• gestalten und pflegen die Controlling-Systeme.“ 1<br />

„Die Aufgaben- und Rollenverteilung zwischen Manager und Controller im Team<br />

wird durch das Bild der Schnittmenge deutlich. Die Manager betreiben etwas, die Con-<br />

troller sorgen für Einsehbarbeit in das wirtschaftliche Ergebnis. Hier zeigt sich, dass<br />

nicht die Controller allein das Controlling betreiben. Das Controlling als Prozess und<br />

Denkweise liegt in der Schnittmenge. Es entsteht durch Manager und Controller im<br />

Team (Controlling als angewandte Betriebswirtschaft):<br />

Controlling ergibt sich dabei als Schnittmenge der Funktionen des Managers einerseits<br />

(ergebnis-, finanz-, prozess- und strategieverantwortlich) und des Controllers anderer-<br />

seits (verantwortlich für Ergebnis-, Finanz-, Prozess- und Strategie-Transparenz).“ 2<br />

Strategisches und operatives Controlling<br />

Die Planung und Festlegung von betrieblichen Zielvereinbarungen ist Aufgabe des<br />

strategischen Controlling, mit dem das Management bei der Strategieentwicklung und<br />

-umsetzung unterstützt wird. Shareholder- und Stakeholderinteressen sind hierbei von<br />

gleichwertigem Interesse. Hauptaufgabe des strategischen Controllings ist die lang-<br />

fristige Existenzsicherung von Unternehmen, wobei die zugrunde gelegten Prämissen<br />

regelmäßig mit der eingetretenen Unternehmenswirklichkeit abzugleichen sind.<br />

Diesem Aspekt kommt insofern eine steigende Bedeutung zu, als in vielen Unter-<br />

nehmen durch kürzer werdende Innovationszyklen die Unternehmensszenarien einem<br />

fortlaufenden Wandel unterzogen sind.<br />

1 Controller-Leitbild der IGC International Group of Controlling, Fassung vom 14.09.2002, zitiert in vorstehender<br />

Quelle (vgl. Fn. 3).<br />

2 Vgl. http://www.controllerverein.com/_cmsdata_cache/cms_50.html (Abruf: 19.09.2006)


Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 67<br />

Das operative Controlling befasst sich vorrangig mit der laufenden und der nächsten<br />

Rechnungsperiode. Wie in anderen Zusammenhängen auch (z.B. Unternehmens[wert]-<br />

analysen) findet seit einigen Jahren ein Wandel von der vergangenheits- zur<br />

zukunftsorientierten Sicht der Dinge statt. Üblicherweise befasst das operative<br />

Controlling (vor dem Hintergrund der Unternehmensentwicklung der letzten Jahre)<br />

sich mit dem laufenden und dem künftigen Geschäftsjahr. Dabei besteht eine<br />

auffallende Kohärenz zwischen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen und recht-<br />

lichen Anforderungen aus dem Aktienrecht. Denn diese gewandelte Controlling-<br />

Perspektive deckt sich z.B. mit der zeitlichen Dimension des Lageberichts gem. § 289<br />

AktG:<br />

„(1) Im Lagebericht sind der Geschäftsverlauf einschließlich des<br />

Geschäftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so darzustellen, dass<br />

ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. ...<br />

Ferner ist im Lagebericht die voraussichtliche Entwicklung mit ihren<br />

wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern; zugrunde<br />

liegende Annahmen sind anzugeben.<br />

(2) Der Lagebericht soll auch eingehen auf:<br />

1. Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Schluss des<br />

Geschäftsjahrs eingetreten sind; ...“<br />

Zentrales und dezentrales Controlling<br />

Die Effizienz von Controlling-Abteilungen bzw. -funktionen spiegelt sich oft auch in<br />

ihren organisatorischen Ansiedlungen wider. Eine aufbauorganisatorische Zuordnung<br />

zu den zentralen Managementfunktionen – zumal in größeren Unternehmen – ist<br />

einerseits Ausdruck der Notwendigkeit ihrer Einbindung in strategische Unterneh-<br />

mensentscheidungen (als Lieferant hoch verdichteter betriebswirtschaftlicher Daten<br />

und Informationen), andererseits (als Empfänger, Verteiler) dafür, dass über sie<br />

Prozesse der Unternehmenskommunikation und -information stattfinden müssen, die<br />

inhaltlich und zeitlich koordiniert verlaufen müssen.<br />

Die Zentralfunktion Controlling wird bei größeren Unternehmen durch dezentrale<br />

Controlling-Funktionen unterstützt. Je nach Betriebsgröße und -struktur sind sie not-<br />

wendige Bestandteile eines unternehmensweiten schlüssigen Controlling-Konzepts.<br />

Ihre Existenz ist u. a. für die Plausibilitätsprüfung im Rating-Prozess von Banken ein<br />

Indiz dafür, ob „Top-Down- und Bottom-Up-Prozesse“ Gegenstand der Controlling-<br />

praxis eines Unternehmens sind. Dazu später mehr.<br />

Dezentrales Controlling kann aus der Sicht beurteilender Banken zwingend<br />

erforderlich sein, wenn z.B. aufgrund einer gegebenen Betriebsgröße und/oder –struk


68 Edgar H. Tritschler<br />

tur ein zentrales (Konzern-)Controlling offenbar überfordert wäre. Mittels Kenn-<br />

zahlensystemen 1 werden empirisch gewonnene Daten und Informationen generiert<br />

sowie betriebswirtschaftliche Sollgrößen definiert. Soweit möglich, finden komparable<br />

Kennzahlen auch für unternehmensübergreifende (Branchen)Analysen und für die<br />

unternehmensinterne Bereichs- und Abteilungssteuerung Verwendung.<br />

Funktional fokussiertes Controlling<br />

Vorrangig im Bereichs- oder Abteilungscontrolling werden ressortzentrierte Teilauf-<br />

gaben angesiedelt, um Verantwortung und Kompetenz für Controlling-Aufgaben<br />

möglichst eng an die delegierten Fachaufgaben zu binden. Dies ist eine wesentliche<br />

Voraussetzung für einen möglichst hohen Identifikationsgrad von Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern bei der Wahrnehmung ihrer Fach- und Führungsaufgaben und<br />

harmonisiert deren individuelle Ziele mit übergeordneten strategischen Unterneh-<br />

menszielen.<br />

Als Beispiele für funktional fokussiertes Controlling sollen hier (alphabetisch, ohne<br />

Wertung der innerbetrieblichen Bedeutung) genannt werden:<br />

• Finanz- und Rechnungswesen,<br />

• Informationstechnologie,<br />

• Investition und Finanzierung,<br />

• Logistik,<br />

• Marketing,<br />

• Ökologie und Nachhaltigkeit,<br />

• Personal- und Sozialwesen,<br />

• (incl. Personalentwicklung, Aus- und Weiterbildung),<br />

• Produktion,<br />

• Projektmanagement,<br />

• Recht und Steuern.<br />

Angesichts des in vielen Unternehmen gegebenen hohen Differenzierungsgrades in<br />

der Leistungserbringung kommt den hier beispielhaft genannten Teilfunktionen des<br />

Controllings eine wachsende Bedeutung zu. Diese Ausdifferenzierung betrieblicher<br />

(Controlling)Prozesse bildet sich sui generis durch steigende Anforderungen des<br />

Marktes und immer kürzer werdender Innovationszyklen. Auf der anderen Seite<br />

spiegelt sich darin auch das allgemein angestiegene Bildungsniveau des Personals<br />

wider: die Akademisierung vieler Ausbildungsgänge und fortschreitende professio-<br />

nelle Weiterbildung bilden ein Wissenspotenzial, aus dem – insbesondere durch<br />

Nachwuchskräfte – wertvolle Impulse für die Effizienz von Controllingaktivitäten in<br />

der Unternehmenswirklichkeit generiert werden können.<br />

1 Z.B. PIMS (Profit Impact of Market Strategies) und DuPont-System of Financial control.


Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 69<br />

2 Europa lebt – Globalisierung ist Wirklichkeit<br />

Ein – insbesondere für KMU – in großen Teilen völlig neuer Anforderungsrahmen für<br />

die allgemeine Unternehmenstätigkeit und damit auch für das Unternehmens-<br />

controlling ergibt sich aus der politischen bzw. rechtlichen Europawirklichkeit, die von<br />

vielen (Entscheidungsträgern in) Unternehmen erst allmählich wahrgenommen wird.<br />

Die Überlagerung der nationalen Rechtspraxis durch europäisches und ggf.<br />

internationales Recht wird insbesondere in den oben erst- bzw. letztgenannten<br />

Bereichen „Finanz- und Rechnungswesen“ sowie „Recht und Steuern“ deutlich. Ohne<br />

hier auf den weithin zu vernehmenden Generalvorwurf der zunehmenden Büro-<br />

kratisierung der Unternehmenswelt durch die europäische Rechtsprechung eingehen<br />

zu können, ist festzustellen, dass Führungs- und Spezialkräfte von Unternehmen sich<br />

häufig überfordert fühlen und auf die Beratung z.B. durch steuer- und unterneh-<br />

mensberatende Berufe angewiesen sind.<br />

Wenn dieser Teilabschnitt etwas journalistisch u. a. mit „Europa lebt“ überschrieben<br />

ist, so ist dies zunächst etwas Positives; die politisch-ökonomische Wirklichkeit hat sich<br />

aus den Visionen der Gründerväter Europas entwickelt und stellt ohne Zweifel eine<br />

der größten politischen Leistungen der Nachkriegszeit dar; sie dürfte von der ganz<br />

überwiegenden Mehrheit der Menschen in den europäischen Staaten grundsätzlich<br />

akzeptiert und mit positiven Empfindungen belegt sein. Bei dem Versuch einer<br />

Bewertung der politisch-administrativen Wirklichkeit hingegen stößt man allenthalben<br />

auf Vorbehalte, die möglicherweise mehr der Unkenntnis oder Unsicherheit ent-<br />

stammen und diesem Jahrhundertwerk der europäischen Harmonisierung von recht-<br />

lichen Rahmenbedingungen nicht gerecht werden. Dennoch ist es ein Faktum, dass die<br />

Umsetzung europäischer und/oder internationaler Regelungen in den betrieblichen<br />

Alltag oft mit technisch-organisatorischen Schwierigkeiten und teils erheblichen Kos-<br />

tenbelastungen einhergeht.<br />

So betrachtet ist folglich auch die Anpassung der strategischen und operativen<br />

Controlling-Funktionen an die veränderten Rahmenbedingungen eine der großen<br />

betriebswirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Vor dieser Dimension stehen<br />

auch die Anforderungen an die Evaluation bestehender Systeme und Praktiken. Wenn<br />

von der inzwischen hochgradig spezialisierten Wirtschaftsprüfung erwartet werden<br />

kann, dass sie zwischen dem „Dschungel der Eurokratie“ einerseits und den Unter-<br />

nehmensrealitäten andererseits evaluierend und beratend vermitteln kann, so stellen<br />

sich für die hier anzusprechenden Beteiligten, nämlich der Bankenapparat einerseits<br />

und die Unternehmenswelt andererseits, sehr komplexe Fragen.


70 Edgar H. Tritschler<br />

Deutsche Unternehmen sind – ihrer Anzahl nach – zu fast hundert Prozent mittel-<br />

ständisch geprägt. Löst man sich von einer mehr umgangssprachlichen Definition, so<br />

gelten nach einer EU-Definition 1 folgende Schwellenwerte:<br />

• Kleinstunternehmen sind Unternehmen, die<br />

• weniger als 10 Mitarbeiter und<br />

• einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme<br />

• von höchstens 2 Mio. Euro haben;<br />

• Kleine Unternehmen sind Unternehmen, die<br />

• weniger als 50 Mitarbeiter und<br />

• einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme<br />

• von höchstens 10 Mio. Euro haben;<br />

• Mittlere Unternehmen sind Unternehmen, die<br />

• weniger als 250 Mitarbeiter und<br />

• einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro oder<br />

• eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro haben.<br />

Diese Definition wird seit dem 1. Januar 2005 in den Gemeinschaftspolitiken der EU,<br />

insbesondere bei den Regeln für staatliche Beihilfen angewendet. Es hat seinen Grund,<br />

warum die Europäische Kommission darauf hinweist, dass „die Europäische Inves-<br />

titionsbank, der Europäische Investitionsfonds und die Mitgliedsstaaten aufgefordert<br />

sind, sich bei allen Programmen für KMU an diese Definition zu halten.“ Denn immer<br />

wieder wird von Mittelstand gesprochen und geschrieben, wenn es um Unternehmen<br />

z.B. von bis zu 500 Mitarbeitern geht, die sich im Interesse einer Teilhabe an<br />

(finanziellen) Mittelstands-Förderprogrammen gerne (und gelegentlich nur dann)<br />

dieser immens wichtigen Gruppe zugehörig fühlen Diese mögen mittelständischer<br />

Herkunft und Prägung sein, sie gehören aber nicht (mehr) zum – nun endlich definier-<br />

ten – Kreis der typischen KMU.<br />

Dies zu betonen ist schiere Pflicht, wenn es um den Themenkomplex Controlling geht.<br />

Denn gerade im deutschen Mittelstand (der im internationalen Vergleich sonst nir-<br />

gendwo eine vergleichbare Stellung einnimmt) tritt der Unterschied in der Wahrneh-<br />

mung von Controlling-Aufgaben deutlicher hervor.<br />

Controlling ist zwar grundsätzlich in Bewusstsein und Praxis. Mit einem zunächst rein<br />

quantitativen Ansatz belegt eine Studie der IT-Unternehmensberatung „Konzept &<br />

Lösung GmbH, Köln“ 2 auf der Basis von Daten von 2002/2003 die personelle Aus-<br />

gestaltung des Controlling in KMU (vgl. Abbildung 1).<br />

1 Vgl. Empfehlung der EU-Kommission vom 06.05.2003 „betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der<br />

kleinen und mittleren Unternehmen“, ABl der EU L 124/36 vom 20.05.2003.<br />

2 zitiert nach Behr, Patrick/Fischer, Jörg: Basel II und Controlling – Ein praxisorientiertes Konzept zur Basel II-<br />

konformen Unternehmenssteuerung, Wiesbaden 2005, S. 116.


Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 71<br />

Abbildung 1: Controlling-Mitarbeiter in KMU (Anteil in Prozent)<br />

Die der Abbildung 1 zu entnehmende Aussage, dass z.B. in 38 % der KMU 1–2<br />

Mitarbeiter mit Controlling-Aufgaben befasst sind, ist zunächst nur eine Moment-<br />

aufnahme; sie erlangt erst Aussagekraft im Kontext mit den KMU-Strukturdaten:<br />

Tabelle 1: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte nach Beschäftigtengrößenkassen<br />

KMU-<br />

mehr als 10 Mitarbeiter: 10 %<br />

Größenklasse<br />

Kleinstbetriebe<br />

Kleinbetriebe<br />

Mittlere Betriebe<br />

KMU gesamt<br />

2004 (in Tsd.) – Deutschland –. 1<br />

1 2 3 4 5<br />

Betriebe mit<br />

... bis zu ...<br />

Beschäftigte<br />

Anzahl<br />

Anteile in % Anteil in %<br />

an KMU<br />

Beschäftigten<br />

001 – 004 2.507.011 009,5 13,8<br />

005 – 009 2.314.319 008,7 12,8<br />

010 – 019 2.555.282 009,6 14,1<br />

020 – 049 3.673.<strong>17</strong>0 013,8 20,2<br />

050 – 099 3.084.619 011,6 <strong>17</strong>,0<br />

100 – 249 3.999.609 015,1 22.1<br />

001 - 249<br />

18.134.010<br />

068,3<br />

250 - 499<br />

ergänzend:<br />

2.721.035 010,3<br />

Große Betriebe 500 - 999 2.138.775 008,1<br />

1.000 und<br />

mehr<br />

3.530.162 013,3<br />

insgesamt 26.523.982 100,0<br />

100,0<br />

1 Vgl. zu Spalten 1-4: http://www.ifm.uni-mannheim.de/unter/fsb/eckdaten/hb3/2004/D_III_1_04.pdf (Abfrage am<br />

23.09.2006).<br />

5-10 Mitarbeiter: 13 %<br />

3-5 Mitarbeiter: 38 %<br />

keine Mitarbeiter: 1 %<br />

1-2 Mitarbeiter 38 %


72 Edgar H. Tritschler<br />

Die Gesamtschau der Abb. 1 mit Tab. 1 lässt – vereinfachend – folgende grobe Über-<br />

legung zu: Etwa ein Viertel (26,6 %) der KMU arbeiten als Kleinstbetriebe (mit weniger<br />

als 10 Beschäftigten). Da aber ausweislich der o. g. Studie (vgl. Abb. 1) nur 1 % der<br />

KMU ohne Controllingfunktion sind, würde bereits für die kleinste KMU-Größe eine<br />

gesonderte Controllingfunktionen mitgeteilt worden sein, die dort vermutlich in den<br />

meisten Fällen von der Geschäftsleitung wahrgenommen wird.<br />

Ein starkes Drittel (34,3 %) der KMU sind Kleinbetriebe mit bis zu 49 Beschäftigten,<br />

ihnen können aus dem Kreisdiagramm in etwa die Blöcke mit bis zu 5 Controlling-<br />

Mitarbeitern zugeordnet werden. Die weiteren Angaben, nämlich 5 – 10 oder mehr<br />

Mitarbeiter in dieser Funktion gehören wohl überwiegend in die letzten Kategorie mit<br />

über 100 Beschäftigten (22,1 % der KMU). Eine detailliertere Erhebung wäre von Inter-<br />

esse.<br />

Die sich logisch anschließende Frage richtet sich auf die Intensität der wahrgenom-<br />

menen Controllingaufgaben. Die genannte Studie kommt für die KMU zu dem Ergeb-<br />

nis, dass in den Unternehmen in 23 % monatlich, 46 % quartalsweise und 31 % jährlich<br />

ein Soll-/Ist-Vergleich mit Plan-/Ist-Korrekturen vorgenommen wird, was zutreffend<br />

als „ein wenig vorteilhaftes Bild über die Umsetzung des Controllings im Mittelstand“ 1<br />

bezeichnet wird. Das unternehmerische Verständnis, was Controlling sei, geht weit<br />

auseinander. Der Schwerpunkt liegt nach den Ergebnissen dieser Studie deutlich auf<br />

dem operativen, sehr stark am Rechnungswesen orientierten Controlling:<br />

Abbildung 2: Verbreitung von Controlling-Konzepten in deutschen KMU<br />

Strategisches<br />

Controlling<br />

Operatives<br />

Controlling<br />

Erfolgscontrolling<br />

Kostenrechnung<br />

1 Behr/Fischer, a.a.O., S. 1<strong>17</strong>.<br />

0 10 20 30 40 50 60 70


Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 73<br />

Die KuL-Studie 2005 1 belegt, dass der deutsche Mittelstand sich auf professionellere<br />

Controlling-Konzepte ausgerichtet hat. Hieraus einige neuere Erkenntnisse:<br />

• 42 % der KMU investieren in den Controllingbereich und planen die An-<br />

schaffung von standardisierter Controlling-Software;<br />

• Tabellenkalkulationsprogramme werden immer seltener als Controlling-Tools<br />

eingesetzt;<br />

• (noch 26 % der Studienteilnehmer setzen ausschließlich diese ein);<br />

• auf standardisierte Software-Lösungen vertrauen mittlerweile 41 % der Unter-<br />

nehmen;<br />

• 52 % der befragten Unternehmen vertrauen bei der Implementierung von stan-<br />

dardisierten Lösungen auf die Beratung von externen Dienstleistern.<br />

Diese Studie wurde allerdings bei „mittelständischen Unternehmen mit Umsätzen von<br />

bis zu 500 Millionen Euro“ durchgeführt, was die veröffentlichten Erkenntnisse<br />

erheblich relativiert. Denn bei Analysen über den „Mittelstand“ oder über „KMU“ soll-<br />

ten die inzwischen europaweit vereinbarten Schwellenwerte von bis zu 250 Beschäf-<br />

tigten und einem Jahresumsatz von bis zu 50 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von<br />

höchstens 43 Mio. Euro auch strikt angewandt werden. Die in der „jährlichen durch-<br />

geführten“ KuL-Studie, die für sich in Anspruch nimmt, die „einzige ihrer Art in<br />

Deutschland“ zu sein, sollte – wenn sie mit ihren Analysen über diese Schwellenwerte<br />

aus sicher plausiblen Gründen hinausgeht – die Größenordnung innerhalb der EU-<br />

Definition auch explizit nennen.<br />

Abschließend soll erwähnt werden, dass auf die nicht unwesentlichen Fragen des<br />

fachlichen und disziplinarischen Weisungsrechts in der Wahrnehmung von Con-<br />

trollingaufgaben im Rahmen dieses Aufsatzes nicht eingegangen wird.<br />

1 Vgl. www.KuL-online.de (Abruf: 23.09.2006).


74 Edgar H. Tritschler<br />

3 Rating als betriebswirtschaftliches Instrumentarium und<br />

Kulturwandel<br />

Auf die Wiedergabe allgemein zugänglicher Rating-Definitionen wird an dieser Stelle<br />

verzichtet. Durch breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit von Kreditinstituten, Kammern,<br />

Steuer- und Unternehmensberatungen sowie Weiterbildungsinstituten ist weithin<br />

geläufig, dass damit unter Zugrundlegung von quantitativen und qualitativen<br />

Kriterien die Messung von Ausfallwahrscheinlichkeiten im Kreditgeschäft gemeint ist,<br />

die in eine Fülle von bankenaufsichtlichen Handlungsdirektiven und -empfehlungen<br />

für den Finanzdienstleistungssektor einmündet. Die mit den Schlagworten „Basel I“<br />

und „Basel II“ bzw. „Rating“ zu verbindenden neuen Anforderungen des Gesetz-<br />

gebers bzw. des Bankenapparats sind hinreichend kommuniziert.<br />

Bevor die aktuellen praktischen Rating-Verhältnisse zu besprechen sind, sollen die<br />

Unterschiede bzw. die Bedeutung zweier grundlegender Begriffspaare kurz erläutert<br />

werden:<br />

Externes und bankinternes Rating<br />

Von der ursprünglichen Absicht des Basel-Kommitees, nur externe Ratings zuzulassen,<br />

hat man dank der massiven Intervention hauptsächlich der Sparkassen- und<br />

Volksbanken-Organisationen Abstand genommen und das bankinterne Rating als<br />

gleichwertige Alternative zugelassen. Während diese beiden typischen Mittel-<br />

standsbankorganisationen mit ihren Firmenkunden in teils jahrelanger Geschäfts-<br />

verbindung stehen und deren Verhältnisse präzise kennen (sollten), hätte die exklusive<br />

Zulassung externer Rating-Agenturen eine Bevorteilung zu Lasten des Mittelstands<br />

dargestellt, die sich (bei völlig anderen Wirtschaftsstrukturen wie z.B. in den USA)<br />

diese Begutachtung gar nicht hätte leisten können.<br />

Bei Betrachtung des eigentlichen Mittelstandes (Def. s.o.) ist die eingetretene Praxis des<br />

Ratings durch die Hausbank zunächst als eigentlich ideale Vernunftslösung anzu-<br />

sehen. Das Rating ist für die Kunden nicht mit unmittelbaren Kosten verbunden, die<br />

Hausbanken können auf Daten und Informationen aus der täglichen Bankpraxis<br />

zurückgreifen und sie in ihre Rating-Datenbanken einfließen lassen. Die Kritik an der<br />

Praxis des bankinternen Ratings entzündet sich u.a. daran, dass viele für das Rating<br />

relevante und bei den Banken grundsätzlich zu vermutenden Kundeninformationen<br />

nicht systematisch verfügbar sind und deswegen neu erhoben werden müssen. Das bei<br />

der Abwehr des exklusiven externen Ratings hauptsächlich eingebrachte Argument,<br />

die Hausbanken seien gegenüber externen Ratingagenturen genau in diesem Punkt im<br />

Vorteil, der an die Kunden in Form von kostengünstigen Verfahren weitergegeben<br />

werden könne, relativiert sich mit den zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen.


Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 75<br />

Qualitative und quantitative Kriterien<br />

Der Unterschied zwischen „Basel I“ und „Basel II“ besteht im Wesentlichen darin, dass<br />

zu den tradierten quantitativen Kriterien qualitative Kriterien hinzukommen. Dies<br />

entspricht der Grundphilosophie von „Basel II“, dass die Kreditausfallrisiken nicht<br />

mehr pauschal auf das Kreditvolumen eines Instituts, sondern individuell auf jedes<br />

einzelne Kreditengagement bezogen berechnet werden. Dieser qualitative Ansatz löst<br />

sich auch von statischen Betrachtungsweisen, wie sie bei der Analyse von Jahres-<br />

abschlusszahlen gegeben sind. Der dynamische Ansatz bestand im Vergleich mehrerer,<br />

in der Vergangenheit liegender Jahresabschlüsse, durch den Entwicklungslinien und<br />

Trends sichtbar und aus dem Blickwinkel der banktechnischen Risikoabwägung<br />

beurteilt wurden. Ein Wesensmerkmal der quantitativ basierten Risikomessung war es<br />

auch, die Qualität bzw. Verwertbarkeit von Kreditsicherheiten in die Beurteilung ein-<br />

zubeziehen. Spätestens seit das vorrangige Sicherungsmittel, die Grundschuld, etwa<br />

seit 1995 aufgrund (erstmals in der Nachkriegsgeschichte) rückläufiger Verkehrswerte<br />

ein Umdenken erzwang, tritt z.B. die Beurteilung der inneren Ertragskraft von Unter-<br />

nehmen vor die der gestellten Sicherheiten.<br />

Als qualitative Ratingkriterien werden – zusammenfassend – genannt:<br />

• „Qualität des Managements,<br />

• Art der Rechnungslegung,<br />

• Markstellung,<br />

• Kontoführung,<br />

• Kundentransparenz,<br />

• Produkt-/Dienstleistungsqualität,<br />

• Rechtsform der Unternehmung,<br />

• Nachfolgeregelung,<br />

• Existenz von Planungs- und Kontrollinstrumenten.“ 1<br />

Bereits bei der hoch verdichteten Nennung von qualitativen Kriterien ist die „Existenz<br />

von Planungs- und Kontrollinstrumenten“ für das Thema dieses Aufsatzes von zentra-<br />

ler Bedeutung.<br />

Die IT-Wirtschaft hat früh erkannt, dass der Bedarf an ordinaler Messung qualitativer<br />

Kriterien Software-Tools erfordert und sich diesem neuen Geschäftszweig zugewandt.<br />

Es bestehen zahllose Angebote mit höchst unterschiedlicher Qualität. Für die seriöse<br />

und wirtschaftlich effiziente Selbstanalyse bietet die Software „R-Cockpit TM “ 2 eine auch<br />

für KMU leicht anwendbare und für den Abgleich mit Banken fundierte Anwendung,<br />

deren Struktur hinsichtlich der qualitativen Kriterien in einer Übersicht dargestellt<br />

werden soll (vgl. Tab. 2). Dabei sollen lediglich die hier themenrelevanten Kriterien<br />

1 Vgl. Behr/Fischer, a.a.O., S. 52.<br />

2 Entwickelt und vertrieben durch Prof. Dr. Schneck Rating GmbH, Reutlingen.


76 Edgar H. Tritschler<br />

„Organisation und Prozesse“, „Informationspolitik und Unternehmensplanung“ und<br />

„Controlling und Risikosteuerung“ mit 11 von insgesamt 90 Einzelkriterien näher<br />

betrachtet werden. Diese Kriterien sind mit diesen oder ähnlichen Formulierungen<br />

Bestandteil der Rating-Programme aller Kreditinstitute:<br />

Tabelle 2: Themenrelevante qualitative Rating-Kriterien in der Software R-Cockpit TM<br />

Nr. Qualitatives Kriterium Einzelkriterien<br />

01 Produkt und Branche<br />

02 Marktdynamik<br />

03 Strategie<br />

04 Unternehmensführung<br />

05 Personalpolitik<br />

06 Organisation und<br />

Prozesse<br />

06.1 Existenz eines internen<br />

Kommunikationssystems<br />

06.2 Qualität der EDV-Systeme und der<br />

Datensicherheit<br />

06.3 Dokumentation der EDV-Plattform und der<br />

Datensicherheit<br />

07 Forschung und<br />

Entwicklung<br />

08 Einkauf, Lager,<br />

Produktion,<br />

Marktbearbeitung<br />

09 Informationspolitik 09.1 Qualität, Effizienz der eingesetzten Instrumente<br />

und<br />

der Unternehmensplanung<br />

Unternehmensplanung 09.2 Vorhandensein eines Leiters für den Bereich<br />

Finanzen<br />

10 Controlling und 10.1 Existenz einer Kostenrechnung und deren<br />

Risikosteuerung<br />

qualitative Ausprägung<br />

10.2 Existenz eines unterjährigen Berichtswesens<br />

10.3 Existenz eines regelmäßigen Soll-Ist-<br />

Vergleichs bezüglich des<br />

Unternehmenserfolgs auf Basis von<br />

Planungsrechnungen<br />

10.4 Abweichung von Ist- zu Planzahlen in der<br />

Vergangenheit (3 bis 5 Jahre)<br />

10.5 Existenz und Effizienz eines<br />

Risikomanagementsystems<br />

10.6 Absicherung von Unternehmensrisiken<br />

12 Finanzpolitik<br />

Zu Tz. 06.1 – 06.3 in Tab. 2:<br />

Die Bewertung der hier angesprochenen Teilthemen dürfte den beurteilenden<br />

Kreditsachbearbeiter vor nicht einfache Fragen stellen. Das Erfordernis des Einsatzes


Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 77<br />

eines internen Kommunikationssystems ist schon innerhalb der Gruppe der KMU<br />

unterschiedlich zu beurteilen. Genügt etwa die Anweisung einer Geschäftsleitung an<br />

weniger als 10 Mitarbeiter (Kleinstunternehmen), von allen wesentlichen Vorgängen<br />

elektronische Kopien an definierte Mitarbeiter (Stellvertreter) zu senden? Welche<br />

technisch-organisatorische Ausprägung eines i. d. R. DV-gestützten Systems einerseits<br />

und welche Regelungstechnik hierzu (Arbeitsanweisungen) können als (kosten)-<br />

effizient angesehen und entsprechend bewertet werden. Allein dieses Beispiel zeigt,<br />

wie tief ein Bankmitarbeiter allein zu diesen Fragen sich mit den Kundenverhältnissen<br />

vertraut machen muss.<br />

Vor dieser Problematik steht die Bankbeurteilung bei der Bewertung der eingesetzten<br />

Hard- und Software sowie der Netzwerktopologie in ganz besonderem Maße. Denn<br />

das EDV-Wissen von Bankmitarbeitern beschränkt sich i. d. R. auf die Nutzung der<br />

eigenen Bank-Rechenzentrumsleistungen mit benutzerfreundlicher Oberfläche. Dabei<br />

dürfen die RZ-Mitarbeiter in die Beurteilung der DV-Ausstattungen von (Kredit-) Kun-<br />

den selbstverständlich nicht einbezogen werden. Bei der Evaluation von Datensicher-<br />

heitsaspekten wird sich die Bank bestenfalls Arbeitsanweisungen vorlegen lassen, mit<br />

denen Datensicherungskonzepte durchgesetzt werden. Ob diese ausreichen und ob sie<br />

Anwendung finden, entzieht sich ihrer Beurteilungsmöglichkeit.<br />

Ist das Qualitätsmanagementsystem eines (Kredit-)Kunden zertifiziert, liegt i. d. R. eine<br />

schlüssige Dokumentation der EDV-Plattform und der Datensicherung vor. Ist dies<br />

nicht der Fall, wird die Bank nachvollziehbare Dokumentationen für diesen Bereich<br />

verlangen müssen, wenn eine solide Prüfung der Verhältnisse durchgeführt werden<br />

soll.<br />

Zu Tz. 09.1 – 09.2 in Tab. 2:<br />

Die Bewertung der „Qualität und Effizienz der eingesetzten Instrumente der Unter-<br />

nehmensplanung“ setzt bei der beurteilenden Bank die Kenntnisse von Standards<br />

voraus. Größen- und branchenadäquate Instrumente zu kennen und zu beurteilen ist<br />

eine anspruchsvolle, weil bisher nicht zwingend geübte Herausforderung für Banken.<br />

Lediglich verbale Beschreibungen von Kreditkunden dürfte kein nachvollziehbares<br />

Bild für den Beurteiler erzeugen; hier sind dringend plausible Dokumentationen der<br />

Planungsprozesse erforderlich, um der Bank einen möglichst klaren Einblick in die<br />

Praxis zu geben. Für die aufbauorganisatorische Einbindung des Planungswesens und<br />

der personellen Besetzung (der Führungsfunktion) gilt dasselbe.<br />

Zu Tz. 10.1 – 10.6 in Tab. 2:<br />

Bei diesem Anforderungskatalog wird besonders deutlich, wie weit die Beur-<br />

teilungstiefe im bankinternen Rating reicht und wie sehr sich die Verhältnisse nach<br />

„Basel II“ von den früheren Gepflogenheiten unterscheiden. Denn – etwas überspitzt<br />

formuliert – ob vor diesem Kulturwandel eine funktionierende Kostenrechnung oder<br />

ein Risikobewusstsein vorhanden war, hat die Bank(beurteilung) nur nachrangig


78 Edgar H. Tritschler<br />

interessiert. Erst im Krisenfall und bei u. U. nicht ausreichenden Gegenwerten von<br />

Kreditsicherheiten waren betriebswirtschaftliche Detailfragen Gegenstand von Bank-<br />

Kunde-Gesprächen. Eine indirekte Beurteilung des Risikomanagements durch die<br />

Bank gab es schon immer, aber i. d. R. nur ex post. Besonders im Auslandsgeschäft von<br />

Firmenkunden hat die Frage nach der Absicherung von (Währungs-)Risiken ebenfalls<br />

schon lange Tradition, aber neben dem Bankinteresse an der Identifizierung von Unter-<br />

nehmensrisiken deswegen, weil z.B. die Sicherung von Auslandsrisiken ein ei-<br />

genständiges Bankgeschäft ist.<br />

Zu allen zitierten Tz. in Tab. 2:<br />

Es fällt auf, dass alle genannten Rating-Einzelkriterien (die Reihe ließe sich fortsetzen)<br />

eine gemeinsame Problematik aufweisen: Alle zitierten (und weitere, in anderen Tz.<br />

enthaltene) Fragen, die im Bank-Kunde-Gespräch „auf den Tisch“ kommen müssen<br />

und – wie oben ausgeführt – in erheblichem Maße der fachlich fundierten Dokumenta-<br />

tion bedürfen, stehen in unmittelbarem Kontext zur EDV-Praxis und –strategie in den<br />

Unternehmen von Firmenkunden der Banken. Alle genannten Bereiche bedürfen der<br />

IT-Unterstützung, besser: sind ohne IT-Unterstützung heute nicht mehr denkbar.<br />

Wie oben in der erwähnten KuL-Studie bereits genannt, setzen 26 % der befragten<br />

Unternehmen noch ausschließlich „selbst gestrickte“ Tabellenkalkulationsprogramme<br />

als Controlling-Tools ein und 41 % der Unternehmen „vertrauen mittlerweile auf stan-<br />

dardisierte Software-Lösungen.“ Die zur Studie bereits geäußerte Kritik (s. o.) war<br />

anzubringen, weil in diese Zahlen auch Unternehmen hineingerechnet sind, die nicht<br />

mehr der Gruppe der KMU zuzurechnen sind. Bei strenger Beschränkung auf die<br />

eigentlichen KMU dürfte der Anteil der noch nicht professionell ausgestatteten<br />

Unternehmen deutlich höher als 26 % sein. So sieht der Deutschlandchef des britischen<br />

Softwarehauses Sage, Peter Dewald, im Zuge der Einführung der „Basel II“-Richtlinien<br />

noch großen Investitionsbedarf bei Controlling-Software für kleinere und mittlere<br />

Unternehmen. Die Wichtigkeit einer transparenten Unternehmenssteuerung werde oft<br />

unterschätzt. 1<br />

Bei der Evaluation einer beachtlichen Anzahl betrieblicher Fakten muss eine Bank<br />

folglich neben der Einzelbewertung von Rating-Kriterien eine funktionsübergreifende<br />

Betrachtung der vielfältigen, übergreifenden IT-Bezüge in den betrieblichen Strukturen<br />

und Abläufen vornehmen. Dazu kann es nicht das Ziel des Ratingprozesses sein, die<br />

Qualität einzelner IT-Strukturen in Unternehmen „abzufragen“ (die Erkenntnisse<br />

wären mangels wirklicher Beurteilungskompetenz bei den Kreditsachbearbeitern meist<br />

nicht tragfähig), es sollte vielmehr von Unternehmen ab einer zu definierenden<br />

Größenordnung ein selbst durchgeführtes IT-Controlling mit entsprechenden<br />

1 Vgl. Financial Times Deutschland v. 24.10.2005 (www.ftd.de/technik/it_telekommunikation/27395.html) (Abruf:<br />

13.09.2006)


Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 79<br />

Dokumentationspflichten verlangt werden. Dann bezieht sich das bankinterne Rating<br />

dieser Bereiche nicht (mehr) auf die Evaluation (vermeintlicher) Qualitäten von einzel-<br />

nen IT-Strukturen oder -prozessen sondern auf die Frage von Erkenntnissen aus dem<br />

IT-Controlling und deren Umsetzung im Unternehmen.<br />

4 Aktuelle Rating-Verhältnisse<br />

Die aktuellen praktischen Verhältnisse in der Praxis des bankinternen Ratings sollen<br />

im Folgenden skizziert werden:<br />

Mittelständische Wirtschaftsunternehmen<br />

Die „Rating-Spielregeln“ werden von Kredit nehmenden Wirtschaftsunternehmen,<br />

insbesondere des Mittelstandes (zur Definition s. o.), noch immer nicht ausreichend<br />

umgesetzt. Es ist festzustellen, dass auch nach mehreren Jahren der Ankündigung und<br />

bereits mehrjähriger praktischer Anwendung der „Basel II“-Regeln (im Vorfeld des<br />

zum 01.01.2007 beschlossenen gesetzlichen Inkrafttretens) in nahezu allen Unter-<br />

nehmen zwar ein „Rating-Bewusstsein“ vorhanden ist, die erforderlichen hausinternen<br />

Maßnahmen aber noch in sehr unterschiedlicher Qualität umgesetzt sind. Häufig sind<br />

sie noch nicht wirklich in Angriff genommen worden. Es muss verwundern, dass trotz<br />

des (vielfach beklagten) „Anziehens von Daumenschrauben“ durch Banken und<br />

Sparkassen auch wenige Wochen vor der gesetzlichen Wirksamkeit „noch jedes dritte<br />

deutsche Unternehmen sich nicht ausreichend auf die neuen europäischen Eigen-<br />

kapitalrichtlinien vorbereitet hat.“ 1<br />

Dabei wirkt das schärfste „Disziplinierungsmittel“ im Rating-Prozess offenbar noch<br />

immer als relativ stumpfe Waffe: bei einem historischen Tiefstand des deutschen<br />

Zinsniveaus sollten Kontokorrentzinsen von 10 – 12 % und mehr (je nach Rating-Stufe)<br />

eigentlich dazu führen, dass die Rating-Hausaufgaben in den Unternehmen schnellst-<br />

möglich erledigt werden. Die Erfahrung von Kreditbankern zeigt dagegen, dass in<br />

vielen Fällen hinsichtlich der Zinsbelastung und – in manchen Fällen noch mehr – der<br />

als unnötige Bürokratie empfundenen Forderung nach Vorlage qualitativer Rating-<br />

Belege „die Schmerzgrenze“ bei Kreditkunden erreicht ist, aber dennoch eine effiziente<br />

Mitwirkung am Rating-Prozess ausbleibt. Dass dies in Teilen nicht wirksam oder nur<br />

so schleppend geschieht, hat allerdings Gründe, auf die noch einzugehen sein wird.<br />

Ein Vergleich dieser Erkenntnis mit der oben ausgeführten Quantität und Qualität von<br />

Controlling-Aktivitäten in Unternehmen drängt sich auf: hier wie dort bestehen<br />

technisch-organisatorische Defizite zum Nachteil des jeweiligen Unternehmens, die<br />

(mehr oder weniger sehenden Auges) hingenommen werden. Der Unterschied liegt<br />

darin, dass mangelhaftes Controlling irgendwann vom Markt bestraft wird, während<br />

1 Vgl. „Unternehmen stehen unvorbereitet vor Basel II“, in: Handelsblatt v. 15.08.2006.


80 Edgar H. Tritschler<br />

unzureichende Rating-Aktivitäten zu exorbitanten Finanzierungskosten und zu<br />

unmittelbar existenziell gefährdenden Unternehmenssituationen führen können.<br />

Kreditinstitute<br />

Controlling und Rating verhalten sich zueinander wie z.B. gesundheitsbewusste<br />

Lebensführung und ärztliche Diagnostik. So etwa könnte man die Ausgangslage<br />

umschreiben, vor deren Hintergrund im Verhältnis von Kreditwirtschaft zu Kredit-<br />

kunden ein weit reichender Kulturwandel stattfindet. Um im Bild zu bleiben und<br />

etwas überspitzt formuliert: Ein funktionstüchtiges Controlling hat die Bank seither<br />

nur insoweit interessiert, wie es im Jahresabschluss von Unternehmen sichtbar<br />

geworden ist. Umgekehrt: Brachte die Geschäftsleitung eines Kredit nehmenden<br />

Unternehmens gar keine oder unzureichende Controlling-Instrumente zur Anwen-<br />

dung, war es der Bank so lange gleichgültig, wie „schwarze Zahlen“ auf den Tisch<br />

kamen.<br />

Nun zur „ärztlichen Diagnostik“ mit einer Binsenwahrheit: Der Arzt kann nur dia-<br />

gnostizieren und therapieren, was ihm vorgeführt wird. Wenn der Patient nicht<br />

erscheint oder dem Arzt Krankheitssymptome oder Lebensgewohnheiten verschweigt<br />

oder „geschönt“ darstellt, ist eine Erfolg versprechende Diagnose und Therapie<br />

schwierig. Genauso können Banken und Sparkassen die Verhältnisse von Kredit-<br />

kunden nur soweit bewerten, wie sie sie kennen und plausibel nachgewiesen<br />

bekommen. Ignorieren oder verschweigen kann in beiden Beispielen fatale Folgen<br />

nach sich ziehen.<br />

Dies ist im Bankwesen im Grunde nichts Neues. Denn schon die rechtzeitige Vorlage<br />

von Bilanzen, GuV-Rechnungen, BWAs etc. wird schon immer von den Banken einge-<br />

fordert, wenngleich schon die Mahnung der Hausbank etwa im September, nun<br />

endlich den Jahresabschluss per Ende des letzten Jahres vorzulegen, von vielen Unter-<br />

nehmen (sehr zu Unrecht) als bürokratische Plage empfunden wird. Die Kenntnis<br />

dieser auch schon nicht mehr aktuellen Zahlen fließt als rein quantitatives, wesent-<br />

liches Kriterium in den Rating-Prozess ein. Insofern ist der Bankenapparat aus langer<br />

Tradition auf das bankinterne Rating bestens vorbereitet. Denn besonders die Kredit-<br />

leute unter den Bankern sind professionelle Bilanzanalysten; damit kennen sie sich<br />

wirklich aus. Aber eben überwiegend auf quantitative Kriterien bezogen.<br />

Die „ärztliche Kunst“, sprich: die Kunst des Bankers oder die Kultur der Kredit-<br />

wirtschaft drückt sich nunmehr darin aus, den Patienten nicht mehr nur danach zu<br />

fragen, „wie es uns denn heute geht“, sondern danach, warum ein Unternehmen so<br />

existiert, wie es existiert. Damit wird der Kulturwandel und das weitgehend neue<br />

Anforderungsprofil auf der Seite der Kreditgeber sichtbar. Die Entscheidungsträger<br />

auf der Bankenseite müssen sich weitaus tiefer in betriebswirtschaftliche und bran-<br />

chentypische Sachverhalte ihrer Kreditkunden hineindenken, als es bisher von ihnen<br />

verlangt wurde. Gut gemachtes (bankinternes) Rating auf der Seite der Kredit-<br />

wirtschaft muss sich nun also fortentwickeln von der Rolle des „Adressenausfall


Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 81<br />

risiko-Minimierers“ hin zur betriebswirtschaftlichen fundierten Finanzpartnerschaft im<br />

Interesse beider Seiten. Diesem Anspruch werden auch affine Studiengänge sowie<br />

insbesondere die bankinternen Aus- und Weiterbildungsprogramme entsprechen<br />

müssen.<br />

Die Kritik an der Rating-Praxis von Banken entzündet sich nach dem aktuellen Stand<br />

der Dinge hauptsächlich an folgenden Sachverhalten, die kurz skizziert werden sollen:<br />

Umstellungsprozess<br />

Der Enstehungsweg des „Basel II“-Prozesses reicht von den ersten nationalen<br />

Konsultationen im Jahr 1999 über die zweiten (2001) und dritten (2003) Konsultationen<br />

bis zur Verabschiedung der endgültigen Version des „Basel-II-Akkords“ im Jahr 2004<br />

und der Umsetzung in nationales Recht im Jahr 2005. In dieser mehr als fünfjährigen<br />

Phase hatten die Bankorganisationen 1 ein grundsätzlich neues Instrumentarium IT-<br />

technisch zu entwickeln und (mit erheblichem Schulungsaufwand) einzuführen. Die<br />

Entwicklungs- und Einführungsphase war durch mehrfache, nicht nur marginale<br />

Änderungen begleitet (z.B. durch die Konsultationsergebnisse und bankenaufsichtliche<br />

Interpretationen), die den Anpassungs- und Umstellungsprozess erschwerten. Mit der<br />

Bereitstellung der erforderlichen Programme war aber nur der technische Rahmen<br />

erstellt, in den nun in kurzer Zeit – nicht zuletzt unter dem Druck der Wirtschafts-<br />

prüfungen bzw. Prüfungsverbände – zehntausende von Kreditverhältnissen in die<br />

Rating-Dateien einzupflegen waren. Damit einher gingen (bzw. gehen) Defizite in der<br />

Qualität der Kreditakten und massive Überforderungsphänomene zeitlicher und<br />

mengenmäßiger Art. Wenige Wochen bevor „Basel II“ Gesetzeskraft erlangt, sehen<br />

Experten die „Banken bei Umsetzung von „Basel II“ in Verzug. 2<br />

„Branchen-Rating“<br />

Das Rating von Branchen ist etwas volkswirtschaftlich sinnvolles und langjährig<br />

praktiziertes. Es kennzeichnet den wirtschaftlichen Zustand von Clustern von Wirt-<br />

schaftsunternehmen. Im Zusammenhang mit dem individuellen, bankinternen Rating<br />

ist damit aber der Vorwurf an die Kreditwirtschaft gemeint, angesichts der<br />

dargestellten Umstellungsprobleme Einzel-Ratings mit einer – je nach Unternehmens-<br />

größe – Vielzahl von Einzelkriterien (s.o.) insofern nur partiell oder gar nicht durchzu-<br />

führen, als nicht die einzelwirtschaftliche Situation eines Unternehmens (i. d. R. mit<br />

hohem Zeitaufwand) in die Rating-Datei eingepflegt wird, sondern für das einzelne<br />

Unternehmen das Rating-Ergebnis des Branchendurchschnitts Anwendung findet.<br />

Damit ist der mit dem Rating beauftragte Mitarbeiter „auf der sicheren Seite“, ja er<br />

muss gegenüber seinem Abteilungsleiter, dem Kreditvorstand, der Internen Revision,<br />

dem Kreditausschuss des Aufsichtsrates, der Verbandsprüfung keine Begrün-<br />

1 Jede Bankengruppe mit ihre(m/n) eigenen Rechenzentr(um/en), z.B. genossenschaftlichen Bankengruppe mit<br />

FIDUCIA IT AG.<br />

2 DIE WELT vom 30.06.2006 (www.welt.de/data/2006/0630/938572.html?prx=1) (Abruf: 30.06.2006)


82 Edgar H. Tritschler<br />

dung abgeben, wenn er im Einzelfall zu einem vom Branchendurchschnitt abwei-<br />

chenden, besseren Ergebnis gelangt ist.<br />

Qualität der Kreditakten<br />

Dass eine bisher quantitativ orientierte Kreditpraxis nur bestimmte Akteninhalte<br />

erzeugt, ist einleuchtend. Die Ausweitung der Erkenntnisbreite auf qualitative<br />

Kriterien erfordert – in weitaus größerem Umfang als bisher – Nachweise für eine von<br />

der Kreditsachbearbeitung durchzuführende Plausibilitätsprüfung. Solange diese der<br />

Bank nicht vorliegen – sei es, dass sie (noch) nicht angefordert wurden oder sie trotz<br />

Aufforderung (noch) nicht eingereicht wurden – ist das Rating-Ergebnis bestenfalls<br />

tendenziell richtig. In sehr vielen Kreditakten fehlen die für qualitative Rating-<br />

Beurteilungen erforderlichen, aussagekräftigen und zitierfähigen Unterlagen.<br />

Aktuelle Kritikpunkte<br />

Ein schwer wiegendes Defizit in der bisherigen Rating-Umsetzungspraxis der Banken<br />

ist die weithin fehlende Transparenz über die angewandten Algorithmen bei der<br />

Berechnung von Rating-Kennziffern und – vor allem – hinsichtlich der Bekanntgabe<br />

dieser Kennziffer gegenüber den betroffenen Kunden. Angesichts der in jedem Fall<br />

eintretenden Wirkungen ist dieser Sachverhalt nur schwer verständlich; dazu ist<br />

allerdings festzuhalten, dass Unternehmen, die „ihre Hausaufgaben“ bereits erledigt<br />

und die Ergebnisse ihren Banken im Rahmen eines begonnenen, ernsthaften Rating-<br />

Berichtswesens kommuniziert haben, ihre Einstufungen häufig mehr oder weniger<br />

detailliert kennen. Der Verbraucherschutzminister Seehofer hat jedenfalls nicht ohne<br />

Grund mehr Transparenz eingefordert und bei weiterem Fehlen mit gesetzlichen<br />

Zwangsmaßnahmen gedroht. 1<br />

Aufgrund neuester Entwicklungen in den USA fürchtet indes der Bundesverband<br />

deutscher Banken ein „Scheitern von Basel II“. 2 Ohne diese erst in Konturen<br />

erkennbare Bedrohung einer weltweit gültigen, von den USA initiierten Regelung,<br />

bereits kommentieren zu können, ist festzuhalten, dass jede, auch nur vage Störung<br />

eines verbindlich vereinbarten Zeit- und Verfahrensplans bei den Beteiligten schwer<br />

wiegende Irritationen auslösen kann. Vor allem bei den KMU, die sich mit der<br />

Akzeptanz und Umsetzung der „Basel II“-Regeln ohnehin noch immer sehr schwer tun<br />

und letztlich hohe (Zins)Kosten aus noch nicht abgeschlossenen Rating-Verfahren zu<br />

tragen haben, wirken solche politische Entwicklungen und teils unbedachte öffentliche<br />

Äußerungen über „den Basel-Weg“ hochgradig kontraproduktiv.<br />

1 Vgl. www.mittelstanddirekt.de/transfer/kdmod_md_showteaser.de v. 28.06.06 (Abruf: <strong>17</strong>.08.2006)<br />

2 Vgl. DIE WELT v. 18.09.2006 (www.welt.de/data/2006/09/18/1041236.html?prx=1) (Abruf: 24.09.2006)


Controlling als qualitatives Rating-Kriterium 83<br />

5 Fazit<br />

„Basel II“ und Ratingverfahren sind unumkehrbar, weil im Grunde richtig und<br />

gerecht. Sie wären nicht schon deswegen unrichtig oder ungerecht, weil die Praxis auf<br />

beiden Seiten (Kreditwirtschaft und Kredit nehmende Wirtschaft, vor allem KMU)<br />

noch erhebliche, aber behebbare Schwächen aufweist. Der Bundesfinanzminister, die<br />

Deutsche Bundesbank und die BaFin 1 sind aufgerufen, alles daran zu setzen, dass<br />

dieser einmal begonnene Weg konsequent weiter beschritten wird. Ohne Hinnahme<br />

von Ausweichungen und ohne Zulassen von Aufweichungen. Denn das Erreichen des<br />

angestrebten Ziels ist aller Mühe wert, wenn – und dies muss aktuell noch hervor-<br />

gehoben werden – Rating von allen Beteiligten mit Überzeugung richtig gemacht wird.<br />

Die hier versuchte Zusammenschau von Controlling und Rating unterstützt diese<br />

Forderung. Denn hier wie dort bedarf es der Überzeugungsarbeit, die Instrumente für<br />

optimierte Unternehmensführungen, die Praxis und Wissenschaft entwickelt haben,<br />

auch konsequent anzuwenden. In diesem Punkt müssen gerade die KMU, die sonst<br />

mit Recht die Flexibilität „kleiner Schnellboote“ vor der Schwerfälligkeit „der<br />

Ozeanriesen“ rühmen, dazu lernen. Die innere Ordnung von Unternehmen muss mit<br />

wissenschaftlich probaten und praktisch vernünftig anwendbaren Methoden messbar<br />

sein.<br />

1 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).


Die Autoren<br />

Bertram Bittel<br />

Bertram Bittel, Jahrgang 1953, studierte Nachrichtentechnik an den Technischen<br />

Universitäten in München und Karlsruhe. Nach einer wissenschaftlichen Tätigkeit an<br />

einem Forschungsinstitut wechselte er 1981 als Projektingenieur zum Südwestfunk<br />

(SWF). Er wurde 1984 stellvertretender Abteilungsleiter Hörfunk-Projektierung und -<br />

Messtechnik. Von 1989 bis 1991 war er im Stabsbereich der Technischen Direktion als<br />

leitender Ingenieur u. a. mit ARD/EBU-Aufgaben betraut, bis er 1992 als Abteilungs-<br />

leiter in die Abteilung Hörfunk-Projektierung und -Messtechnik zurückkehrte. Dort<br />

setzte er sich bereits zu diesem Zeitpunkt intensiv mit der Einführung der Digitali-<br />

sierung im Hörfunk auseinander. Von 1993 bis zur Fusion von Süddeutschem Rund-<br />

funk (SDR) und Südwestfunk (SWF) zum Südwestrundfunk (SWR) im Jahr 1998 war<br />

Bertram Bittel als Hauptabteilungsleiter Hörfunk-Produktion des SWF für den gesam-<br />

ten Hörfunkbetrieb zuständig. Mit der Fusion im Sommer 1998 erweiterte sich sein<br />

Aufgabengebiet um den Bereich der Fernsehproduktion, er wurde mit der Leitung der<br />

bimedialen Hauptabteilung Technik und Produktion am Standort Baden-Baden<br />

betraut. Er wurde im Sommer 2000 zum Stellvertreter und zum 1. Januar 2001 zum<br />

Direktor Technik und Produktion des SWR berufen. Er vertritt den SWR in der Pro-<br />

duktions- und Technik- Konferenz der ARD und ZDF, sowie in mehreren Arbeits-<br />

gruppen. Schwerpunkt nach der erfolgreichen Umsetzung der Digitalisierung und<br />

Vernetzung im Hörfunk ist die Einführung der Digitalisierung im Fernsehen. Kontakt:<br />

bertram.bittel@swr.de<br />

Prof. Dr. Martin Gläser<br />

Martin Gläser, Jg. 1947, studierte Volkswirtschaftslehre und Statistik und promovierte<br />

anschließend an der Universität Mannheim. Er war fast 14 Jahre beim Süddeutschen<br />

Rundfunk <strong>Stuttg</strong>art (heute SWR) als Referent in der Verwaltungsdirektion, Leiter der<br />

Abteilung Programmwirtschaft Hörfunk sowie in Personalunion Kaufmännischer<br />

Geschäftsführer der Schwetzinger Festspiele GmbH. Vier Jahre war er an der Fach-<br />

hochschule Furtwangen im Fachbereich Digitale Medien, Studiengang Medien-<br />

informatik tätig. Er blickt auf zahlreiche Publikationen zurück und Mit-Herausgeber<br />

der Fachzeitschrift "MedienWirtschaft" sowie Mitherausgeber der "Schriften zur<br />

Medienwirtschaft und zum Medienmanagement". Er lehrt an der Hochschule der<br />

Medien, <strong>Stuttg</strong>art, Studiengang Medienwirtschaft, Fachbereich Electronic Media. Seine<br />

Spezialgebiete sind Medienökonomie, Medienmanagement, TV- und Radiomanage-<br />

ment, Controlling, Unternehmenskultur, Projektmanagement und Kalkulation von<br />

Medienprojekten, Medien- und Kommunikationstheorie und Führung. Kontakt:<br />

glaeser@hdm-stuttgart.de<br />

85


86<br />

Dr. Ing. Michael Rombach<br />

Michael Rombach, Jg. 1967, studierte Physik an der Universität Freiburg und<br />

promovierte anschließend innerhalb eines Graduiertenkollegs der DFG an der<br />

Universität Karlsruhe. Parallel zu seinem Studium befasste er sich intensiv mit<br />

betriebswirtschaftlichen Inhalten und Fragestellungen. Seine berufliche Laufbahn be-<br />

gann er bei der Fraunhofer-Gesellschaft, nachdem er dort bereits während des<br />

Studiums und der Promotionszeit in Beratungs- und Forschungsprojekten leitend tätig<br />

war. Seit 1999 ist er beim SWR. Dort leitete er zunächst den Bereich Zentrale Pro-<br />

duktionswirtschaft der Direktion Technik und Produktion in Baden-Baden, war dann<br />

Leiter der Internen Unternehmensplanung des SWR in <strong>Stuttg</strong>art bis er schließlich 2001<br />

die Leitung der Hauptabteilung Zentrale Aufgaben der Direktion Technik und Pro-<br />

duktion in Baden-Baden übernahm. Neben der Leitung der Hauptabteilung, deren<br />

Bereiche das zentrale Controlling, den Bereich Personal-, Aus- und Fortbildung sowie<br />

die zentrale Projektierung umfassen, ist er stellvertretender Direktor Technik und<br />

Produktion des SWR. Kontakt: michael.rombach@swr.de<br />

Michaela Schüler<br />

Michaela Schüler, Jg. 1981, studierte nach ihrer Reifeprüfung Medienwirtschaft an der<br />

Hochschule der Medien in <strong>Stuttg</strong>art. Während des Studiums absolvierte sie ihr erstes<br />

praktisches Studiensemester beim Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-<br />

Württemberg mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Projektmanagement und Grafik und<br />

war dort anschließend freie Mitarbeiterin. Im Rahmen ihres zweiten praktischen<br />

Studiensemesters arbeitete sie bei der RTL2 Fernsehen GmbH & Co. KG in der Abtei-<br />

lung Finanz- und Rechnungswesen. Nach einem Auslandssemester am Institut Univer-<br />

sitaire de Technologie Charlemagne der Université Nancy 2 als Studentin der Betriebs-<br />

wirtschaftslehre mit dem Studienschwerpunkt Finanzen und Rechnungswesen war sie<br />

als Werkstudentin für die DaimlerChrysler AG im Bereich Accounting Research and<br />

Reporting Systems tätig. Ihre Diplomarbeit schrieb sie über die interne Leistungs-<br />

verrechnung beim Südwestrundfunk (SWR). Seit Mai 2006 ist sie in der Abteilung<br />

Produktionswirtschaft beim Südwestrundfunk in <strong>Stuttg</strong>art fest angestellt. Kontakt:<br />

michaela.schueler@swr.de<br />

Prof. Edgar Tritschler<br />

Edgar Tritschler, Jg. 1946, absolvierte eine Banklehre und ein BWL-Studium und<br />

durchlief anschließend eine Laufbahnausbildung bei der Deutschen Bundesbank. In<br />

den nächsten Jahren schloss sich eine Tätigkeit in der Bankenaufsicht an, der weitere<br />

Berufsjahre bei einer Landesbank in den Bereichen Interne Revision, Organisation,


EDV-Organisation und Vorstandsassistenz folgten. Für eine Reihe von Jahren leitete er<br />

danach den Vorstandsbereich einer großen Banken-Rechenzentrale, wo er auch die<br />

Wissenschaftskontakte des Konzerns wahrnahm. Seit 1985 nahm Prof. Tritschler<br />

Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen und Akademien in Baden-Württemberg<br />

wahr. Ein Magisterstudium in Geschichte und Politik ergänzte seinen überwiegend<br />

bankbetriebswirtschaftlichen Werdegang, der seinen weiteren Schwerpunkt im Bereich<br />

Wissenstransfer fand. Prof. Tritschler wurde mit dem Aufbau einer privaten Hoch-<br />

schule betraut, bevor er auf die Professur für Finanzwirtschaft an der Hochschule der<br />

Medien berufen wurde. Sein Schwerpunkt in Lehre und Forschung sind die Lehrge-<br />

biete „Bilanz- und Unternehmensanalyse“, „Existenzgründung/Unternehmensnach-<br />

folge“, „(Internationale) Rechnungslegung und Bilanzierung“, „Investition und Finan-<br />

zierung“ sowie „Rating-Analyse“. Er ist gewähltes Mitglied des Hochschulsenats und<br />

ständiges Mitglied der Berufungskommission. Kontakt: edgar.tritschler@t-online.de<br />

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In der Reihe „<strong>Stuttg</strong>arter Beiträge zur Medienwirtschaft“ sind bisher erschienen:<br />

Nr. 1 (Juni 2001)<br />

Friedrichsen, Mike/Gläser, Martin (2001): Entwicklungspotenziale von Multimedia<br />

Unternehmen in Baden-Württemberg.<br />

Nr. 2 (November 2001)<br />

Friedrichsen, Mike (2001): Sind Wirtschaftsthemen wahlentscheidend? Eine theoretische<br />

und empirische Analyse zum Spannungsfeld Wirtschaft, Politik und Medien.<br />

Nr. 3 (Februar 2002)<br />

Frey, Tanja (2002): Die Zukunft der Medien. Eine Expertenbefragung zur Entwicklung<br />

und Akzeptanz traditioneller und innovativer Medienangebote.<br />

Nr. 4 (Juli 2002)<br />

Welker, Martin/Winchenbach, Ulrich (Hrsg.) (2002): Herausforderung „Internet für<br />

alle“; Nutzung, Praxis, Perspektiven.<br />

Nr. 5 (Oktober 2002)<br />

Friedrichsen, Mike/Möllenbeck, Sylvia (2002): Kommerzialisierung des Sports – Zur<br />

Medienfinanzierung des Profifußballs.<br />

Nr. 6 (Februar 2003)<br />

Mödinger, Wilfried/Mann, Thomas (2003): Kundenindividuelles Marketing in Theorie<br />

und Praxis.<br />

Nr. 7 (Februar 2003)<br />

Dannwolf, Siegfried/Gläser, Martin/Rismondo, Klaus/Ritter, Susanne/Troester, Nadja<br />

(2003): Controlling im Rundfunk; Steuerungskonzepte für die SWR-Beteiligungen.<br />

Nr. 8 (April 2003)<br />

Eble, Karin/Welker, Martin (Hrsg.) (2003): Mädchen machen Medien; Stärkung der IT-<br />

und Medienkompetenz von Mädchen und jungen Frauen am Beispiel des<br />

Landesleitprojekts medi@girls.<br />

Nr. 9 (Juli 2003)<br />

Bischof, Ulrike/Heidtmann, Horst (2003): Film- und Fernsehbücher: Kinder- und<br />

Jugendliteratur im Medienverbund.<br />

Nr. 10 (Januar 2004)<br />

Zerfaß, Ansgar/Zimmermann, Hansjörg (Hrsg.) (2004): Usability von Internet-<br />

Angeboten – Grundlagen und Fallstudien.<br />

Nr. 11 (Juli 2004)<br />

Dilg, Ines Alice/Friedrichsen, Mike/Przyklenk, Günther (2004): Mobile Banking-<br />

Konzepte im internationalen Vergleich. Grundlagen für einen mobilen Vertriebskanal.<br />

Nr. 12 (November 2004)<br />

Schenk, Michael/Wolf, Malthe (2004): Nutzung und Akzeptanz von Internet und E-<br />

Commerce.<br />

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90<br />

Nr. 13 (Dezember 2004)<br />

Mast, Claudia/Zerfaß, Ansgar (Hrsg.) (2004): Innovationskommunikation als<br />

Herausforderung für PR und Journalismus<br />

Nr. 14 (August 2005)<br />

Pfendert, Eva/Zerfaß, Ansgar/Gehring, Robert (Hrsg.) (2005): E-Procurement in der<br />

öffentlichen Verwaltung.<br />

Nr. 15 (Oktober 2005)<br />

Zerfaß, Ansgar/Gläser, Martin (Hrsg.) (2005): Bewertung und Rating von Kommunikationsagenturen.<br />

Nr. 16 (September 2006)<br />

Schenk, Michael/Wolf, Malthe (2006): Nutzung und Akzeptanz von Internet und E-<br />

Commerce.<br />

Download im Internet unter www.doIT-online.de/SB

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