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Ulrich Roehm - Fördervereins Tanzkunst Deutschland

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Herausgeber: Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e. V. – Heft 104 – 35. Jg. – Nr. 5/Dezember 2012 – ISSN 1864–1172<br />

1983 30 Jahre 2013<br />

Deutscher Jubiläums-Tanzpreis<br />

Deutscher Tanzpreis 2013<br />

<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />

Anerkennungspreis<br />

2013:<br />

Tobias Ehinger<br />

Manager<br />

Ballett Dortmund<br />

Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013:<br />

Bundesjugendballett Hamburg


Polina Semionova (2005)<br />

(Foto: Monika Rittershaus)<br />

(Foto: Enrico Nawrath)<br />

Marian Walter (2007)<br />

Alicia Amatrian (2006)<br />

Marijn Rademaker (2009)<br />

Daniel Camargo (2011)<br />

(Foto: Stuttgarter Ballett<br />

(Foto: Regina Brocke<br />

(Foto: Peter Schnetz)


Iana Salenko (2010)<br />

Katja Wünsche (2007)<br />

(Foto: Jochen Klenk)<br />

(Foto: Enrico Nawrath)<br />

(Foto: Stuttgarter Ballett<br />

Gözde Özgür (2012)<br />

Jason Reilly (2006)<br />

Flavio Salamanka (2005) Eric Gauthier (2011)<br />

(Foto: Charles Tandy)<br />

(Foto: Leslie Spatt)<br />

(Foto: Regina Brocke


Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />

Jubiläums-Gala zur Verleihung des<br />

30. Deutschen Tanzpreises<br />

Gegensätze ziehen sich an. Und Gegensätze erzeugen Spannung. Was könnte also besser passen, als die Reife mit Frische zu<br />

kombinieren, lebenskluge Erfahrung mit jugendlichem Elan. Und so kann das Programm der 30. Gala zur Preisverleihung der<br />

Deutschen Tanzpreise am 2. März 2013 mit sämtlichen Namen aufwarten, die als Tanzpreisträger »ZUKUNFT« ausgezeichnet<br />

wurden. Darum wurde diese Jubiläumsgala zur Verleihung des 30. Deutschen Tanzpreises 2013 als ein Festival der Jugend<br />

sämtlicher bisheriger Tanzpreisträger »ZUKUNFT« konzipiert, von denen alle uns und sich die Hoffnung auf eine außergewöhnliche<br />

Karriere erfüllten! Ein wohl einmaliges Feuerwerk großartigsten tänzerischen Könnens wird uns mit dieser Gala<br />

auf der schönen Bühne des Aalto-Theaters Essen, der traditionellen Heimat der Verleihung der Tanzpreise erwarten – und<br />

großer Dank erfüllt uns, dass alle bisherigen Preisträger »ZUKUNFT« großzügigerweise sofort zu einer Teilnahme an diesem<br />

Jubiläumsfest der Jugend bereit waren – und dieses »Fest der Jugend« erhält noch einen weiteren Jugendakzent durch<br />

die Verleihung des Deutschen Tanzpreises »ZUKUNFT« an das Bundesjugendballett.<br />

Lassen wir uns – lassen Sie sich – hinreißen, bezaubern von den Preisträgern:<br />

2005: Polina Semionova – Erste Solotänzerin, American Ballet Theatre, New York<br />

Flavio Salamanka – Erster Solist, Badisches Staatstheater Karlruhe<br />

Thiago Bordin – Erster Solist, Hamburg Ballett John Neumeier<br />

2006 Alicia Amatriain – Erste Solistin, Stuttgarter Ballett<br />

Jason Reilly – Erster Solist, Stuttgarter Ballett<br />

Christian Spuck – Direktor, Zürcher Ballett<br />

2007 Katja Wünsche – Erste Solistin, Zürcher Ballett<br />

Marian Walter Erster Solist, Staatsballett Berlin<br />

Terence Kohler – »choreographer in residence«, Bayerisches Staatsballett München<br />

2009 Marijn Rademaker – Erster Solist, Stuttgarter Ballett<br />

2010 Iana Salenko – Erste Solotänzerin, Staatsballett Berlin<br />

2011 Daniel Camargo – Solist, Stuttgarter Ballett<br />

Eric Gauthier – Gauthier Dance – Theaterhaus Stuttgart<br />

2012 Gözde Özgür – Demi-Solo, Bayerisches Staatsballett München<br />

2013 Bundesjugendballett – Hamburg<br />

Tickets:<br />

Eintrittskarten für die Gala<br />

kosten zwischen 38,50 € und<br />

88,00 €, der Empfang kostet<br />

38,50 € und muss gesondert<br />

gebucht werden.<br />

Tickets für Preisverleihung<br />

und Empfang erhältlich über:<br />

tickets@theater-essen.de<br />

Tel.: 0201/81 22–200<br />

Weitere Informationen beim<br />

Förderverein <strong>Tanzkunst</strong>:<br />

www.fvtk.de<br />

Den Deutschen Tanzpreis »ZUKUNFT« in der Kategorie<br />

Choreographie erhielten: Thiago Bordin (2005, links –<br />

Foto: privat), Christian Spuck (2006 – Foto: Bettina Stöß)<br />

und Terence Kohler (2007, oben – Foto: Jochen Klenk)<br />

Deutscher Tanzpreis 2013 – Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />

Die Gala zur Verleihung des<br />

Deutschen Tanzpreises 2013 an <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>, des<br />

Deutschen Tanzpreises »ZUKUNFT« 2013 an das Bundesjugendballett Hamburg<br />

und des Anerkennungspreises 2013 an Tobias Ehinger<br />

findet am 2. März 2013 im Aalto Theater Essen statt, Beginn 18:00 Uhr


Deutscher Tanzpreis 2013<br />

<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />

von Dagmar Ellen Fischer<br />

1983 wurde der DEUTSCHE<br />

TANZPREIS ins Leben gerufen,<br />

um Persönlichkeiten zu ehren,<br />

die sich um den Tanz verdient<br />

gemacht haben. Dabei wollte<br />

das »Deutsche« im Namen der<br />

Auszeichnung keineswegs suggerieren,<br />

dass es sich in erster<br />

Linie um in <strong>Deutschland</strong> erworbene Verdienste handelt – Tanz<br />

ist ohne Internationalität gar nicht erfahr- und denkbar. Dennoch<br />

sollte es im Leben der geehrten Person möglichst eine<br />

Beziehung zur deutschen Tanzszene geben, ob kurzzeitige<br />

Wirkungsstätte oder langfristiger Aufenthalt. Mit der Verleihung<br />

des Deutschen Tanzpreises 2013 an <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> wird<br />

nun eine Persönlichkeit ausgezeichnet, die tatsächlich die<br />

deutsche Tanzlandschaft so gründlich geprägt, verändert und<br />

mitgestaltet hat, wie vermutlich keiner der Geehrten vor ihm.<br />

Nie zuvor konnte ein Tanzpreisträger vielfältigere Bezüge zur<br />

deutschen Tanzszene aufweisen, und nie zuvor würdigte der<br />

Deutsche Tanzpreis damit ein Lebenswerk, das derart viel für<br />

den Tanz hierzulande in Bewegung brachte.<br />

Das klingt nach Quantität. Und einerseits ist es auch die<br />

enorm hohe Anzahl der Arbeitsfelder, in denen sich <strong>Ulrich</strong><br />

<strong>Roehm</strong> seit Jahrzehnten engagiert und die der Tanzlandschaft<br />

<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> in »Variation Symphonique«, Choreographie: Valentina<br />

Belova (1958) (Fotos: Archiv <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>)<br />

Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />

in <strong>Deutschland</strong> immer wieder neue Impulse geben. Doch andererseits<br />

wird unermüdliches Wirken nur gewürdigt, wenn es<br />

qualitativ hochwertig und kompetent eingebracht wird: Die<br />

Liste der Gremien und Institutionen, in denen <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />

Ämter und (auch nicht-klassische) Positionen bekleidet, gibt<br />

hierzu beredte Auskunft.<br />

Dass der Initiator des Deutschen Tanzpreises höchstpersönlich<br />

ausgezeichnet werden soll, kursierte erstaunlicherweise in<br />

den vergangenen Jahren schon mehrfach als Gerücht. Wahr<br />

wird es nun, da es bestens passt: im 80. Lebensjahr des Preisträgers<br />

und zum 30-jährigen Jubiläum der renommierten Auszeichnung.<br />

Damit ist <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> – den wenigen Unregelmäßigkeiten<br />

in der Abfolge von drei Jahrzehnten Preisverleihung<br />

zum Trotz – auch der 30. Preisträger.<br />

1933 in Essen geboren, stand das Berufsziel des Waldorf-<br />

Schülers <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> früh fest: Tänzer wollte er seit dem<br />

zwölften Lebensjahr werden, nachdem er Rudolf Steiners Bewegungskunst<br />

Eurythmie kennen gelernt hatte. Auf die Ausbildung<br />

an der Folkwangschule in Essen folgte die Meisterklasse bei Kurt<br />

Jooss, der seit 1949 erneut die Folkwang-Tanzabteilung leitete.<br />

Das erste Engagement führte <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> von 1957 bis 1961<br />

zum heutigen »Ballet Royal de Wallonie« als Premier Danseur<br />

Etoile. Hier interpretierte er unter internationalen Choreographen<br />

wie George Skibine die männlichen Hauptrollen in großen<br />

klassischen Balletten wie »Giselle«, »Romeo und Julia« und<br />

»Schwanensee«; mit dieser Compagnie tanzte er auch für König<br />

Baudouin und Königin Fabiola. Von 1961 bis 1969 trat er als<br />

Solist des »Folkwang Ballett« bei Gastspielen unter anderem in<br />

Berlin (West und Ost), Paris, Brüssel, London, Rom und Venedig<br />

auf, im berühmten »Der Grüne Tisch«, aber auch in weiteren<br />

Jooss-Werken sowie in Choreographien von Lucas Hoving und<br />

Anthony Tudor. Zeitgleich war er als Erster Solist im Ballett der<br />

Städtischen Bühnen Essen engagiert sowie am neu gegründeten<br />

Folkwang-Ballett als ständiger Gastsolist; ferner trat er als Gast<br />

weiterhin mit dem »Ballet Royal de Wallonie«, dem Staatsopernballett<br />

Zagreb auf sowie an zahlreichen Bühnen in Nordrhein-<br />

Westfalen. 1968 wirkte er in der Kurt Jooss-Produktion »Rappresentazione<br />

di Anima e di Corpo« bei den Salzburger Festspielen<br />

mit. Ein Jahr später folgte er einem Angebot des National Ballet<br />

of Canada und ging, zusammen mit seiner Frau Renate und den<br />

Töchtern Christine und Ariane, nach Toronto.<br />

In Kanada begann <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>s tanzpädagogische Tätigkeit,<br />

innerhalb eines Jahres baute er in Toronto drei Ballettstudios<br />

auf, die nach dem damals vor allem in der englischsprachigen<br />

Tanzwelt verbreiteten System der Royal Academy of<br />

Dance, RAD ® , unterrichteten und ausbildeten. So absolvierte<br />

er im März 1970 innerhalb von nur fünf Tagen im Londoner<br />

Zentrum der RAD ® die professionellen Prüfungen »Intermediate«<br />

und »Advanced« – bis heute sicher eine Einmaligkeit in der<br />

Geschichte der Academy. 1973 kehrte er nach <strong>Deutschland</strong> zurück<br />

und eröffnete in Essen sein eigenes Tanzstudio, ebenfalls<br />

fußend auf dem Konzept der RAD ® ; deren ARAD (Associated<br />

Member of the Royal Academy of Dance) er seit 1970 ist. 1975<br />

gründete er als Initiator den Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik<br />

e. V. und wurde Erster Vorsitzender des Verbandes.<br />

Ebenso 1975 beauftragte die Direktion der RAD ® London<br />

ihn mit dem Aufbau der RAD ® -Organisation für <strong>Deutschland</strong>,<br />

die er innerhalb weniger Jahre in die erste Reihe der erfolg-<br />

Ballett Intern 5/2012 1


Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />

reichsten zehn von insgesamt fast 80 Länderm der Academy<br />

katapultierte.<br />

Nicht nur von Kanada nach <strong>Deutschland</strong> importierte <strong>Ulrich</strong><br />

<strong>Roehm</strong>, auch in anderen Ländern und Nationen ließ er sich<br />

inspirieren, griff Ideen auf und brachte Menschen zusammen,<br />

sofern es einem Fortschreiten der heimischen Tanzszene diente.<br />

Bereits Ende der 1970er Jahre wurde er eines der nur wenigen<br />

deutschen Mitglieder des CID (Conseil International de<br />

la Danse der UNESCO) noch lange bevor es eine Sektion in<br />

<strong>Deutschland</strong> gab. Mit ihm waren damals unter anderem auch<br />

Pina Bausch und Kurt Peters Mitglied.<br />

Seit 1985 war es sein Bestreben, in enger Zusammenarbeit<br />

mit dem damaligen Präsidenten der GDBA und Tanzpreisträger<br />

des Jahres 2005, Hans Herdlein, eine Einigung der zersplitterten<br />

Tanz-Szene in <strong>Deutschland</strong> zu erreichen, was sich<br />

nun erst 20 Jahre später mit der Gründung des »Dachverbands<br />

Tanz <strong>Deutschland</strong>« realisierte.<br />

1985 gründete er im Auftrag des Kulturministeriums der<br />

Autonomen Regierung Süd-Tirols das Festival »Ballettsommer<br />

Bozen/Bolzanodanza (heute »Bozen tanzt«) und war für 22<br />

Jahre dessen künstlerischer Leiter.<br />

Ebenfalls auf seine Initiative hin entstand 1985 in Zusammenarbeit<br />

mit der Stadt Essen das »1. Folkwang Festival der<br />

Künste« mit dem ersten Folkwang-Tanzpreis an Urs Dietrich.<br />

Mitte der 1990er Jahre war es sein Anliegen, die »Transition-Idee«<br />

Philippe Braunschweigs (Deutscher Tanzpreis<br />

1997), die in einem großen internationalen Symposion in Lausanne<br />

vorgestellt wurde mit der Gründung der »International<br />

Organisation of the Transition of Professional Dancers/IOTPD«,<br />

ebenfalls in <strong>Deutschland</strong> zu etablieren. Doch das war zehn<br />

Jahre zu früh. Erst der »Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong>« hat<br />

dieses Thema wieder aufgegriffen und nun mit dem »Transition-Zentrum<br />

<strong>Deutschland</strong>« realisiert.<br />

Während eines Aufenthalts in Hawaii suchte er den Kontakt<br />

zur dortigen Tanzszene, um Dozenten für einen Workshop<br />

nach <strong>Deutschland</strong> einzuladen. Doch auch in umgekehrter<br />

Richtung, quasi exportierend, kamen ihm seine zahlreichen<br />

Kontakte in <strong>Deutschland</strong> zu Gute: Intensive tanzkulturelle<br />

Kontakte seit Beginn der 1990er Jahre mit der Botschaft der<br />

Volksrepublik China führten 2001 zur Ernennung zum »Ballet<br />

Consultant« des großen »China Shanghai International Arts<br />

Festivals« – und zum<br />

<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />

als Prinz<br />

Siegfried in<br />

»Schwanensee«,<br />

Choreographie<br />

und Einstudierung:<br />

George<br />

Skibine 1963<br />

10-jährigen Jubiläum<br />

dieses Festivals<br />

zu dem Auftrag der<br />

Organisation einer<br />

Jubiläums-Eröffnungs-Gala<br />

unter<br />

der Beteiligung der<br />

Ersten Solisten zehn<br />

internationaler Ballett-Compagnien<br />

sowie deren Direktoren.<br />

Diese Beispiele<br />

– die beliebig<br />

erweitert werden<br />

könnten – stehen<br />

für den eher pragmatischen Anteil in <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>s lebenslangem<br />

Engagement. Der nicht minder umfangreiche Einsatz<br />

für die Belange von Tanzschaffenden auf gesellschaftspolitischer<br />

und somit theoretischer Ebene nimmt einen inzwischen<br />

noch größeren Raum ein. Das beginnt mit der nun seit 1977<br />

im 35. Jahr kontinuierlich erscheinenden Mitgliederzeitschrift<br />

BALLETT INTERN mit den jahrelangen zähen Kämpfen um<br />

bessere Konditionen für Tanzpädagogen und Ballettschulbesitzer<br />

an (z.B. GEMA, GVL, KSK, Berufsschutz und aktuell<br />

die Mehrwertsteuer-Befreiung), setzt sich über das Engagement<br />

im Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> fort und hört bei<br />

der alljährlichen Organisation zur Verleihung der Deutschen<br />

Tanzpreise noch lange nicht auf. Den gemeinsamen Nenner<br />

hinter all‘ diesen Aktivitäten, der für <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> auch Antrieb<br />

ist, formuliert er selbst wie folgt: »Dem Tanz in seiner<br />

ganzen Vielfalt zu einer deutlich besseren Wahrnehmung zu<br />

verhelfen und ihm damit jene gesellschaftliche Anerkennung<br />

zu verschaffen, die er verdient.«<br />

<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> bildet eine Art Quersumme bisheriger Tanzpreisträger:<br />

Er fördert den Nachwuchs, er unterrichtet, er<br />

publiziert, er initiiert und kreiert. Eine Compagnie hat <strong>Ulrich</strong><br />

<strong>Roehm</strong> bislang noch nicht geleitet – es sei denn, man betrachtet<br />

die Mitglieder des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik<br />

als durchaus kreatives Ensemble! ■<br />

Laudatorin Dr. Iris Jana Magdowski<br />

Iris-Jana Magdowski wurde in Gelsenkirchen<br />

geboren. Als Jugendliche<br />

galt ihre große Leidenschaft<br />

dem Ballett – bis zur aktiven Teilnahme<br />

am täglichen Training des<br />

Gelsenkirchener Ballett ensembles.<br />

Hier lernte sie jedoch bald ihre<br />

tänzerischen Grenzen kennen –<br />

geblieben aber ist die Faszination<br />

für die große Disziplin und Konzentration,<br />

die die Grundlagen für<br />

die Ausübung des Tänzerberufs<br />

bilden. Es folgte das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften<br />

sowie der Philosophie. Nach der Promotion 1979 zog es sie<br />

in eine Anwaltspraxis nach Südafrika.<br />

Im Alter von 32 Jahren wurde durch die Berufung zur Kulturdezernentin<br />

nach Bielefeld die Kultur wieder zum Lebens mittelpunkt.<br />

Es folgten Jahre als Kulturdezernentin in Duisburg<br />

(1992–1997) unter dem großen Freund der Künste und des<br />

Tanzes, Oberbürgermeister Josef Krings, wo ihr auch 1997 für<br />

besondere Verdienste der »Goldene Stadtring« verliehen wurde.<br />

1997 führte sie der Weg für acht Jahre als Kulturbürgermeisterin<br />

nach Stuttgart, wo sie – weiterhin als große Förderin des Tanzes<br />

– unter anderem Mitglied im Kuratorium der damals gegründeten<br />

Tanzstiftung Birgit Keil wurde.<br />

Weitere Tätigkeiten waren: stellvertretende Vorsitzende des Tarifausschusses<br />

des Deutschen Bühnenvereins; Vorstandsmitglied<br />

der »Schiller-Stiftung 1859«; Lehraufträge, etwa für Kulturmanagement,<br />

an Hochschulen in Bukarest, Münster, Speyer; Gastprofessorin<br />

auf Lebenszeit an der Technischen Universität in<br />

Wuhan (China), seit 2005 sie Mitglied der Deutschen UNESCO-<br />

Kommission, seit 2009 Beigeordnete für Bildung, Kultur und<br />

Sport der Landeshauptstadt Potsdam.<br />

2 Ballett Intern 5/2012


Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />

Bundesjugendballett<br />

Hamburg<br />

von Daniela Rothensee<br />

Der Deutsche Tanzpreis »ZUKUNFT« geht 2013 an das<br />

Bundesjugendballett. Und damit an acht junge Tänzerinnen<br />

und Tänzer gleichzeitig – das hat es zuvor nicht<br />

gegeben.<br />

Das Bundesjugendballett<br />

spannt ein Netz aus<br />

junger, kreativer Energie<br />

durch die Bundesrepublik.<br />

Der rote Faden verbindet<br />

den Arbeitsort der<br />

Compagnie – das Ballettzentrum<br />

John Neumeier<br />

in Hamburg – mit Schulen, Seniorenresidenzen und<br />

einer Diskothek im ehemaligen Bunker auf dem Heiligengeistfeld,<br />

mit Musikfestivals in Heidelberg und<br />

Esslingen, mit einer Haftanstalt in Rottenburg am Neckar,<br />

mit dem Berliner Konzerthaus, einer Turnhalle in<br />

Worpswede und einem leergepumpten Schwimmbad<br />

in Otterndorf nahe der Nordsee. Ohne Pause arbeiten<br />

die acht Tänzerinnen und Tänzer seit einem Jahr daran,<br />

ihren Auftrag in die Tat umzusetzen: Das Ballett an<br />

neue, ungewöhnliche Orte zu bringen und vor allem<br />

junge Zuschauer zu begeistern. Ihre Botschafterfunktion<br />

nehmen sie auch über die Grenzen des Landes hinaus<br />

wahr: Gerade führte eine erste Auslandstournee<br />

für drei Vorstellungen nach China. Sie selbst kommen<br />

aus sechs Nationen: Aus Japan, Brasilien, Kanada, den<br />

Niederlanden, <strong>Deutschland</strong> und der Schweiz. Der Intendant<br />

des Bundesjugendballetts, John Neumeier,<br />

hatte den Wunsch einer jungen Compagnie seit über<br />

25 Jahren: »Manchmal träumt man von etwas, und<br />

dann entpuppt sich die Erfüllung des Traums als nicht<br />

so besonders. Beim Bundesjugendballett war das ganz<br />

anders. Der Geist dieser Compagnie wächst täglich –<br />

ihre Kreativität entwickelt sich immer weiter«. Der<br />

Künstlerische und Pädagogische Leiter des Bundesjugendballetts<br />

ist Kevin Haigen. Unter seiner Anleitung<br />

lernen die acht Mitglieder zwischen 18 und 23 Jahren,<br />

für die das Bundesjugendballett meist das erste Engagement<br />

nach der Berufsausbildung ist, die Arbeit<br />

einer Ballettcompagnie kennen und entwickeln nicht<br />

nur ihre klassische Technik weiter, sondern arbeiten<br />

an stilistischer Vielseitigkeit und der Ausbildung ihrer<br />

künstlerischen Persönlichkeit. Denn das Einzigartige<br />

ist: Hier sind die Tänzer Erste Solisten und Gruppentänzer<br />

gleichzeitig. Während sie in größeren Compagnien<br />

als Mitglieder des Corps de Ballet für jede kleine<br />

Rolle dankbar sein müssten, stehen sie im Bundesjugendballett<br />

permanent im Rampenlicht. Bei nur acht<br />

Mitgliedern kann sich niemand hinter dem anderen<br />

verstecken. Dem Künstlerischen Leiter ist Yohan Stegli<br />

Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />

Grußwort<br />

Am Anfang stand Kreativität – ohne<br />

die eine Kunst keine Zukunft hat. Aus<br />

diesem Grund freue ich mich über<br />

die Auszeichnung für das BUNDESJU-<br />

GENDBALLETT mit dem Tanzpreis »ZU-<br />

KUNFT« ganz besonders. Sie würdigt<br />

einen wichtigen Teil unseres Wirkens<br />

und meiner künstlerischen Vision. Die<br />

Compagnie aus acht jungen Tänzern<br />

und den dazu notwendigen künstlerischen<br />

sowie organisatorischen Mitarbeitern<br />

nahm zu Beginn der Spielzeit<br />

2011/12 ihre Arbeit auf. Schnell hat sie sich zu einer künstlerischen<br />

Gemeinschaft entwickelt und innerhalb kürzester Zeit unter Beweis<br />

gestellt, wie notwendig ihr Bestehen ist.<br />

Doch neben der Forderung von Kreativität der jungen Tänzer<br />

war es für mich von vornherein ebenso wichtig, dass wir Ballett<br />

dahin bringen, wo unsere Kunstform kaum zu finden ist: in sozialen<br />

Einrichtungen wie Senioren- oder Ausländerheimen, Schulen<br />

oder Justizvollzugsanstalten, die für mich ebenso zum Herzen der<br />

Gesellschaft gehören.<br />

Ballett soll mit anderen Lebenswirklichkeiten in Berührung kommen,<br />

aus dem Schatten seiner herkömmlichen Wirkungsstätten<br />

heraustreten und Kontakt aufnehmen mit weiteren Lebenswelten.<br />

Tanz muss sich dem Leben stellen, es von anderer Richtung in<br />

Bewegung setzen, in Schwingung bringen und für neue Impulse<br />

sorgen. Das kann nur in einem tatsächlichen Aufeinandertreffen<br />

gelingen. In diesem Sinne ist die Begegnung mit klassischer Musik<br />

und vor allem mit jungen Musikern sehr wichtig. Wir tanzen so oft<br />

wie möglich zu live gespielter Musik, ob es mit Rap in Gefängnissen<br />

ist oder mit Beethoven in Clubs.<br />

Nach 15 Monaten Arbeit lässt sich feststellen, dass sich in den<br />

sozialen Hotspots, die das BUNDESJUGENDBALLETT inzwischen<br />

aufgesucht hat, durch Tanz Gemeinschaft stiften lässt und ein<br />

intensives Wir-Gefühl entsteht, getragen von Menschen unterschiedlicher<br />

Herkunft und Prägung. In kurzer Zeit ist ein eigenes<br />

Repertoire von neuen Balletten entstanden, das neben jungen,<br />

teilweise unbekannten oder auch international erfolgreichen<br />

Choreographen größtenteils von den Tänzern der Compagnie<br />

selbst kreiert worden ist. Das BUNDESJUGENDBALLETT ist nicht<br />

Instrument meiner choreographischen Arbeit wie das HAMBURG<br />

BALLETT. Gleichwohl versuche ich gelegentlich, einzelne Aspekte<br />

meines künstlerischen Schaffens in die junge Compagnie hineinzutragen<br />

– beispielsweise der work in progress von Beethovens<br />

Streichquartett. Ich denke nämlich, dass es von Zeit zu Zeit für die<br />

jungen Tänzer wichtig ist, mit einem etablierten Choreographen<br />

zusammenzuarbeiten.<br />

Mit einem solchen Repertoire, das Gefühl, Bewusstsein und<br />

Ideen der jungen Generation kreativ spiegelt, will das BUNDES-<br />

JUGENDBALLETT auch weiterhin zwischen Jugendkultur, Hochkultur<br />

und Bevölkerung vermitteln. Dass unsere Arbeit, die auf einen<br />

offenen Austausch setzt, mit dem diesjährigen, wunderbar treffenden<br />

Titel Tanzpreis »ZUKUNFT« gewürdigt wird, spornt unser<br />

Engagement zusätzlich an!<br />

Dafür danke ich aus vollem Herzen. John Neumeier<br />

Ballett Intern 5/2012 3<br />

(Foto: Holger Badekow)


Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />

Das Bundesjugendballett mit dem Künstlerischem Leiter Kevin Haigen<br />

und Ballettmeister Yohan Stegli vor der Kuppel des Reichstags in Berlin<br />

(Foto: Marcus Renner)<br />

als Ballettmeister an die Seite gestellt. Ein Organisatorischer<br />

Leiter ist verantwortlich für die Auftritte und Tourneen, die<br />

Finanzen und die allgemeine Projektplanung. Eine Pianistin,<br />

zwei Techniker und ein Freiwilliger im Rahmen des Freiwilligen<br />

Sozialen Jahres im Bereich Kultur gehören außerdem<br />

zum Team. Diese kleine Mannschaft macht das Projekt flexibel<br />

und gegenüber dem oft starren Apparat größerer Ballettcompagnien<br />

eher unkompliziert. Den bunt bedruckten<br />

und von VW gesponserten Tourbus fährt der Ballettmeister<br />

oder der Organisatorische Leiter, die Kostüme kaufen oder<br />

leihen sich die Tänzer selbst. Den Wunsch ihres Intendanten<br />

John Neumeier, dass sie als kleine und flexible Compagnie nie<br />

»Nein« sagen mögen, nehmen sie sich zu Herzen.<br />

Ein Markenzeichen sind Projekte geworden, die Live-<br />

Musik und Tanz gleichberechtigt auf die Bühne bringen und<br />

den Austausch zwischen jungen Musikern und Tänzern in<br />

den Fokus rücken. Kooperationen mit Stipendiaten der »lied<br />

akademie des Heidelberger Frühlings«, dem europäischen<br />

Musikfestival »Podium« in Esslingen oder dem Berliner Klassikfestival<br />

»Young Euro Classic« brachten Werke von Peteris<br />

Vasks, Franz Schubert und Ludwig van Beethoven auf die<br />

Bühne, neben Auftragswerken zeitgenössischer Komponisten.<br />

Die Choreographien schufen Nachwuchstalente wie<br />

Robert Binet aus Kanada und der Italiener Sasha Riva, aktuell<br />

Gruppentänzer im Hamburg Ballett. Außerdem kreierte Natalia<br />

Horecna vom Nederlands Dans Theater I eine Choreographie<br />

mit der Compagnie. Damit übernimmt das Bundesjugendballett<br />

eine wichtige Funktion als Auftraggeber für<br />

junge Choreographen, die am Anfang ihrer Karriere stehen.<br />

Beim »Internationalen Wettbewerb für Choreographen« in<br />

Hannover stiftete das Bundesjugendballett erstmals einen<br />

Produktionspreis: Der Gewinner wird ein Ballett für das Ensemble<br />

schaffen. So entstehen ständig neue Werke. Auch<br />

die Tänzer entwickeln Choreographien, eines der wichtigsten<br />

Elemente bei der Audition war das unter Beweis stellen<br />

des eigenen schöpferischen Potentials in der Improvisation.<br />

Nach maximal zwei Jahren endet für die Tänzer das Engagement<br />

im Bundesjugendballett. Dem ersten Jahrgang stellt<br />

sich bereits jetzt die Frage nach einer Zukunft nach der Zeit<br />

im Ensemble. Für jeweils vier neue Mädchen und Jungen<br />

beginnt im kommenden September die zweijährige Reise.<br />

Aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages<br />

und mit vier Mal 700.000 Euro fördert der Beauftragte der Bundesregierung<br />

für Kultur und Medien das Bundes jugendballett<br />

als Pilotprojekt für vier Spielzeiten (2011/12 bis 2014/15).<br />

Eine Anschlussfinanzierung ist bislang nicht gesichert. �<br />

Bundesjugendballett<br />

Intendant: John Neumeier<br />

Künstlerischer und Pädagogischer Leiter: Kevin Haigen<br />

Organisatorischer Leiter: Lukas Onken<br />

Ballettmeister: Yohan Stegli<br />

Pianistin: Patrycja Krawczynska<br />

Techniker: Tim-Oliver Thede, Werner Maul<br />

Freiwilliges Soziales Jahr Kultur: Julius Palm<br />

Compagnie: Vier Tänzerinnen und vier Tänzer zwischen<br />

18 und 23 Jahren mit abgeschlossener Berufsausbildung<br />

Spielzeit 2012/13: Winnie Dias (Brasilianerin), Gabriela Finardi<br />

(Brasilianerin), Madoka Sugai (Japanerin, Preisträgerin<br />

des „Prix de Lausanne 2012“), Yukino Takaura (Japanerin),<br />

Patrick Eberts (Deutscher), Graeme Fuhrman (Kanadier),<br />

Maurus Gauthier (Schweizer), Daan van den Akker (Niederländer)<br />

4 Ballett Intern 5/2012


Anerkennungspreis 2013<br />

Tobias Ehinger<br />

Manager Ballett Dortmund<br />

Im Jubiläumsjahr 2013 wird erstmalig<br />

mit Tobias Ehinger vom Ballett<br />

Dortmund ein Tanzmanager für<br />

seine »herausragenden Leistungen<br />

beim Aufbau von erfolgreichen<br />

Strukturen und der Vermittlung des<br />

künstlerischen Bühnentanzes« ausgezeichnet.<br />

Gerade in Zeiten kultureller Sparmaßnahmen<br />

bedarf die Kunstsparte<br />

Tanz starker Strukturen, einer eigenen<br />

Stimme für ein öffentliches und<br />

politisches Bewusstsein und einer<br />

gleichberechtigten Selbständigkeit<br />

gegenüber den anderen etablierten Sparten Oper, Orchester<br />

und Schauspiel. Meist ist der Tanz noch immer untergeordneter<br />

Bestandteil städtischer und staatlicher Bühnen und fällt –<br />

trotz wirtschaftlicher Widersinnigkeit – den Sparmaßnahmen<br />

zuerst zum Opfer. Gegen den allgemeinen Trend ist es Ehinger<br />

innerhalb kürzester Zeit in Dortmund gelungen, aus einem<br />

von Einsparungen gefährdeten und den Bedürfnissen<br />

der Oper untergeordneten Ballettensemble eine erfolgreiche<br />

autonome Sparte aufzubauen und diese mit der Gründung<br />

des Ballettzentrums Westfalen dauerhaft abzusichern.<br />

Die Ehrung macht gleichzeitig darauf aufmerksam, wie<br />

wichtig das kreative Zusammenspiel von künstlerischen und<br />

infrastrukturellen sowie marktwirtschaftlichen Komponenten<br />

für den Erfolg einer Institution ist: für den Erfolg vor Ort, also<br />

der kulturellen Nahversorgung einer Kommune, sowie für die<br />

überregionale Wirkung und die Etablierung künstlerischer<br />

Ideen im Kulturbewusstsein.<br />

Tobias Ehinger, 1979 in Tübingen geboren, hat selbst eine<br />

tänzerische Laufbahn hinter sich. Sein Studium absolvierte<br />

er an der Stuttgarter John Cranko Schule, der Académie de<br />

Danse Classique Monte Carlo und an der Akademie des Tanzes<br />

Mannheim.<br />

2004 holte Ballettdirektor Xin Peng Wang den damals<br />

25-jährigen Tänzer des Aalto Ballett Theater Essen (Direktor:<br />

Martin Puttke) nach Dortmund, um seine Vision einer eigenen<br />

Sparte Ballett umzusetzen.<br />

Durch die Optimierung von kreativen Potentialen wandelte<br />

sich das Ballett Dortmund zum Modell für Stärke und<br />

Eigenständigkeit der Kunstform Tanz: Den Visionen Xin Peng<br />

Wangs folgend, bewirkte der Einsatz von Tobias Ehinger als<br />

Manager, dass 2007 die Mitglieder des Ballett Dortmund tariflich<br />

eingruppiert und 2008 die Satzung des Theater Dortmund<br />

dahingehend geändert wurde, dass das Ballett vom<br />

übrigen Musiktheater abgekoppelt wurde und sich als eigenständige<br />

Sparte mit Programm- und Finanzhoheit innerhalb<br />

des Spartenverbandes positionieren konnte. Ein Jahr später<br />

gelang es mit Hilfe von Sponsorenmitteln, im Dortmunder<br />

Westfalenpark das Ballettzentrum Westfalen als Trainings-<br />

Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />

(Foto: Theater Dortmund)<br />

zentrum und kulturelle Begegnungsstätte zu eröffnen. Damit<br />

hat die Kommune ein bundesweites Zeichen gesetzt und ein<br />

Bekenntnis zum großen Erfolg des Ballett Dortmund erbracht.<br />

Mit der Gründung eines eigenen Seniorentanztheaters und<br />

dem Jugendtanztheater des Ballett Dortmund erfolgten weitere<br />

wichtige Meilensteine der kommunalen Verankerung.<br />

Durch den Aufbau internationaler Netzwerke erwirkte<br />

Ehinger kontinuierlich eine steigende überregionale Aufmerksamkeit<br />

des Ballett Dortmund: Seit 2004 kamen in insgesamt<br />

17 verschiedenen Ballettgalas zahlreiche Tanzgrößen<br />

renommierter Häuser aus der ganzen Welt nach Dortmund,<br />

sie führten nicht zuletzt zu einer engen Verbundenheit mit<br />

dem Royal Ballet in London. Zusammen mit Benjamin Millepied<br />

entstand im Projekt »Dance Concertantes« ein Netzwerk<br />

mit dem New York City Ballet, dem American Ballet<br />

Theatre und der Opéra de Paris. Eine langjährige Kooperation<br />

verbindet Dortmund mit dem Hong Kong Ballet, die aktuell<br />

in der gemeinsamen Koproduktion »Der Traum der Roten<br />

Kammer« ihren Höhepunkt findet.<br />

In der Direktionszeit Xin Peng Wangs und seines Managers<br />

Tobias Ehingers erarbeitete sich das Ballett Dortmund<br />

ein breites Repertoire von über 50 Balletten, darunter 21 Uraufführungen<br />

und Werke renommierter Choreographen wie<br />

William Forsythe, Hans van Manen, George Balanchine, Mauro<br />

Bigonzetti, Christian Spuck, Benjamin Millepied, Edwaard<br />

Liang oder Cayetano Soto. Gastspiele brachten die Compagnie<br />

in die Nationaltheater von Prag, Brünn und Budapest und<br />

in den Königlichen Palast in Stockholm.<br />

Hervorzuheben ist die Gründung der »Sommerakademie<br />

des Ballett Dortmund« im Jahr 2011, zu der sich renommierte<br />

Dozenten und Studenten aus der ganzen Welt im Ballettzentrum<br />

Westfalen treffen.<br />

Auch außerhalb seiner Aufgaben in Dortmund zeigt Tobias<br />

Ehinger großes Engagement für die <strong>Tanzkunst</strong>, so ist er<br />

u. a. Mitglied des Verwaltungsrats der Bayerischen Versorgungskammer,<br />

Gruppenrat Tanz und Stellvertretender Beiratsvorsitzender<br />

der GDBA und als Beisitzer beim Bühnenoberschiedsgericht<br />

tätig. ■<br />

Ballett Intern 5/2012 5


Interview mit Bertram Müller<br />

tanzhaus nrw:<br />

Der Name ist<br />

Programm<br />

Interview mit Bertram Müller<br />

von Dagmar Ellen Fischer<br />

Tanzhaus – der Name ist Programm.<br />

In der Renaissance waren Tanzhäuser<br />

ein Treffpunkt der Bürger in der sich<br />

allmählich etablierenden städtischen<br />

Kultur: Seit dem 14. Jahrhundert<br />

wurden in vielen deutschen Städten<br />

Tanzhäuser gebaut, meist im Zentrum<br />

und in unmittelbarer Nähe zum<br />

Rathaus gelegen, fanden hier Zunfttänze,<br />

aber auch Hochzeitstänze öffentlich<br />

statt. Ein offenes Haus – das<br />

lag auch Bertram Müller am Herzen, als er in den 1970er<br />

Jahren zum Impulsgeber in Düsseldorf wurde. Seit 35 Jahren<br />

leitet er nun das »tanzhaus nrw«, das aus dem Vorgängermodell<br />

»die werkstatt« hervorging. Wenn Bertram Müller, Jahrgang<br />

1946, im nächsten Jahr die Intendanz an seine Nachfolgerin<br />

Bettina Masuch abgibt und in eine Art Ruhestand geht,<br />

übergibt er ein Zentrum für Tanz und Kunst, das in <strong>Deutschland</strong><br />

einzigartig ist und einen festen Platz im europäischen<br />

Tanznetz hat.<br />

Dagmar Ellen Fischer: Hast Du jemals selbst getanzt?<br />

Bertram Müller: Tanz hat mich schon immer fasziniert.<br />

Jegliche Art von Tanz, allerdings habe ich erst in den letzten<br />

Jahren Zugang zum Ballett gefunden. In meiner Zeit als Schüler<br />

gab es nur Gesellschaftstanz. In den Anfangszeiten der<br />

Werkstatt lernte ich New Dance und Modern Dance als gelegentlicher<br />

Amateurtänzer kennen. Während meiner Aufenthalte<br />

in Afrika fand ich leicht den Zugang zu afrikanischem<br />

Tanz.<br />

DEF: Du hast Philosophie und Theologie in Heidelberg studiert,<br />

wie kam es dazu, dass Du Gründungsmitglied der<br />

Düsseldorfer Werkstatt wurdest, dem Vorläufer des Tanzhauses?<br />

BM: Ich war in den 1970er Jahren protestantischer Pfarrvikar<br />

in einer Stadtteilgemeinde von Düsseldorf, wo sich<br />

Tänzer, Schauspieler, Musiker und Maler daran machten, ein<br />

größeres ehemaliges Werkstattgelände zu übernehmen. Das<br />

endete bald in einem Chaos, was ich schade fand. Ich engagierte<br />

mich, es neu zu organisieren. So initiierte ich die<br />

Gründung eines gemeinnützigen Vereins. Wir wurden damit<br />

zuschussfähig für die ersten geringen Fördermittel der Stadt.<br />

Die Gebäude wurden wenig später abgerissen, wohl auch<br />

aus Angst, wir könnten die gesamte Fabrik besetzen.<br />

DEF: Dennoch hast Du Deinen Abschluss als Diplom-Psychologe<br />

gemacht, obwohl absehbar war, dass Du in diesem<br />

Beruf nicht arbeiten würdest?<br />

BM: In den Gründungsjahren der Werkstatt<br />

e. V. habe ich nicht mehr als Pfarrer, sondern<br />

als Religionslehrer gearbeitet, was den Vorteil<br />

hatte, dass ich ein Einkommen und abends Zeit<br />

hatte. Darüber hinaus habe ich nicht nur ein<br />

Diplom in Psychologie, sondern eine Fachausbildung<br />

in Psychotherapie. Diese auszuüben<br />

habe ich nie aufgehört. Die Heilung des Psychischen<br />

ist ein ko-kreativer Vorgang, die daraus<br />

erwachsende Kenntnis hat mir sehr geholfen<br />

im Verständnis von kreativen, schöpferischen<br />

Arbeitsprozessen von Choreographen sowie<br />

auch dem Verständnis ihres Scheiterns. Ich<br />

habe die beiden Gebiete Psychotherapie und<br />

Kunst immer getrennt gehalten und nicht verbunden,<br />

wie das beispielsweise in der Tanztherapie<br />

geschieht – das kam für mich nie in Frage,<br />

weil es meiner Meinung nach nur für eine<br />

recht begrenzte Zielgruppe nützlich erscheint.<br />

DEF: Du hast zahllose Initiativen gestartet, Ausbildungsprojekte<br />

initiiert, Festivals gegründet. Vieles existiert heute<br />

noch, einiges brannte nur kurz wie ein Strohfeuer. Woran<br />

lag es beispielsweise, dass ein Festival mit dem berühmten<br />

Clown Jango Edwards nur kurze Zeit überlebte?<br />

BM: Die »Fools Festivals« in den Anfangsjahren der Werkstatt<br />

dienten der Verstärkung der öffentlichen, kulturpolitischen<br />

Wahrnehmung. Es hat seine spätere Fortsetzung gefunden<br />

in den »Düsseldorfer Strandtheatertagen«, für die wir<br />

jedoch weder genügend Geld noch wiederholt die Rheinwiesen<br />

zur Verfügung gestellt bekamen. Der inzwischen berühmt<br />

gewordene »Düsseldorfer Altstadtherbst« ist die spätere, jedoch<br />

unabhängige Nachfolge. Wir mussten uns nach Abbruch<br />

der Gebäude in der Grafenberger Allee konzentrieren: auf das<br />

Überleben des Vereins, auf unsere künstlerischen und kunstpädagogischen<br />

Ziele sowie auf die Suche nach einem geeigneten<br />

Gebäude und die notwendige Finanzierung. Unsere langjährigen<br />

Versuche mit dem Schauspielhaus, die Rheinische Tanz-<br />

und Theaterschule (drei Jahre) zu etablieren, die später als Teil<br />

des »European Dance Development Center« (EDDC) in Zusammenarbeit<br />

mit der Hochschule in Arnheim (über acht Jahre)<br />

fortgesetzt wurde und was viele neue Impulse in der professionellen<br />

Ausbildung setzte, musste im neu eröffneten »tanzhaus«<br />

nach vier Jahren aus finanziellen Gründen aufgegeben<br />

werden – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass es in Nordrhein<br />

Westfalen drei Hochschulausbildungen im Bereich Tanz<br />

gab, damals jedoch keine für zeitgenössischen Tanz mit visionärer<br />

Ausrichtung. Die von mir mit initiierte World Dance Alliance<br />

Europe war insofern erfolgreich, als dass wir unser neues<br />

Haus mit einem »Global Dance Festival« unter Beteiligung von<br />

36 Compagnien aus aller Welt eröffnen konnten. Nachdem ich<br />

2002 beim WDA Europe mein Amt niederlegte, konnte diese<br />

weltumspannende Struktur von Marc Jonkers offenbar nicht<br />

erfolgreich fortgesetzt werden, bedauerlicherweise.<br />

DEF: Bildet die Öffnung zu anderen Kulturen den roten<br />

Faden in Deinem Engagement? Oder steht der Tanz im Verhältnis<br />

zu den anderen Künsten für Dich im Mittelpunkt?<br />

6 Ballett Intern 5/2012


BM: Ich hatte immer eine unstillbare Neugier nach der<br />

in der Welt existierenden Vielfalt von Tanzkulturen und das,<br />

was ihre jeweiligen zeitgenössischen Vertreter als künstlerisch<br />

gestaltete Interpretation ihrer Lebensauffassung anzubieten<br />

hatten. <strong>Tanzkunst</strong> auf Ballett zu beschränken, war für<br />

mich inakzeptabel. Die Verbindung des Tanzes mit anderen<br />

Künsten war für mich eine Selbstverständlichkeit, jedoch auf<br />

künstlerischer, ökonomisch autonomer Basis und nicht als Ersatzrad<br />

in der Programmatik eines Stadttheaterbetriebs. Für<br />

mich entscheidend ist, ob der Künstler sich als Choreograph<br />

identifiziert, d. h. sich mit der künstlerischen Gestaltung das<br />

Verhältnis von Raum und Zeit »ad hominem« auseinandersetzt.<br />

DEF: Wie würdest Du das übergeordnete Ziel Deiner Arbeit<br />

formulieren?<br />

BM: Als künstlerischer Leiter, aber auch Psychotherapeut,<br />

interessiert mich die künstlerisch geformte Konkretion innerseelischer<br />

und äußerer Konflikte einer Einzelperson oder<br />

einer Gruppe, sofern sie sich mit den aktuellen Gegebenheiten<br />

und Konflikten auseinandersetzt. Zeitgenössische Kunst<br />

ist für mich eine Objektivierung dieser inneren und äußeren<br />

Konflikte. <strong>Tanzkunst</strong> ist Auseinandersetzung und Überwindung<br />

der in unserer Tanzkultur vorgegebenen ästhetischen<br />

Sprache. Am Tanz interessiert mich vor allem, dass es jemand<br />

vermag, nicht nur Material (geschulter Tänzer) eines schöpferischen<br />

Willens (Choreograph) zu sein, sondern in einem<br />

vergänglichen, selbstbeantwortenden fortlaufenden Prozess<br />

durch den eigenen Leib von Moment zu Moment, in Anwesenheit<br />

von Publikum, letztendlich eine Wiedervereinigung<br />

von Schöpfer und Geschöpf im selbstschöpferischen Künstler,<br />

dem meine ganze Bewunderung gilt.<br />

DEF: Worauf bist Du stolz?<br />

BM: Darauf, dass eine postmoderne Idee der Vielfalt der<br />

Wahrheiten auch in der <strong>Tanzkunst</strong> im »tanzhaus nrw« seine<br />

täglich erlebbare, lebendige Form gefunden hat, dass unsere<br />

Interview mit Bertram Müller<br />

Graswurzelinitiative überlebt hat und sogar lokal und überregional<br />

nach vielfältig erlebten Abwertungen schließlich Anerkennung<br />

gefunden hat, wir inzwischen mehr als 3.000 Besucher<br />

jede Woche zufrieden nach Hause schicken und, last but<br />

not least, rund 100 Personen, inklusive Dozenten, einen dauerhaften<br />

und Sinn gebenden Arbeitsplatz gefunden haben.<br />

DEF: Ein konkretes Beispiel aus dem Unterrichtsangebot,<br />

was steckt hinter »Ladies Attack«?<br />

BM: Das Konzept »Ladies Attack« ist Ausdruck unserer Bemühungen,<br />

die von der jungen Generation weltweit initiierte<br />

Hip-Hop-Bewegung, die bisher überwiegend eine männliche<br />

Domäne war, als Tanzform für Frauen zugänglich zu machen<br />

bzw. deren inzwischen eigenständige Ästhetik ernst zu nehmen<br />

und öffentlich zu präsentieren.<br />

DEF: 2013 wird Dein finales Jahr als Intendant am »tanzhaus<br />

nrw«, wie wurde die Nachfolge geregelt?<br />

BM: Auf meine Initiative hin wurde durch den Vorstand<br />

des Trägervereins eine Findungskommission eingesetzt, die<br />

aus Choreographen, Pädagogen, aber auch kulturpolitischen<br />

Vertretern des Landes NRW und der Stadt zusammengesetzt<br />

war. Von dieser wurde Bettina Masuch einstimmig empfohlen.<br />

Diese Empfehlung wurde nicht nur von unserem Vorstand,<br />

sondern auch von mir und unserem Team mit voller<br />

Überzeugung bestätigt. Als Gründer und seit 35 Jahren Leiter<br />

von »die werkstatt e. V.«, ab 1998 tanzhaus nrw, war mir bewusst,<br />

dass das programmatisch breit aufgestellte »tanzhaus<br />

nrw« mit seinen vier Abteilungen Bühne, Bildung, Produktion<br />

und kulturelle Kommunikation sowie der Abteilung »Tanz für<br />

junges Publikum«, mit seiner internationalen Vernetzung und<br />

vor allem als freier Träger mit sehr begrenzten öffentlichen<br />

Mitteln nicht einfach zu besetzen ist. Dass dies rechtzeitig<br />

und überzeugend gelungen ist, erleichtert mir Ende 2013,<br />

mein Amt abzugeben – um danach zu entdecken, wer ich<br />

sonst noch bin und wohin in der Tanzwelt meine Neugier<br />

mich treibt. ■<br />

(Fotos: tanzhaus nrw e.V.)<br />

Ballett Intern 5/2012 7


Interview mit Bertram Müller / Herbsttagung des Dachverbands Tanz <strong>Deutschland</strong><br />

Warum Tanz? Darum!<br />

von Bertram Müller<br />

Weil zeitgenössischer Tanz heute mehr denn je<br />

Poesie und Verdichtung des Lebens ist.<br />

Weil sich im Tanz der Körper, die Psyche und der<br />

Geist des Menschen auf einen gegenwärtigen<br />

Moment zu konzentrieren und sich so die Vielseitigkeit<br />

des Menschen ganzheitlich zu integrieren<br />

und dadurch stimmig zu entfalten vermag.<br />

Weil sich die im Tanz innewohnende Integrität,<br />

Unmittelbarkeit und Verletzlichkeit kaum für<br />

oberflächliche Kompromisse bei der künstlerischen<br />

Darstellung eignet.<br />

Weil Tänzerinnen und Tänzer weitgehend ohne<br />

theatralische Schutzmechanismen, wie z.B. Rollen,<br />

Masken und Erzählungen wagen, ihre Persönlichkeit,<br />

ihre Sexualität, ja sogar ihre Intelligenz<br />

ganz unmittelbar auf der Bühne vor anderen<br />

zu entblößen.<br />

Weil Tänzer auf der Grundlage jahrelanger konsequenter<br />

Praxis unvorstellbare Leistungen des Erinnerns<br />

und Darstellens von äußerst komplizierten<br />

Bewegungsabläufen vollbringen.<br />

Weil der Tanz in der Regel eine kollektive Kreation<br />

von mehreren ist, die höchste „Team-Play«-Qualitäten<br />

erfordert und diese nachhaltig zu bilden<br />

vermag.<br />

Weil Tanz uns die kompliziertesten und oft noch<br />

unausgegorensten Ideen und Konflikte unserer<br />

Zeit ganz unmittelbar durch einen bewegten Körper<br />

kunstvoll/konkret vor Augen führt, die auf andere<br />

Weise nicht vermittelbar wären.<br />

Weil es das ureigenste Thema der <strong>Tanzkunst</strong> ist,<br />

das innige Verhältnis von Raum und Zeit, von Körpern,<br />

Form und Dynamik, immer wieder neu am<br />

eigenen Leib zu erforschen und uns damit auf immer<br />

neue Weise hilft, die rapid sich verändernde,<br />

multilokal und multitemporal gewordene Welt<br />

begreifbar und in Würde lebbar werden lässt.<br />

Weil von allen Künsten noch am ehesten der<br />

Tanz live und ganz real mit der äußerst rasanten<br />

Geschwindigkeit und Verdichtung der Bilder der<br />

digitalen Medien zu konkurrieren vermag.<br />

Weil der Tanz über kulturelle Grenzen hinweg die<br />

Substanz der verschiedensten kulturellen Identitäten<br />

vermittelt und diese ohne sprachliche Übersetzung<br />

ganz unmittelbar verständlich machen<br />

kann.<br />

Weil <strong>Tanzkunst</strong> zu erleben und selbst zu tanzen<br />

uns verbindet, herausfordert, spontan gerne<br />

glücklich macht und einfach gesund ist. ■<br />

Bertram Müller 08/07, Text basierend auf einem Interview mit John<br />

Ashford, ehemals The Place London, mit dem Titel »IDEE: Defining<br />

the Undefinable« in der Fachzeitschrift »Theater der Zeit«<br />

Jung, stark, selbstbewusst<br />

Herbsttagung des Dachverbands Tanz <strong>Deutschland</strong><br />

von Günther Rebel<br />

Mit dem Appell »Eine Stimme für den Tanz!« lud der Dachverband<br />

Tanz <strong>Deutschland</strong> (DTD) seine Mitglieder zur Herbsttagung in das<br />

tanzhaus nrw nach Düsseldorf ein. Das volle Zwei-Tage-Programm<br />

bestand aus einem umfangreichen Themenkatalog, von der sozialen<br />

Lage der Tänzer über das Kulturerbe Tanz bis hin zur kulturellen Bildung.<br />

Vorstellungen des gleichzeitig stattfindenden Festivals »Frash<br />

Tracks Europe« standen ebenso auf dem Programm wie die jährliche<br />

Mitgliederversammlung und die Neuwahl des Vorstands.<br />

Zu den Themen schreibt der DTD in seiner Zusammenfassung<br />

vom 26.10.2012 in einem Rundbrief an die Mitglieder: »Die Verbände,<br />

herausragende Institutionen und Persönlichkeiten des Tanzes<br />

diskutierten aktuelle Entwicklungen im Tanz – insbesondere<br />

im Bereich kulturelle Bildung. Hier hat der Bundesverband Tanz<br />

in Schulen (in Kooperation mit dem DTD) erfolgreich den Antrag<br />

»Chance Tanz« beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung<br />

platzieren können und wird in den nächsten fünf Jahren<br />

bis zu 6 Millionen Euro für lokale Projekte erhalten. Zugleich zeigt<br />

die äußerst erfolgreiche Petition zur weiteren Befreiung der Musik-<br />

und Tanzschulen von der Mehrwertsteuer (96.567 Stimmen),<br />

welche vom Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik (DBfT<br />

e. V.) initiiert und vom DTD weiter verbreitet wurde, die Stärke des<br />

Tanzbereichs.« Zum Erfolg der Petition muss unbedingt gesagt<br />

werden, dass neben dem DTD vielleicht nicht nur sporadisch eine<br />

Solidargemeinschaft entstanden ist, der z. B. auch der Beirat Tanz<br />

im Deutschen Kulturrat, der Musikschulverband und die Royal Academy<br />

of Dance ® angehörten.<br />

Sehr engagiert berichtete Linda Müller über das Projekt »Chance<br />

Tanz« und regte zugleich einen spontanen Gedankenaustausch über<br />

die Nachhaltigkeit von gut gemeinten, aber nicht unbedingt sinnvollen<br />

Projekten an. Zwei Wochen vor dieser Diskussion äußerte sich<br />

interessanter Weise bereits der Deutsche Bühnenverein zu diesem<br />

Thema mit folgender Pressemitteilung:<br />

Dachverband Tanz<br />

Ständige Konferenz Tanz<br />

<strong>Deutschland</strong><br />

PRESSEMITTEILUNG – Köln, den 11. Oktober 2012<br />

Künstlerischer Ausschuss des Bühnenvereins kritisiert<br />

zunehmende Projektförderung im Kulturbereich<br />

Anlässlich seiner Sitzung am 9. und 10. Oktober 2012 in Köln kritisiert<br />

der künstlerische Ausschuss im Deutschen Bühnenverein,<br />

dass sich die Finanzierung von Kunst und Kultur zunehmend in die<br />

Projektförderung verlagert. Im Gegensatz zur institutionellen Förderung<br />

mangele es Projektförderungen vor allem im pädagogischen<br />

Bereich an der notwendigen Nachhaltigkeit; sie seien zudem unüberschaubar<br />

und oft unkoordiniert und bürokratisch. Auch erlaubten<br />

sie kein kontinuierliches Arbeiten. Dies zeige sich insbesondere<br />

8 Ballett Intern 5/2012


im Tanz, der institutionell als Sparte am meisten gefährdet<br />

ist. »Es ist doch absurd, dass beispielsweise gerade in Münster<br />

der Tanz als Sparte in der Diskussion steht, obwohl die<br />

pädagogische Bedeutung des Tanzes überall zunimmt«, so<br />

Holger Schultze, Vorsitzender des Künstlerischen Ausschusses<br />

und Intendant des Theaters Heidelberg. Diese Entwicklung<br />

sei widersinnig.<br />

Dennoch kann man dem Bundesverband Tanz in Schulen<br />

zu seinem Antragserfolg gratulieren! Projektkritiker weisen<br />

zwar immer auf die Schwachstellen von Projekten hin, haben<br />

aber bislang noch keine Alternativvorschläge entwickelt. Fest<br />

steht, nachhaltige Erfolge hängen nicht nur vom Geld, sondern<br />

vor allem von der Qualität einzelner Projekte ab. Nachhaltig<br />

bedeutet, in den Köpfen und Körpern der Teilnehmer<br />

einer Zielgruppe – bei diesem Projektplan sozialschwache<br />

Kinder und Jugendliche – ist etwas in Bewegung geraten und<br />

der Gestaltungsspielraum für die Zukunft wird erweitert.<br />

Da der DBfT seit 2012 eng mit dem Bundesverband<br />

Tanz in Schulen zusammen arbeitet, werden auch die im<br />

» BEruFSrEgISTEr des DBfT« eingetragenen Mitglieder,<br />

falls sie an Projekten interessiert sind, von diesem Plan profitieren.<br />

Weitere Informationen werden auf der Website des<br />

DBfT veröffentlicht, sobald der Bundesverband Tanz in Schulen<br />

die Förderrichtlinien bekannt gegeben hat.<br />

Ein weiterer Beitrag, der große Beachtung und Anerkennung<br />

fand, war das Statement Heide-Marie Härtels vom<br />

Tanzfilminstitut Bremen zum »Kulturerbe«. Mit einem unvorbereiteten<br />

Vortrag – von der Bitte um einen Bericht überrascht<br />

– trug sie Fakten und Zahlen vor, mit denen sie sehr<br />

sympathisch und bewegend die Rettungsversuche der von<br />

Vernichtung bedrohten Dokumenten (Bücher, Filme, Fotos),<br />

den Kampf um finanzielle Mittel und auch den Kampf gegen<br />

die Zeit, die den oft unzureichend gesicherten Materialien<br />

durch Zerstörung droht. Härtels Appell zur noch engeren<br />

digitalen Vernetzung der künstlerischen Einrichtungen stieß<br />

auf offene Ohren.<br />

Am Nachmittag des zweiten Tages fand die Mitgliederversammlung<br />

2012 und Neuwahl des Vorstandes statt. Den<br />

neuen Vorstand bilden Claudia Feest (Berlin), Heide-Marie<br />

Härtel (Tanzfilminstitut Bremen), Bea Kießlinger (TanzSzene<br />

Baden Württemberg), Bertram Müller (tanzhaus nrw Düsseldorf),<br />

Martin Puttke (Förderverein <strong>Tanzkunst</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

Essen/Berlin), <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> (Deutscher Berufsverband<br />

für Tanzpädagogik, Essen), Anja Schmalfuß (Sasha Waltz &<br />

Guests, Berlin), Christiane Theobald (Staatsballett Berlin) und<br />

Bettina Wagner-Bergelt (Bayerisches Staatsballett München).<br />

Die Geschäftsführung liegt weiterhin in den Händen von Michael<br />

Freundt (Berlin), der dank der Unterstützung durch das<br />

Internationale Theaterinstitut/Zentrum <strong>Deutschland</strong> sein Arbeitspensum<br />

für den DTD weiter ausbauen kann.<br />

Die kollegiale, fast familiäre Atmosphäre und der mit prallem<br />

Tanzleben gefüllte Veranstaltungsort, das tanzhaus nrw,<br />

mit seinem geschätzten Gastgeber Bertram Müller verlockte<br />

zu Bemerkungen, die DTD-Meetings auch künftig dort stattfinden<br />

zu lassen. Ein besonderer, gewollter Effekt solcher<br />

Veranstaltungen ist auch der, am Rande des Treffens Kontakte<br />

zu knüpfen, die den Stimmen für den Tanz in naher<br />

Zukunft zunehmend Gehör verschaffen. �<br />

Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> / Kulturfrühstück der FDP<br />

Düsseldorfer<br />

Kulturfrühstück der FDP<br />

»Europa als Kulturraum«<br />

von Anja Körber-Giovanelli und <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />

Wie das Interview mit Bertram Müller, der Bericht über diverse<br />

Sitzungen und Mitgliederversammlungen sowie Get-<br />

Together-Aktionen des Dachverbands Tanz <strong>Deutschland</strong> im<br />

tanzhaus nrw aufzeigen, ist dieses Tanzhaus für alle tanzkulturellen<br />

und kulturpolitischen Aktivitäten ein offenes<br />

Haus! Dies Dank der besonderen Persönlichkeit des langjährigen<br />

Gründungsdirektors Bertram Müller, der mit unermüdlicher<br />

Energie für die breite Skala des künstlerischen Tanzes<br />

aus kleinsten Anfängen dieses inzwischen rund zwölfeinhalb-<br />

Millionen-Euro Projekt nach langen Jahren im Zentrum Düsseldorfs<br />

mit Hilfe des Landes NRW realisieren konnte.<br />

Am 19. und 20. Oktober fanden dort zum wiederholten<br />

Male Vorstandssitzung und Mitgliederversammlung des Dachverbands<br />

Tanz <strong>Deutschland</strong>/DTD statt (siehe BALLETT INTERN<br />

4/2012). Am folgenden Wochenende, dem 28. Oktober, war<br />

das ›tanzhaus nrw‹ offen für eine ganz besondere kulturpolitische<br />

Veranstaltung. Die Bundestags-Fraktion der FDP, Gisela<br />

Piltz als Stellvertretende Vorsitzende dieser Fraktion und das<br />

tanzhaus nrw luden ein zu einem Kultur-Frühstück: »Europa<br />

als Kulturraum« mit Bundesaußenminister Dr. Guido<br />

Westerwelle als Keynote-Sprecher.<br />

Der Wettergott meinte es sehr gut mit dieser Veranstaltung,<br />

strahlender Sonnenschein durchflutete die repräsentativ<br />

ausgestatteten Räume an diesem »Sonn«-Tag-Morgen. Über<br />

mangelndes Interesse konnten sich weder Gisela Piltz noch<br />

Bertram Müller beklagen, und so stimmten die »Old Times Serenaders«<br />

das äußerst zahlreich erschienene Publikum auf die<br />

Ankunft des hohen Ehrengastes entsprechend ein.<br />

Äußerst pünktlich (wie selten bei Politikern) rollten um<br />

11:15 Uhr die drei Staatskarossen in den Vorhof des ›tanzhaus<br />

nrw‹ ein, und schwungvoll entstieg Westerwelle einer<br />

der Limousinen, ein Choreograph hätte den Auftakt nicht<br />

besser inszenieren können. »Europa als Kulturraum« – Wester-<br />

<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> trifft Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle beim Kulturfrühstück<br />

der FDP im »tanzhaus nrw« (Foto: Claudia Herms)<br />

Ballett Intern 5/2012 9


Kulturfrühstück der FDP mit Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle<br />

welle referierte über den aktuellen Kulturwandel im Kontext<br />

zur globalen Weltentwicklung und den damit verbundenen<br />

Herausforderungen, die nationale und kulturelle Identität zu<br />

bewahren. Denn durch das Internet und die präsente Medienlandschaft<br />

rückten die Kulturen Europas, ja der ganzen<br />

Welt mehr und mehr zusammen. Um diesem fortschreitenden<br />

Prozess auch im Sinne der Identitätsbewahrung soweit<br />

wie möglich Rechnung zu tragen, wäre es wichtig, Europa als<br />

eine gemeinsame Schicksals- und Kulturgemeinschaft zu betrachten.<br />

So betonte er, dass <strong>Deutschland</strong> zwar in Europa groß<br />

dasteht, aber in Relation zur globalen Welt doch eher klein<br />

wirke. Westerwelle sieht die Essenz der europäischen Kultur<br />

als eine Kultur der Freischaffenden und der Persönlichkeitsentwicklung,<br />

die für ihn vor den materiellen Werten stehen. In<br />

seinen Augen sind wir sozusagen die Opposition zu den Ländern,<br />

die sich durch die Konsumflatrate vom Entwicklungsland<br />

zur Wirtschaftsmacht entwickelt haben, wie z. B. China oder<br />

Indien, wo weniger oder gar nicht Freiheit und Selbstentfal-<br />

Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle im Gespräch mit dem Initiator<br />

des »tanzhauses nrw« Bertram Müller (Foto: Claudia Herms)<br />

tung gefördert wird, wo die monetäre vor der persönlichen<br />

Entwicklung stehe. Westerwelle kam ins Schwärmen, als er<br />

über die intellektuelle Vielfalt <strong>Deutschland</strong>s sprach, welche<br />

phantastischen Möglichkeiten unserer Sprache, geprägt durch<br />

Goethe und Schiller, uns zum Ausdruck künstlerischen Schaffens<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Denn wer von Bildung spricht, darf über Kultur nicht<br />

schweigen, denn ohne Kultur sehe er eine angemessene Lebensqualität<br />

in unserem Lande nicht! Kultur sei für unsere<br />

Städte ein unverzichtbarer Bestandteil des Lebens! Es würde<br />

so viel von »Daseins-Fürsorge« in der Politik gesprochen, aber<br />

dies nur in Bezug auf Autobahnen, Straßenverkehr, Flughäfen<br />

und ähnlichem, doch die kulturell so bedeutende, reiche Theaterlandschaft<br />

<strong>Deutschland</strong>s wird nicht erwähnt! Sein Wort<br />

in die Ohren der an der Theater- und Tanz-Kultur sparenden<br />

Stadt-Kämmerer, sei es aktuell wieder in Hamburg, Hagen<br />

oder in Düsseldorf! Aber Kultur ist eben bedauerlicherweise<br />

immer noch keine Pflichtaufgabe als »Daseins-Fürsorge« –<br />

nur bescheidene 1,9´% des Bundeshaushalts sind der Kultur<br />

gewidmet! Hier wiederholte Westerwelle Angela Merkels<br />

Ausspruch: »Ausgaben für Kultur sind keine Subventionen,<br />

sondern Investitionen in die Lebensqualität und in die<br />

Zukunft!«<br />

Westerwelle sieht jedoch auch positive Seiten der heutigen<br />

Zeit: <strong>Deutschland</strong> ist das einzige Land in Europa, das den Kulturhaushalt<br />

nicht gestrichen, sondern sogar erhöht hat! Auch<br />

wurde die Künstlersozialversicherung/KSK stabilisiert, soziale<br />

Verbesserungen durch sozusagen kämpferischen Einsatz gegen<br />

das Finanzministerium durchgesetzt (wie auch die erfolgreiche<br />

Petition gegen die MWSt.-Erhöhung für künstlerischen<br />

Unterricht sowie für Choreographen, siehe BALLETT INTERN<br />

4/2012, Seiten 7 und 8 – Anm. der Red.).<br />

Nun läge ja die Kultur in unserem föderalistischen Staat in<br />

der Kultur-Hoheit der Länder, doch ist die Kultur im internationalen<br />

Feld Sache des Bundesaußenministeriums, u. a. auch<br />

durch das allen bekannte international wirkende Goethe-Institut.<br />

(Bedauerlicherweise zeigten vorhergehende Außenminister,<br />

wie z. B. Joschka Fischer, hier in kultureller Hinsicht kein zu<br />

großes Interesse. – Anm. der Redaktion). Heute hat sich diese<br />

föderalistische Situation jedoch etwas entschärft, bei allen<br />

Bundesländern wird die Mitarbeit des Bundes bei kulturellen<br />

Themen zum großen Teil inzwischen akzeptiert. So war es äußert<br />

interessant und wichtig, einmal diese Aussagen unseres<br />

Bundesaußenministers in Sachen »Europa als Kulturraum«<br />

zu erleben.<br />

Nach herzlichem, dankbarem Applaus für seine ausführlichen,<br />

interessanten und erfreulicherweise von keinerlei Partei-<br />

Politischen Bemerkungen getrübten Ausführungen eröffneten<br />

Gisela Piltz und Bertram Müller die anschließenden, äußerst<br />

interessanten und lebendigen, vielen kulturellen und kulturpolitischen<br />

Themen gewidmeten Diskussionen in einer brillanten<br />

Experten-Runde. Um 13.00 Uhr verabschiedete sich Guido<br />

Westerwelle, der sich erstaunlicherweise die Zeit hatte nehmen<br />

können, dieser Veranstaltung bis zum Abschluss beizuwohnen,<br />

nach einigen Autogrammen und Pressefotos rollte<br />

die Politiker-Karawane zum nächsten Termin. ■<br />

Kulturstaatsminister Bernd Neumann:<br />

Erleichterung im Jahressteuergesetz<br />

2013 bedeutet für Bühnenregisseure und<br />

Choreographen existenziell wichtige Regelung<br />

Die Bundesregierung hat heute den Entwurf des Jahressteuergesetzes<br />

2013 beschlossen. Darin ist eine Erleichterung<br />

für selbständig tätige Regisseure und Choreographen enthalten.<br />

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Umsätze von Bühnenregisseuren<br />

und Bühnenchoreographen an Theatern der öffentlichen<br />

Hand und gleichartigen Einrichtungen steuerfrei<br />

sind, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass<br />

deren künstlerische Leistungen diesen Einrichtungen unmittelbar<br />

dienen. Dies war zuvor von den Gerichten und den<br />

Finanzverwaltungen unterschiedlich gehandhabt worden,<br />

teilweise waren die Umsätze steuerbefreit, teilweise ermäßigt<br />

und teilweise war der volle Steuersatz von 19 Prozent<br />

erhoben worden.<br />

Kulturstaatsminister Bernd Neumann betonte: »Ich bin<br />

froh, dass es mir gelungen ist, diese zwar kleine, aber kul-<br />

10 Ballett Intern 5/2012


575.000 Euro<br />

Bundesförderung für<br />

»Initiative Tanz«<br />

von Karin Schmidt-Feister<br />

Der Kultur-Etat steigt 2013 um rund 8 % auf 1,28 Milliarden<br />

Euro. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) spricht von<br />

einem »Glückstag« für die Kultur mit Signalwirkung an die<br />

Länder, auch in finanziell schwierigen Zeiten nicht an Kultur<br />

zu sparen.<br />

Davon profitieren unter anderem das Denkmalsonderprogramm<br />

(31 Mio.), sie Stiftung Klassik Weimar (9,84 Mio.)<br />

sowie Förderung nationale Kultureinrichtungen in Ostdeutschland<br />

(4 Mio.), Sanierung Haus der Kulturen der Welt<br />

Berlin (10 Mio.), Erhöhung der Filmförderung um 10 Mio. auf<br />

70 Mio. sowie Förderprogramm zur Digitalisierung kleinerer<br />

Kinos und die Barenboim-Said Akademie in Berlin. Die Kulturstiftung<br />

des Bundes wird mit zusätzlichen knapp 5 Mio. Euro<br />

in die Lage versetzt, mehr innovative Projekte bundesweit zu<br />

fördern. Dies stärkt auch den Fonds Darstellende Künste mit<br />

600.000 Euro und somit die freie Theater- und Tanzszene in<br />

ganz <strong>Deutschland</strong>.<br />

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat<br />

in seiner Sitzung (8.11.2012) erstmals erhebliche Mittel für<br />

die Spitzenförderung von Tanzprojekten aus <strong>Deutschland</strong><br />

freigegeben. Wie der Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> (DTD)<br />

auf einer Pressekonferenz in Berlin mitteilte, wird die »Initiative<br />

Tanz« im Jahr 2013 mit insgesamt 575.000 Euro aus dem<br />

Etat des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und<br />

Medien (BKM) unterstützt.<br />

Der Dachverband hatte dem Bund in seinem Konzept für<br />

die »Initiative Tanz« vorgeschlagen, durch eine Erhöhung<br />

des Haushalts des BKM ein neues Förderprogramm für den<br />

turpolitisch wichtige Regelung in den Gesetzentwurf einzubringen.<br />

Für die Betroffenen ist diese Frage der Umsatzbesteuerung<br />

teilweise existenziell. Die unsichere Situation, die<br />

bislang aufgrund von Abweichungen zwischen Theorie und<br />

Praxis bestand, ist nun zugunsten der Kreativen beendet.<br />

Mir ist bewusst, dass Betroffene laufender Verfahren von<br />

dieser Neuregelung nur sehr eingeschränkt profitieren. Für<br />

die Zukunft ist indes Klarheit geschaffen. Mit der Regelung<br />

tragen wir dem immensen Stellenwert von Regie- und Choreographieleistungen<br />

für Theater, Musik- und Tanztheater<br />

Rechnung, ungeachtet, ob sie in selbständiger oder abhängiger<br />

Tätigkeit erfolgen. Dies entspricht dem Geist der<br />

europarechtlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung. Wir<br />

rücken damit endlich von der veralteten Abgrenzung zwischen<br />

Akteuren auf der Bühne und Akteuren hinter der Bühne<br />

ab, die fachlich schon lange nicht mehr vertretbar war.«<br />

Der Bundesfinanzhof hatte im Mai 2011 entschieden,<br />

dass die Leistungen von Regisseuren an öffentlichen Theatern<br />

nicht steuerbefreit sind.<br />

Die neue Regelung wird voraussichtlich zum 1.1.2013 in<br />

Kraft treten. (aus »die bühnengenossenschaft«, 8-9/2012)<br />

Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong><br />

Ständige Konferenz Tanz<br />

Tanz aufzubauen, um Mittel der Länder und Kommunen<br />

sowie von Ko-Produzenten und Sponsoren zu bündeln. Die<br />

Förderung der freien Ensembles und herausragender Produktionen<br />

für den internationalen Wettbewerb bleibe ein drängendes<br />

Thema, so der DTD, der sich bereits seit 2010 auf<br />

Bundesebene für ein derartiges Programm einsetzt. Michael<br />

Freundt (Geschäftsführer DTD) betonte: »Unser Konzept,<br />

dass wir in den letzten Monaten intensiv mit der Politik diskutiert<br />

haben, zielt darauf, mehr Mittel der Länder und Kommunen,<br />

auch von Koproduzenten und Stiftungen durch die<br />

Bundesmittel zu bündeln und so größere (wieder mehr Ensemble-<br />

als Solo produktionen) auf den Weg zu bringen und<br />

längere, fair honorierte Gastspiele zu realisieren. Dies würde<br />

auch die soziale Lage der Beteiligten stabilisieren helfen.«<br />

Rüdiger Kruse (MdB, CDU), Berichterstatter für Kultur und<br />

Medien im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages,<br />

sagte zur nun erfolgten Freigabe der Haushaltsmittel: »Ich<br />

freue mich, dass es uns gelungen ist, mit der ›Initiative Tanz‹<br />

ein innovatives Fördermodell auf den Weg zu bringen, das<br />

für den Tanz in <strong>Deutschland</strong> mehr Kontinuität in der künstlerischen<br />

Arbeit und größere internationale Ausstrahlung<br />

sichert.«<br />

Der Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> (DTD) arbeitet seit<br />

2006 als offizielle, bundesweite Plattform des künstlerischen<br />

Tanzes in <strong>Deutschland</strong>. Gegründet aus dem Bewusstsein<br />

der Akteure, dass der Tanz in der politischen<br />

Landschaft der Bundesrepublik mit einer Stimme sprechen<br />

muss, funktioniert der Dachverband Tanz heute als Verbund<br />

der herausragenden Verbände und Institutionen<br />

für den Tanz. Er erarbeitet Positionspapiere und Konzeptionen<br />

für die Förderung des Tanzes in <strong>Deutschland</strong>, realisiert<br />

Kampagnen und Initiativen und setzt diese, begleitet<br />

durch intensive Lobbyarbeit, in seinen Projekten um.<br />

Nach dem Auslaufen der Nationalen Performance Netz<br />

(NPN)-Koproduktionsförderung Ende 2010 als ein wichtiges<br />

Förderinstrument, das aus Mitteln des Tanzplan <strong>Deutschland</strong><br />

der Kulturstiftung des Bundes die Lücke zwischen den Aktivitäten<br />

des Fonds Darstellende Künste und der Allgemeinen<br />

Projektförderung der Kulturstiftung des Bundes im Bereich<br />

Tanz und Performance schließen konnte, setzen sich NPN<br />

und Dachverband Tanz weiterhin für eine dauerhafte Etablierung<br />

dieser international einzigartigen Förderstruktur im<br />

Etat des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und<br />

Medien ein. Das 2013 beginnende Fördermodell »Initiative<br />

Tanz« ist dazu ein wichtiger Schritt.<br />

Das neue, längerfristig konzipierte Fördermodell »Initiative<br />

Tanz« ist offen für freischaffende Künstler und Stadttheater.<br />

Bis Ende November werden die Ausschreibungskriterien<br />

konkretisiert. Zu erwarten sind eine Vielzahl von Bewerbungen,<br />

da ein hoher Anteil der Kosten nun vom Bund getragen<br />

werden kann, die freien Compagnien und Ensembles in den<br />

Kommunen könnten flexibler werden, da sie nicht mehr in so<br />

hohe Vorleistungen gehen müssen und durch eine effizientere<br />

Ko-Finanzierung gesicherte Produktionszeiträume möglich<br />

werden. ■<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.dachverband-tanz.de<br />

Ballett Intern 5/2012 11


Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong><br />

Ständige Konferenz Tanz<br />

Tanz im Dialog<br />

mit der Politik<br />

von Michael Freundt<br />

Politischer Dialog – ein Exkurs<br />

in die kurze Geschichte<br />

des Dachverbandes<br />

Der Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong><br />

kann auf gut acht Jahre ernsthaften Wirkens für die Tanzszene<br />

in <strong>Deutschland</strong> blicken. Erstmalig trafen sich Tanzverbände<br />

im Oktober 2004 am Rande der Internationalen Tanzmesse<br />

NRW in Düsseldorf und verstanden sich forthin als Ständige<br />

Konferenz Tanz. In diesem unverbindlichen Arbeitskreis bestand<br />

bald die Auffassung, dass man sich eine verbindliche<br />

Form geben sollte. Die Arbeit an einer Satzung begann schon<br />

2005 und mündete am 12./13. März in die offizielle Vereinsgründung.<br />

Seit dieser Zeit bis heute hat sich der Verband aktiver<br />

Interessensvertreter für den Tanz verstanden, wissend,<br />

dass andere »Tänzer auf dem kulturpolitischen Parkett« unterwegs<br />

sind. Aber es geht nicht darum, Gegenspieler zu<br />

sein, sondern verschiedene Interessen zu verbinden; auch<br />

mit anderen Interessensgruppen zu kooperieren. Insofern<br />

haben wir seither aktiv mit dem Bundesverband Freier Theater<br />

kooperiert, dem Rat für Darstellende Künste und Tanz<br />

(und seinem Beirat Tanz) mehrfach die Kooperation angeboten<br />

und einen allgemeinen Austausch gepflegt sowie mit<br />

dem Tanzplan <strong>Deutschland</strong> schließlich immer besser auch an<br />

konkreten Projekten gearbeitet. Und im Lichte des Tanzplans<br />

<strong>Deutschland</strong> (2006–2010) sichtbar zu werden, dies war nicht<br />

einfach.<br />

Im Jahr 2009 wurden umfangreiche Satzungsänderungen<br />

verabschiedet, die sowohl eine Erweiterung der Mitgliedschaft<br />

ermöglichten sowie die Namenänderung vollzogen.<br />

Mit dem Namen Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong>, auch<br />

wenn dies manchen »teutonisch« anmuten mag (Zitat Norbert<br />

Lammert), kommunizieren wir auch im Titel, was wir<br />

sein wollen und wie wir agieren.<br />

Über die Jahre haben wir vor allem in stetem Bemühen<br />

eine Verständigung in der Tanzszene aufgebaut, eine Kultur<br />

des Dialogs ist entstanden. Ich persönlich sehe da einen großen<br />

Unterschied zur Vergangenheit. Der Dachverband will<br />

übergreifend über ästhetische Richtungen, Produktionsweisen<br />

sowie regionale und berufsspezifische Interessen für den<br />

Tanz wirken. Und er hat zahlreiche Themen identifiziert, auf<br />

die sich Akteure im Dachverband geeinigt haben. Ob sich die<br />

Akteure in der Tanzszene durch den Dachverband vertreten<br />

fühlen, ist vor allem eine Frage, ob der Dachverband auch in<br />

ihrem Sinne wirkt.<br />

Neben den ersten Runden Tischen, öffentlichen Foren,<br />

Kampagnen und kleineren Projekten wurde der Politische<br />

Dialog aufgebaut. Schon bald wurde der Kontakt zum Referat<br />

K22 beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur<br />

und Medien (BKM) aufgenommen, Gespräche mit Politikern<br />

auf Bundesebene und auf der Ebene der Länder folgten.<br />

Ein wirklicher Wandel trat in 2010 ein, als der Dialog mit<br />

dem Haus des BKM neue Belebung erfuhr, erste Projekte<br />

unterstützt wurden und Gespräche mit fast allen Parteien<br />

im Deutschen Bundestag begannen. Ende Mai 2011 empfing<br />

Kulturstaatsminister Bernd Neumann den Vorstand des<br />

Dachverbands im Bundeskanzleramt, im Juli 2012 hatten wir<br />

die Ehre, gemeinsam mit Staatsminister Neumann, zu einem<br />

Empfang für den Tanz einzuladen. Rund 50 wichtige Akteure<br />

für den Tanz in <strong>Deutschland</strong> verbanden ihre vielfältigen Themen<br />

in einem anregenden, ja beflügelnden Austausch.<br />

Mit dem Jahr 2013 beginnt eine langfristig geplante Förderung<br />

des Dachverbandes als einer bundesweiten Infrastruktur<br />

für den Tanz durch den BKM. Und schließlich wird<br />

auf Betreiben des Dachverbandes die »Initiative Tanz«, ein<br />

mehrjähriges Förderprogramm, durch den Bund 2013 mit bis<br />

zu 575.000 Euro gefördert. Auf dieser Basis soll die Arbeit<br />

weiter gehen!<br />

Was haben wir bei unseren Themen erreicht?<br />

In der Gründungphase 2006 haben wir die »10 Handlungsmaxime<br />

für den Tanz« erarbeitet – ein grundlegendes Papier.<br />

Prioritäten und praktische Schritte blieben zu erarbeiten. In<br />

den letzten Jahren haben wir mit dem BKM vier Kernpunkte<br />

fokussiert: Soziale Lage, Förderung, Vernetzung, kulturelles<br />

Erbe. Die weiteren Themenfelder nehmen wir schrittweise in<br />

den Blick.<br />

Thema Soziale Lage der Tanzschaffenden: Hier hat sich<br />

die Stiftung TANZ aus dem Dachverband heraus etabliert, die<br />

das zentrale Thema Transition bearbeitet. Erst jüngst haben<br />

sich mehrere Bundesländer auf eine gemeinsame Förderung<br />

der Geschäftsstelle der Stiftung geeinigt, der Stiftungsstock<br />

ist im Aufbau. Der Dachverband begleitet diese Arbeit, wo<br />

gewünscht. Zentrale Frage bleibt jedoch die Anerkennung<br />

des beruflichen Status‘ der Tänzer und Tanzpädagogen.<br />

Thema Förderung: Die aktuelle Förderung für die »Initiative<br />

Tanz« sehe ich vor allem als Signal für unsere Gespräche<br />

mit den Ländern, zu einer wirklichen Systematik in<br />

der Tanzförderung zu kommen. Der im Konzept »Bund-Länder-Initiativ<br />

Tanz« beschriebene Angang bringt strukturiert<br />

alle Player in der Tanzförderung zusammen und versucht, ein<br />

langfristiges rahmenkonzept für die Tanzförderung zu<br />

etablieren, das sich an den Bedürfnissen der Kunst orientiert.<br />

Ausgangspunkt sind hier die Papiere, die durch die Arbeitsgruppe<br />

Künstlerförderung (Bea Kießlinger, Bertram Müller,<br />

Christiane Theobald) erarbeitet wurden. Engmaschige Koordination,<br />

eine übergreifende Architektur der Tanzförderung<br />

sind hier die Stichworte sowie eine enge Abstimmung mit<br />

dem Bund, die auch auf Bundesebene zu einem langfristigen<br />

Engagement führen soll. Denn das Interesse auf Bundesebene,<br />

mehr für den Tanz zu tun, wird immer wieder signalisiert,<br />

die Initiative muss aber von den Ländern ausgehen. Und als<br />

Initiator und Impulsgeber ist der Dachverband gefragt. So<br />

sollten wir vorangehen und einen Arbeitskreis etablieren, der<br />

alle Ebenen (von den Kommunen bis zum Bund) einbezieht<br />

und Arbeitsprozesse auf den verschiedenen Ebenen strukturieren.<br />

Eine langfristige Arbeit, bei welcher der Tanzkongress<br />

2013 und die Tanzplattform 2014 als Meilensteine auf dem<br />

Weg dienen können.<br />

12 Ballett Intern 5/2012


Thema Vernetzung des Tanzbereichs: Noch 2009/10<br />

schienen die Stichworte »Nationales Tanzbüro« oder »Deutsches<br />

Informationszentrum Tanz« die erfolgversprechenden<br />

Konzepte, um für die bundesweite Arbeit für den Tanz auch<br />

mit Förderung Anerkennung zu finden. Aber es gab immer<br />

im Verband Stimmen, die für die Etablierung einer Geschäftsstelle<br />

als den richtigen Schritt plädierten. Inhaltlich war<br />

weitgehend dasselbe gemeint. Die Frage blieb, mit welchen<br />

Ideen wir Länder und Bund als Förderer gewinnen können.<br />

Durch die Entscheidung des BKM, den Dachverband aus seinem<br />

Etat so zu fördern, dass er arbeitsfähig wird und für den<br />

Tanz in <strong>Deutschland</strong> wirken kann, hat diese Thematik eine<br />

erste Klärung erfahren.<br />

Die notwendigen Aufgaben in der Vernetzung der regionalen<br />

Akteure nehmen wir in unseren Projekten auf, insbesondere<br />

haben wir hierzu die Projektlinie »InfoPlus«, in<br />

der die regionalen Tanzbüros, Informationsstellen<br />

und Ansprechpartner für den Tanz gestärkt werden<br />

sollen, etabliert: Erste Treffen haben 2012 begonnen, für<br />

2013 sind weitere geplant. Begleitet wird diese Arbeit von<br />

der redaktionellen Arbeit an übergreifenden Informationen<br />

dazu. Die Projektleitung liegt bei Bea Kießlinger.<br />

Schließlich dient aber unser Rechercheprojekt »Reichweite<br />

des Tanzes in die Gesellschaft«, das wir 2012 begonnen<br />

haben, auch zu einer Verständigung über alle Bereiche von<br />

der Ausbildung über die kulturelle Bildung zu einem gemeinsamen<br />

Sammeln von Erkenntnissen und Argumenten für den<br />

Tanz. Also auch das eine Form der – inhaltlichen – Vernetzung.<br />

Thema Kulturelles Erbe: Dass der Tanz in <strong>Deutschland</strong>,<br />

dass seine Archive über einen reichen Schatz des kulturellen<br />

Erbes verfügt, darüber besteht kein Zweifel. Dass es hier eine<br />

nationale Aufgabe der Bewahrung und Sichtbarmachung<br />

gibt, hat der BKM erkannt. Die Kulturstiftung des Bundes<br />

und der BKM haben sich für erste Schritte einer Bestandsaufnahme<br />

und Analyse von Datenbanken und weiteren Arbeitsschritten<br />

engagiert, diese mit insgesamt 80.000 € (über die<br />

Akademie der Künste und den Dachverband) gefördert. Das<br />

voraussichtliche Volumen der Kosten für ein Erhaltungs- und<br />

Digitalisierungsprojekt belaufen sich auf über 8 Millionen<br />

Euro. Jetzt steht ein Antrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

auf der Tagesordnung, auch die KSB hat ihre<br />

Unterstützung signalisiert. Die weiteren Schritte müssen über<br />

den Verbund der Tanzarchive, dessen fünf Archive alle Mitglieder<br />

im Dachverband sind, strukturiert werden. Der Dachverband<br />

begreift dies als wichtiges Arbeitsfeld und sollte<br />

auch als Antragsteller/Projektträger neben der Akademie der<br />

Künste bereit stehen.<br />

Thema Aus- und Weiterbildung: In den letzten Jahren<br />

haben wir mit Tanzplan <strong>Deutschland</strong> eine Studie zu den Arbeitsfeldern<br />

in der Tanzpädagogik realisiert. Die Studie liegt<br />

vor, sie ist im kleinen Kreis diskutiert; wie wir damit weiter<br />

verfahren, ist noch offen. Eine Expertenrunde ist geplant,<br />

wann sie aber stattfinden kann, ebenfalls noch offen. Dass<br />

die Hochschulen (z. B. über die Ausbildungskonferenz Tanz)<br />

enger in den Dachverband eingebunden werden, ist sehr gewünscht,<br />

aber noch nicht konkret realisiert.<br />

Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong><br />

Ständige Konferenz Tanz<br />

Thema Kulturelle Bildung: Zentrales Thema war hier<br />

die Antragstellung beim Programm des Bundesministeriums<br />

für Bildung und Forschung »Kultur macht stark!«. Nach einiger<br />

Diskussion im Vorstand wurde entschieden, dass der<br />

Bundesverband »Tanz in Schulen« in Kooperation mit dem<br />

Dachverband sein Konzept »ChanceTanz« als Antrag stellen<br />

soll. Der Antrag war sehr erfolgreich, nun geht es für den<br />

Bundesverband »Tanz in Schulen« darum, das Projekt in den<br />

nächsten Jahren zu realisieren, für den Dachverband darum,<br />

die Kooperation auszugestalten. Tanz für und mit Kindern<br />

und Jugendlichen bleibt ein Arbeitsthema.<br />

Thema Tanz und mediale Öffentlichkeit: Wir arbeiten<br />

an ersten Visualisierungen zur Tanzentwicklung und zu Strukturen,<br />

Künstlern, Produktionsorten im Tanz. Diese Landkarten<br />

und Grafiken lösen Fragen aus, wecken Interesse. Anfang<br />

2013 werden wir dies als kleine Publikation vorlegen können.<br />

Mit ersten Pressemitteilungen und Pressegesprächen bauen<br />

wir einen langfristigen Kontakt zur Presse auf, um unsere<br />

Themen zu kommunizieren. Die Tanzkritik als solche zu<br />

qualifizieren, Tanz wieder stärker in die mediale Öffentlichkeit<br />

zu bringen, bleibt ein eigenes Thema. Immer wieder gab es<br />

Überlegungen zu einem Symposium auf diesem Feld.<br />

Der Dachverband hat eine Kooperation mit tanznet.de<br />

gestartet, regelmäßig erreichen die Newsletter von Dachverband<br />

und tanznetz.de nun 15.000 bis 20.000 Empfänger.<br />

Der Relaunch der Website www.dachverband-tanz.de ist<br />

für Anfang 2013 geplant, die englische Version soll Mitte Februar<br />

2013 folgen.<br />

Von immer mehr Tanzkünstlern, Tanzschulen, Tanzorten<br />

wird der Welttanztag (29. April) als Aktionstag für den<br />

Tanz genutzt. Seit drei Jahren unterstützen wir auch die Initiativen<br />

unseres Mitglieds dance and the Child international,<br />

in Berlin haben verschiedene Aktionen mit Kindern und<br />

Jugendlichen stattgefunden. Der Rat für Darstellende Künste<br />

(im Deutschen Kulturrat) hat sich auf eine Deutsche Tanzwoche<br />

um diesen Termin herum verständigt. Was aber immer<br />

noch fehlt, ist, die vielfältigen Aktionen – vom lokalen Ereignis<br />

bis zum internationalen Event – in eine gemeinsame Sichtbarkeit<br />

zu bringen. Hier hat die Geschäftsstelle Kontakt für Medienpartnerschaften<br />

zur Zeitschrift »tanz« und zu tanznetz.de<br />

aufgenommen und arbeitet an einer visuellen Präsenz dieser<br />

vielfältigen Aktionen. Auch eine Werbekampagne u. a. wäre<br />

denkbar, muss aber eher langfristig entwickelt werden.<br />

Zu überlegen wäre für den Welttanztag 2014 ein<br />

Thema wie z. B. »Inklusion« anzugehen. Das setzt einen<br />

konkreten Akzent und liefert auch den Ansatz, um mit anderen<br />

Verbänden (z. B. aus dem Rat für Darstellende Künste<br />

und Tanz) zusammenzuarbeiten.<br />

Thema Tanz und Wissenschaft: Im Rechercheprojekt<br />

»Reichweite des Tanzes in die Gesellschaft« arbeiten wir derzeit<br />

mit einer Tanzwissenschaftlerin an einer konkreten Übersicht<br />

zu den aktuellen Themen in der Tanzwissenschaft und<br />

wollen davon ausgehend Kontakte zu den Akteurinnen in<br />

der Wissenschaft anbahnen. Ziel kann es sein, langfristig gemeinsame<br />

Forschungsprojekte zur »reichweite« auf<br />

den Weg zu bringen. ■<br />

Ballett Intern 5/2012 13


»Sieh’ mal an …« – Die Kolumne von Ralf Stabel<br />

HEUTE: Preiset!<br />

von Ralf Stabel<br />

Wer es in unserem Land im Tanz zu<br />

etwas gebracht hat, kann mitunter<br />

mit einer angemessenen Auszeichnung<br />

rechnen. Allen voran gibt es<br />

den »Deutschen Tanzpreis«, aber<br />

auch den »Faust«, es wird der Titel<br />

»Kammertänzer« verliehen –<br />

zumindest in Berlin – und sogar<br />

das Bundesverdienstkreuz. Für die<br />

Tanzwissenschaft gab es bereits<br />

den »Leibniz-Preis« und regelmäßig<br />

werden der »Tanzwissenschaftspreis«<br />

und der »Kurt-Jooss-Preis« vergeben. So mancher Tänzer<br />

aus <strong>Deutschland</strong> ist auch im Ausland zum Weltbesten mit<br />

dem »Prix Benois de la Danse« gekürt worden. Es gibt auch diverse<br />

Landes- und Städteverdienstorden, Honorarprofessuren<br />

und Ehrendoktorwürden und unsensiblen Unsinn wie den Titel<br />

»Jahrtausendtänzer«. Zu allen fallen uns Namen ein. Meist<br />

die der ganz Großen. Es ist fraglos ebenso gut wie richtig für<br />

die Anerkennung unserer Kunst, wenn diejenigen, die etwas<br />

geschafft und für den Tanz etwas geschaffen haben, an dieser<br />

Stelle ihrer Karriere gewürdigt werden!<br />

Doch wie sieht es eigentlich an einer anderen Stelle der<br />

Karriere mit der Förderung aus: am Beginn? Denn im Tanz<br />

braucht eine für unsere Ausbildungs- und Studienlandschaft<br />

ganz untypische Gruppe Anerkennung: Kinder, Jugendliche<br />

und junge Erwachsene aus der ganzen Welt.<br />

Für Schüler gibt es die Möglichkeit des Schüler-Bafögs bereits<br />

ab der Jahrgangsstufe 10, das meist nicht zurückgezahlt<br />

werden muss! Studierende erhalten Studenten-Bafög, das zur<br />

Hälfte als Darlehen bewilligt wird, dessen Rückzahlung aber<br />

mit guten Leistungen minimiert und bei fehlender Einkommenssituation<br />

ausgesetzt werden kann. Für die Finanzierung<br />

des Übergangs in den zweiten Berufsweg bietet sich ein Meister-Bafög<br />

an, überwiegend als Darlehen vergeben. Auch ausländische<br />

Schülerinnen und Studierende können über dieses<br />

Instrumentarium gefördert werden. Insbesondere, wenn sie<br />

EU-Bürger sind bzw. sich nach anderen geltenden rechtlichen<br />

Regelungen hier aufhalten. (Genaueres regelt § 8 des Bafög.)<br />

Auch die Studienkredite der KfW-Bank werden (ebenso über<br />

andere Bankinstitute) zu besonders günstigen Zinskonditionen<br />

nach eben solchen Kriterien vergeben.<br />

Neben dieser staatlichen und staatlich geförderten Ausbildungsunterstützung<br />

gibt es auch privates und bürgerschaftliches<br />

Engagement, das meist über Stiftungen Stipendien<br />

an begabte Nachwuchstalente vergibt. Eine – mir nicht bekannte<br />

– Auflistung dieser engagierten Helfer würde sicher<br />

mit Begeisterung in der Welt der Tanzausbildung aufgenommen<br />

werden. Denn im Gegensatz zur etablierten Förderung<br />

von z. B. Bildender Künstler, ist es schon besonders,<br />

etwas zu fördern, was man nicht mit nach Hause nehmen,<br />

behalten und später gegebenenfalls wieder veräußern kann.<br />

Denn all das geht mit einer heranwachsenden Ballerina nicht.<br />

Wer im Rahmen seiner Möglichkeiten die Gelegenheit hat, da-<br />

rüber mitzuentscheiden, ob es nicht auch einmal ein/e Tanzschüler/in<br />

sein könnte, der/dem das nächste Stipendium zuteil<br />

wird, den bitte ich ernsthaft, dies zu tun. Mir persönlich sind<br />

z. B. die Proskenion-Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung<br />

und die Alfred-Töpfer-Stiftung F. V. S., die Heinz-Bosl-Stiftung,<br />

die Tanzstiftung Birgit Keil und die Bundeskulturstiftung mit<br />

dem »Tanzplan <strong>Deutschland</strong>« bekannt, die sich bereits um<br />

den tänzerischen Nachwuchs gekümmert haben und kümmern.<br />

Ich kann an dieser Stelle nur hoffen, dass bei der<br />

BALLETT-INTERN-Redaktion eine Vielzahl von Zuschriften mit<br />

den Hinweisen auf Preise und Stipendien für junge Tanzstudierende<br />

eingehen, die diese dann hier veröffentlichen kann.<br />

Nun hatte die Bundesbildungsministerin eine gute Idee, bürgerschaftliches<br />

Engagement weiter zu aktivieren, mit der Installierung<br />

des <strong>Deutschland</strong>-Stipendiums. Aber leider scheint<br />

dies ein Instrument zu sein, das sich nicht »spielen« lässt und<br />

damit wertlos ist. Und das ist sehr ärgerlich, weil es so notwendig<br />

wäre. Die Idee ist so einfach wie gut: Das <strong>Deutschland</strong>-Stipendium<br />

beträgt 300 € monatlich. 150 € von einem<br />

privaten Geldgeber werden mit weiteren 150 € aus dem Haushalt<br />

des Bundes aufgestockt. Zur Verfügung stehen immerhin<br />

sage und schreibe: 36,6 Millionen €! Aber leider kann dieses<br />

Stipendium nur an Studierende, nicht an Schüler vergeben<br />

werden. Damit bleiben z. B. die Ballettschüler, die ihre Ausbildung<br />

im Rahmen einer Berufsfachschule absolvieren, leider<br />

außen vor. Aber auch für die Studierenden sieht es eigenartig<br />

aus: Von den 388 Hochschulen des Landes beteiligen sich<br />

nur 263. Und von diesen wiederum schaffen es nur 104, die<br />

angestrebte Förderquote von 1 % auszuschöpfen. Ab 1. August<br />

2012 soll sie bei 1,5 % liegen. So erhalten in diesem Jahr<br />

lediglich 11.000 Studierende das Stipendium. Das sind aber<br />

Ausgaben von »nur« 17 Mio €. Mehr als die Hälfte wird nicht<br />

genutzt – in diesem Jahr. Im vergangen Jahr betrug die Zahl<br />

der Stipendiaten gerade einmal die Hälfte dieses Jahres. Da<br />

wurden also Dreiviertel des Geldes nicht ausgegeben.<br />

Und leider ist es so, dass es keine Ausgleichsmöglichkeiten<br />

gibt. So erlebe ich den Fall, dass es in Berlin für die Fachrichtung<br />

Bühnentanz durchaus private Förderer gibt, die Fördergrenze<br />

von 1 % aber bereits erreicht ist und das <strong>Deutschland</strong>-<br />

Stipendium in diesen Fällen nicht gewährt werden kann. So<br />

greift diese gute kluge Regelung aus diesen zwei Gründen<br />

nicht: Schüler werden nicht gefördert, und wenn die Förderhöchstquote<br />

einer kleinen künstlerischen Hochschule erreicht<br />

ist, kann man sich keine Stipendien von Universitäten »borgen«,<br />

auch wenn diese ihre Kontingente bei weitem nicht<br />

ausschöpfen.<br />

Das ist besonders schade vor dem Hintergrund, dass die<br />

Krise in Europa in der Tanzausbildung in <strong>Deutschland</strong> durchaus<br />

angekommen ist. Kaum eine andere Studienrichtung ist so<br />

international wie der Tanz; in kaum einer anderen sind die Studierenden<br />

so jung und damit unvermögend wie im Tanz; und<br />

kaum eine andere Studienrichtung fordert den ganzen jungen<br />

Menschen so wie der Tanz, sodass sich Nebenjobs geradezu<br />

verbieten. So wird bürgerliches Engagement ausgebremst und<br />

staatliche Förderung nicht genutzt und – wie oben beschrieben<br />

– nicht nutzbar. Sieh‘ mal (leider) an…! ■<br />

Sieh’ mal an …<br />

Sieh’ mal an …<br />

Sieh’ mal an …<br />

Prof. Dr. ralf Stabel ist Tanzhistoriker, Autor und Direktor der Staatlichen<br />

Ballettschule Berlin und Schule für Artistik<br />

14 Ballett Intern 5/2012


Performance Course<br />

Bonn 2012<br />

von Christine Eilks<br />

Bereits zum 14. Mal jährte sich der Performance Course<br />

Bonn, organisiert von Step Ahead e. V. – Verein für darstellende<br />

Künste und Tanzpädagogik, in den nordrhein-westfälischen<br />

Herbstferien im Theater der Brotfabrik Bonn Beuel. Ein<br />

Projekt von internationaler Bedeutung, wie ein Rückblick in<br />

die Geschichte der Veranstaltung zeigt:<br />

Anne Christine Rogers (1. Vorsitzende Step Ahead e. V.),<br />

Tänzerin, Tanzpädagogin und Choreographin, entwickelte<br />

in den 1990er Jahren den Gedanken, jugendlichen Tanzstudenten<br />

die Möglichkeit zu eröffnen, neben ihrem regelmäßigen<br />

Unterricht auch gezielt Erfahrung in der Bühnenarbeit<br />

zu sammeln. Auf diese Weise erleben sie ihr Wissen um<br />

den Tanz mit einem neuen Fokus, in einem Raum und einer<br />

Gemeinschaft, die das Leben in und mit den darstellenden<br />

Künsten reflektieren.<br />

1998 nahm ein komplexes Unternehmen dann erstmals<br />

Gestalt an und der 1. Performance Course Bonn fand unter<br />

der Leitung des damaligen Landesverbands der Royal Academy<br />

of Dance NW e. V. in Bonn statt. Er wurde gleichzeitig<br />

Pilotprojekt für den mittlerweile in London und weltweit an<br />

verschiedenen Orten jährlich mit außerordentlichem Erfolg<br />

stattfindenden Performance Course der Royal Academy of<br />

Dance (RAD ® ). Ein wunderbares Beispiel, wie eine außergewöhnliche<br />

Idee große Früchte tragen kann.<br />

Seit den Anfangsjahren wurden die Kursinhalte immer<br />

weiter modifiziert und an die Bedürfnisse der heutigen Tanzausbildung<br />

angepasst. Neben täglichem klassischem Training<br />

und der Arbeit im Bereich des klassischen Repertoires, sind<br />

mittlerweile Contemporary und Jazz, Musical Theatre und<br />

Step Ahead e.V.<br />

Performance Coure 2013<br />

21. Oktober bis 2. November<br />

Anmeldeformulare erscheinen<br />

in Kürze. Bitte wenden Sie<br />

sich dafür an die angegebenen<br />

Kontaktdaten:<br />

Kontakt<br />

Anne Christine Rogers<br />

coda-rogers@t-online.de<br />

Tel.: 0228 / 28 22 80<br />

Fax.: 0228 / 28 29 45<br />

Christine Eilks<br />

ceilks@t-online.de<br />

(Fotos: Michael Seppeler)<br />

Step Ahead e.V. – »Immer einen Schritt voraus!«<br />

Gesang feste Bestandteile des Stundenplans. Die Studenten<br />

gestalten gemeinsam mit einem sorgfältig ausgewählten<br />

Team von international renommierten Dozenten und<br />

Musikern individuelle Choreographien in dieser Vielfalt von<br />

Tanzdisziplinen. So erfahren sie unmittelbar, was es heißt,<br />

Teil eines kreativen Entwicklungsprozesses zu sein. Sorgfältige<br />

Arbeit an den Inhalten ist dabei ebenso wichtig wie das<br />

soziale Miteinander und die Erfahrung, Teil eines größeren<br />

Ganzen zu sein.<br />

Höhepunkt des Performance Course sind die öffentlichen<br />

Abschlussvorstellungen auf der Hauptbühne des Theaters.<br />

Die große Anerkennung, die Step Ahead e. V. und sein<br />

Projekt genießen, zeigt sich unter anderem in der Kooperation<br />

mit dem Performers College England, das bereits zum<br />

zweiten Mal einen Teil des Dozententeams stellte. Im Anschluss<br />

an den Performance Course fanden in Köln Auditions<br />

für die dreijährige Ausbildung an diesem Institut statt<br />

und mehrere deutsche Studenten haben nun die Chance,<br />

an einem der führenden Colleges in England zu studieren.<br />

Weiterhin stellt das Performers College Stipendien für die<br />

Teilnahme an der jährlichen Oster- bzw. Sommerschule zur<br />

Verfügung.<br />

Der Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik e. V., bei<br />

den Abschlussvorstellungen vertreten durch den künftigen<br />

Ehrenvorsitzenden <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>, zollt seine Anerkennung<br />

ebenfalls durch die Bereitstellung von Stipendien für die<br />

Tanztage in Worpswede und Bregenz.<br />

Im kommenden Jahr feiert der Performance Course Bonn<br />

sein 15. Jubiläum. Auf besondere Überraschungen darf man<br />

gespannt sein. Traditionell findet die Veranstaltung in den<br />

Herbstferien in Nordrhein-Westfalen (21. Oktober bis 2. November)<br />

statt.<br />

Neben diesem Großprojekt bietet Step Ahead e. V. im Jahresverlauf<br />

eine Vielzahl von Fortbildungsveranstaltungen für<br />

Kinder, Jugendliche und Pädagogen an. ■<br />

Ballett Intern 5/2012 15


17. Internationale Sommertanzwoche Bregenz 2012<br />

Internationale Begegnungen<br />

am Bodensee<br />

Die 17. Internationale Sommertanzwoche Bregenz<br />

von Jens Siebeneicher<br />

Das letzte Lied klingt aus. Lachen, Sprechen, Schweigen.<br />

Hektik und Aufbruchstimmung machen sich breit. So viele<br />

andere Gesichter, in denen man die Erlebnisse der vergangenen<br />

Woche abzulesen versucht. Anstrengung, Freude –<br />

Freude auch darüber, Eltern und Familie noch vor wenigen<br />

Minuten sein ganzes Können gezeigt zu haben – aber auch<br />

Traurigkeit. Eine Woche, die mit neugierigen, fragenden und<br />

vielleicht auch ablehnenden Blicken begann, endet abrupt.<br />

Plötzlich sind Worte unwichtig.<br />

Sieben Tage zuvor begann die 17. Internationale Sommertanzwoche<br />

in Bregenz, die wie in den vergangenen Jahren<br />

von Mona Brandenburg und <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> vom Deutschen<br />

Berufsverbandes für Tanzpädagogik (DBfT) organisiert wurde.<br />

Das Team der Tanzwoche erreichte Bregenz: Die Betreuer<br />

trudelten ein, die Dozenten – Angela Reinhardt, Viktoria<br />

Zaripova, Selatin Kara, Jean-Hugues Assohoto, Christine Hasting,<br />

Günther Rebel, Rachel Jackson-Weingärtner und Andy<br />

Lemond – und die Pianisten ebenfalls. Eltern kamen, brach-<br />

Die Tänzerinnen der Little Star Arts Group mit ihren Betreuerinnen haben viel Spaß mit dem<br />

Dozenten Selatin Kara (alle Fotos: Jürgen Schultz)<br />

ten ihre Kinder, manche schon wie gewohnt, zum Gästehaus<br />

am Bodensee, unweit davon die Seebühne, die man noch<br />

besuchen sollte, das Seebad, das wieder einmal Anziehungspunkt<br />

für Freizeitaktivitäten wurde. Es ist bemerkenswert, wie<br />

schnell die Jungen und Mädchen Gemeinsamkeiten entdecken,<br />

Sympathien entwickeln und Unterschiede überwinden.<br />

Nachdem die kleinen und großen Tänzer ihre Zimmer bezogen<br />

hatten, kam auch der von vielen mit Neugier erwartete<br />

Bus an. Schweigend wurde zugeschaut, wie 30 schwarzhaarige<br />

Mädchen, den gleichen Rucksack und die gleichen Hemden<br />

tragend, müde und wortkarg ausstiegen: Chinesinnen im<br />

Alter zwischen neun und 14 Jahren aus Shanghai.<br />

Zimmer beziehen war kein Problem, zum Essen anstellen<br />

ebenso wenig, tanzen am nächsten Morgen schon gar nicht.<br />

Doch die »Little Star Arts Group«, wie sie in ihrer Heimat<br />

genannt wird, schien dennoch so richtig noch nicht angekommen<br />

zu sein. Es könnte vielleicht daran gelegen haben,<br />

dass sie bis zu diesem Zeitpunkt den übrigen Teilnehmern der<br />

Sommertanzwoche ihre Leidenschaft, ihren eigenen Tanzstil,<br />

von chinesischer Folklore bis zum klassischen Ballett, noch<br />

gar nicht hatten vorstellen können. Wie sollte man sie denn<br />

auch verstehen, ohne dass man ihre <strong>Tanzkunst</strong> kennt?<br />

Es verging der erste Tag nach dem langen Flug und der<br />

Ankunft, ohne dass die Little Stars verstanden worden wären,<br />

dachte man. Bei der abendlichen Tanzveranstaltung<br />

der Gruppe allerdings rückten Unterschiede<br />

schon etwas beiseite. Endlich konnten<br />

die von weither angereisten Tänzerinnen in<br />

einem 60-minütigen Programm ihre traumhaften<br />

Kostüme in einer tanzkulturellen Reise<br />

durch die traditionelle chinesische Kultur,<br />

aber auch durch die kulturelle Vielfalt des<br />

Landes präsentieren. Und tatsächlich – von<br />

diesem Moment an schienen das Eis und die<br />

Fremdheit zu schmelzen.<br />

Am nächsten Trainingstag wurde lauthals<br />

auf Deutsch und Chinesisch bis zehn<br />

gezählt, und im Laufe der Woche kamen<br />

sich die Ballerinen immer näher. Die Zeit zwischen<br />

den Kursen wurde genutzt, um bei<br />

den Little Stars – aber auch anderen Gruppen<br />

– zuzuschauen, im Speisesaal verbrachte<br />

man gemeinsam die Mittagspause und dank<br />

beiderseitiger Englischkenntnisse kamen die<br />

16 Ballett Intern 5/2012


Mädchen sogar miteinander ins Gespräch. Der Höhepunkt<br />

der Woche war für viele auch in dieser Hinsicht sicherlich die<br />

gemeinsame Bodenseefahrt. Namen wurden übersetzt, Vokabeln<br />

bei den Dozenten und Betreuern nachgefragt und Fotos<br />

geschossen. Viele Fotos. Und es wurden E-Mail-Adressen<br />

ausgetauscht.<br />

Mit neuen Bekanntschaften, Namen und Gesichtern bestritten<br />

die Teilnehmer die kommenden und schließlich auch<br />

letzten Tage ihrer Sommertanzwoche in Bregenz. Ballett,<br />

Tanztheater, Zeitgenössischer Tanz, Hip-Hop, Funky Jazz,<br />

Jazz, Musical, Modern Dance und Folklore wurden mit Blick<br />

auf die Abschlussveranstaltung intensiv trainiert, um der Familie<br />

am Samstag Technik, Ausdruck und Choreographie von<br />

der besten Seite zeigen zu können. Nachmittags und abends<br />

wurde die Choreographie nicht selten auf dem Zimmer oder<br />

auch woanders noch perfektioniert – sofern die Tänzer nicht<br />

in der Oper oder mit der Pfänderbahn unterwegs waren.<br />

Daneben standen auch Tretbootfahrten und Seebadbesuche<br />

hoch im Kurs – kein Wunder, bei dem herrlichen Wetter<br />

während dieser Sommertanzwoche.<br />

Zwar absehbar, doch viel zu früh, hieß es am Freitagabend<br />

schon wieder Koffer packen, um am Samstagmorgen<br />

pünktlich zur Generalprobe im Bundesgymnasium zu sein.<br />

Konzentration, Korrektur, Positionen, und alles noch einmal –<br />

Aufregung, Anspannung und Vorfreude; dieser letzte große<br />

Aufführungstag ist wahrlich ein Wechselbad der Gefühle.<br />

Dann geht es los, die Musik setzt ein und – gäbe es einen<br />

17. Internationale Sommertanzwoche Bregenz 2012<br />

Vorhang, er öffnete sich genau in diesem Moment, in dem<br />

Nervosität in Glück und Bewegungsfreude umschlägt. Beifall<br />

und Lob bleiben bei den gekonnt getanzten Choreographien<br />

natürlich nicht aus. Auch die Little Stars zeigten mit einigen<br />

Stücken ihres Repertoires, was sie vorher schon konnten und<br />

was die engagierten Dozenten ihnen während dieser einen<br />

Woche beizubringen vermochten.<br />

Die Tänzer verbeugen sich, genießen den durchdringenden<br />

Beifall des zahlreich erschienenen Publikums. Schlussapplaus,<br />

alle Teilnehmer sind auf der Bühne. Den Dozenten wird<br />

gedankt, den Pianisten und den Betreuern ebenfalls. Beifall<br />

für die Kulturagentin Minghui Kong, <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> und für<br />

Gunnar Breuer vom Kulturamt Bregenz für ihre Kooperation.<br />

Zuspruch jedoch vor allem für Mona Brandenburg, die diese<br />

wunderbare Begegnung am Bodensee mit unermüdlichem<br />

Einsatz organisierte. Zuspruch von allen Seiten, bis die aus<br />

den Boxen tönenden Worte wohlbekannten Klängen weichen.<br />

Ein erstes und vermutlich letztes Mal nehmen alle gemeinsam<br />

auf der Bühne den Rhythmus und die Melodie in<br />

sich auf und tragen sie durch ihre Bewegungen und Gefühle<br />

nach außen.<br />

»Es ist die Musik, die jeder von uns so sehr liebt – nichts<br />

gibt uns so viel wie die Musik«. (Textzeile aus »Wir lieben die<br />

Musik«, Song aus dem Film »Rock it«, zu dem Selatin Kara<br />

eine Choreographie kreierte.) Blicke treffen sich im bittersüßen<br />

Moment des Abschieds – wenn doch diese Woche nie<br />

enden könnte. ■<br />

Ballett Intern 5/2012 17


Inge Stoffers ist 90<br />

Viel Rauch um<br />

eine Ballettschule<br />

Inge Stoffers zum 90. Geburtstag<br />

von Dagmar Ellen Fischer<br />

»Lieber Gott, ich möchte bis 30 tanzen, bitte nicht<br />

heiraten!« (Zitate aus: Alice Wanke, Inge Stoffers,<br />

»Ich war so beschäftigt mit der Tanzerei«, Erinnerungen<br />

an ein Leben mit dem Tanz, Münster 2008; S. 18)<br />

So klang das Nachtgebet der Inge Stoffers, als sie ein kleines<br />

Mädchen war. Tatsächlich ging dieser Wunsch – sie heiratete<br />

im Alter von 32 Jahren – in Erfüllung, wie so manch‘ anderer<br />

Traum auch. Am 17. Oktober 2012 feierte die Tänzerin und<br />

Tanzpädagogin ihren 90. Geburtstag in ihrer Heimatstadt<br />

Wilhelmshaven.<br />

Das Lieblingsspiel der kleinen Inge war die Beschäftigung<br />

mit sogenannten Sammelbildern, die Zigarettenpackungen<br />

beilagen. Auch zu Tanz und Ballett gab es Bilderserien, und<br />

hier begegnete sie erstmals den Tänzerinnen Fanny Elßler<br />

und Anna Pavlova auf Briefmarkengroßen Schwarz-Weiß-<br />

Fotographien. Ihre Mutter nähte Kostüme, um das Haushaltsgeld<br />

der Familie aufzubessern, und zwischen diesen drapierten<br />

Kleidern ließ sich wunderbar umher springen, bis die<br />

Stoffe flogen. Diesen Flattertanz sah eines Tages die Leiterin<br />

der Tanzschule Klemmsen, die eigentlich Kostüme in Auftrag<br />

geben wollte; sie lud die Fünfjährige spontan zu einer Probestunde<br />

in ihr Kinderballett ein. Inge Stoffers sagte zu, »obwohl<br />

ich gar nicht wusste, was Tanzen war«,(S. 21) erinnert<br />

sie sich Jahrzehnte später. Aber es gefiel ihr, und so nahm sie<br />

Ballettunterricht, noch bevor sie eingeschult wurde. Sie blieb<br />

dabei und tanzte während ihrer Grundschulzeit sowie später,<br />

als sie aufs Gymnasium ging. Ihre Mitschüler erfuhren von<br />

ihrer Tanzleidenschaft durch öffentliche Aufführungen der<br />

Schule und bewunderten sie, von ihrem Mathematik-Lehrer<br />

hörte sie hingegen eine abfällige Bemerkung wie »Ja, ja, Inge<br />

Stoffers, Spitzentanz ist leichter als Mathe.« (S. 23) Fast zehn<br />

Jahre konnte Inge Stoffers trainieren, ohne einen Pfennig bezahlen<br />

zu müssen, aufgrund ihrer Begabung wurde sie gefördert:<br />

»Meine Eltern hätten den Unterricht auch gar nicht<br />

bezahlen können.« (S. 27)<br />

Im Alter von 14 Jahren ergab sich über Inges Vater ein<br />

Kontakt zu Lisa Parsick, Ballettmeisterin am Stadttheater Wilhelmshaven.<br />

Sie bot ihr nicht nur an, gemeinsam mit den<br />

professionellen Tänzern kostenlos zu trainieren, sondern<br />

sogar einzuspringen, wenn eine Tänzerin des nur sechsköpfigen<br />

Ballett-Ensembles ausfiel. Solche Einsätze ergaben<br />

sich ausschließlich kurzfristig und gingen ziemlich hektisch<br />

über die Bühne; Inge Stoffers wurde mit einem Taxi abgeholt<br />

und ins Theater chauffiert. »Da geschah dann Folgendes:<br />

Ich wurde in die Garderobe geschickt, geschminkt, und<br />

während ich geschminkt wurde, zeigte mir meine Lehrerin<br />

den ersten Tanz, (…). Ich wurde ins Kostüm gesteckt und<br />

schon musste ich raus auf die Bühne, ohne Probe. Ich tanzte,<br />

kam dann wieder in die Garderobe und wurde umgezogen<br />

für den nächsten Tanz. Die Lehrerin zeigte mir wieder die<br />

Schritte und so ging das immer weiter.« (S. 28) Das ist nur<br />

machbar mit einer Tänzerin, die über viel Talent,<br />

eine schnelle Auffassungsgabe, Musikalität und die<br />

nötige Portion Besessenheit verfügt.<br />

Die Pädagogin Lisa Parsick nahm Inge Stoffers<br />

im Sommer des Jahres 1937 mit nach Berlin und<br />

stellte sie Tatjana Gsovsky vor. Die berühmte Tänzerin,<br />

Ballettmeisterin und Choreographin erlaubte<br />

ihr zunächst, während der Sommerferien unent-<br />

Inge Stoffers, 2007 geltlich am Unterricht in ihrer renommierten Ballettschule<br />

teilzunehmen. »Es ist unglaublich, wenn<br />

man aus einer kleinen Stadt wie Wilhelmshaven in die Hauptstadt<br />

Berlin kommt. Dazu dann die ganze Atmosphäre in der<br />

Ballettschule. Dort waren ja alle schon fertige professionelle<br />

Tänzer, Schüler gab es kaum.« (S. 37) Nach Ablauf des<br />

Sommerkurses bietet Gsovsky der talentierten Schülerin eine<br />

Ausbildung an, ebenfalls unentgeltlich. Und so beginnt Inge<br />

Stoffers ein Jahr später in Berlin die Ausbildung zur Tänzerin;<br />

ihre schulische Laufbahn beendet sie im Alter von 16 Jahren<br />

nach der zehnten Klasse. Was folgt, ist eine harte Zeit, mit<br />

mehrstündigem Training am Vormittag und Nachmittag und<br />

allabendlicher Erschöpfung.<br />

Kurz vor Inge Stoffers‘ 17. Geburtstag bestand ihr Vater<br />

– gegen Gsovskys Rat und Einschätzung – darauf, seine<br />

Tochter zur Prüfung anzumelden, sie soll als Tänzerin engagiert<br />

werden und zum Unterhalt der Familie beitragen. Am<br />

26. August 1939 bestand sie die Prüfung, die allerdings mit<br />

Ballett wenig zu tun hatte. Der theoretische Teil beinhaltete<br />

Fragen wie »wo wohnt der Führer? – die erwartete Antwort<br />

»im Herzen aller Deutschen« hatte sich zum Glück unter den<br />

Prüflingen herum gesprochen. Im praktischen Teil des Fachs<br />

Klassischer Tanz war es dem linientreuen Prüfer gelungen,<br />

die französischen Fachbegriffe zu eliminieren, so hieß ein petit<br />

jeté beispielsweise »kleines Steh’« – ohne Worte!<br />

Der Zweite Weltkrieg veränderte den Alltag und das Leben<br />

vieler Menschen ab September 1939. Dennoch gelang es Tatjana<br />

Gsovsky, 1940 eine Tanzgruppe zusammen zu stellen,<br />

der auch Inge Stoffers angehörte. Mit ihrem ersten Auftritt im<br />

Oktober 1940 im berühmten Berliner Varieté » Wintergarten«<br />

datiert Inge Stoffers den Start ihrer professionellen Karriere.<br />

Engagements in Magdeburg und Salzburg schlossen sich an.<br />

Absurde Blüten trieb die politische Marschrichtung auch in<br />

der Kunst, so musste sich das »Tatjana-Gsovsky-Ballett« in<br />

Fünf Tänzerinnen des »Preciosa«-Ensembles, der von Inge Stoffers in den<br />

1950er Jahren gegründeten Compagnie<br />

18 Ballett Intern 5/2012


»Egon-Wüst-Ballett« umbenennen (nach dem Manager und<br />

Ersten Solisten der Truppe), weil der Name der Gründerin<br />

zu Russisch klang; auch der »Ungarische Tanz« wurde beim<br />

Gastspiel in Rumänien kurzerhand aus dem Programm genommen,<br />

um keine Angriffsfläche zu bieten. Gern genommen<br />

wurden dagegen italienisch klingende Künstlernamen,<br />

und so mutierte Müller umgehend zu Mulinari.<br />

Auf eine Tournee durch Polen folgten 1941 KdF-Engagements,<br />

also Auftritte im Rahmen des nationalsozialistischen<br />

Kulturprogramms »Kraft durch Freude«. Diese Vorstellungen<br />

fanden manchmal in gut ausgestatteten Theatern statt, mitunter<br />

aber auch auf losen Brettern, die notdürftig über Fässer<br />

gelegt waren und von denen bei den Spitzentanzsequenzen<br />

konkrete Verletzungsgefahr ausging. Mit der Einberufung zur<br />

Wehrmacht des Managers Egon Wüst blieben weitere Engagements<br />

aus, und nach dreimonatiger Tanz- und Tatenlosigkeit<br />

wechselte Inge Stoffers zum Kammerballett Erwin Hoffmann –<br />

was Tatjana Gsovsky ihr verübelte. Auf einer sechswöchigen<br />

Tournee durch <strong>Deutschland</strong>, Frankreich und Belgien erlebte<br />

sie Unfälle durch Abstürze aufgrund morschen Untergrunds<br />

und andere Abenteuer wie ungeheizte Zimmer, fehlende Orchester,<br />

abschüssige Bühnenböden und marode Busse. Einen<br />

Höhepunkt bildete das Gastspiel in Paris, der »Stadt unserer<br />

Sehnsucht«, wie sie Inge Stoffers nannte; dort besuchte sie<br />

auch die Opéra: »Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich ein<br />

richtiges Ballett. In <strong>Deutschland</strong> gab es das nicht. Ich hatte nie<br />

ein richtiges Ballett auf der Bühne gesehen!« (S. 72)<br />

1942 macht sich Inge Stoffers selbständig, im Berliner<br />

Kabarett der Komiker wird sie als Solistin engagiert; das bedeutete<br />

nicht selten zwei Shows am Tag, an Wochenenden<br />

manchmal auch drei. Im nächsten Jahr wirkte sie beim frisch<br />

gegründeten Filmballett mit, das auf Anregung von Propagandaminister<br />

Goebbels gegründet wurde. Im August 1944<br />

wird auch diese Truppe aufgelöst, die Theater geschlossen.<br />

Inge Stoffers wird zur Arbeit in der Rüstungsindustrie eingeteilt.<br />

Als auch dieser Betrieb bombardiert wird, schaffen es<br />

Inge und ihre Mutter quasi in letzter Minute, aus Berlin zu<br />

fliehen: Eine Odyssee Richtung Westen über Hamburg nach<br />

Schleswig-Holstein endet schließlich in Flensburg. Nach der<br />

Kapitulation gelang es ihr dort, ab Juli 1945 im Rahmen der<br />

Army Welfare Services, der Truppenbetreuung der Engländer,<br />

in »Officers Clubs« als Tänzerin aufzutreten, dort erhielt sie<br />

eine kleine Gage und Essen, das ihr und ihrer Mutter das<br />

Überleben sicherte. Über diese Kontakte ergaben sich bald<br />

auch Tourneen durch Norddeutschland, gemeinsam mit ihrem<br />

Tanzpartner Kurt Paudler, einem Mary Wigman-Schüler.<br />

Auf einer dieser Gastspiele entdeckte Inge Stoffers einen<br />

Kleiderschrank voller Zigaretten – Zigaretten waren DIE Währung<br />

der Nachkriegszeit. Es gelang ihr, das Zahlungsmittel<br />

mithilfe ihrer Mutter aus dem Hotel zu schmuggeln und nach<br />

Wilhelmshaven zu transportieren; ins dortige Haus der Großmutter<br />

hatten beide inzwischen Zuflucht genommen. »Mit<br />

diesen ‚organisierten‘ Zigaretten haben wir später unser Studio<br />

aufgebaut. Für Zigaretten bekam man alles. Wir tauschten<br />

dafür unter anderem Sand und Steine und konnten die<br />

Handwerker auch noch mit Essen versorgen. Es waren wirklich<br />

so viele Zigaretten, dass man alles davon finanzieren<br />

konnte.« (S. 106)<br />

Inge Stoffers ist 90<br />

Nach dem extrem strengen Winter 1945/46 entstand<br />

im Laufe des Jahres 1946 in <strong>Deutschland</strong> wieder so etwas<br />

wie ein bescheidenes kulturelles Leben. Im Wilhelmshavener<br />

Werftspeisehaus fanden erste Tanzaufführungen statt; auch<br />

ein Training konnte vormittags organisiert werden, und am<br />

Nachmittag unterrichtete Inge Stoffers mitunter junge Schülerinnen<br />

dort. Das brachte sie auf die Idee, selbst eine Ballettschule<br />

zu eröffnen. Einen Raum fand sie in der Ballettschule<br />

Klemmsen, in der sie selbst viele Jahre Unterricht genommen<br />

hatte. »Frau Klemmsen hatte ja immer im Stillen gehofft, dass<br />

ich eines Tages ihren Sohn heiraten würde. Dieser Wunsch<br />

erfüllte sich zwar nicht, aber ich hatte ein freundschaftliches<br />

Verhältnis zu ihm.« (S. 115) Und so konnte sie einen kleinen<br />

Raum in der vertrauten Schule nutzen und mit Ballettunterricht<br />

beginnen: Die Ein-Raum-Ballettschule war gegründet!<br />

Am 2. Januar 1947 fand ein erstes Treffen statt, zuvor hatte<br />

Inge Stoffers eine Anzeige aufgegeben. »Wir trainierten zunächst<br />

mit Stühlen, die in den Raum gestellt wurden. Später<br />

wurde eine Stange angebracht. Weil wir in den ersten Tagen<br />

keine Musikbegleitung hatten, sang ich zu den Übungen,<br />

Drei Schülerinnen der Ballettschule Stoffers, die eine professionelle Laufbahn<br />

einschlugen, v.l. Katja Lim, Siggi Zilm, Birgit Gabriel<br />

aber dann mietete ich ein Klavier.« (S. 116) Jede Schülerin<br />

musste ein Stück Heizmaterial zum Unterricht mitbringen.<br />

Im schlechtesten Fall brachten sie schneenassen Torf mit.<br />

Um den Kanonenofen im Tanzraum zu befeuern, musste in<br />

Rauch und Qualm getanzt werden. Auch Trainingskleidung<br />

war so gut wie nicht aufzutreiben, von richtigem Schuhwerk<br />

ganz zu schweigen.<br />

Inge Stoffers allererste Schülerin war 33 Jahre alt und wollte<br />

ausschließlich in Stepptanz unterrichtet werden. Kurze Zeit<br />

später kamen jüngere Schüler, bald darauf auch Kinder zum<br />

Ballettunterricht. Schon ein Jahr nach Schulgründung organisierte<br />

sie erste Aufführungen, erwartungsgemäß reichte der<br />

kleine Unterrichtsraum bald nicht mehr aus. Das Haus der<br />

Tanzschule Klemmsen bot eine geeignete Alternative: Ballettsaal<br />

und Wohnung entstanden dort unter einem Dach – und<br />

dieser Dachausbau wurde mit den gefundenen Zigaretten<br />

aus dem Hotelzimmerschrank beglichen. Die Schule expandierte,<br />

und bald schon gehörten Proben und Aufführungen –<br />

sowohl der Schülerinnen als auch der Schulleiterin – zum regelmäßigen<br />

Stundenplan.<br />

Ballett Intern 5/2012 19


Inge Stoffers ist 90<br />

Im Sommer des Jahres 1951 gastierte eine Gruppe besonders<br />

ehrgeiziger und begabter Mädchen im Alter zwischen<br />

13 und 17 Jahren auf der Insel Borkum; der Schauspieler<br />

Gert Fröbe moderierte diesen gemischten Abend und war<br />

derart begeistert von den Tänzerinnen, dass er seinen eigenen<br />

Agenten bat, das Ensemble unter Vertrag zu nehmen.<br />

Das gab den Anstoß zur Gründung der eigenen Compagnie,<br />

die einige Monate später unter dem Namen »Preciosa« eine<br />

rege Gastspieltätigkeit aufnahm. Das Ensemble existierte bis<br />

1962, mit wechselnder, aber immer ausschließlich weiblicher<br />

Besetzung. Anfang der 1960er Jahre setzte sich das Fernsehen<br />

in <strong>Deutschland</strong> durch, vor allem eine Unterhaltungskunst<br />

Inge Stoffers unterrichtet ihre jüngsten Schülerinnen.<br />

Ian Owen (Mitte), Nachfolger von Inge Stoffers und heutiger äußerst<br />

erfolgreicher Leiter der »Ballettakademie am Meer«, nimmt dankbar zusammen<br />

mit seinem Geschäftsführer Ludwig Jürgens (links) einen Spenden-Scheck<br />

des Lions Club Wilhelmshaven durch den Vorsitzenden Dr.<br />

Hans-Joachim Gottschalk, Staatssekretär a.D., entgegen.<br />

wie das Varieté verlor in diesem Zusammenhang viele Zuschauer,<br />

die Tänzerinnen damit ihre Auftrittsmöglichkeiten.<br />

Im Laufe der Jahre fanden Schülerinnen von Inge Stoffers<br />

Engagements an der Deutschen Oper in Berlin, in Stuttgart,<br />

Mainz, Nürnberg, Graz und Chemnitz.<br />

Inge Stoffers erinnert sich an die Vorbereitungen, die zur<br />

Gründung des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik<br />

führten: »Im Jahr 1974 war ein Treffen der deutschen<br />

Ballettpädagogen in Stuttgart. Da sollte ein Pädagogenverein<br />

gegründet werden. Und wir fuhren alle hin. Es wurde ein<br />

Lehrplan vorgestellt, nach dem alle Ballettschulen einheitlich<br />

unterrichten sollten. Das war eine ganz seriöse Sache.«<br />

(S. 143) Dachte sich seinerzeit die Ballettschulbesitzerin, als<br />

sie Konzept und Methode der Royal Academy of Dance kennenlernte.<br />

»Nun war es so, dass die Art meines Unterrichts<br />

ganz anders als die der RAD war. Aber ich war interessiert<br />

und besuchte die angebotenen Kurse.« (S. 143) Und ihr<br />

Leben veränderte sich, als sie nach vielen Jahren Erfahrung<br />

noch einmal eine Ausbildung absolvierte. »Ich wusste, wie<br />

es gemacht wird, aber ich konnte meinen Schülerinnen keine<br />

Zusammenhänge erklären oder ihnen sagen, was man mit<br />

welchem Muskel machen muss.« (S. 144) Als der Deutsche<br />

Berufsverband für Tanzpädagogik 1975 ins Leben gerufen<br />

wird (damals noch unter dem Namen Verein Deutscher Bal-<br />

Inge Stoffers und Ian Owen anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der<br />

Ballettschule im Jahr 2007 (alle Fotos: privat)<br />

lettschulen e. V.), ist Inge Stoffers eines der Gründungsmitglieder.<br />

Als Pädagogin sorgte sie regelmäßig dafür, dass zum einen<br />

sie selbst, aber zum anderen auch ihre Schüler neuen Input<br />

und die Gelegenheit bekommen, an Seminaren teilzunehmen.<br />

1985 während der Ostertanzwoche der RAD in München sah<br />

sie den jungen Ian Owen in einem Kurs trainieren. Von der<br />

Eleganz seiner Bewegungen beeindruckt, nahm Inge Stoffers<br />

Kontakt auf und lud ihn ein, in ihrer Schule in Wilhelmshaven<br />

zu unterrichten. Aus diesem zufälligen Erstkontakt entstand<br />

eine Zusammenarbeit, die im Jahr 2000 in der Übernahme<br />

der Schule durch Ian Owen gipfelte: Der Engländer vom Royal<br />

Ballet – Tänzer, Ballettpädagoge und Tanztherapeut – ging<br />

1998 zunächst als künstlerischer Leiter der Ballettschule Stoffers<br />

nach Wilhelmshaven, zwei Jahre später übernahm er<br />

ganz und gab der Institution den Namen »Tanzakademie am<br />

Meer«. Inge Stoffers unterrichtete bis 2002 noch regelmäßig,<br />

seither nur noch sporadisch. Doch zum eigenen Training geht<br />

sie weiterhin mehrmals pro Woche, bis zu vier Mal. Tanz gehört<br />

zu Inge Stoffers Leben seit sie denken kann, und das wird<br />

sich nicht ändern: Die heute Neunzigjährige und die Vierjährige,<br />

die durch den Flur zwischen den Kostümen ihrer Mutter<br />

tanzt, haben vieles gemeinsam. Jedes Jahr zur Weihnachtszeit<br />

treffen sich Ehemalige bei ihr zu Hause: »Frühere Schülerinnen<br />

erzählen dann, wie es beruflich weiter gegangen ist und<br />

wie Ballett ihr Leben beeinflusst hat. Das ist eine große Befriedigung<br />

für mich und ich glaube, das ist das, was man ein<br />

erfülltes Leben nennt, oder?« (S. 149) �<br />

20 Ballett Intern 5/2012


Ärztin im Hauptberuf,<br />

und doch Tänzerin<br />

Porträt Nina Steckel<br />

von Dagmar Ellen Fischer<br />

So manches Wochenende ist<br />

vollkommen belegt, da hat<br />

Nina Steckel überhaupt keine<br />

Zeit: Als Oberärztin in der<br />

Universitätsklinik Essen hat<br />

sie mitunter von Freitag bis<br />

Sonntag Bereitschaftsdienst.<br />

Da passen in die wenigen<br />

zeitlichen Lücken ausschließlich<br />

Essen und Schlafen. Im<br />

Wochenverlauf ist das jedoch<br />

anders: Drei Abende hält sie<br />

sich frei, um ins Ballettstudio<br />

Nina Steckel als Großmutter im<br />

Ballett »Der Nußknacker«, 2010<br />

zu gehen. »Das versuche ich immer durchzuziehen. Denn<br />

das Training ist für mich eine wichtige Abwechslung«, sagt<br />

die heute 36-jährige Medizinerin. »In der Stunde im Ballettsaal<br />

konzentriere ich mich ganz auf das Tanzen, schon beim<br />

Stangentraining und beim Hören der Musik kann ich komplett<br />

vom Alltagsstress abschalten. Ob es schwierige Patienten<br />

oder Ärger mit den Kollegen waren, während dieser Zeit<br />

vergesse ich alles und fühle mich nach dem Training immer<br />

besser!«<br />

Katharina Matyssek, Nina Steckel, Anais Lueken, 2003 (von links)<br />

(alle Fotos: Archiv Nina Steckel)<br />

Im Alter von elf Jahren begann Nina Steckel auf dem<br />

Helmholtz-Gymnasium in Essen mit Rhythmischer Sportgymnastik.<br />

Im Rahmen dieses wöchentlichen Trainings gab<br />

es auch jeweils eine Einheit klassischen Tanz. Das gefiel ihr<br />

zwar auf Anhieb, aber erst zwei Jahre später traute sie sich<br />

ihren Eltern zu sagen, dass sie Ballett »gerne richtig« lernen<br />

wolle. Die erste Ballettschule war auch gleich die passende,<br />

das Ballettstudio <strong>Roehm</strong>. »Ich durfte in einer Stunde zuschauen,<br />

in der zwölf gleichaltrige Mädchen nach dem damaligen<br />

Lehrplan der RAD den Grad 2 erlernten. Ich entschied mich<br />

Ärztin und Tänzerin – Nina Steckel im Porträt<br />

schnell für diese Schule, und meine Eltern meldeten mich im<br />

Februar 1989 dort an. Schon im selben Jahr im November<br />

durfte ich die erste Prüfung der RAD ablegen – mit der Note<br />

»past plus«.<br />

Leider musste sie ein Jahr später aufgrund einer Schulsportverletzung<br />

für mehrere Monate auch mit dem Tanzen<br />

aussetzen, die Prüfung in Grad 3 Prüfung konnte sie folglich<br />

nicht absolvieren. Nach der Zwangspause stieg sie in einer<br />

anderen Gruppe wieder ein. »In dieser Gruppe waren die<br />

Mädchen viel jünger als ich: Ich war seinerzeit 18 und die<br />

meisten anderen vier, fünf Jahre jünger. Aber in den folgenden<br />

Jahren wuchsen hieraus richtige Freundschaften. Und<br />

heute fällt es gar nicht mehr auf, dass meine Freundin, die<br />

auch immer noch dabei ist, sechs Jahre jünger ist. Die Grad<br />

4-Prüfung haben wir dann gemeinsam nach dem neuen<br />

Lehrplan gemacht.«<br />

Nach dem Abitur im Jahr 1994 musste Nina Steckel erneut<br />

kurzzeitig den Tanz aussetzen, ein freiwilliges soziales Jahr in<br />

Bonn stand an. Da es aber mit dem Studienplatz in Medizin<br />

doch früher als erwartet in Essen klappte, meldete sie sich sofort<br />

wieder in ihrem Ballettstudio an. »Allerdings konnte ich<br />

die Prüfung in Grad 5 und 6 leider doch nicht mitmachen, da<br />

ich nur einmal in der Woche trainieren konnte. Bei der Grad-<br />

7-Prüfung im Dezember 1997 war ich wieder dabei und habe<br />

mit »Merit« bestanden.« Die Stufenleiter des RAD-Systems<br />

weiter aufwärts zu klettern, das hat sie nie aus den Augen<br />

verloren, es blieb ein Anreiz, sich zu erproben und zu beweisen.<br />

Und so lieferte auch während des Medizin-Studiums<br />

das regelmäßige Training weiterhin eine willkommene Ab-<br />

Laurie Tomschütz, Nina Steckel, Annemarie Bocklenberg, Anais Lueken,<br />

2003 (von links)<br />

wechslung vom Schreibtisch. »Ein gewisser Ehrgeiz ist dabei,<br />

gestellte Aufgaben für sich selbst gut zu bewältigen. Wir sagen<br />

zwar oft, dass wir gar nicht den entsprechenden Körper<br />

haben, aber man ist schon stolz, wenn man gute doppelte<br />

Pirouetten schafft und umgekehrt auch frustriert, wenn es<br />

mal an einem Tag gar nicht funktioniert.«<br />

Ob langjährig oder frisch, üblicherweise werden sämtliche<br />

Schüler eines Ballettstudios in Aufführungen involviert.<br />

»1993 tanzte ich zum ersten Mal auf einer Bühne, im Grillo-<br />

Theater mit insgesamt vier Vorstellungen.« Damals stan-<br />

Ballett Intern 5/2012 21


Ärztin und Tänzerin – Nina Steckel im Porträt<br />

Bei der Grad 8 Prüfung 2011: Sophia Elisabeth Kowalski, Nina Steckel,<br />

Cheryl Leslie-Spinks, Laurie Tomschütz (von links)<br />

den sehr unterschiedliche stilistische Beiträge auf dem Programm,<br />

choreographiert von den Pädagogen der Schule,<br />

um die Vielfalt des Unterrichtsangebotes zu zeigen.<br />

War es als Schülerin für Nina Steckel noch einfacher,<br />

zusätzliche Proben für Vorstellungen in den eigenen Wochenplan<br />

zu integrieren, so hatte sie als Studentin deutlich<br />

weniger Zeit. »Ich weiß noch, dass ich sogar bei Aufführungen<br />

mit meinen Karteikarten in der Ecke saß und gelernt<br />

habe. Wir waren damals eine sehr verschworene Gemeinschaft<br />

und haben auch privat viel miteinander unternommen.<br />

Auch unsere Lehrer waren häufig dabei. So war es<br />

beispielsweise Tradition, im Sommer und zu Weihnachten<br />

gemeinsam zum Lieblingsitaliener zu gehen.« Seit einigen<br />

Jahren sieht sie ihre Mitwirkung an solchen Aufführungen<br />

durchaus kritisch, »jedes Mal sage ich mir, dass es nun das<br />

letzte Mal sei, weil es mir merkwürdig vorkommt mit Mädchen<br />

auf der Bühne zu stehen, die teilweise meine Töchter<br />

sein könnten. Aber auch in diesem Jahr konnte ich nicht<br />

nein sagen, als ich gefragt wurde …«<br />

Seit 2001 arbeitet Nina Steckel als Ärztin in Essen in der<br />

Klinik für Knochenmarktransplantation, seit 2009 als Fachärztin<br />

für Innere Medizin, Hämatologie und internistische<br />

Grad 8 Prüfung 2011: Nina Steckel (links) und Laurie Tomschütz<br />

Annemarie Bocklenberg, Laurie Tomschütz, Nina Steckel (von links) in<br />

einer Aufführung aus dem Jahr 2006<br />

Onkologie; und seit 2011 ist sie Oberärztin. »Mir war es immer<br />

wichtig, auch nach Beendigung meines Studiums 2001<br />

neben meinem Beruf tanzen zu können.« 2011 hatte sie,<br />

gemeinsam mit einer Freundin, eine »verrückte Idee«, wie<br />

sie es nennt: Im sogenannten hohen Alter doch noch die<br />

Prüfung in Grad 8 zu absolvieren. »Wir träumten davon, endlich<br />

einmal ein ‚Distinction‘ in der Bewertung zu bekommen,<br />

und so haben wir uns dem Stress ausgesetzt, neben unserem<br />

Beruf das regelmäßige Training und auch die Zusatzproben<br />

wahrzunehmen. Und wir haben uns unseren Traum erfüllt:<br />

Distinction!«<br />

In den nunmehr rund 24 Jahren Tanz trainierte Nina<br />

Steckel hauptsächlich Ballett, zwischenzeitlich einige Jahre<br />

auch Zeitgenössischen Tanz, und seit einem Jahr regelmäßig<br />

Jazz-Dance, eine stilistische Richtung, die sie zuvor nur<br />

im Rahmen von Aufführungen mitgemacht hatte. »In das<br />

Ballettstudio zu gehen, ist nach so vielen Jahren für mich<br />

etwas ganz Vertrautes, fast Familiäres geworden.« Trotz Lehrer-<br />

und Schulleitungswechsel im vergangenen Vierteljahrhundert,<br />

denn die Konstante bleibt: Das Tanzen und all‘ jene<br />

sinnlichen Erlebnisse, die in dieser Welt jenseits des Alltags<br />

möglich sind. �<br />

Aufführung 2010: Laurie Tomschütz (links) und Nina Steckel<br />

22 Ballett Intern 5/2012


Highlights des<br />

Keil-Imperiums<br />

Gala der Tanzstiftung Birgit Keil<br />

am 9. November 2012<br />

von Carola Mezger<br />

»Der Weg nach oben ist leichter, wenn man die richtige Unterstützung<br />

hat!« Dies könnte das Motto der alle zwei Jahre stattfindenden<br />

Gala der Tanzstiftung Birgit Keil im Ludwigsburger<br />

Forum sein. Dort bringt Birgit Keil, ehemalige Starsolistin des<br />

Stuttgarter Balletts, regelmäßig aufstrebende Tanztalente, Stipendiaten<br />

von einst und internationale Tanzstars zusammen,<br />

um ein rauschendes Tanzfest der Extraklasse zu feiern. Es geht<br />

ihr dabei um die einmalige Chance für ihre Stipendiaten, von<br />

den Stars zu lernen. »Das Erlebnis, das diese jungen Menschen<br />

mit den Stars haben, ist das Ziel meiner Arbeit«, beschreibt<br />

Birgit Keil die inspirierende Kraft der Ballettgala.<br />

Seit 1995 hat Birgit Keil mit ihrer Tanzstiftung mehr als<br />

200 jungen Tänzern eine Ausbildung ermöglicht. Ehemalige<br />

Stipendiaten findet man in vielen führenden Compagnien<br />

Europas. Und die Gala ist eine wunderbare Gelegenheit, sich<br />

zu treffen und voneinander zu lernen. Nicht verwunderlich,<br />

dass Keil ehemalige, in ihre eigene Compagnie übernommene<br />

Stipendiaten besonders gern präsentiert: Sowohl Pablo<br />

dos Santos und Moeka Katsuki in »Santanella Pas de deux«<br />

als auch Bruna Andrade mit Admill Kuyler als Hora Paar aus<br />

Gala der Tanzstiftung Birgit Keil<br />

»Momo« standen letztes Jahr noch als Stipendiaten auf der<br />

Bühne. Heute sind sie Mitglieder des Staatsballetts Karlsruhe.<br />

Mit einem riesigen Dankeschön wandte sich Birgit Keil in<br />

ihrer kleinen Eröffnungsrede an die Sponsoren und Projektförderer,<br />

allen voran die Firmen Würth und Bosch, die durch<br />

großzügige finanzielle Unterstützung das Zustandekommen<br />

der Gala überhaupt möglich gemacht haben.<br />

Belohnt wurden Publikum und Sponsoren von einer Vielfalt<br />

der <strong>Tanzkunst</strong>, wie man es bei Birgit Keil bisher noch nicht<br />

sah. Da wurde Klassischer Tanz, Akrobatik und Expression in<br />

dem drei Stunden dauernden Programm aufs Schönste in 20<br />

choreographischen Episoden miteinander verbunden. Gleich<br />

mit drei Uraufführungen wurde das begeisterte Publikum<br />

verwöhnt.<br />

Die Mannheimer Studierenden eröffneten mit der Uraufführung<br />

»Vier Jahreszeiten« von Selatin Kara souverän den<br />

Abend und, wie so häufig bei den Studierenden der Akademie<br />

des Tanzes, vermochte man den Unterschied zu den<br />

ausgebildeten Kollegen kaum auszumachen.<br />

Das Nationaltheater Prag war mit Miho Ogimoto und Filip<br />

Veverka in »Paganini« und »Spring Waters« eher im klassischen<br />

Bereich vertreten, genauso wie das Staatsballett Berlin<br />

mit den Tanzpreisträgern »ZUKUNFT« Iana Salenko und ihrem<br />

Partner Marian Walter.<br />

Im Grand Pas de Deux aus »Raymonda« gab es ein Wiedersehen<br />

mit der einstigen Primaballerina aus Karlsruhe,<br />

Anais Chalendard, und dem Karlsruher Solist Flavio Salamanka,<br />

als ehemaligem Stipendiaten der Tanzstiftung und 2005<br />

Stipendiaten der Birgit Keil Stiftung<br />

in »Two 4 one« (Foto: Jochen Klenk)<br />

Ballett Intern 5/2012 23


Gala der Tanzstiftung Birgit Keil<br />

Birgit Keil<br />

Birgit Keil und<br />

Achim Thorwald<br />

»Eine deutsche Ballerina von Weltformat – die erste seit<br />

Fanny Elßler«, so nennt sie Clive Barnes, der Kritiker der<br />

New York Times, und setzt hinzu: »<strong>Deutschland</strong> hat lange<br />

auf eine Keil warten müssen.« Birgit Keil absolvierte ihre<br />

Ausbildung zur klassischen Tänzerin an der Ballettschule<br />

der Württembergischen Staatstheater und an der Royal<br />

Ballet School London. 1961 wurde sie, als John Cranko<br />

Direktor wurde, Mitglied des Stuttgarter Balletts. 1963<br />

avancierte sie zur Solistin und wenig später zur Ersten<br />

Ballerina. Unter seiner Leitung wurde sie durch Tourneen<br />

mit dem Ensemble und durch Sologastauftritte u. a.<br />

an der Opéra Paris, La Scala Milano, beim American Ballet<br />

Theatre New York, am Royal Ballet London und an<br />

der Wiener Staatsoper an der Seite von Rudolf Nureyev<br />

weltweit als »die deutsche Ballerina« bekannt. Als solche<br />

tanzte sie alle Hauptrollen des klassischen und modernen<br />

Repertoires. Ihre Interpretation inspirierte Choreographen<br />

wie u. a. Cranko, MacMillan, Wright, Tetley, Kylián,<br />

Neumeier, Spoerli, Scholz, Feld, van Manen und Haydée<br />

zu Kreationen für sie. 1980 erhielt sie den Titel »Kammertänzerin«.<br />

Im Herbst 1995 beendete Birgit Keil ihre<br />

aktive Bühnenlaufbahn. Zur gleichen Zeit rief sie die private<br />

Tanzstiftung Birgit Keil ins Leben. 1997 gab sie in<br />

Stuttgart ihr Schauspieldebüt. Seit 1997 ist sie Leiterin<br />

an der Akademie des Tanzes Mannheim, wo sie auch als<br />

Professorin lehrt. 2003/04 übernahm sie zusätzlich die<br />

Ballettdirektion des Staatstheaters Karlsruhe. Das unter<br />

Birgit Keil neu formierte Karlsruher Ballett findet durch<br />

das vielfältige Repertoire internationale Beachtung. Auszeichnungen<br />

u. a.: Verdienstmedaille des Landes Baden-<br />

Württemberg (1979), Preis des Verbandes der deutschen<br />

Kritiker (1981), Emmy Award (1984), John Cranko Medaille<br />

(1985), Bundesverdienstkreuz erster Klasse (1985),<br />

Deutscher Tanzpreis (1998), Großer Sudetendeutscher<br />

Kulturpreis (1999). ■<br />

Bruna Andrade<br />

und Admill Kuyler<br />

in »Momo«<br />

(Foto: Jochen Klenk)<br />

erstem männlichen Träger des Deutschen Tanzpreises »ZU-<br />

KUNFT« ein Paradebeispiel. Beide Tänzer konnte man im<br />

zweiten Teil der Gala nochmals in einer modernen Variation<br />

erleben, wobei die eigenartige Choreographie von Hubert<br />

Essakow, getanzt von Anais Chalendard, allgemeine Ratlosigkeit<br />

im Publikum hinterließ. Da konnte Flavio Salamanka<br />

in »Across the border« von Reginaldo Oliveira, eine der drei<br />

Uraufführungen, schon besser punkten: Ein Fabelwesen, nur<br />

als schattenhafter Umriss zu erkennen, dessen Pranken sich<br />

pulsierend in Schwingen verwandeln.<br />

Großen Applaus erntete der Koreaner Heung Won Lee in<br />

zwei modernen Choreographien, die mit Überschlägen und<br />

sportlich-akrobatischen Einlagen gespickt und ihm damit wie<br />

auf den Leib geschnitten waren.<br />

Den Jacques Brel Klassiker »Les Bourgeois« konnte man<br />

gleich in zwei Choreographien genießen , mit trockenem Humor<br />

getanzt von Viacheslav Tyutyukin und Yanelis Rodriguez<br />

Ferrer, beide vom Aalto Ballett Theater Essen.<br />

Kinder wecken beim Publikum immer besondere Sympathien.<br />

So ernteten die Kleinen vom Ensemble »Tchelkunchik«<br />

mit zwei Beiträgen begeisterten Applaus und demonstrierten,<br />

was man im zarten Grundschulalter mit Hingabe und Eifer<br />

tänzerisch erreichen kann. Positiv kam beim Publikum die musikalische<br />

Begleitung durch die Württemberger Philharmonie,<br />

Reutlingen an, bekommt man doch bei ähnlichen Tanzereignissen<br />

immer häufiger Musik aus der Retorte zu hören.<br />

Beim anschließenden Empfang mit Schnittchen und Leckereien<br />

wurden Birgit Keil und die Tänzer dann zu Recht<br />

gebührend gefeiert. Die Messlatte wurde mit dem vielseitigen<br />

Programm allerdings diesmal recht hoch gelegt. Umso<br />

gespannter wartet das Publikum auf die nächste Gala und<br />

weitere Highlights des Keil-Imperiums. ■<br />

24 Ballett Intern 5/2012


MÄRZ – JULI 13<br />

Daten und Fakten zu<br />

einer bewundernswerten<br />

Compagnie<br />

von Achim Thorwald<br />

Seit der Spielzeit 2003/04 steht das neu formierte Ballett des<br />

Badischen Staatstheaters Karlsruhe unter der Leitung<br />

der weltbekannten ehemaligen Ersten Ballerina des Stuttgarter<br />

Balletts Birgit Keil – seit 1997 Professorin und auch Leiterin<br />

der Akademie des Tanzes Mannheim – und Prof. Vladimir<br />

Klos, ehemaliger Erster Solist des Stuttgarter Balletts. Gleichzeitig<br />

zu seinen Aufgaben als Stellvertretender Ballettdirektor<br />

der Compagnie unterrichtet er als Professor an der Akademie<br />

des Tanzes Mannheim.<br />

30 Tänzer aus 15 Nationen gehören dieser jungen Compagnie<br />

an. Komplettiert wird das Ensemble durch Mitglieder<br />

des Ballettstudios des Badischen Staatstheaters Karlsruhe,<br />

die an der Akademie des Tanzes Mannheim im Master-Studiengang<br />

Tanz studieren. Mehr als die Hälfte des Ensembles<br />

wurde an der Akademie des Tanzes ausgebildet und erhielt<br />

Stipendien der privaten Tanzstiftung Birgit Keil. Neben der<br />

Zusammenarbeit mit etablierten Choreographen fördert Birgit<br />

Keil nachdrücklich junge Choreographen. Zu ihren Entdeckungen<br />

zählen u.a. Thiago Bordin, Terence Kohler, Tim<br />

Plegge, Flavio Salamanka sowie Humberto Teixeira.<br />

In der nun kommenden 10. Spielzeit seit 2003/04 wird<br />

die Compagnie ihre 26. Premiere mit mehr als 50 Balletten<br />

herausbringen. Das vielfältige Repertoire pflegt ebenso klassische<br />

wie moderne Werke, darunter in der Spielzeit 2011/12<br />

gleich zwei Uraufführungen abendfüllender Handlungsballette:<br />

»Siegfried« von Peter Breuer und »Momo« von Tim Plegge.<br />

Neben Gastspielen innerhalb <strong>Deutschland</strong>s wurde das Ballettensemble<br />

nach Spanien, China und Korea eingeladen.<br />

Zu Beginn der Spielzeit 2012/13 wurde der Compagnie<br />

der Titel »Badisches Staatsballett Karlsruhe«<br />

verliehen.<br />

Igone de Jongh mit Jozef Varga vom Het Nationale Ballet Amsterdam<br />

bei der Gala der Tanzstiftung (Foto: Jochen Klenk)<br />

Badisches Staatsballett Karlsruhe<br />

2006 rief Ballettdirektorin Birgit Keil die »Karlsruher Ballettwoche«<br />

ins Leben und begründete damit eine Tradition, die<br />

man sich nicht mehr aus dem Spielplan des Balletts wegdenken<br />

mag. Als Abschluss der Spielzeit und besondere Reverenz<br />

an das Publikum bietet diese Woche allen Ballettfreunden die<br />

Möglichkeit, Verpasstes nachzuholen oder Lieblingsstücke<br />

noch einmal zu genießen. Auch die persönlichen Begegnungen<br />

mit den Künstlern bei den Warm-Ups im Ballettsaal und<br />

zu den Autogrammstunden machen die Karlsruher Ballettwoche<br />

zu einem besonderen Ereignis. ■<br />

Auszug aus den Spielplänen seit 2003/04<br />

Abendfüllende Ballette (keine Uraufführungen)<br />

– Coppélia (Wright)<br />

– Don Quijote (Slavický)<br />

– Ein Sommernachtstraum (Vámos)<br />

– La Fille mal gardée (Ashton)<br />

– Gefährliche Liebschaften (Mannes)<br />

– Giselle (Wright)<br />

– In den Winden im Nichts (Spoerli)<br />

– Der Nussknacker – eine Weihnachtsgeschichte (Vámos)<br />

– Romeo und Julia (McMillan)<br />

– Schwanensee (Wheeldon)<br />

– Die Tempeltänzerin (Kohler)<br />

– Tschaikowsky (Breuer)<br />

Abendfüllende uraufführungen<br />

– Anna Karenina (Kohler)<br />

– Carmen (Barra)<br />

– Momo (Plegge)<br />

– Siegfried (Breuer)<br />

Sonstige Werke (keine Uraufführungen)<br />

– Adagio Hammerklavier (van Manen)<br />

– Andante (van Manen)<br />

– Apollo (Balanchine)<br />

– Ballet Pathetique (Uotinen)<br />

– Bits and Pieces (van Manen)<br />

– Chaconne (Spuck)<br />

– Concertante (van Manen)<br />

– Ein fremder Klang (Bordin)<br />

– Intermezzo for 20 (Kohler)<br />

– Just before Falling (Kohler)<br />

– Kindertotenlieder (Wherlock)<br />

– Klavierkonzert Es-Dur (Scholz)<br />

– Nocturnes (Spoerli)<br />

– Paquita (Petipa)<br />

– Solo (van Manen)<br />

– Sonate (Scholz)<br />

– Les Sylphides (nach Fokine)<br />

– Symphonie in C (Balanchine)<br />

– Tarantella (Balanchine)<br />

– transcended (Kohler)<br />

– Trois Gnossiennes (van Manen)<br />

– Tschaikowsky Pas de deux (Balanchine)<br />

– Variations Sérieuses (Wheeldon)<br />

– The Vertiginous Thrill of Exactitude (Forsythe)<br />

Ballett Intern 5/2012 25


Badisches Staatsballett Karlsruhe<br />

Liebeserklärung eines<br />

Generalintendanten an<br />

seine Ballettdirektorin<br />

von Achim Thorwald (Generalintendant<br />

des Badischen Staatstheaters Karlsruhe)<br />

Schon als junger Mann war ich ein großer Fan des Stuttgarter<br />

Balletts unter John Cranko und vor allem des von mir bewunderten<br />

Traumpaares Birgit Keil und Vladimir Klos.<br />

Durch meinen Vater, Staatskapellmeister Josef Dünnwald,<br />

wurde meine Begeisterung für das Ballett noch unterstützt.<br />

Er war sozusagen Lieblingsdirigent von John Cranko und von<br />

ihm gebeten, wenigstens immer wieder die Premieren und<br />

einige Vorstellungen des Balletts zu dirigieren. Diese Begeisterung<br />

für das Ballett habe ich dann während meiner Intendanzen<br />

an den Städtischen Bühnen Würzburg und Münster<br />

sowie am Staatstheater Wiesbaden den jeweiligen Tanz-<br />

Compagnien zugutekommen<br />

lassen. Im<br />

Gegensatz zu anderen<br />

Häusern, an denen allfällige<br />

Kürzungen des<br />

Etats meist zu Ungunsten<br />

des Balletts umgesetzt<br />

wurden, war es<br />

mir jeweils gelungen,<br />

die Compagnien zu erhalten<br />

bzw. sogar auszubauen.<br />

Nach meiner Wahl<br />

ans Staatstheater<br />

Karlsruhe habe ich<br />

auch dort die vorhandene<br />

Compagnie zu-<br />

erst einmal übernommen,<br />

allerdings stellte<br />

sich sehr rasch heraus,<br />

dass das Ballett in Karlsruhe in keinem guten Zustand war.<br />

Die Produktionen wurden vom Publikum nicht angenommen<br />

und ich selbst war mit der Qualität und der Stilrichtung der<br />

Compagnie nicht mehr einverstanden. Eine Änderung war<br />

dringend notwendig. Ich erinnerte mich wieder meiner großen<br />

Begeisterung für Birgit Keil und Vladimir Klos, beide inzwischen<br />

Professoren an der Tanzakademie der Musikhochschule<br />

Mannheim und Birgit Keil auch gleichzeitig als Leiterin<br />

dieser Tanzakademie. Ich rief Birgit Keil einfach an, um sie<br />

um Rat zu fragen, wer für die Leitung der Karlsruher Ballett-<br />

Compagnie in deutschen Landen infrage käme. Und während<br />

des Telefonats fragte ich sie spontan, ob sie nicht selber<br />

Lust hätte, Ballettdirektorin in Karlsruhe zu werden. Sie war<br />

zuerst sehr verblüfft, denn sie hatte selber nie mit dem Gedanken<br />

gespielt, eine Ballett-Compagnie zu leiten. Wir trafen<br />

uns zu ersten Gesprächen, natürlich zu dritt mit Vladimir Klos<br />

und spannen diesen Gedanken weiter, wobei die Wunschvorstellung<br />

war, dass Birgit Keil die Leitung der Tanzakademie<br />

beibehalten sollte und gleichzeitig Ballettdirektorin in Karls-<br />

MÄRZ – JULI 13<br />

ruhe sein könnte. Diese Konstellation war natürlich äußerst<br />

ungewöhnlich und es bedurfte der intensiven Mithilfe des<br />

damaligen Leiters des Theaterreferats im Ministerium für<br />

Wissenschaft und Kunst, Herrn Dr. Peter Selbach, um diese<br />

Wunschvorstellung zur Tatsache werden zu lassen. Übrigens<br />

eine Konstellation, die durch die enge Zusammenarbeit und<br />

Verzahnung von Tanzakademie und Badischem Staatstheater<br />

für beide Institutionen von hohem Wert war und ist.<br />

Birgit Keil als Ballettdirektorin und Vladimir Klos als ihr<br />

künstlerischer Berater bauten innerhalb kürzester Zeit eine<br />

völlig neue Compagnie auf, die schon mit ihrer ersten Premiere<br />

»Don Quijote« das Karlsruher Publikum zu Beifallsstürmen<br />

hinriss und im Nu die Herzen der Karlsruher im Sturm<br />

eroberte. Diese Begeisterung hat über 10 Jahre angehalten<br />

und ist fast noch gesteigert. Für mich war es faszinierend, zu<br />

beobachten, mit welcher Hingabe, ja geradezu Liebe für ihre<br />

Tänzerinnen und Tänzer, aber gleichzeitig auch mit unnachgiebiger<br />

Akribie Birgit Keil und Vladimir Klos auf die Entwicklung<br />

von Talent und Qualität ihrer Compagnie hinarbeiteten.<br />

So wie die beiden in<br />

jungen Jahren durch<br />

großes Talent, aber<br />

eben auch durch extremen<br />

Fleiß und Qualitätsbewusstsein<br />

zu<br />

einem Weltklassepaar<br />

wurden, so arbeiteten<br />

sie jetzt an und für die<br />

Compagnie. Und welches<br />

Gespür die beiden<br />

für Talente hatten<br />

und haben, zeigte sich<br />

auch daran, dass fast<br />

jedes Jahr Tänzerinnen<br />

und Tänzer zu Solisten<br />

heranwuchsen, die von<br />

Mal zu Mal größere<br />

Aufgaben übernehmen<br />

konnten. Dies waren<br />

zum Beispiel Anais Chalendard und natürlich der bis heute<br />

unnachahmliche Flavio Salamanka. Aber auch ihr Ehrgeiz,<br />

jungen Talenten in Sachen Choreographie Freiräume zu<br />

schaffen, brachte mich in die »Verlegenheit«, dem Ballett<br />

auch in dieser Hinsicht Produktionsmöglichkeiten und Präsentationsräume<br />

zu schaffen.<br />

Nachdem die Oper als Sparte vor allem durch die Arbeit<br />

meines künstlerischen Stellvertreters, Thomas Brux, wieder<br />

erstarkt war und das Schauspiel durch Knut Weber – inzwischen<br />

Intendant in Ingolstadt – zur gleichwertigen Sparte<br />

geworden war, wurde durch die Arbeit von Birgit Keil und<br />

Vladimir Klos mein Wunsch, drei gleichwertige Sparten an<br />

meinem Haus zu haben, Wirklichkeit. Diese Energie, diese<br />

Begeisterung und diese bewundernswerte Kraft haben in<br />

den zehn Jahren bei Birgit Keil nie nachgelassen. Ich bin sehr<br />

froh, dass mein Nachfolger, Peter Spuhler, die Compagnie<br />

nahtlos übernommen hat. Und so konnte und kann Birgit<br />

Keil die Compagnie hoffentlich noch lange weiterführen und<br />

weiterentwickeln. ■<br />

Birgit Keil und Achim Thorwald nach der Saison-Premiere von Peter Wrights »Giselle« umgeben<br />

von Mitgliedern der Compagnie (Foto: Badisches Staatsballett Karlsruhe)<br />

26 Ballett Intern 5/2012


10. Tanzolymp<br />

2013<br />

von Dagmar Ellen Fischer<br />

Zum zehnten Mal findet im kommenden<br />

Jahr der TANZ OLYMP statt, vom<br />

17. bis zum 21. Februar 2013. Seit der<br />

Erstausgabe im Jahr 2004 ist der Wettbewerb<br />

als Festival stetig gewachsen,<br />

an Dauer, Umfang, Teilnehmerzahl<br />

und im internationalen Maßstab auch<br />

in der Wahrnehmung. 2013 werden<br />

2000 Teilnehmer aus 40 Ländern erwartet,<br />

damit ist der TANZOLYMP das<br />

größte Tanztreffen der Jugend in Europa.<br />

Für Berlins Bürgermeister Klaus<br />

Wowereit, der 2012 ein Grußwort formulierte,<br />

»sticht der TANZOLYMP aus Berlins vielfältigem Angebot<br />

heraus. Workshops, Seminare und Wettbewerbe, die<br />

dem Austausch und der Förderung dienen, eine mitreißende<br />

Atmosphäre und die Gelegenheit – etwa bei der Abschlussgala<br />

– junge Talente aus der ganzen Welt zu erleben – das ist<br />

die Mischung, die dieses Festival für seine Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer sowie ihr Publikum so einzigartig macht. Für<br />

die Kultur- und Kreativmetropole Berlin gehört die Veranstaltung<br />

daher längst zu den besonderen Höhepunkten.« Mit<br />

2011 erhielt Constantine Allen<br />

nicht nur den »Grand Prix« des<br />

Tanzolymps sondern wurde auch<br />

für seine hervorragenden Leistungen<br />

als Schüler mit einem Preis<br />

des DBfT e.V. geehrt.<br />

(Foto: Günther Rebel)<br />

Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogiek e.V.<br />

1. PREIS<br />

Constantine Allen<br />

Für die hervorragendste Leistung eines Schülers<br />

eines professionellen Ausbildungsinstitutes<br />

für Künstlerischen Bühnentanz in <strong>Deutschland</strong><br />

während des<br />

TANZ OLYMP BERLIN 2011<br />

vergibt der<br />

Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik e.V.<br />

an<br />

Constantine Allen<br />

(John Cranko Schule Stuttgart)<br />

den<br />

1. PREIS<br />

mit einer Dotierung in Höhe von 1.000 Euro<br />

Berlin, den 19. Februar 2011<br />

<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />

Martin Puttke Günther Rebel<br />

TANZOLYMP 2013<br />

dem Initiator und Direktor, Oleksi Bessmertni,<br />

sprach Dagmar Ellen Fischer.<br />

DEF: Wie kamen Sie auf die Idee, den<br />

Tanzolymp in Berlin ins Leben zu rufen?<br />

OB: Eigentlich zufällig. Ich habe als Jurymitglied<br />

an einem europäischen Ballettwettbewerb<br />

teilgenommen, dabei<br />

bin ich plötzlich auf die Idee gekommen,<br />

dass ich etwas Vergleichbares,<br />

aber viel besser, selbst organisieren und<br />

auf die Beine stellen könnte! Gesagt –<br />

getan.<br />

DEF: Hatten Sie ein Vorbild, an dem<br />

Sie sich orientierten?<br />

OB: Nein, aber eine deutliche Vorstellung,<br />

wie das Ganze aussehen soll!<br />

DEF: Wurde Ihr Vorhaben zunächst<br />

skeptisch betrachtet oder sogar belächelt?<br />

OB: Ja, keiner wollte glauben, dass meine Idee auf einer soliden<br />

Basis steht und eine Zukunft hat. Vladimir Vassiliev vom<br />

Bolschoi Theater Moskau, den ich als Juryvorsitzenden zum<br />

ersten TANZOLYMP eingeladen habe, hat mich ausgelacht<br />

und gesagt, dass es schon Tausende solcher Wettbewerbe<br />

gäbe und ich kaum eine Chance hätte, ihn zu etablieren und<br />

durchzuhalten. Jetzt kommt er zum zehnten Mal nach Berlin<br />

als Juryvorsitzender des 10. TANZOLYMP.<br />

DEF: Welche Persönlichkeiten des Balletts und des Tanzes<br />

haben Sie dann doch von Ihrer Idee überzeugen können?<br />

OB: Vladimir Vassiliev war der Erste, dann kam Vladimir Malakhov<br />

dazu, danach viele andere mehr.<br />

DEF: Wie finanziert sich das Festival?<br />

OB: Ich finanziere alles aus eigenen Mitteln, dazu kommen<br />

Sponsorenbeiträge.<br />

DEF: Wie hoch war die Teilnehmerzahl des ersten Festivals,<br />

und wie ist es bis heute gewachsen?<br />

OB: Rund 380 Kinder haben am ersten Festival teilgenommen,<br />

in diesem Jahr sind es mehr als 2000!<br />

DEF: Hat Ihr aktueller Aufenthalt in Japan im November<br />

auch mit dem TANZOLYMP zu tun?<br />

OB: Ja, ich nehme in Japan auch an einem Tanzwettbewerb<br />

teil, als Jurymitglied und als Live-Botschafter des TANZ-<br />

OLYMPS, und ich hoffe, dass im Jahr 2013 viele Kinder und<br />

Jugendliche aus Japan nach Berlin kommen werden.<br />

DEF: Was liegt Ihnen zum zehnjährigen Jubiläum im nächsten<br />

Jahr besonders am Herzen?<br />

OB: Im Jubiläumsjahr veranstalte ich sogar drei Gala–Abende!<br />

Der erste Abend findet am 17. Februar im Admiralspalast<br />

statt, daran nehmen die Gewinner aller bisherigen<br />

TANZ OLYMP-Wettbewerbe teil, seit 2004 bis heute. Die<br />

zweite gala am 21. Februar wird, wie immer, ein Zusammenschnitt<br />

aus mehreren Gewinnern der jeweiligen Kategorien<br />

und den schönsten Beiträgen der Wettbewerbstage. Bei<br />

der dritten gala »Vivat TANZOLYMP« am 25. März in<br />

der Komischen Oper werden internationale Stargäste der<br />

Berliner Ballettszene – von Moskau bis Tokio, von München<br />

bis New York, von Berlin bis St. Petersburg – auftreten. ■<br />

Ballett Intern 5/2012 27


ACADEMY 1 – Bühnenkunstschule in Berlin Kreuzberg<br />

Energie für Körper<br />

und Geist<br />

ACADEMY 1 –<br />

Bühnenkunstschule in Berlin-Kreuzberg<br />

von Karin Schmidt-Feister<br />

Der Wunsch, junge Menschen verschiedener Nationalitäten<br />

im sozialen Brennpunkt Berlin durch künstlerische Arbeit zusammenzubringen<br />

und so den respektvollen Umgang miteinander<br />

lustvoll zu leben, führte auf Seiten des traditionsreichen<br />

Berliner Energieerzeugers GASAG dazu, neu über Sozialsponsoring<br />

im Kulturbereich nachzudenken. Die breite interkulturelle<br />

Arbeit des Kiez- und Nachbarschaftstreffs »Alte Feuerwache<br />

e. V.« in Kreuzberg schien der geeignete Ort, um das<br />

ambitionierte Konzept einer multidisziplinären Bühnenkunstschule<br />

mit Leben zu erfüllen. Jugendliche zwischen 13 und<br />

19 Jahren erproben hier ihre Talente in Schauspiel, Gesang<br />

und Tanz. »Die ACADEMY 1 starteten wir 2003. Nach einem<br />

Jahr haben wir den Etat aufgestockt«, so Birgit Jammes,<br />

GASAG Konzernkommunikation, die das Projekt mitinitiiert<br />

hat und seither leidenschaftlich begleitet. »Wir sind an einer<br />

langfristigen Förderung interessiert. Wir fördern und fordern<br />

Jugendliche über einen Zeitraum von einem Jahr. Wer hier für<br />

ein Jahr in den Gesangs-, Tanz- und Schauspielklassen dabei<br />

war, erkennt die eigenen Stärken, kann sich ausprobieren,<br />

gewinnt neue Freunde in toleranter und respektvoller Arbeit.<br />

Die ACADEMY – Bühnenkunstschule für Jugendliche in<br />

alle Fotos: ACADEMY 1<br />

Kreuzberg liegt uns sehr am Herzen. Jugendliche lernen sich<br />

zu präsentieren, sich auszudrücken. Sie stellen schließlich<br />

buchstäblich etwas dar – das sind Schlüsselqualifikationen,<br />

die ihnen im Leben enorm weiterhelfen.« Auch im zehnten<br />

Jahr des Bestehens der Bühnenkunstschule, die ohne öffentliche<br />

Gelder arbeitet, investiert die GASAG als Hauptsponsor<br />

in die kontinuierliche künstlerische Bildung von jungen Menschen<br />

– Energie mit Langzeitwirkung.<br />

Im September vergangenen Jahres bewarben sich erneut<br />

mehr als 200 theater-, tanz- und gesangsbegeisterte<br />

Jugendliche für einen der begehrten Plätze. 45 Jugendliche<br />

qualifizierten sich für den 9. Ausbildungsjahrgang. Bis zum<br />

Juni 2012 wurden sie in den drei künstlerischen Bereichen<br />

Tanz (Street Dance, New Dance), Gesang (Jazz, Pop, Musical)<br />

und Theater (Improvisation, Texttheater, Performance) gefördert<br />

und üben unter Anleitung von sieben professionellen<br />

Gesangs-, Tanz- und Schauspieldozenten (Praktiker von Konservatorien<br />

und Theaterpädagogen mit verschiedenen Techniken<br />

und Arbeitsansätzen) neben vielfältigen künstlerischen<br />

Techniken gleichzeitig gegenseitige Akzeptanz und Respekt<br />

im Umgang miteinander.<br />

»Wir wollen nicht MTV sein. Wir machen Kunst. Theater<br />

ist Kommunikation zwischen Bühne und Publikum«, betont<br />

Rachel Hameleers. Die niederländische Schauspieldozentin<br />

ist Mitinitiatorin und seit 2002 Künstlerische Leiterin. Gemeinsam<br />

mit ihrem engagierten Dozententeam qualifiziert<br />

sie die Begeisterung für Tanz, Gesang und Spiel durch eine<br />

professionellen Standards verpflichtete Ausbildung. Was Jugendliche<br />

bewegt, wird bewegend in Szene gesetzt. »Wir<br />

geben den Kids Futter für ihre eigene Kreativität und die Freiheit,<br />

alle Energie im Spiel, Tanz und Gesang rauszulassen«.<br />

Bei Casting-Workshops in den drei Disziplinen haben<br />

sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als 2000 junge<br />

Menschen beworben. Seit 2004 entwickelten sie in der ACA-<br />

DEMY-Ausbildung 15 Vorstellungen für die Bühne, die von<br />

mehr als 10.000 Besuchern erlebt und gefeiert wurden. Ein<br />

»Open-Stage« nach dem ersten Trimester, bei dem traditionsgemäß<br />

die unterschiedlichen Klassen beider Ausbildungsjahre<br />

erstmals voreinander auftreten, macht Anfängern wie<br />

Fortgeschrittenen deutlich, welche beachtenswerten Talente<br />

in jedem Jugendlichen stecken, die im leidenschaftlichen Miteinander,<br />

angetrieben vom Wunsch mit Körper und Stimme<br />

von den eigenen Wünschen, Ängsten, Sehnsüchten zu spre-<br />

28 Ballett Intern 5/2012


chen, vielgestaltigen Ausdruck finden können. »Entdecke<br />

Deine Fähigkeiten!« Das Motto ist Programm für die Probenarbeit,<br />

die in zwei Neuinszenierungen mündet.<br />

Das GASAG-Sozialsponsoring für dieses Integrationsprojekt<br />

erstreckt sich über zwei Akademie-Jahre. Beim Casting<br />

wird der Fokus auf eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen<br />

Talenten gelegt. Dann steht fest, wer in den neuen Klassen<br />

für Gesang, Tanz und Schauspiel ein Jahr lang von jeweils<br />

zwei Dozenten gefördert wird. 45 Jugendliche proben dann<br />

zweimal wöchentlich für zweieinhalb Stunden, zahlen als<br />

Zeichen der Wertschätzung selbst einen Obolus von 15 bzw.<br />

20 Euro monatlich. Unentschuldigtes Fehlen ist tabu. Ein<br />

Zeugnis attestiert die erworbenen künstlerischen Fähigkeiten.<br />

Wer nach erneuter Auswahl im zweiten Jahr weitermacht,<br />

kann sich in allen Künsten zugleich darstellerisch erproben<br />

und bringt sich in die Erarbeitung eines neuen Stückes ein,<br />

das zum Abschluss dieses interdisziplinären Probenprozesses<br />

unter professionellen Bühnenbedingungen aufgeführt wird.<br />

Im Mai 2012 waren 14 Jugendliche mit ihrer Show »Perfekt«<br />

in der Werkstatt der Kulturen der Welt lustvoll auf der Suche<br />

nach dem perfekten Menschen. Die Jugendlichen wissen genau,<br />

wovon sie singen, sprechen, tanzen und wie sie in immer<br />

neuen Facetten die begeisterte Aufmerksamkeit, Nachdenklichkeit,<br />

das Lachen und die Bewunderung der Zuschauer<br />

durch darstellerisches Können erringen. Wie nuanciert sie<br />

sich selbst und ihre ureigenen, unter den Nägeln brennenden<br />

Themen in Sketchen, Songs und Tänzen auf die Bühne<br />

brachten, elektrisierte das Publikum. Bin ich schön? Wie werde<br />

ich wahrgenommen, wer bin ich, in welcher Welt will ich<br />

ACADEMY 1 – Bühnenkunstschule in Berlin Kreuzberg<br />

leben? »Perfekt« – die 90-minütige Performance katapultiert<br />

Akteure wie Zuschauer in immer neue Casting-Runden voll<br />

fragendem Hintersinn. Auf dem Höhepunkt der Show ruft<br />

Derman Deniz ihren 13 Mitbewerbern zu: »Stopp! Wir rennen<br />

und wir lächeln bis zum Atemstillstand. Wir machen uns<br />

gegenseitig fertig«. Die neue Bühnenshow spiegelt facettenreich<br />

die Suche nach sich selbst in unserer reizüberfluteten<br />

gesellschaftlichen Realität! Die Zuschauer sind bis hinein in<br />

das interessante Programmheft als Diskussionspartner der<br />

Bühne gefordert. Was für ein Reichtum an Talenten! Alle Beiträge<br />

wirken frisch und gewinnen durch den darstellerischen,<br />

sprachlichen und stimmlichen Ausdruck emotionale und<br />

assoziative Kraft. Körpersprache, Aussprache, Intonation,<br />

Rhythmusgefühl, szenische Präsenz und Fantasie sind bemerkenswert.<br />

Die Jugendlichen treffen die schrillen und leisen<br />

Töne, beweisen Ensemble-Geist und haben enorme ganzkörperliche<br />

Präsenz mit ungekünstelter prägnanter Gestik.<br />

Auch der 9. Jahrgang der ACADEMY 1-Absolventen fieberte<br />

im Juni 2012 seinem Auftritt entgegen. Für ihre Abschluss-<br />

Show »Anpfiff« entwickelten junge Tänzer, Schauspieler und<br />

Sänger jeweils eigene Lieder, Szenen und Tanznummern,<br />

die temporeich und emotional das Thema Sport aufgreifen.<br />

Seit 2008 bereichert die »juniorACADEMY« als Kooperationsprojekt<br />

mit Hilfe zur Erziehung (HzE) zusätzlich das kulturelle<br />

Freizeitangebot. Diese konzentriert sich besonders auf die<br />

Einbeziehung des direkten sozialen Umfeldes der Alten Feuerwache<br />

in Berlin-Kreuzberg; die Kinderarmut liegt hier bei<br />

70 %, fast dreiviertel der Kinder unter 15 Jahren leben von<br />

Transferleistungen. Gemeinsames künstlerisches Lernen und<br />

Erleben fördert auch hier in jeweils achtwöchigen Schnupperkursen<br />

bei Gruppenarbeit in Tanz, Gesang und Spiel das<br />

Zusammenleben und stärkt die respektvolle Anerkennung<br />

der ACADEMY nachhaltig.<br />

Das Miteinander von Jugendlichen, verschieden in Herkunft,<br />

Alter und Bildungsstand, wird im ACADEMY-Projekt<br />

der soziokulturellen Jugendarbeit des Stadtteilzentrums »Alte<br />

Feuerwache« und der Berliner GASAG gelebt. ACADEMY –<br />

die Bühnenkunstschule für Menschen aller Kulturen zwischen<br />

13 und 19 Jahren in der Axel-Springer-Straße 40 ist ein<br />

lebendiger Ort voller Energie(n)!<br />

Inzwischen haben wieder 45 junge Menschen das Casting<br />

für den 10. ACADEMY-Jahrgang bestanden, präsentieren im<br />

Dezember 2012 die szenischen Ergebnisse ihrer ersten drei<br />

Probenmonate – singend – tanzend – spielend. »Jedes Jahr<br />

wächst man an Erfahrungen. In diese Jubiläums-Spielzeit<br />

nehmen wir alles mit, was wir gemeinsam gelernt haben«,<br />

freut sich Rachel Hameleers. Sie und ihr Team begeistert<br />

die Bandbreite der Jugendlichen. »Es ist erstaunlich und beeindruckend,<br />

wie weit die Teilnehmer bereit sind, für ihren<br />

künstlerischen Traum zu reisen. Sie kommen aus Marzahn,<br />

Potsdam, Reinickendorf, Neukölln, Kreuzberg.« Voller Elan<br />

proben sie gemeinsam mit Blick auf den Juni 2013 – Zehn<br />

Jahre ACADEMY-Bühnenkunstschule, was zünftig mit neuen<br />

Stücken – und hoffentlich einem Sommerferien-Spezial mit<br />

internationalen Gästen – gefeiert werden wird. �<br />

Information/Anmeldung zum ACADEMY-Casting unter:<br />

www.alte-feuerwache.de/academy<br />

Ballett Intern 5/2012 29


Porträt: Igor Zapravdin<br />

»I am crazy with ballet«<br />

Porträt: Igor Zapravdin<br />

von Ira Werbowsky<br />

Er hat sein Leben dem Ballett gewidmet:<br />

Igor Zapravdin ist Ballettkorrepetitor<br />

mit Herz und großer<br />

russischer Seele. Im Alter von sieben<br />

Jahren schickte ihn seine Mutter<br />

sowohl zum Klavier- als auch zum<br />

Ballettunterricht, da sie beides liebte. Der in Sewastopol aufgewachsene<br />

Igor entschied sich später allerdings für Klavier<br />

und setzte seine Ausbildung in Moskau am Konservatorium<br />

fort. In diesen vier intensiven Studienjahren gab es für den im<br />

Internat untergebrachten jungen Mann nichts als die Musik.<br />

Wenn er nicht am Tschaikowsky-Konservatorium Unterricht<br />

hatte, war er im Bolschoi Theater und sah fasziniert den Vorstellungen<br />

zu. Ballett hatte es ihm immer noch angetan. Wie<br />

konnte er diese beiden Leidenschaften künstlerisch und beruflich<br />

verbinden? Nach seinem Diplom in Klavier und Komposition<br />

wurde er am Stanislavski-Theater und am Nemirovich-Danchenko-Theater,<br />

dann am Moskauer Classical Ballet<br />

engagiert. Dort hat er erstmals als Korrepetitor Tänzer beim<br />

Training und in den Proben begleitet. Das war am Anfang<br />

keine leichte Aufgabe, verlangte es doch vom Pianisten, sich<br />

musikalisch den Wünschen und Bedürfnissen der Tänzer und<br />

der Ballettmeister unterzuordnen und die unendliche Vielfalt<br />

musikalischer Tempi anzupassen.<br />

Ein erster gravierender Einschnitt in diese harmonische<br />

Synthese aus Tanz und Klavierspiel kam durch den Armeedienst.<br />

Für anderthalb Jahre diente Igor Zapravdin im russischen<br />

Heer – das war eine harte Lebensschule, nur gemildert<br />

dadurch, dass sein Onkel, der als Admiral in Sewastopol<br />

bei der Flotte war, ihn zu sich holte. Nach dem Militärdienst<br />

kehrte er nach Moskau zurück und kam ans Russische Staatsballett,<br />

damals unter der Leitung von Wjatcheslaw Gordejew.<br />

Hier traf er auch auf Vladimir Malakhov, mit dem ihn seit<br />

damals eine künstlerische Freundschaft verbindet.<br />

Im Herbst 1992 begleitete er diese Compagnie zu einem<br />

Gastspiel nach Wien – und spielte aus eigener Initiative der<br />

damaligen Ballettchefin Elena Tschernischova vor. Er erhielt<br />

sogleich einen Vertrag! Seither ist er erfüllt von seinem Lebenstraum,<br />

seine beiden Lieblingsbereiche in der Kunst beruflich<br />

verbinden zu dürfen – in einer goldenen Balance, wie<br />

er sagt, teile er seine Liebe zwischen Musik und Ballett auf.<br />

»Das ist die optimale Kombination für mich!«<br />

Ballett und Musik sind lebensbestimmend<br />

Besonders stolz ist er auf seine Zusammenarbeit mit Mstislav<br />

Rostopowitsch, für den er 1996 ein Konzert für Klavier<br />

und Cello spielen durfte. Er hat berühmte Sänger wie Evgeny<br />

Nesterenko, Stella Grigorian oder Evgeny Dmitriev begleitet.<br />

Bei internationalen Ballettwettbewerben war er als Pianist im<br />

Einsatz, so u. a. in Budapest, Paris, Japan, Korea, Brasilien, Luxemburg,<br />

Moskau und St. Petersburg. Ebenfalls war er für das<br />

musikalische Arrangement von Vladimir Malakhovs Version<br />

der »Bajadere« sowohl in Wien als auch in Berlin zuständig.<br />

Bei den der berühmten österreichischen romantischen Tänzerin<br />

Fanny Elßler gewidmeten Gala-Abenden in Eisenstadt und<br />

Wien lag die musikalische Basis ebenfalls in seinen Händen.<br />

Im steten Bestreben, das Bestmögliche für den klassischen<br />

Tanz zu geben, hat er bereits mehrere CDs mit Ballettmusik<br />

als Begleitung für Trainingssequenzen herausgebracht. Sein<br />

neuestes Werk, das unter der Ägide von Mariella Ermini von<br />

der Accademia Nazionale dei Danza in Rom (mit ausführlicher<br />

Beschreibung der Übungen auf italienisch) entstand, wird im<br />

Herbst in Wien in englischer Fassung vorgestellt – die Präsentation<br />

in Italien fand bereits Ende August in Grado statt.<br />

Ballett lässt ihn niemals los. Sogar in den Theaterferien<br />

hat er sich in all den Jahren dem Tanz verschrieben. Statt<br />

Urlaub zu machen, ist er ein gefragter Pianist bei verschiedenen<br />

Ballett-Trainingskursen im Ausland. Im vergangenen<br />

Sommer kam er so nach einigen echten Urlaubstagen mit<br />

seiner Schwester in Ljubljana und Bled über »Klavierspiel-Tage«<br />

in Pescara, wo er in der Jury des Ballettwettbewerbs saß,<br />

nach Ischia/Napoli bis nach Sizilien, bevor er für zehn Tage in<br />

Igor Zapravdin spielt mit: Die Rolle des Pianisten in »The Concert« von<br />

Jérôme Robbins verlangt mehr als nur Einsatz an den Tasten. Von rechts<br />

umgarnt ihn Irina Zymbal. (Fotos: Wiener Staatsballett/Michael Pöhn)<br />

Moskau bei seiner Mutter Station machte, um anschließend<br />

zu seiner CD-Präsentation nach Grado zu reisen.<br />

Jubiläum: 20 Jahre in Wien an der Staatsoper<br />

Mittlerweile ist er seit 20 Jahren in Wien und hat als Ballettkorrepetitor<br />

neue Maßstäbe gesetzt. Er ist aus den Ballettsälen<br />

der Staatsoper nicht mehr wegzudenken. Von seiner<br />

Position am Flügel aus beobachtet er die Tänzer und sieht<br />

so, in welchen Entwicklungsprozessen die jeweiligen Choreographien<br />

entstehen und Schritt für Schritt Gestalt annehmen.<br />

Er ist sich seiner Bedeutung bewusst, wie er mit seinem<br />

Spiel die Atmung, die Bewegungsfolgen stützt und fördert.<br />

Daher ist er täglich schon lange vor Trainingsbeginn im Ballettsaal,<br />

um sich selbst optimal einzustimmen, sich auf das<br />

geforderte Programm vorzubereiten und sich so auf den jeweiligen<br />

Tag einzustellen. Mit sensiblem Gespür trägt er mit<br />

den entsprechenden Melodien die Tänzer zu Höhenflügen,<br />

hebt die Stimmung und steigert die Motivation. Er stellt sich<br />

auf die Vorlieben der jeweiligen Ballettmeister ein und spielt<br />

passend zur Situation, mal ist genaue Partitur, mal Improvisation<br />

gefragt; mal eher jazzig oder streng klassisch. Er ist<br />

30 Ballett Intern 5/2012


immer konzentriert und empfindet große Freude<br />

über die gelungenen Darbietungen der Tänzer bei<br />

den Vorstellungen auf der Bühne, er fiebert richtiggehend<br />

mit. Aktuell freut er sich über den Auftritt<br />

von Olga Esina in »Schwanensee« in Moskau<br />

am Bolschoi-Theater und darüber, dass die Ersten<br />

Solisten des Balletts der Wiener Staatsoper, Maria<br />

Yakovleva und Denys Cherevychko, im November<br />

2012 in »Don Quixote« mit dem Ballett der Pariser<br />

Oper an der Opéra Bastille gastierten – ist dies<br />

doch das erste Gastspiel von Tänzern aus Wien<br />

mit dem Ballett der Pariser Oper seit Fanny und<br />

Therese Elßler vor mehr als 170 Jahren. Diese<br />

Freude über die Erfolge »seiner« Tänzer ist ehrlich<br />

und kommt aus tiefstem Herzen.<br />

Oft wird Igor Zapravdin auch in den Aufführungen<br />

am Klavier eingesetzt. Sein feinfühliges Spiel<br />

der Chopin-Nocturnes perlte einschmeichelnd bei<br />

»In the Night« von Jérôme Robbins aus dem Orchestergraben.<br />

Bei »The Concert«, einer weiteren<br />

Robbins-Choreographie, ist er nicht nur Klavier<br />

spielend auf der Bühne, sondern stückbestimmend<br />

komödiantisch im Einsatz. Sein Debut in dieser Rollenfunktion<br />

gab er im Vorjahr beim Gastspiel des<br />

Wiener Staatsballetts in Monte Carlo. Und er ist<br />

sehr neugierig, was ihm die Zukunft an künstlerischen<br />

Herausforderungen noch bringen wird. Das<br />

nächste Highlight für ihn ist die Premiere von »Tanzperspektiven«<br />

am 20. Februar 2013 in der Wiener<br />

Staatsoper, dann wird er in »A Million Kisses To<br />

My Skin« von David Dawson das Klavierkonzert<br />

Nr. 1 in d-moll von Johann Sebastian Bach spielen.<br />

Von Vorfreude erfüllt ist er auch wegen der neuen<br />

Produktion »Kreation und Tradition« (Premiere<br />

am 20. April 2013), in der sich junge Talente und<br />

aufstrebende Choreographen der Compagnie auf<br />

der Volksopernbühne beweisen dürfen. Auch das<br />

dreiwöchige Gastspiel des Wiener Staatsballetts im<br />

Juli in Paris stimmt ihn erwartungsvoll.<br />

Vielen Dank, Wien!<br />

Porträt: Igor Zaparvdin Porträt: Der Clown David Larible<br />

Nach zwanzig reichen Berufsjahren an der Staatsoper<br />

in Wien ist es ihm ein Herzensanliegen, dieses<br />

Jubiläum mit allen Freunden gemeinsam zu<br />

feiern und in Demut, aber mit der ihm eigenen,<br />

aus tiefster Seele kommenden Überschwänglichkeit<br />

»Danke, Wien« zu sagen. Am 24. November<br />

lud er zu einer festlichen Veranstaltung ins österreichische<br />

Theatermuseum. Alle Solisten traten<br />

an diesem Abend nur für ihn auf und bedankten<br />

sich im Gegenzug auf diese Weise für die<br />

jahrelange wunderbare Klavierbegleitung. Auch<br />

Gesangstars der Oper sangen ihm zu Ehren ein<br />

Ständchen.<br />

Igor Zapravdin kann ohne Ballett und Musik<br />

nicht leben: »Zwei Lieben sind in meinem<br />

Herzen. Maybe I am crazy – but my heart<br />

and my soul are dedicated to ballet!« �<br />

Wie viel Tanz<br />

steckt im Clown?<br />

Porträt: David Larible<br />

von Dagmar Ellen Fischer<br />

Guter Zirkus ist ein Gesamtkunstwerk. Zu den Guten gehören der kanadische<br />

»Cirque du Soleil«, der längst zum weltweit florierenden Konzern mutierte,<br />

und Roncalli, immer noch als erweitertes Familien-Unternehmen von<br />

Bernhard Paul mit Hauptsitz in Köln geleitet. Hier wie dort rückt mit der Abschaffung<br />

von Tiernummern die virtuose Körperkunst in den Vordergrund:<br />

Kein Zirkus kommt ohne Tänzer aus. Selbst wenn sie nicht ausdrücklich als<br />

solche auftreten, haben die Artisten oft eine tänzerische Vergangenheit.<br />

So wie David Larible, von Beruf<br />

Clown. Seit sieben Jahren sorgt er im Zirkus<br />

Roncalli für die richtige Atmosphäre,<br />

also für jene magischen Momente, die<br />

im Gedächtnis des Publikums bleiben.<br />

David Larible spinnt mit seinen Auftritten<br />

den roten Faden des Abends, auf seine<br />

Nummern warten die Zuschauer. Mit<br />

dem von ihm entwickelten Charakter –<br />

jeder Clown etabliert in seiner Karriere<br />

eine möglichst unverwechselbare Figur,<br />

mit der er im Idealfall überall identifiziert<br />

wird – sieht sich der gebürtige Italiener<br />

in der Tradition der Commedia dell’<br />

Arte. »Ich habe eine kurze Geschichte,<br />

David Larible und Gensi Mestres<br />

als tanzende Engel (Fotos: Circus<br />

Roncalli)<br />

die ich erzählen will, jede Nummer hat<br />

eine Linie, aber dazwischen improvisiere<br />

ich, reagiere auf das Publikum, kreiere<br />

spontan neue Dinge. Das ist wichtig,<br />

damit es lebendig bleibt!« In einer sol-<br />

chen Szene spielt David Larible beispielsweise mit einem imaginären Ball,<br />

den er geräuschvoll auffängt und plötzlich auch ins Publikum wirft: Egal,<br />

wie klar die Körpersprache des Clowns sein mag, es gibt immer jemanden<br />

im Zuschauerraum, der ihn nicht versteht oder nicht mitspielen will – dann<br />

ist Improvisation gefragt, damit die Szene weitergeht.<br />

Was für jeden einzelnen Auftritt einer Vorstellung gilt, lässt sich auch auf<br />

das Artistenleben insgesamt übertragen: Ein Künstler braucht neue Herausforderungen.<br />

Am 8. Dezember wird David Larible zum letzten Mal mit dem<br />

Zirkus Roncalli aufgetreten sein, in der aktuellen Show »Time is Honey«.<br />

»Sieben Jahre sind genug! Wenn etwas zur Routine wird, ist das der Tod<br />

für einen Künstler.« In den vergangenen Jahren tourte Larible durch viele<br />

Länder, als Dreh- und Angelpunkt der Crew erlangte er einen Grad an Popularität,<br />

der ihm den Ruf des weltbesten Clowns einbrachte – und mit der<br />

Roncalli natürlich wirbt. Doch diese inoffizielle Auszeichnung bedeutet ihm<br />

nichts, im Gegenteil, fast scheint er sich bedroht zu fühlen durch diese Titulierung:<br />

»Es gibt keinen besten Clown. Es gibt den besten Boxer der Welt,<br />

der alle besiegt hat. Aber Kunst ist subjektiv, eine Geschmackssache. Wie<br />

könnte man sagen, dass Picasso besser ist als Dalí?« Sicher, er freut sich<br />

über Lob und Komplimente, es zeigt ihm, dass er auf dem richtigen Weg<br />

ist. »Aber wenn ich anfange zu glauben, dass ich der Beste bin, habe<br />

ich ein Problem. Dann bräuchte ich nichts mehr zu tun, dann wäre ich<br />

fertig, künstlerisch tot.« Und er hat eine schöne Metapher parat, die seine<br />

Haltung zum Leben spiegelt: Im Film »Limelight« tritt Charlie Chaplin in der<br />

Rolle des alternden Clowns Calvero in einer Spelunke auf, obwohl er ein ge-<br />

Ballett Intern 5/2012 31


Porträt: Der Clown David Larible<br />

feierter Künstler ist; sein Impresario fragt ihn entrüstet, warum<br />

er in dieser Kneipe spiele, wie ein Amateur. Darauf antwortet<br />

der Clown, dass alle Menschen Amateure seien, weil niemand<br />

lange genug lebe, um professionell zu werden. »Das ist meine<br />

Philosophie!« Bekennt David Larible strahlend, und Charlie<br />

Chaplin ist sein Vorbild. »Er war ein Genie, war Schauspieler,<br />

Regisseur, Autor, sogar die Musik zu seinen Filmen hat er<br />

komponiert. Aber noch wichtiger ist: Er wurde überall auf der<br />

Welt verstanden, sein Humor ist international.«<br />

So wie auch die Körpersprache eines Clowns sein muss, international.<br />

Beweglich bleiben, im dreifachen Sinn: mit einem gut<br />

trainierten Körper, einem agilen Geist, und der Bereitschaft, für<br />

die unterschiedlichen Engagements mobil und ständig unterwegs<br />

zu sein. Das gilt für die gesamte Familie: David Laribles Frau ist Zirkusartistin,<br />

seine Tochter Trapezkünstlerin, sein Sohn Jongleur. Ein<br />

sogenanntes Zuhause existiert zwar, aber dort ist die Familie fast<br />

nie anzutreffen. »Das ist hart, aber ich kenne es nicht anders.«<br />

David Larible, 1957 in Verona geboren, stammt aus einer<br />

typischen Artistenfamilie, schon sein Urgroßvater Pierre Larible<br />

taucht in einem Dokument aus dem Jahr 1881 als Akrobat und<br />

Tänzer auf, sein Großvater war Clown, sein Vater Trapezkünstler.<br />

»Seit Generationen lernen Kinder von den Eltern, mein Vater<br />

war mein Lehrer und unterrichte mich am Trapez. Aber ich wollte<br />

Clown sein. Und als ich acht Jahre alt war, sagte ich das meinem<br />

Vater.« Der war nicht begeistert und versuchte, es seinem<br />

Sohn auszureden, indem er ihm wahrheitsgetreu erklärte, es<br />

sei das Schwierigste, Menschen zum Lachen zu bringen. »Denn<br />

ein Clown müsse alle Jobs gut machen, ein Akrobat sein und<br />

ein Jongleur, ein Musiker und ein Tänzer. Aber ich wollte es<br />

unbedingt …« Also bekam der junge David Gesangsunterricht,<br />

lernte Instrumente spielen, übte jonglieren und ließ sich als Akrobat<br />

ausbilden. Und tanzte: »Ich habe fünf Jahre klassischen<br />

Tanz studiert. Ballett hat mir sehr geholfen in meiner Karriere,<br />

denn es gibt meinen Bewegungen die Harmonie. Auch die Bewegungen<br />

eines Clowns müssen harmonisch und koordiniert<br />

sein, und das hat mir der Tanz gegeben.« Außerdem spielt<br />

David Larible sechs Instrumente, spricht fünf Sprachen und beherrscht<br />

so ziemlich jedes Handwerk im Zirkus-Gewerbe. »Ich<br />

habe als Akrobat angefangen und eine akrobatische Rollschuhnummer<br />

gezeigt, dann war ich Jongleur, später habe ich einen<br />

argentinischen Gaucho-Tanz entwickelt. Am Trapez war ich zu<br />

sehen und in einer Pferdenummer – ich habe wirklich alles gemacht.<br />

Aber in meinem Kopf war immer: Ich will Clown sein!«<br />

Einige Jahre sprang er immer dort ein, wo Not am Artist war.<br />

Endlich wurde auch einmal ein Clown krank, und David Larible<br />

bekam seine große Chance. Er war 16, und er machte seine<br />

Sache so gut, dass ihm sogar ältere Artisten-Kollegen nach seinem<br />

Debüt gratulierten. »Du kannst einiges lernen, was ein<br />

Clown braucht, die Technik der Pantomime zum Beispiel,<br />

aber du kannst nicht lernen, lustig zu sein!« David Larible<br />

war lustig.<br />

Das Wichtigste, weiß der erfolgreiche Clown, ist das Timing,<br />

wie im Tanz. »Ohne Timing kann man kein Clown sein. Alles<br />

steckt im Timing. Mache ich das entscheidende Gesicht eine<br />

Sekunde zu früh oder zu spät, funktioniert nichts. Der berühmte<br />

Schweizer Clown Grock hat gesagt, eine Clown-Nummer ist<br />

wie eine Uhr.« Was keineswegs bedeutet, das einmal gefundene<br />

Timing sei eine feste Größe. Denn jedes Publikum ist anders,<br />

Clio Togni<br />

und David<br />

Larible<br />

das gilt es bei jedem Live-Auftritt zu erspüren. »Der Rhythmus<br />

des Lebens wechselt, und deshalb muss auch das Timing<br />

ständig wechseln. Jeden Abend, in jedem Moment. Der Artist<br />

wächst in jeder Vorstellung mit dem Publikum. Das kann man<br />

nicht sehen, das geschieht automatisch.«<br />

Ballettunterricht nahm David Larible in seiner italienischen<br />

Heimat. Später lernte er auch Jazztanz, studierte eine Weile Flamenco<br />

und nahm Unterricht in Stepptanz – letzteres inspirierte<br />

ihn zu einer Tap-Nummer in riesigen Schuhen. In den 1980er<br />

Jahren war er der Star der Fernsehserie »Circus – Tiere, Stars<br />

und Akrobaten«, auch in den Sendungen »Stars in der Manage«<br />

konnte man ihn regelmäßig erleben. 15 Jahre lang lebte und arbeitete<br />

er in den USA, dort trat er im größten US-amerikanischen<br />

Zirkus, »Ringling Bros. and Barnum & Bailey«, täglich vor rund<br />

20.000 Menschen auf. Mit Jerry Lewis stand er vor der Kamera,<br />

im Film »Ocean’s Eleven« übernahm er eine kleine Rolle. 1999<br />

wurde er beim Internationalen Circusfestival in Monte Carlo mit<br />

dem »Goldenen Clown« ausgezeichnet, dem Oscar der Manege.<br />

So unterschiedlich das Publikum in Japan und den USA auch<br />

sein mag, eines stellte der Live-Entertainer fast überall fest: Es<br />

fehlt eine Altersgruppe. »Kinder gehen gern in den Zirkus,<br />

aber nur bis zum Alter von ungefähr zwölf Jahren. Dann wird<br />

Zirkus uncool. Und sie kommen als Zuschauer erst zurück,<br />

nachdem sie über 20 sind.« Es ist genau die Altersgruppe, die<br />

auch als freiwillige Theatergänger so gut wie nicht existiert und<br />

ebenso als Tanz- und Ballettschüler am schnellsten schrumpft.<br />

Ein Neuanfang steht für David Larible 2013 an. Er wird seine<br />

Solo-Show wieder aufnehmen, die er vor einigen Jahren<br />

entwickelte. Darin erzählt er die Geschichte eines Mannes,<br />

der täglich ein Theater putzt, aber heimlich davon träumt, als<br />

Clown im Rampenlicht zu stehen. Und für eine Nacht wird sein<br />

Traum wahr, er darf nicht nur Clown werden, sondern »The<br />

Clown of Clowns« sein, der Beste – wie der Titel der anderthalbstündigen<br />

Show heißt. »Ich möchte damit sagen, dass jeder<br />

etwas Großartiges leisten kann, wenn er nur am richtigen<br />

Platz ist,« so David Larible über seine persönliche Motivation.<br />

»The Clown of Clowns« kann sich überall auf der Welt zeigen,<br />

denn er kommt ganz ohne Text aus. »Wir werden heutzutage<br />

bombardiert mit Worten, über Text wird das meiste kommuniziert.<br />

Ich glaube, dass es sehr schön und geradezu erfrischend<br />

sein kann, jemanden im Theater zu sehen, der viel<br />

erzählt, aber ohne Worte. Nur mit dem Gefühl, mit Gesten<br />

und mit Musik. Ich singe, ich spiele und ich tanze.« ■<br />

32 Ballett Intern 5/2012


»Vorgestellt« – ein neuer<br />

Dialog geht in Serie<br />

Ivan Liška, Ballettdirektor des<br />

Bayerischen Staatsballetts, informierte<br />

Studenten der Staatlichen Ballettschule Berlin<br />

über seine Münchner Compagnie<br />

von Volkmar Draeger<br />

Die Idee ist so einfach wie naheliegend. Fast muss man sich<br />

wundern, weshalb niemand vor ihnen darauf gekommen ist.<br />

Nun gebührt das Primat der Staatlichen Ballettschule Berlin.<br />

Denn sie hat eine neue, schulinterne Reihe mit hoffentlich<br />

großer Wirkung initiiert. »Vorgestellt: Ballettdirektoren und<br />

ihre Ensembles« verfolgt gleich mehrere Ziele. <strong>Deutschland</strong><br />

verfügt, einzigartig in der Welt, über rund 70 professionelle<br />

Ballett- und Tanztheatercompagnien, ob an Staats- und<br />

Stadttheatern, im Friedrichstadtpalast, bei zwei Fernsehsendern<br />

oder in Eigenregie wie Sasha Waltz & Guests. Was für<br />

Tänzer aller Länder ein Segen ist, bietet auch Absolventen<br />

staatlicher und privater Schulen gute Chancen, ein Engagement<br />

zu bekommen. Allein: Wie findet man die Truppe, die<br />

zu einem passt und die gerade auch auf einen wartet? Es<br />

verschlingt viel Geld, an Auditions teilzunehmen, besonders<br />

wenn man europaweit sucht. Von der aufzuwendenden Zeit<br />

gar nicht erst zu reden, zumal in die intensivste Reisephase<br />

der Kandidaten oft auch die schriftlichen und praktischen<br />

Prüfungen fallen. Um das ohnehin schmale Geldsäckel der<br />

Absolventen zu entlasten und auch ihren Zeitfonds zu schonen,<br />

hatte die Leitung der Schule einen zündenden Einfall.<br />

Wie wäre es, wenn man Ballettchefs, die zumeist ja auch<br />

Choreographen sind, in die Schule einlüde? Zum einen können<br />

sie interessierten Studenten Rede und Antwort stehen;<br />

zum anderen werden sie gewiss, immer auf der Suche nach<br />

potenziellen Ensemblemitgliedern, gern auch mal in die letzten<br />

Klassen schauen.<br />

Ein Vortrag von Schulleiter Ralf Stabel in München stellte<br />

den Kontakt zu Ivan Liška her, und der reagierte sofort positiv<br />

auf den Vorschlag, die neue Reihe in der Berliner Schule zu<br />

eröffnen. Das tat er vor vollbesetztem Auditorium im Theatersaal<br />

der Schule nicht allein. Zur Verstärkung hatte er sich<br />

Stellvertreterin und Dramaturgin Bettina Wagner-Bergelt mitgebracht.<br />

Beide gehören dem 1989 formierten Bayerischen<br />

Staatsballett seit langem an und wissen, worüber sie reden,<br />

wenn sie hinter die Kulissen der täglichen Arbeit blicken lassen.<br />

Das taten sie zur Freude der neugierigen Studenten so<br />

charmant wie zwanglos im Dialog, dass Berührungsängste<br />

gar nicht erst aufkamen. Vieles erfuhren die jungen Zuhörer<br />

über die Stadt an der Isar und ihr Ballett: dass es auf eine<br />

350-jährige Tradition zurückblicken kann; dass der italienische<br />

Komponist Orlando di Lasso, vom Kaiser geadelt, bis<br />

zu seinem Tod 1594 weit mehr als 30 Jahre dort Hofkapellmeister<br />

war; und dass das Staatsballett über zwei Spielstätten<br />

verfügt, die Bayerische Staatsoper mit 2000 Plätzen und<br />

das etwas kleinere Prinzregententheater. Die 68 Planstellen<br />

der Compagnie seien, sagt Liška, gerade ausreichend, um<br />

Häuser dieser Größe zu bespielen, mit zwischen 70 und 85<br />

Ivan Liška zu Gast an der Staatlichen Ballettschule Berlin<br />

Ivan Liška bei seinem Vortrag in Berlin – im Hintergrund seine Stellvertreterin<br />

und Dramaturgin Bettina Wagner-Bergelt (Fotos: Heckel)<br />

Vorstellungen pro Saison. Denn auch die Gastspiele rechnen,<br />

und zudem gibt es bereits die dritte Spielzeit eine Juniorcompagnie<br />

mit 16 Mitgliedern, neun Volontären und sieben Stipendiaten<br />

der Bosl-Stiftung, die hier ihre ersten Erfahrungen<br />

sammeln können und dennoch unter fachkundiger Führung<br />

bleiben.<br />

Eingeleitet hatte der Direktor den Nachmittag mit Komplimenten<br />

an die Gaststadt. In Berlin habe er als Student mit 15<br />

an der Lindenoper Lilo Grubers »Dornröschen« gesehen, mit<br />

einem Star wie Claus Schulz. Oft sei er danach an der Spree<br />

gewesen, habe Tatjana Gsovsky erlebt und Gert Reinholm<br />

und, spätestens dann in München, die Gsovsky-Schülerin<br />

Konstanze Vernon. Dass er hier auch gastiert hat, etwa in<br />

Gerhard Bohners Rekonstruktion des »Triadischen Balletts«,<br />

sei angefügt. Doch was die Schüler besonders interessierte,<br />

waren aktuelle Informationen zu seiner Compagnie in<br />

München. Wie breit das dortige Repertoire ist, von der traditionellen<br />

Klassik bis zur heutigen Moderne, wusste er nicht<br />

nur zu berichten: Er hatte Videoausschnitte vorbereitet. Sie<br />

zeigten eben jene Spannweite des Spielplans, von der vielgelobten<br />

Rekonstruktion des »Corsaire« nach den in Boston<br />

verwahrten Stepanov-Notaten des Petipa-Originals über Frederick<br />

Ashtons nirgendwo sonst in unserer Republik getanz-<br />

Ballett Intern 5/2012 33


Ivan Liška zu Gast in Berlin 20. Münsteraner Tanzfestival<br />

Zwei Tanzpreisträger: Ivan Liška zu Gast bei Gregor Seyffert in Berlin<br />

ten »Scènes de ballet« und Hans van Manens »Five Tangos«<br />

bis zu »Das Mädchen und der Messerwerfer« in der zeitgenössischen<br />

Choreographie von Simone Sandroni. Und bis zu<br />

einer der sensationellen Choreographien von Nacho Duato:<br />

»Vielfältigkeit. Formen von Stille und Leere« zu Musik Bachs.<br />

Viele Hinweise erhielten die Berliner Studenten so en<br />

passant. Dass es im Theater immer auch Kampf der Sparten<br />

gebe, Hindernisse aber da seien, um überwunden zu werden;<br />

dass Tänzer sich die Klassiker zu »ihrem« Stück machen<br />

müssen, um nicht Museum zu präsentieren; dass solides<br />

klassisches Fundament unabdingbar, heute aber nicht mehr<br />

ausreichend sei, um im Theater mit seinen vielen Stilistiken<br />

zu bestehen; dass eine Compagnie zwar keine Versorgungseinrichtung<br />

für Solisten sei und dennoch ihr Repertoire an<br />

der Besetzbarkeit ausrichte. Etwa 70 Stücke mache es derzeit<br />

aus, man studiere gerade eine Choreographie von Merce<br />

Cunningham ein, mit einem speziellen Training für die<br />

Besetzung. So koste Glücklichsein eben auch Schweiß – und<br />

eine Sieben-Tage-Arbeitswoche. Anstrengung sei ein Zeichen<br />

von Wert. Auf seine angenehme, höchst informative<br />

Weise reiste das Duo von der Isar nach eigenen Worten »in<br />

75 Minuten durch die Welt des Tanzes, wie sie in München<br />

Alltag ist«. Das Bayerische Staatsballett dürfte damit nicht<br />

nur in <strong>Deutschland</strong>, sondern auch europaweit ein Repertoire<br />

besitzen, das dem der Pariser Oper an Vielfalt kaum<br />

nachsteht. Als besonderes Geschenk hatte Ivan Liška, der<br />

tschechische Elegant und Preisträger des Deutschen Tanzpreises<br />

2012, ein Tänzerpaar mitgebracht, kaum älter als die<br />

Berliner Studenten. Mai Kono und Olzhas Tarlanov zeigten,<br />

was Jirˇí Kylián einst für Birgit Keil und Vladimir Klos kreiert<br />

hatte: »Nuages« zur Musik von Claude Debussy. Wie nach<br />

dem Ende der Veranstaltung in kleinen Gruppen diskutiert<br />

wurde, wie man mit den Münchener Gästen ins Gespräch<br />

kam, bestätigte den Erfolg jener Premiere. Je nach Terminplan<br />

der Angefragten wird es, so Schulleiter Ralf Stabel zufrieden,<br />

in unregelmäßiger Folge Fortsetzungen des direkten<br />

Dialogs zwischen Ballettdirektoren und Berliner Studenten<br />

geben. Zur Nachahmung ausdrücklich empfohlen! ■<br />

»… eine irrsinnig<br />

lebendige Tanzszene«<br />

Das 20. Münsteraner Tanzfestival<br />

von Marieluise Jeitschko<br />

Aus dem einstigen kleinen Festival in einer Münster’schen<br />

Discothek wurde ein großes Fest im städtischen Theater. Aber<br />

der Name ist geblieben und die vorbildliche Organisation von<br />

Ingrid Heid ebenfalls. Heute gehört das »Münsteraner Tanzfestival«<br />

zu den »Highlights im Kulturkalender«, konstatiert<br />

Kulturdezernentin Dr. Andrea Hanke. Am 4. November fand<br />

es zum 20. Mal statt und füllte das Große Haus des Theaters<br />

wieder bis auf den letzten Platz. Fast drei Stunden dauerte<br />

der schwungvolle Abend mit vier Ballettschulen und zehn<br />

Gruppen als Repräsentanten einer »irrsinnig lebendigen und<br />

üppigen freien Tanzszene«, so Moderator Matthias Bongard.<br />

Waren beim 10. Festival Modest Mussorgskys »Bilder einer<br />

Ausstellung« musikalisches Bindeglied der Beiträge gewesen,<br />

so geleiteten diesmal Antonio Vivaldis »Vier Jahreszeiten«<br />

durch den ersten Teil des Programms, sehr unterschiedlich<br />

gestaltet von den traditionsreichsten Ballettschulen der<br />

Stadt: Le Ballet Sattler (Frühling), Rebel Dance Company<br />

(Sommer), Tanztheater Orosz (Herbst) und Tanzprojekte Heidi<br />

Sievert (Winter). Ganz klassisch fing es an mit den kleinen<br />

Schneeglöckchen in wippenden Tüll-Tutus und Schläppchen.<br />

Vier fortgeschrittene Elevinnen von Eleonore H. Sattler tanzten<br />

bunte Frühlingsboten auf Spitze, und sogar ein Ballerino<br />

sprang und wirbelte durch den Frühling.<br />

Vor der Projektion der glutrot untergehenden Sonne ist<br />

die Silhouette eines Kapuzenmanns zu sehen. Eine Stimme<br />

(Fotos: Tatjana Jentsch)<br />

34 Ballett Intern 5/2012


ezitiert aus einem Jahreszeitengedicht. Davor entspinnt sich<br />

Günther Rebels Sommernachtsliebelei von zwei Paaren und<br />

Freunden, die sich handfest modern bis akrobatisch tanzend<br />

umschmeicheln, über Kreuz mit dem Gegenüber flirten und<br />

schließlich den Partner wechseln.<br />

Zum malerischen Tableau an barocker Tafel mit überquellenden<br />

Obstschalen und Kandelabern posieren acht Herbst-<br />

Schönheiten in edlen Roben, Herbstlaub in die kunstvollen<br />

Frisuren geflochten. Zart gestikulieren sie, biegen kokett die<br />

Hälse, lächeln und strahlen im Bewusstsein ihrer Reize. Als<br />

Folklore sich mit Vivaldis Klängen und Rhythmen verbindet,<br />

tanzen sie ausgelassen, andere mischen sich ein. Manche erstarren<br />

wieder zum Tableau. Während Wind und Regen rauschen,<br />

endet die poetische Szene sehr sinnlich im roten Schimmer.<br />

Eine meisterliche Miniatur boten Lajos Orosz und seine<br />

Compagnie mit zauberhafter Ausstrahlung. In Svenja Gasches<br />

Choreographie des Winters heben sich anfangs vier Hügel aus<br />

dem diffusen Licht weiß ab. Gestalten schälen sich aus Baumstümpfen,<br />

tappen barfuß, den Kopf zwischen den Schultern<br />

wie in Trance zur motorischen Musik. Modern Dance und Ausdruckstanz<br />

gehen eine harmonische Allianz ein.<br />

Zehn freie Gruppen sorgten nach der Pause für Abwechslung<br />

und gute Laune. Wie seit Jahren eröffnete »Schrittwechsel«,<br />

eine Gruppe der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger<br />

Behinderung, das Potpourri. Ein Mosaik aus Beiträgen früherer<br />

Jahre setzten die Frauen und Männer zu Stevie Wonders<br />

»Happy Birthday« zusammen. Die ganze Palette populärer<br />

Tanzrichtungen von Stepptanz und Jazz Dance über HipHop<br />

und Breakdance bis zu Swing der 1950er Jahre und folkloristischem<br />

Flamenco fächerten<br />

die anderen Gruppen auf. Am<br />

Ende vereinten sich alle zur<br />

pompösen Musik von Edward<br />

20. Münsteraner Tanzfestival<br />

Elgars »Pomp and Circumstance« auf der Bühne in einer riesigen<br />

Umarmung – eine rührend-symbolische Geste für den<br />

Zusammenhalt der Münsteraner Szene, trotz mancher Rivalitäten<br />

und Konkurrenz im Alltag.<br />

Plädoyer für den Tanz<br />

Die Geschichte des Festivals spiegelt das vielfältige, nimmermüde<br />

Plädoyer für den Tanz in Münster wider. »Das Interesse<br />

am Tanz zu stärken und für seine Vielfalt in dieser<br />

Stadt zu werben, war unser ambitioniertes Ziel«, sagt<br />

Ingeborg Kölling, Mitgründerin der Initiative neben Günther<br />

Rebel, Heidi Sievert und Eleonore H. Sattler. Fünf freie Gruppen<br />

holten die vier Schulen 1989 zum ersten zweitägigen<br />

Festival mit ins Boot. Es sei damals auch ein Hilfeschrei gewesen,<br />

erinnert der Mitorganisator Hery Klas: »Wir wollten auf<br />

unzureichende Auftrittsbedingungen und fehlende finanzielle<br />

Förderung aufmerksam machen«.<br />

Das ist vollauf gelungen, die finanzielle Unterstützung<br />

von heute 10.000 Euro pro Jahr allerdings bescheiden. 1992<br />

bestritten bereits acht Ballettschulen und 20 freie Gruppen<br />

drei Abende im Kleinen Haus des Theaters und zwei,<br />

wie zuvor, im »Jovel«, Münsters Disco in einer ehemaligen<br />

Brauerei. Rund 2.500 Laien zählte die Szene damals in der<br />

Stadt. Seit 1994 ist das Festival auf einen einzigen Abend<br />

reduziert und im Großen Haus zu Gast. Allerdings gründete<br />

die Kooperative damals den »Verein Tanzspektrum«. Er verwaltet,<br />

laut Heid, »als ideeller Vertreter der örtlichen Tanzszene«<br />

den städtischen Zuschuss. »Tanzspektrum« organisiert<br />

jährlich acht bis zehn Auftritte, die meisten im Kleinen Haus<br />

des Theaters, und sorgt für Werbung und Abrechnung. Das<br />

Modell funktioniert nur, erläutert Heid nachvollziehbar, »weil<br />

die Mitglieder von Tanzspektrum ganz viele ehrenamtliche<br />

Arbeitsstunden investieren«. �<br />

Ballett Intern 5/2012 35


Nachruf: Hans Werner Henze<br />

Komponierender Chronist<br />

Nachruf: Hans Werner Henze<br />

von Klaus Geitel<br />

Blättert man flüchtig in Henzes knapp hundertseitigem<br />

Werkverzeichnis, dann will es einem auf Anhieb erscheinen,<br />

es müssten sich unter dem Namen Henze gleich mehrere,<br />

allesamt fruchtbare Komponisten vereinen. Vier annähernd<br />

monumentale Opern und ein abendfüllendes Ballett noch<br />

dazu in nur sechs Jahren im Alleingang zu schreiben und<br />

zur Uraufführung zu bringen, grenzt nahezu an ein Wunder.<br />

Aber für Wunder und Wunderwerke hat sich Henze stets mit<br />

schier unerschütterlichem Fleiß stark gemacht.<br />

»Gehen Sie und tun Sie ihre Pflicht«, hatte ihn einst in der<br />

Jugend sein Wiesbadener Opernintendant angeherrscht, und<br />

Henze war prompt als Dirigent in eigener Sache ans Pult getreten,<br />

eine wahrhaft unzumutbare Pflicht zu erfüllen: eines<br />

seiner Frühwerke aufzuführen, aus dem man hinterrücks alle<br />

Solo-Instrumente herausgestrichen hatte.<br />

Eine künstlerische Demütigung erster<br />

Klasse, überboten später nur noch durch<br />

das Niederknüppeln seiner Musik durch<br />

die Hamburger Polizei bei der Uraufführung<br />

vom »Floß der Medusa« im stürmischen<br />

Revolutions-Dezember 1968 in<br />

Hamburgs Lustgarten »Planten un Blomen«,<br />

den Henze mit dem erzkapitalistischen<br />

Sündenbock »Blohm und Voss«<br />

verwechselt hatte. Man kann schließlich<br />

als Komponist auch nicht alles wissen.<br />

Soviel aber wusste Henze immerhin<br />

schon, dass man dem Opfer namens Rudi<br />

Dutschke beispringen müsse. Er nahm<br />

den auf offener Berliner Straße Niedergeschossenen<br />

und Schwerverletzten in seiner<br />

italienischen Villa auf, in die sich zur<br />

Überwachung der verdächtigen Vorgänge<br />

vorsichtshalber auch noch ein Trupp<br />

italienischer Polizisten einquartierte. Henze,<br />

entschlossen nicht nur ein guter Kom-<br />

Margot Fonteyn (Undine) und Michael Somes (Palemon) in Frederick<br />

Ashtons Ur-Inszenierung von Henzes »Undine«, London 1948<br />

(Foto: Artur Rank Cooperation)<br />

ponist, sondern gleichzeitig eine Art politischer Gutmensch zu<br />

sein, blieb unbeirrbar auf der Seite welchen Aufstands auch<br />

immer. Er war in seiner Jugend stark genug geduckt worden,<br />

um sich später einen extra starken Nacken zuzulegen. Der<br />

wurde tatsächlich gebraucht. Auch musikalisch.<br />

Henze hat sich ja nie wohlüberlegt ausgesucht, was er als<br />

nächstes komponieren würde. Er wurde von den Ideen der<br />

unterschiedlichsten Herkunft geradezu angesprungen und<br />

von ihnen über den Haufen gerannt. Er verfügte überdies<br />

über Verbindungen, die sich andere nur erträumen konnten.<br />

Er wusste Ingeborg Bachmann als Librettistin an seiner Seite,<br />

aber auch Jean Cocteau und W. H.<br />

Auden, den großen anglo-amerikanischen<br />

Lyriker. Und in <strong>Deutschland</strong>, der<br />

alten Heimat, natürlich alle, die einen<br />

Bleistift halten und mit ihm schreiben<br />

konnten.<br />

Mitunter schien es sogar, als könne<br />

das Übermaß der fruchtbaren Kreuz-<br />

und Querverbindungen Henzes unerschöpfliche<br />

Originalität bedrängen.<br />

Doch keine Angst: sie hielt Stand.<br />

Henze wusste kompositorisch immer<br />

genau, was er wollte. Er komponierte<br />

nie ins Blaue hinein. Er hatte das<br />

Jahrhundert, in dem er lebte, immer<br />

vor Augen. Mit einem Wort: er schrieb<br />

Jahrhundertmusik. Sein musikalisches<br />

Oeuvre hat die Welt, wie wir sie<br />

durchlebt und durchlitten haben, fest<br />

im Griff. Er ist, ohne Tag und Stunde<br />

je aufzuzeichnen, ihr Chronist geworden.<br />

En musique! �<br />

36 Ballett Intern 5/2012


Ballettkomponist –<br />

Auszeichnung,<br />

nicht Schimpfwort<br />

Nachruf: Hans Werner Henze<br />

von Dagmar Ellen Fischer<br />

»Der Tod hat einen Klang, wie er sich schon im Vorspiel zu<br />

diesem letzten Akt andeutete, lautes schmerzvolles Rufen,<br />

das hier nun schnell verebbt, die abschließende ganz leise<br />

Ekloge vorbereitend, eine unbewegte Musik, (…)« 1 So lautet<br />

ein Tagebucheintrag Hans Werner Henzes zur letzten Szene<br />

seiner Ballettkomposition »Undine«. Damals komponierte er<br />

den Tod, damit er getanzt werden kann. Am 27. Oktober<br />

2012 starb der bedeutendste zeitgenössische deutsche Komponist<br />

im Alter von 86 Jahren in Dresden. Kurz zuvor, am<br />

13. September 2012, fand mit der Aufführung seiner Oper<br />

»We come to the River« die erste Premiere der Spielzeit in der<br />

Semperoper statt – in Anwesenheit des Künstlers.<br />

Sein musikalisches Schaffen brachte weit über 300 Werke<br />

hervor, darunter allein zehn Sinfonien. Und: Er war Ballettkomponist,<br />

eine Bezeichnung, die er keineswegs als Schimpfwort<br />

empfand – wie noch Tschaikowsky nur wenige Jahrzehnte<br />

vor ihm. Am 27. Oktober 1958 wurde seine »Undine«<br />

in London mit dem Royal Ballet uraufgeführt, das Auftragswerk<br />

entstand in enger Abstimmung mit dem englischen<br />

Choreographen Frederick Ashton, Margot Fonteyn tanzte<br />

damals das filigrane Wasserwesen. Eigene Choreographien<br />

zu Henzes Komposition schufen Tatjana Gsovsky (1959),<br />

Erich Walter (1962), Tom Schilling (1970), Heinz Spoerli<br />

(1978) und John Neumeier (1994). Das zweite abendfüllende<br />

Werk für Ballett komponierte Henze 1979: »Orpheus« wurde<br />

mit dem Stuttgarter Ballett uraufgeführt, William Forsythe<br />

choreographierte. Und auch diese Musik regte zu weiteren<br />

tänzerischen Interpretationen an, Ruth Berghaus gestaltete<br />

sie 1986 in Wien, und erneut Heinz Spoerli in Basel 1988.<br />

Dessen Version des Stoffes stand 2001 auf dem Programm,<br />

als Hans Werner Henze den Deutschen Tanzpreis erhielt, und<br />

zwar mit folgender Begründung: »Mit seinem unter den<br />

Komponisten unserer Zeit selten gewordenen Bekenntnis<br />

zum Bühnentanz als künstlerischer Ausdrucksform und mit<br />

seinem Streben nach einer zeitgemäßen Ballettmusik hat<br />

sich Hans Werner Henze in außerordentlicher Weise um<br />

den künstlerischen Tanz verdient gemacht.«<br />

Als Sohn eines Dorfschullehrers wurde Hans Werner Henze<br />

am 1. Juli 1926 im westfälischen Gütersloh geboren, als<br />

erstes von sechs Kindern. Sein Vater, ein bekennender Nationalsozialist,<br />

soll die Homosexualität seines jugendlichen<br />

Sohnes mit den Worten kommentiert haben, so etwas wie er<br />

gehöre ins KZ. Dass gleichgeschlechtliche Beziehungen auch<br />

in den Nachkriegsjahren weiterhin unter Strafe standen, veranlassten<br />

den Künstler 1953, seinen Wohnsitz nach Italien<br />

zu verlegen. Dort lernte er, so heißt es, seinen Lebensgefährten<br />

Fausto Moroni in einem Antiquitätenladen kennen; der<br />

1944 geborene Italiener wurde von Henze adoptiert. Nach<br />

Jahrzehnte langer Partnerschaft starb Moroni nur 63-jährig<br />

im Jahr 2007. Bemerkenswert ist Henzes Zusammenarbeit mit<br />

der Dichterin Ingeborg Bachmann – mit der ihn auch eine<br />

tiefe Freundschaft verband – bei der Entstehung der Opern<br />

»Der Prinz von Homburg« (1958/59) und »Der junge Lord«<br />

(1964) sowie bei den Musikdramen »Elegie für junge Liebende«<br />

(1959–61) und »Die Bassariden« (1964/65).<br />

Henze trat in seiner Wahlheimat in die Kommunistische<br />

Partei Italiens ein, das brachte ihm international feindselige<br />

Resonanz; in <strong>Deutschland</strong> boykottierten Künstler 1968 sogar<br />

die Uraufführung seines Oratoriums »Das Floß der Medusa«.<br />

Zeit seines Lebens verstand sich Henze als Linker, ließ es sich<br />

dennoch nicht nehmen, bestimmte großbürgerliche Gewohnheiten<br />

zu pflegen. Er ist der meistgespielte zeitgenössische<br />

Komponist deutscher Herkunft, dem es ein Anliegen<br />

war, Musik als angewandte Kunst verstanden zu wissen, und<br />

eben nicht als elitäres Medium. Das Theater war für ihn von<br />

großer Bedeutung, denn er konnte »im Theater, dem härtesten<br />

Prüfstein zwischen Künstler und Publikum, den Höhepunkt<br />

künstlerischer Aussage sehen…« 2 Vielleicht ergeht es<br />

Hans Werner Henze wie seiner berühmtesten Bühnenfigur,<br />

dem Wassergeist Undine, »(…) immer wieder den Tod besiegend,<br />

mit einem Lied.« 3 ■<br />

Anmerkungen<br />

Nachruf: Hans Werner Henze<br />

Judith Domys und Wolfgang Leistner in Tatjana Gsovskys »Undine«, Berlin<br />

1959 (Foto: Hans Rama)<br />

1 Hans Werner Henze, Undine – Tagebuch eines Balletts, München 1959, S. 70<br />

2 Ebd., S. 51<br />

3 Ebd., S. 69<br />

Ballett Intern 5/2012 37


Vor 20 Jahren verstarb Gerhard Bohner Nachruf: Dietmar Fritzsche<br />

Auf dem Weg<br />

der Erkenntnis<br />

Die Akademie der Künste Berlin erinnerte<br />

an Gerhard Bohner zu seinem 20. Todestag<br />

von Volkmar Draeger<br />

Ein bitterer Tag für den Tanz, der 13. Juli 1993. Zwar war<br />

Gerhard Bohners AIDS-Erkrankung zumindest Eingeweihten<br />

bekannt, dennoch traf sein Tod viele schmerzlich. Bis kurz zuvor<br />

war man ihm, dem bereits sichtlich Geschwächten, noch<br />

als Zuschauer bei Gastspielen in der Akademie der Künste begegnet.<br />

Selbst tanzen konnte er da längst nicht mehr, schien<br />

im Gesicht noch herber, kantiger als gewohnt; sein Interesse<br />

am Tanz und an Gesprächen darüber indes war nach wie vor<br />

lebendig. Es war die Akademie am Hanseatenweg, die der<br />

Ausnahmefigur unter <strong>Deutschland</strong>s wenigen Solokünstlern in<br />

für dieses Genre schwerer Zeit künstlerisches Asyl, Aufträge<br />

und Auftrittsmöglichkeiten bot. Zum 20. Todestag erinnerte<br />

unter der Rubrik »Archivfenster« eine Ausstellung an seine<br />

wohl intensivste, ertragreichste Phase. Nicht in seiner angestammten<br />

Akademie im Tiergarten waren die drei gehaltvollen<br />

Vitrinen zu besichtigen, sondern in der Dependance am Pariser<br />

Platz. In drei Teile, wie sie für Bohners Entwicklung wichtig<br />

waren, gliederte sich die kleine Schau und erfasste dennoch<br />

ein ganzes Leben für den Tanz. »Vom Tänzer zum Choreographen<br />

zum Tänzer« führte ihn gleichsam sein Weg.<br />

Um die Anfänge kreiste die erste Vitrine. Prägende Pädagogen<br />

für den 1936 in Karlsruhe Geborenen wurden Mary Wigman,<br />

deren Berliner Studio er besuchte, und Tatjana Gsovsky.<br />

Sie, damals Chefchoreographin an der Deutschen Oper, in<br />

ihrer Leistung lange unterschätzt, holte ihn 1961 in ihr Ensemble,<br />

setzte ihn zehn Jahre vielseitig ein. Als libellenhaft<br />

flatternder Zauberer in »Labyrinth der Wahrheit« ist er im Foto<br />

zu sehen und als König Marke in »Tristan«, hier in seiner Ausdruckskraft<br />

schon eher Fremdkörper neben dem Ballett-Étoile<br />

Gerd Reinholm. In einem Brief mit demonstrativer Kleinschreibung<br />

widmet Bohner seine erste wichtige Choreographie seiner<br />

Mentorin Gsovsky, von der er sich immerhin unter Protest<br />

getrennt hatte. Jene »Folterungen der Beatrice Cenci« nach einem<br />

Kriminalfall von 1598 zeigten, wie Tortur den Menschen<br />

manipuliert, suchten Bezug zur Gegenwart, wurden als »Ballett<br />

der Grausamkeit« ein veritabler Erfolg: Einstudierungen<br />

auch in München, Darmstadt und Bremen, mit insgesamt 46<br />

Aufführungen Rang 5 der Spielplanstatistik 1973/74.<br />

Freilich interessierte Bohner keine historische Reminiszenz;<br />

in Jeans hantieren Männer mit der Gefolterten, die in einem<br />

Käfig herabsinkt, mit Bohner selbst unter den radikalen Schergen.<br />

Die Kritik ging wenig gnädig auch mit dem Choreographen<br />

um, was sein Schicksal lebenslang sein sollte. Schlaksiger,<br />

schwarzhaariger Mittdreißiger ist er da, notiert sich<br />

Schrittfolgen in eigener Schreibweise, Bühnen- und Beleuchtungsskizzen,<br />

einen Ablaufplan in 15 Punkten. Zur Choreographie<br />

hatte es Gerhard Bohner bereits 1964 gezogen; sie ließ<br />

ihn fortan nicht mehr los und brach sich bis 1989 in 22 meist<br />

an der Akademie der Künste uraufgeführten Werken Bahn.<br />

In seine Zeit als Chefchoreograph in Darmstadt von 1972 bis<br />

1975 fällt Bohners Hinwendung zu Oskar Schlemmer und dessen<br />

tänzerischen Experimenten am Bauhaus. Den 2. Preis beim<br />

Choreographen-Wettbewerb Köln sowie den Preis vom Verband<br />

der Deutschen Tanzkritiker hatte er da schon erhalten. In<br />

seiner Interpretation lebten Schlemmers Recherchen um den<br />

Menschen im Raum, begrenzt und gleichermaßen verstärkt<br />

durch Requisiten wie Reifen und Stäbe, neu auf. »Bohner tanzt<br />

Schlemmer« hieß eines der bühnenpraktischen Ergebnisse,<br />

»Bauhaustänze – Abstrakte Tänze« dann die um eigene Kreationen<br />

erweiterte Version. Auch hier reagierte im Unterschied<br />

zum Publikum die Kritik negativ. Bohners Rekonstruktion des<br />

»Triadischen Balletts«, Schlemmers berühmtester Schöpfung,<br />

erlebte von 1977 bis 1989 im In- und Ausland 81 Aufführungen.<br />

Wer jenes faszinierende Zusammenspiel von Form und<br />

Bewegung gesehen hat, mit renommierten Interpreten wie<br />

Ivan Liška und Colleen Scott, wird sich gern erinnern.<br />

Bohners produktivste Phase begann 1981, als er Bremen,<br />

wo er mit Reinhild Hoffmann das Tanztheater leitete, zugunsten<br />

von Berlin verließ. Als freier Choreograph brillierte er fortan<br />

mit Soloprogrammen, Interpret seiner eigenen Erfindung.<br />

Kein Tänzer zwinge ihn mehr zu Änderungen, äußerte er, auch<br />

kein Zeitdruck fordere ihm Zugeständnisse ab. Kompromisslos<br />

fiel aus, was er präsentierte, beginnend mit »Schwarz weiß<br />

zeigen« 1983, weniger Tanz als sichtbar gemachte Vorstellung<br />

von Choreographie, wie er selbst sagte. Sein Solo »Im (Goldenen)<br />

Schnitt I – III« von 1989 in jeweils anderem Bühnenraum,<br />

wie Künstler ihn für Bohner entwarfen, wurde nachgerade<br />

künstlerisches Vermächtnis, ein 24-teiliger Zyklus von maximaler<br />

Formstrenge, zudem eine grandiose Zusammenschau einfachster<br />

Bewegungsmöglichkeiten, reduziert auf tänzerische<br />

Urbewegung. In der eigen gearteten Wiederaufnahme durch<br />

den Spanier Cesc Gelabert lebt der Zyklus fort. �<br />

Bescheidenheit in Person<br />

Nachruf auf den Tanzjournalisten Dietmar Fritzsche<br />

von Hartmut Regitz<br />

Dietmar Fritzsche erklärte sich seinen<br />

Namen als Nachkomme des Alten<br />

Fritz. Daraus allerdings eine Führungsrolle<br />

abzuleiten, lag ihm fern. Lieber<br />

stellte er sich in den Dienst der Sache,<br />

und anstatt deren Macher verächtlich<br />

zu machen, was heute offenbar zum<br />

kritischen Ton gehört, fühlte er sich<br />

erst einmal in ihre Arbeit ein, bevor<br />

er sie kritisch beäugte. Das setzte natürlich eine geschärfte<br />

Beobachtungsgabe voraus, ein Wissen um die Zusammenhänge<br />

und vor allem Maßstäbe, die seinen Lesern als Orientierung<br />

dienten.<br />

Über all‘ das verfügte der gebürtige Dresdner aufgrund<br />

einer »bewegten« Geschichte. Zwei Jahre lang war Fritzsche<br />

Musiklehrer, nachdem er zuvor erst Schulmusikerziehung<br />

in Weimar und anschließend Musikwissenschaft in<br />

Halle studiert hatte. Einschlägige Theaterpraxis sammelte er<br />

als Musikdramaturg in Freiberg und Cottbus, und die war<br />

ihm später als Erfahrungswert beim Berliner Henschel Verlag<br />

38 Ballett Intern 5/2012<br />

(Foto: privat)


Nachruf: Gerd Maier<br />

Nachruf Gerd Maier<br />

von <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />

Vor 37 Jahren, am 1. Januar 1976, wurden Gerd Maier und<br />

seine Lebenspartnerin Christa op ten Höfel Mitglieder des<br />

noch sehr jungen DBfT e.V. Als Diplom-Kauffrau übernahm<br />

Christa op ten Höfel bereits ein Jahr später zunächst kommissarisch<br />

das Amt der Schatzmeisterin. Gerd Maier, immer<br />

begleitet von Christa op ten Höfel, war über die Jahrzehnte<br />

seiner Mitgliedschaft wohl auf fast allen Pädagogischen<br />

Seminaren des Verbandes zu<br />

finden. In den späten 1970er<br />

Jahren gründete er sein eigenes<br />

Ballett-Studio, das unter<br />

dem Namen STUDIO M<br />

bekannt wurde, und in dem<br />

über Jahre viele Wochenend-<br />

Seminare des Verbandes zu<br />

Gast waren. Unermüdlich<br />

widmeten sich beide bis ins hohe Alter dem Tanzunterricht<br />

und waren jederzeit bereit, neue Tendenzen des Tanzes in<br />

das Unterrichtsprogramm aufzunehmen.<br />

Gerd Maier unerwartet im September dieses Jahres verstarb.<br />

Im Gedenken an unser langjähriges treues Mitglied gerd<br />

Maier spricht der Vorstand des »Deutschen Berufsverbandes<br />

für Tanzpädagogik« Christa op ten Höfel sein tiefstes<br />

Mitgefühl zu diesem Verlust aus.<br />

mehr als hilfreich. Dort engagierte sich Fritzsche zunächst als<br />

Dramaturg und Lektor in der Musiktheaterabteilung, bevor<br />

er bei der Zeitschrift »Theater der Zeit« sein eigentliches Betätigungsfeld<br />

entdeckte und unermüdlich als Redakteur den<br />

Tanz in seinen vielfältigen Erscheinungsformen bearbeitete.<br />

Das war mehr als genug, auch wenn das Ballettgeschehen<br />

in der DDR überschaubar blieb. Neugierig nahm er nicht allein<br />

das war, was von außen an Anderem in das »demokratische«<br />

<strong>Deutschland</strong> eingebracht wurde, sondern sammelte<br />

auf Studienreisen von Budapest bis San Francisco wichtige<br />

Erkenntnisse, die er der Einschätzung des Eigenen zugrunde<br />

legte. Vergleichend konnte er so Schlüsse aus dem Gezeigten<br />

ziehen, die auch außerhalb der DDR interessierten. Nicht<br />

zuletzt auch deshalb war Fritzsche lange Zeit Mitarbeiter der<br />

bundesdeutschen Ballettjahrbücher.<br />

Dass er aktiv an Modern-Dance-Kursen teilgenommen<br />

hatte und Tanz- bzw. Musikgeschichte an der Ballettschule<br />

der Oper Leipzig und an der Dresdener Palucca-Schule<br />

unterrichtete, entnehme ich einem Nachruf von Volkmar<br />

Draeger, dessen kritische Karriere Fritzsche entscheidend<br />

befördert hat. Sich damit zu brüsten, wäre ihm nicht mal<br />

im Traum eingefallen. Er war vielmehr die Bescheidenheit<br />

in Person, liebenswürdig, überaus herzlich im Umgang mit<br />

anderen – und viel zu gutmütig, um sich vor Ausbeutung<br />

schützen zu können. An den Folgen einer Virus-Infektion<br />

und einer langjährigen Leukämie-Erkrankung ist Dietmar<br />

Fritzsche am 28. September, wenige Wochen vor seinem<br />

76. Geburtstag, in Berlin verstorben. Wir werden ihn sehr,<br />

sehr vermissen. �<br />

(Foto: Archiv <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>)<br />

Der Vorstand des DBfT informiert …<br />

Mitgliederbefragung<br />

2012<br />

des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik<br />

Liebe Mitglieder des Verbandes,<br />

viele von Ihnen haben schon im Laufe der letzten Wochen an<br />

unserer ersten Mitgliederbefragung teilgenommen, die wir in<br />

Folge jährlich wiederholen möchten.<br />

Die Mitglieder, die wir bisher noch nicht erreichen konnten,<br />

möchten wir auf diesem Wege einladen, ebenfalls teilzunehmen.<br />

Ihre Zufriedenheit liegt uns sehr am Herzen.<br />

Sie haben bis zum 27. Dezember 2012 die Möglichkeit,<br />

uns über Ihre Eindrücke und Wünsche zu informieren. Ihre<br />

Meinung hilft uns, unsere Verbandsaktivitäten sowie unsere<br />

Qualifizierungsangebote laufend zu bewerten und gezielt für<br />

Sie zu verbessern.<br />

Diese Mitgliederbefragung wurde als Online-Fragebogen<br />

konzipiert, erfolgt anonym und dauert nur ca. 5 Minuten.<br />

Bitte geben Sie dazu den nachfolgenden Link, der Sie direkt<br />

zur Befragung führt, in Ihren Internetbrowser ein:<br />

alpha-survey.de/?q=50646e9eb1360<br />

Selbstverständlich werden wir Sie nach der Auswertung über<br />

die Ergebnisse informieren und an den daraus abgeleiteten<br />

Verbesserungsmaßnahmen beteiligen.<br />

Für Ihre Mitarbeit möchten wir uns schon jetzt bei Ihnen bedanken!<br />

Es grüßt herzlich Ihr Vorstand<br />

PS: Gerne stellen wir Ihnen auf Anfrage die Mitgliederbefragung<br />

auch in Papierform zur Verfügung.<br />

Aktivitäten des Vorstands<br />

Internationale Tanzmesse<br />

28.8. bis 1.9.2012 in Düsseldorf:<br />

Verantwortliche: Silke Hester, Katharina Szöke<br />

– Wir hatten über die drei Besuchstage hinweg ca. 85 Besucher<br />

an unserem Stand.<br />

– Es wurden zwölf Anträge auf Mitgliedschaft herausgegeben<br />

und viele Fragen diesbezüglich beantwortet.<br />

– Wir haben Unterschriftenlisten für die Petition gegen die<br />

Umsatzsteueränderung 2013 herausgegeben und Unterschriften<br />

gesammelt.<br />

– Es kamen viele Anfragen für Anzeigen in der Zeitschrift<br />

BALLETT INTERN.<br />

– Weitere Kontakte zu interessierten Dozenten für Seminare<br />

aus dem In- und Ausland wurden geknüpft.<br />

Sitzung des Dachverbands Tanz <strong>Deutschland</strong><br />

10.10.2012 in Berlin:<br />

Verantwortlicher: Günther Rebel<br />

– Gespräche mit Sabine Gehm, der Organisatorin des Tanzkongresses<br />

2013, über die Beteiligung des DBfT am Tanzkongress.<br />

Der DBfT wird am Tanzkongress teilnehmen.<br />

– Informationen zum Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> unter<br />

dachverband-tanz.de<br />

Ballett Intern 5/2012 39


Der Vorstand des DBfT informiert …<br />

Sitzung des Beirats Tanz der Sektion<br />

„Rat für darstellende Kunst und Tanz“<br />

des Deutschen Kulturrats 11.10.2012 in Köln:<br />

Verantwortliche: Günther Rebel, Heidi Sievert<br />

– Gespräche über die Teilnahme des DBfT am Tanzkongress<br />

2013<br />

– Informationen zur Welttanzwoche Ende April 2013<br />

– Informationen zum Beirat Tanz unter:<br />

– dbt-remscheid.de/beirat-tanz.html<br />

Fachtagung der Bundesvereinigung<br />

Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V.<br />

am 5. und 6.10. 2012 in der Akademie Remscheid:<br />

Verantwortliche: Mona Brandenburg<br />

Thema: KÜNSTE – SINNE – BILDUNG<br />

– Wie gelingt ästhetisches Lernen?<br />

– »Der Diskurs über die Besonderheit des ästhetischen Lernens<br />

ist Bestandteil und Voraussetzung jeder Qualitätsdebatte,<br />

die nicht nur die Qualität von Strukturen und<br />

Methoden der Kulturellen Bildung im Blick hat, sondern<br />

auch die Qualität der Bildungsprozesse des Individuums.«<br />

Treffen mit der Direktorin der Tanzakademie<br />

Arnheim (ArtEZ) Netty van den Bosch<br />

17.10.2012 in Arnheim<br />

Verantwortliche: Heidi Sievert<br />

– Netty van den Bosch ist ebenfalls die 1. Vorsitzende des<br />

niederländischen Ballettpädagogenverbandes (NBDK)<br />

– Möglichkeiten der Kooperation zwischen dem DBfT und<br />

dem NBDK<br />

– Ähnliche Probleme wie in <strong>Deutschland</strong>, junge Pädagogen<br />

für den Verband und damit Politik für den Tanz zu begeistern.<br />

Einschub: In dieser Zeit gab es ebenfalls einen E-Mail-Kontakt<br />

zu der Österreichischen Berufsvereinigung für<br />

Zeitgenössische Tanzpädagogik, die auch an einer<br />

Vernetzung der Verbände interessiert ist. Günther<br />

Rebel plant für 2013 ein Arbeitstreffen mit Verbandskollegen<br />

aus der Schweiz, den Niederlanden,<br />

Frankreich und Österreich, um sich mit ihnen<br />

über Ausbildung und berufliche Qualifikation auszutauschen.<br />

Mitgliederversammlung des<br />

Dachverbands Tanz <strong>Deutschland</strong> e.V.<br />

20.10.2012 in Düsseldorf<br />

Verantwortliche: Günther Rebel, <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />

– <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> wurde wieder als Vertreter des DBfT in den<br />

Vorstand des Dachverbandes gewählt.<br />

– Günther Rebel wurde, als Nicht-Mitglied, von Michael<br />

Freundt eingeladen, an den Vorstandssitzungen des<br />

Dachverbands teilzunehmen.<br />

Sitzung der Jury des<br />

<strong>Fördervereins</strong> <strong>Tanzkunst</strong> <strong>Deutschland</strong> e.V.<br />

7.11.2012 in Essen<br />

Jurymitglied: Günther Rebel als Vertreter des DBfT<br />

– Festlegung der Preisträger des Tanzpreises 2013<br />

– Informationen zum Förderverein <strong>Tanzkunst</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

unter fvtk.de<br />

Jahrestagung der Gesellschaft für Tanzforschung<br />

10.11.2012 in Bochum<br />

Verantwortlicher: Günther Rebel<br />

– Günther Rebel nahm als Vertreter des DBfT an der Jahrestagung<br />

teil.<br />

– Informationen zur GTF unter gtf-tanzforschung.de<br />

Sitzung des „Rats für Darstellende Kunst<br />

und Tanz“ des Deutschen Kulturrats<br />

19.11.2012 in Köln<br />

Verantwortliche: Heidi Sievert<br />

– Gespräche bezüglich des Tanzkongresses 2013 und der<br />

Welttanzwoche 2013<br />

– weitere Informationen unter kulturrat.de<br />

Reaktionen auf die gute Nachricht zur »MWSt«<br />

Den Dank unserer Mitglieder geben wir gerne weiter an unseren rechtsanwalt Jürgen Werner, der einen<br />

großen Anteil an diesem Erfolg hat, sowie an den Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> (DTD) und die royal<br />

Academy of Dance (rAD ® ) für die effektive Zusammenarbeit bei dieser Leistung: Einigkeit macht stark!<br />

Lieber Herr <strong>Roehm</strong><br />

Das ist echt ein toller Sieg! Gratuliere!<br />

Bettina Wagner-Bergelt<br />

Stellvertretende Ballettdirektorin<br />

des Bayerischen Staatsballetts<br />

Lieber Herr <strong>Roehm</strong>,<br />

wir haben diese großartige News gestern natürlich sofort<br />

veröffentlicht!<br />

Herzlichen Glückwunsch zu diesem Sieg, auf dessen Weg die<br />

tanznetz-User Sie tatkräftig unterstützt haben. …<br />

Danke für Ihren unermüdlichen Einsatz für den Tanz,<br />

mit den besten Grüßen aus München<br />

Nina Hümpel (www.tanznetz.de)<br />

Lieber Günther<br />

Großen herzlichen Dank für Eure Arbeit, meine Hochachtung,<br />

ich bin persönlich dankbar für den Zusammenhalt und die Unterstützung<br />

des Verbandes.<br />

Ich werde es in meiner Ballettschule aushängen.<br />

Das motiviert mich weiterzuarbeiten.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Martina Erdenberger<br />

Hallo,<br />

HUURRRRAAAA – und DANKE!<br />

Herzliche Grüße,<br />

Vicky Gabriel<br />

40 Ballett Intern 5/2012


Hallo Günther,<br />

das sind tolle News!<br />

Liebe Grüße<br />

Selatin Kara<br />

Das stand schon am Samstag in der Süddeutschen Zeitung.<br />

Leider waren nur die Musikschulen erwähnt.<br />

Scheint so, als würde der Tanz mal wieder vergessen oder<br />

nicht so wichtig sein, da haben wir noch einen langen<br />

Weg vor uns.<br />

Herzlichst<br />

Chetan Karla Bosák<br />

(Leitung Tanzstudio Ammersee)<br />

Tolle Nachricht, Danke auch allen für das Engagement!!!!!!!!<br />

Wandsbeker Ballettstudio<br />

Christa Festge<br />

(www.klassikballett.de – Mitglied im DBfT)<br />

Sehr geehrte Damen und Herren des DBfT,<br />

ich möchte mich für Ihr Engagement und<br />

den für uns alle wichtigen Erfolg recht<br />

herzlich bedanken. Ich kann nur hoffen,<br />

dass wir auch zukünftig von unserem<br />

Berufsverband derart positiv vertreten<br />

werden.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Siegfried Matheis<br />

Guten Tag,<br />

wir gratulieren zu diesem Erfolg und freuen uns sehr, dass wir<br />

Terminsache – Bitte beachten!<br />

Nachweise über Fort-<br />

und Weiterbildungen<br />

Liebe Mitglieder des DBfT,<br />

bitte denken Sie daran, die Nachweise Ihrer Fort- und<br />

Weiterbildungen aus dem Jahr 2012 im Rahmen des Fort-<br />

und Weiterbildungskonzeptes des DBfT bis zum 31. Januar<br />

2013 einzureichen. Ein Merkblatt und das Formular<br />

zur Eintragung der Nachweise stehen auf unserer Homepage<br />

zum Download bereit; das Formular kann auch auf<br />

Papier bei der Geschäftsstelle angefordert werden.<br />

Der<br />

Vorstand<br />

des DBfT<br />

und die<br />

BALLETT-<br />

INTErNredaktion<br />

wünschen allen Mitgliedern<br />

und denen,<br />

die es werden wollen,<br />

erholsame Feier tage und<br />

ein erfolgreiches Jahr 2013!<br />

»Der Tanz ist die Kunst,<br />

die die Seele<br />

des Menschen<br />

am meisten bewegt.«<br />

(Platon)<br />

Der Vorstand informiert …<br />

2013 weiter eine hochwertige Ausbildung zu einem fairen Preis<br />

anbieten können. Durch die tolle Verbandsarbeit können wir<br />

allen Einkommensschichten die Tanz- und Musikkunst näherbringen.<br />

Hoffentlich ist das Signal auch in der Politik angekommen,<br />

dass der Bedarf nach Kunst und Kultur ungebrochen stark<br />

ist und gefördert werden muss.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Elena Helfrich und Oliver Kiechle<br />

Ein Supererfolg! Herzlichen Dank an alle, die daran mitgearbeitet<br />

haben!<br />

Die kreative Ballettschule<br />

Ilona Harf<br />

Hallo Herr Rebel,<br />

mein Gott – wie klasse!!!!<br />

Wir danken!!!!<br />

Mit besten Grüßen auch an Herrn Werner!<br />

Christiane Böhm<br />

Liebes Team<br />

des Deutschen Berufsverbandes,<br />

ich möchte mich an dieser Stelle ganz<br />

herzlich für Euer Engagement und Eure<br />

Unterstützung bedanken.<br />

Weiter so und ein großes Kompliment<br />

an Euch alle!!!!!<br />

Herzliche Grüße<br />

Anke Full<br />

und das Team der Tanzschule Dance Steps<br />

Ballett Intern 5/2012 41


Buchempfehlung<br />

Hohe Qualitätsstandards sind für die kulturelle Bildung von<br />

besonderer Bedeutung. Aus diesem Grund habe ich auch<br />

die Entstehung des vorliegenden »Handbuchs Kulturelle Bildung«<br />

gern unterstützt. Es setzt anregende Impulse für die<br />

unterschiedlichsten Felder der Kulturellen Bildung zwischen<br />

Kunst, Kultur, Jugendarbeit und Schule. Kulturelle Bildung<br />

verstehe ich als eine lebenslange Aufgabe – und als eine lebenslange<br />

Chance. Dementsprechend gibt es eine Fülle von<br />

Menschen und Institutionen, die mit ihrem Engagement<br />

dazu beitragen können, dass sich die Rahmenbedingungen<br />

für kulturelle Bildung produktiv entwickeln.<br />

Welche besondere Verantwortung der öffentlichen Hand<br />

auf allen Ebenen – bundesweit, föderal und kommunal –<br />

zukommt, hat der Schlussbericht der Enquête-Kommission<br />

»Kultur in <strong>Deutschland</strong>« des Deutschen Bundestages überzeugend<br />

herausgearbeitet. Dabei wurde auch unterstrichen,<br />

dass es sich bei diesem Feld um eine Querschnittsaufgabe<br />

handelt, die Kunst- und Kulturpolitik, Jugend- und<br />

Sozialpolitik, Schul- und Wissenschaftspolitik gleichermaßen<br />

berührt.<br />

Der vorliegende Band des »Handbuchs Kulturelle Bildung«<br />

soll Ihnen in diesem heterogenen Feld Orientierung<br />

bietet, Sie verlässlich über Grundlagen, aktuelle Diskussionen<br />

und vorbildliche Konzepte informieren – neugierig<br />

machen auf mögliche neue Kooperationspartner. Vor Ihnen<br />

liegt ein spannendes Angebot. Bitte machen Sie reichlich<br />

Gebrauch davon.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Bernd Neumann<br />

Staatsminister bei der Bundeskanzlerin<br />

Der Beauftragte der Bundesregierung<br />

für Kultur und Medien<br />

Hildegard Bockhorst,<br />

Vanessa-Isabelle Reinwand<br />

und Wolfgang Zacharias<br />

(Hrsg.):<br />

Handbuch<br />

Kulturelle Bildung,<br />

kopaed-Verlag, 1080 S.,<br />

broschiert,<br />

ISBN 978-3-86736-330-3,<br />

EUR 44,00<br />

Editorial<br />

Editorial<br />

Liebe Leser,<br />

liebe Mitglieder des Deutschen Berufsverbandes<br />

für Tanzpädagogik<br />

sowie des <strong>Fördervereins</strong> <strong>Tanzkunst</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

immer wieder erreichen uns sehr willkommene Komplimente<br />

zu unserer Tanz-Zeitschrift BALLETT INTErN,<br />

sei es »… das war ja wieder eine sehr interessante Ausgabe«;<br />

»… wie gut, dass BALLETT INTERN immer über<br />

den Tellerrand schaut und man einen Einblick bekommt,<br />

was in der Welt des Tanzes geschieht«; bis zu der von<br />

sehr befugter Seite übermittelten Beurteilung, »…dass<br />

BALLETT INTERN die seriöseste Zeitschrift in Bezug auf<br />

die Tanz-Berichterstattung unseres Landes sei«. Beim internationalen<br />

Symposion des Conseil International de<br />

la Danse CID/uNESCO in Athen vor etwa vier Wochen<br />

urteilte eine Gruppe von Teilnehmern, BALLETT INTERN<br />

sei wohl die beste internationale Tanz-Zeitschrift in<br />

Bezug auf umfassende Berichterstattung, Themen, Aufmachung<br />

– innerhalb eines rund 20 cm hohen Stapels<br />

ausliegender internationaler Zeitschriften! Wir möchten<br />

betonen, dass diese sehr erfreulichen Rückmeldungen<br />

und Beurteilungen interessierter Leser außenstehende<br />

Meinungen sind, die uns als Feedback erreichen, das wir<br />

verständlicherweise gerne zur Kenntnis nehmen!<br />

BALLETT INTErN als Zeitschrift des Deutschen Berufsverbandes<br />

für Tanzpädagogik wird von Ihrer<br />

Redaktion von Beginn an nicht limitiert auf die PÄDA-<br />

GOGIK des Tanzes, des Tanzens, des Tanzunterrichts, des<br />

tänzerischen Trainings etc. interpretiert, sondern in weit<br />

gefasstem Sinne zur Pädagogik des breiten Spektrums<br />

der heutigen Tanzszene, in unserem Lande wie<br />

selbstverständlich auch international. In diesem Sinne<br />

wollen wir beispielsweise die seit Jahren kontinuierliche<br />

Serie der Vorstellung professioneller Tanzausbildungsinstitute<br />

verstanden wissen, seien es beispielsweise Texte<br />

zu<br />

– 350 Jahre Ecole de la Danse de l’Opera de Paris,<br />

– 250 Jahre Akademie des Tanzes Mannheim,<br />

– 60 Jahre Königliche Ballettschule Antwerpen,<br />

– 50 Jahre Tanzabteilung der Hochschule für Musik<br />

und Darstellende Kunst Frankfurt,<br />

– 40 Jahre Cranko Ballett-Akademie Stuttgart,<br />

– 30 Jahre Heinz-Bosl-Stiftung München<br />

und viele andere mehr.<br />

Unter diesem Aspekt werden selbstverständlich auch unsere<br />

Mitglieder vorgestellt, soweit sie uns von ihren nennenswerten<br />

Jubiläen rechtzeitig unterrichten und entsprechendes<br />

Material zukommen lassen, so zum Beispiel<br />

42 Ballett Intern 5/2012


– 90 Jahre gründungsmitglied Inge Stoffers,<br />

– 40 Jahre Ballettschule Heidi Sievert Münster,<br />

– 35 Jahre Ballettschule Zurhausen Bottrop,<br />

– 20 Jahre Ballettschule grabbe Kiel.<br />

Eine weitere unseres Erachtens interessante Serie haben<br />

wir begonnen mit der Vorstellung von Personen, die<br />

als Kinder in einer künstlerischen Tanz unterrichtenden<br />

Schule begannen und heute, bereits seit Jahren in einem<br />

anderen Beruf stehend, immer noch der Kunst Terpsichores<br />

huldigen, sei es als Staatsanwältin, Oberärztin,<br />

Apothekerin … oder, nicht fachfremd, als Schulleiterin,<br />

wie z. B. in der Ballettschule Zurhausen nun<br />

in der 3. generation.<br />

Auch gelungene Transitions stellen wir regelmäßig<br />

vor, wie unlängst im Porträt der jetzigen Ballettmeisterin<br />

des Staatsballetts Berlin Alessandra Pasquali. Auch<br />

hier werden wir über weitere gelungene Beispiele informieren,<br />

in diesem Zusammenhang bietet sich zum Beispiel<br />

die Laufbahn des Annerkennungspreisträgers<br />

2013, Tobias Ehinger, Ballett Manager des Dortmunder<br />

Balletts, im Rahmen der Verleihung des Annerkennungspreises<br />

des Deutschen Tanzpreises 2013 an.<br />

Unter diesem informativ-pädagogischen Aspekt berichten<br />

wir ebenfalls über Themen wie<br />

– 15 Jahre »tamed«,<br />

– 15 Jahre »tanznetz«,<br />

– 30 Jahre Deutscher Kulturrat und<br />

– 35 Jahre Ballettfreunde Hamburg.<br />

Doch auch über die uNESCO-Konvention zum Schutz<br />

der kulturellen Vielfalt und weitere international wie<br />

national den Tanz betreffende kulturpolitische Aktivitäten<br />

finden sie (un)regelmäßige Berichte in BALLETT<br />

INTErN. Das begann vor nunmehr 22 Jahren im September<br />

1990 mit dem vom DBfT gemeinsam mit der<br />

Semper oper Dresden initiierten und organisierten<br />

1. Deutsch-Deutschen Symposion in Dresden und<br />

unserem Ehrengast und Eröffnungsredner, dem heutigen<br />

Präsidenten des Deutschen Bundestages Prof.<br />

Dr. Norbert Lammert, über weitere Symposien des<br />

Verbandes zu Beginn dieses Jahrtausends im Ratssaal<br />

der Stadt Essen unter dem Motto: Politik für Tanz /<br />

Tanz für Politik, Moderation wiederum Prof. Dr. Norbert<br />

Lammert, bis zum heutigen Dachverband Tanz<br />

<strong>Deutschland</strong>, dessen Darstellung wir in der Ausgabe<br />

4/2012 breiten Raum gaben.<br />

Auch in dieser Ausgabe finden Sie noch einmal unter<br />

dem Leitmotiv Politik für Tanz / Tanz für Politik Texte<br />

zu diesem Thema, beispielsweise über das Lebenswerk<br />

Editorial<br />

des Begründers und Intendanten des tanzhaus nrw,<br />

Bertram Müller.<br />

Eben dieses tanzhaus nrw war Ende September<br />

2012 Gastgeber eines Kulturfrühstücks der FDP:<br />

Der Bundesaußenminister Dr. guido Westerwelle<br />

sprach zum Thema »Europa als Kulturraum« – wen<br />

sollte es nicht interessieren, wenn eine der wichtigsten<br />

Persönlichkeiten der derzeitigen Bundesregierung in einem<br />

Tanz-rahmen über nationale wie internationale<br />

Kultur spricht! Zwar ist die Kultur in unserer föderalistischen<br />

Demokratie eine Aufgabe der Länder, doch ist<br />

der Außenminister allein schon durch das internationale<br />

goethe-Institut für viele kulturelle Belange unseres<br />

Landes zuständig. Exportierend präsentierten deutsche<br />

Ballett-Ensembles auf den Reisen des Bundespräsidenten<br />

deutsche Kultur.<br />

Eine Woche vor dieser kulturpolitischen Veranstaltung<br />

der FDP im tanzhaus nrw war der Dachverband<br />

Tanz <strong>Deutschland</strong> dort zwei Tage zu Gast mit einer<br />

Vorstandssitzung und seiner herbstlichen Mitgliederversammlung.<br />

Hierzu finden Sie in der vorliegenden<br />

Ausgabe von BALLETT INTERN mehrere Berichte sowie<br />

Gedanken des Geschäftsführers des Dachverbandes,<br />

Michael Freundt, der zum Aufgabenbereich des DTD<br />

sowohl Rückschau hält als auch einen Ausblick gibt.<br />

Dass durch den DTD eine weitere Förderung des Tanzes<br />

in Höhe von € 575.000 erreicht werden konnte,<br />

spricht äußerst positiv über die wachsende Bedeutung<br />

dieser gesamt-deutschen Vereinigung des Tanzes sowie<br />

es ebenfalls Zeugnis ablegt für die zunehmende Anerkennung<br />

der <strong>Tanzkunst</strong> durch kulturverantwortliche<br />

Politiker – und hier möchte ich zum Abschluss dieses<br />

Editorials aus einem persönlichen Schreiben des<br />

Staatsministers für Kultur und Medien, Bernd<br />

Neumann, an mich zitieren: »… und ich danke Ihnen<br />

dafür, dass Sie in Ihren Publikationen über<br />

meine kultur politischen Anliegen und vor allem<br />

auch über die Arbeit des Dachverbandes Tanz berichtet<br />

haben. Uns ist in den letzten eineinhalb<br />

Jahren ein großer Schritt voran gelungen; diesen<br />

Impuls möchte ich auch für die Zukunft weitertragen.«<br />

Lassen Sie mich mit dieser so positiven Aussage für den<br />

Tanz dieses letzte Editorial in BALLETT INTErN 2012<br />

schließen und ebenso positiv und hoffnungsvoll in die<br />

Zukunft des neuen Jahres 2013 schauen.<br />

ulrich roehm<br />

und Ihre redaktion BALLETT INTErN<br />

Ballett Intern 5/2012 43


Buchempfehlungen<br />

Horst Koegler: Heinz<br />

Spoerli – Weltbürger<br />

des Balletts, Verlag<br />

Neue Zürcher Zeitung,<br />

206 S.,Großformat, durchgeh.<br />

farbig, Festeinband,<br />

ISBN 978-3-03823-720-4,<br />

EUR 43,20<br />

Horst Koegler schildert<br />

den künstlerischen Werdegang<br />

Heinz Spoerlis,<br />

dem es als erstem<br />

Schweizer gelungen ist,<br />

das Schweizer Ballett international<br />

konkurrenzfähig zu machen. In Basel geboren<br />

und als Tänzer ausgebildet, hat er seine Lehrjahre in Köln,<br />

Winnipeg, Montreal und Genf absolviert, bevor er 1973 nach<br />

Basel zurückgekehrt ist und das Basler Ballett in 18 Jahren an<br />

die Spitze der Schweizer Opernballettkompanien geführt hat.<br />

Als Künstlerischer Direktor und Chefchoreograph in Düsseldorf/Duisburg<br />

schuf er mit den Goldberg-Variationen<br />

1993 das experimentelle innovative Ballett, das zum Aushängeschild<br />

seines choreographischen Œuvres geworden ist. Ab<br />

1996 baute er dieses als Chef des Zürcher Balletts mit zahlreichen<br />

Bach-Kreationen aus auf der Basis einer umfangreichen<br />

Klassikerpflege und zahlreichen Eigenkreationen. Immer bot<br />

er auch prominenten Gastchoreographen Raum.<br />

»Es bleibt Heinz Spoerli vorbehalten, als erster und bisher<br />

einziger Schweizer eine Weltkarriere im Ballett gemacht zu<br />

haben. Sicher nicht ganz ohne Koketterie nennt er sich, in<br />

bester Schweizer Handwerkertradition, Tanzmacher.«<br />

Horst Koegler<br />

»Heinz Spoerli has taste!« Martin Schläpfer<br />

»Was immer er tut – die Liebe zum Publikum verliert er nie<br />

aus dem Auge.« Chris Jensen<br />

Horst Koegler: John<br />

Neumeier – Bilder eines<br />

Lebens/Pictures from a<br />

Life, Edel-Verlag, 160 S.,<br />

100 Duoton-Bilder, Festeinband,<br />

ISBN 978-3-94137-<br />

872-8, EUR 29,95<br />

Weltweit ist Ballett fest verknüpft<br />

mit dem Namen John<br />

Neumeier, der die Szene<br />

prägt und fördert wie kein<br />

anderer. Nun zeichnet Horst<br />

Koegler, einer der größten<br />

Kenner des internationalen<br />

Balletts, Neumeiers Schaffen in der autorisierten Biografie<br />

»John Neumeier – Bilder eines Lebens« eindrucksvoll nach.<br />

Seit nunmehr 40 Jahren ist der gebürtige US-Amerikaner Ballettchef<br />

in Hamburg. Als Professor und Intendant gebietet<br />

Neumeier über ein ganzes Ballettimperium mit Kompanie,<br />

Schule, Museum, Sammlung und Stiftung. Das hat es in diesem<br />

Ausmaß noch nie zuvor in der Ballettgeschichte gegeben<br />

– weder in Paris, noch in St. Petersburg oder New York. Allein<br />

darin spiegelt sich die Bedeutung des Multitalents Neumeier,<br />

der sich lange nicht entscheiden konnte, ob er Schauspieler,<br />

bildender Künstler oder Tänzer werden sollte.<br />

Horst Koegler, der Neumeier seit über 40 Jahren kennt und<br />

journalistisch begleitet hat, legt mit diesem Buch eine sehr<br />

persönliche Würdigung vor. Herausgegeben von der Stiftung<br />

John Neumeier und ausgestattet mit rund 100 bisher unveröffentlichten<br />

Fotos aus dem privaten Archiv John Neumeiers,<br />

gibt die Biografie einen intimen Einblick in das Leben und die<br />

Arbeit des Weltstars.<br />

Ursula Kaufmann: Pina<br />

Bausch und das Tanztheater<br />

Wuppertal,<br />

Edition Panorama, Format<br />

30×40 cm, Festeinband,<br />

320 S. über 380 farb. Abb.<br />

Mit Texten in Deutsch und<br />

Englisch von Pina Bausch,<br />

Gudrun Norbisrath, Jürgen<br />

Flimm, <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>,<br />

Marieluise Jeitschko und<br />

Malve Gradinger<br />

ISBN 978-3-89823-451-1<br />

EUR 78,00<br />

Der nun vorliegende Band zu Leben und Arbeit der weltberühmten<br />

Choreographin, Trägerin des Deutschen Tanzpreises<br />

1995 und des Kyoto-Preises Pina Bausch ist nicht nur die<br />

umfassendste Dokumentation zu ihrem Leben und Werk,<br />

sondern auch eine besondere Hommage an eine herausragende<br />

Avantgardistin des modernen Ausdruckstanzes. Zusammen<br />

mit dem nach ihr benannten Wuppertaler Ensemble<br />

inszenierte sie weltweit anerkannte Stücke und beeinflusste<br />

nachhaltig die internationale Tanzszene. Die Fotografin Ursula<br />

Kaufmann beschäftigt sich seit 1984 mit der Tanz-, Ballett-<br />

und Theaterfotografie und hat die Aufführungen Pina<br />

Bauschs, die sie auch persönlich kannte, über Jahre hinweg<br />

begleitet. Für dieses Buch hat sie die besten Momentaufnahmen<br />

aus 40 Tanzstücken zusammengestellt, die in einem einzigen,<br />

auf Film festgehaltenen Zeitpunkt den Charakter des<br />

ganzen Stückes widerspiegeln. Den Bildern sind neben einer<br />

Biografie Bauschs und einem Werkverzeichnis eine Einleitung<br />

und begleitende Texte von Gudrun Norbisrath beigestellt.<br />

Die Essener Fotografin Ursula Kaufmann ist seit langem mit<br />

dem Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. verbunden:<br />

Seit vielen Jahren ist sie für die fotografische Begleitung<br />

der Galas und der anschließenden Feierlichkeiten anlässlich<br />

der Verleihung des Deutschen Tanzpreises verantwortlich.<br />

44 Ballett Intern 5/2012


BALLETT INTERN 5/2012<br />

Jubiläumsgala zur Verleihung<br />

des 30. Deutschen Tanzpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umschlag<br />

Deutscher Tanzpreis 2013: <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />

von Dagmar Ellen Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />

Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013:<br />

Bundesjugendballett Hamburg<br />

von Daniela Rothensee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

Grußwort zum Tanzpreis »ZUKUNFT«<br />

von John Neumeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

Anerkennungspreis 2013: Tobias Ehinger . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

tanzhaus nrw: Der Name ist Programm<br />

Interview von Dagmar Ellen Fischer mit Bertram Müller . . . . . . . . . . 6<br />

Warum Tanz? Darum! – von Bertram Müller . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

Jung, stark, selbstbewusst – Herbsttagung des DTD<br />

von Günther Rebel � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 8<br />

Düsseldorfer Kulturfrühstück der FDP<br />

von Anja Körber-Giovanelli und <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> � � � � � � � � � � � � � 9<br />

Erleichterung im Jahressteuergesetz 2013 bedeutet<br />

existenziell wichtige Regelung<br />

von Kulturstaatsminister Bernd Neumann . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

575.000 Euro Bundesförderung für »Initiative Tanz«<br />

von Karin Schmidt-Feister � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 11<br />

Tanz im Dialog mit der Politik<br />

von Michael Freundt � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 12<br />

»Sieh’ mal an …« – Die Kolumne von Ralf Stabel<br />

HEUTE: Preiset! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

Step Ahead e.V. – Performance Course Bonn 2012<br />

von Christine Eilks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

Internationale Begegnungen am Bodensee<br />

Die 17. Internationale Sommertanzwoche Bregenz<br />

von Jens Siebeneicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

Viel Rauch um eine Ballettschule – Inge Stoffers zum 90.<br />

von Dagmar Ellen Fischer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 18<br />

Ärztin im Hauptberuf, und doch Tänzerin: Nina Steckel<br />

von Dagmar Ellen Fischer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 21<br />

Highlights des Keil-Imperiums<br />

Gala der Tanzstiftung Birgit Keil am 9. November 2012<br />

von Carola Mezger � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 23<br />

Impressum<br />

Herausgeber: Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e. V. – Heft 104 – 35. Jg. – Nr. 5/Dezember 2012 – ISSN 1864–1172<br />

1983 30 Jahre 2013<br />

Deutscher Jubiläums-Tanzpreis<br />

Deutscher Tanzpreis 2013<br />

<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />

Anerkennungspreis<br />

2013:<br />

Tobias Ehinger<br />

Manager Ballett<br />

Dortmund<br />

Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013:<br />

Bundesjugendballett Hamburg<br />

BALLETT INTERN ISSN 1864–1172<br />

ist die Mitgliederzeitschrift des Deutschen Berufsverbandes<br />

für Tanzpädagogik e. V. (DBfT) und erscheint ab 2013<br />

vier Mal im Kalenderjahr (März, Juni, September und Dezember).<br />

Die Zeitschrift geht den Mitgliedern des Verbandes<br />

kostenlos zu. Nichtmitglieder können BALLETT INTERN<br />

abonnieren: <strong>Deutschland</strong> € 40,00, europäisches Ausland<br />

€ 60,00 (jeweils inkl. Porto/Versand und MWSt.) pro Jahresabonnement.<br />

Redaktion dieser Ausgabe: <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> (verantwortl.),<br />

Dagmar Ellen Fischer (dagmar.ellen.fischer@ballett-intern.de),<br />

Frank Münschke dwb<br />

Autoren dieser Ausgabe: Oleksi Bessmertni (Berlin), Christine Eilks (Münster), Volkmar<br />

Draeger (Berlin), Dagmar Ellen Fischer (Hamburg), Michael Freundt (Berlin), Klaus<br />

Geitel (Berlin), Marieluise Jeitschko (Münster), Anja Körber-Giovanelli (Düsseldorf),<br />

Bertram Müller (Düsseldorf), Carola Mezger (Stuttgart), Bernd Neumann (Berlin), John<br />

Neumeier (Hamburg), Hartmut Regitz (Berlin/Stuttgart), Günther Rebel (Münster),<br />

<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> (Essen), Daniela Rothensee (Hamburg), Karin Schmidt-Feister (Berlin),<br />

Jens Siebeneicher (Münster), Ralf Stabel (Berlin), Achim Thorwald (Karlsruhe), Ira Werbowsky<br />

(Wien)<br />

Birgit Keil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24<br />

Badisches Staatsballett Karlsruhe<br />

Daten und Fakten zu einer bewundernswerten Compagnie<br />

von Achim Thorwald � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 25<br />

Auszug aus den Spielplänen seit 2003/04 . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

Liebeserklärung eines Generalintendanten<br />

an seine Ballettdirektorin<br />

von Achim Thorwald � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 26<br />

10. Tanzolymp 2013<br />

von Dagmar Ellen Fischer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 27<br />

Energie für Körper und Geist<br />

Academy 1 – Bühnenkunstschule in Berlin-Kreuzberg<br />

von Karin Schmidt-Feister � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 28<br />

»I am crazy with ballet« – Portrait Igor Zapravdin<br />

von Ira Werbowsky � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 30<br />

Wie viel Tanz steckt im Clown? – Porträt: David Larible<br />

von Dagmar Ellen Fischer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 31<br />

»Vorgestellt« – ein neuer Dialog geht in Serie<br />

Ivan Liška, Ballettdirektor des Bayerischen Staatsballetts,<br />

informierte Studenten der Staatlichen Ballettschule Berlin<br />

über seine Münchner Compagnie<br />

von Volkmar Draeger � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 33<br />

»… eine irrsinnig lebendige Tanzszene«<br />

Das 20. Münsteraner Tanzfestival<br />

von Marieluise Jeitschko � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 34<br />

Komponierender Chronist – Nachruf: Hans Werner Henze<br />

von Klaus Geitel � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 36<br />

Ballettkomponist – Auszeichnung, nicht Schimpfwort<br />

Nachruf: Hans Werner Henze<br />

von Dagmar Ellen Fischer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 37<br />

Auf dem Weg der Erkenntnis<br />

Die Akademie der Künste Berlin erinnerte an Gerhard Bohner<br />

zu seinem 20. Todestag<br />

von Volkmar Draeger � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 38<br />

Bescheidenheit in Person<br />

Nachruf auf den Tanzjournalisten Dietmar Fritzsche<br />

von Hartmut Regitz � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 38<br />

Nachruf: Gerd Maier<br />

von <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 39<br />

Der Vorstand informiert / Aktivitäten des Vorstands . . . . . . 39<br />

Reaktionen auf die gute Nachricht zur »MWSt« . . . . . . . . . . 40<br />

Editorial<br />

von <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

Buchempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redak tion<br />

oder des Herausgebers wieder. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist ohne ausdrückliche<br />

Genehmigung der Redaktion nicht gestattet. Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />

und für Terminangaben wird keine Gewähr übernommen. Die Redaktion behält sich das<br />

Recht vor, Leserbriefe zu kürzen. Manuskripte gehen in das Eigentum der Redaktion über.<br />

Umschlagabbildung: <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> (Elke Münschke), Bundesjugendballett (Marcus<br />

Renner), Tobias Ehinger (Theater Dortmund)<br />

Herausgeber: Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e. V., (DBfT)<br />

Hollestraße 1, D–45127 Essen – E-Mail: dbft-verband@t-online.de<br />

Tel.: +49(0)201 228883 Fax: +49(0)201 61616181<br />

Internet: www.dbft.de – www.ballett-intern.de<br />

Bankverb.: Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e. V.,<br />

Sparkasse Essen (Bankleitzahl: 360 501 05) – Konto-Nr.: 26802927<br />

IBAN DE 20 3605 0105 0000 2680 29<br />

Gestaltung: <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>, Frank Münschke dwb<br />

Realisation und Gesamtausstattung:<br />

Klartext Medienwerkstatt GmbH, 45327 Essen,<br />

Katernberger Straße 146-152 – www.k-mw.de – dbft@k-mw.de<br />

Tel.: +49(0)201 9222 535 (Frank Münschke dwb)<br />

Anzeigen und Beilagen: Gültige Preisliste: 1/2013<br />

Heft 1/2013 erscheint 15. März 2013<br />

Redaktionsschluss: 23. Februar 2013<br />

Anzeigenschluss: 23. Februar 2013<br />

Annahmeschluss Beilagen: 1. März 2013

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