Ulrich Roehm - Fördervereins Tanzkunst Deutschland
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Herausgeber: Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e. V. – Heft 104 – 35. Jg. – Nr. 5/Dezember 2012 – ISSN 1864–1172<br />
1983 30 Jahre 2013<br />
Deutscher Jubiläums-Tanzpreis<br />
Deutscher Tanzpreis 2013<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />
Anerkennungspreis<br />
2013:<br />
Tobias Ehinger<br />
Manager<br />
Ballett Dortmund<br />
Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013:<br />
Bundesjugendballett Hamburg
Polina Semionova (2005)<br />
(Foto: Monika Rittershaus)<br />
(Foto: Enrico Nawrath)<br />
Marian Walter (2007)<br />
Alicia Amatrian (2006)<br />
Marijn Rademaker (2009)<br />
Daniel Camargo (2011)<br />
(Foto: Stuttgarter Ballett<br />
(Foto: Regina Brocke<br />
(Foto: Peter Schnetz)
Iana Salenko (2010)<br />
Katja Wünsche (2007)<br />
(Foto: Jochen Klenk)<br />
(Foto: Enrico Nawrath)<br />
(Foto: Stuttgarter Ballett<br />
Gözde Özgür (2012)<br />
Jason Reilly (2006)<br />
Flavio Salamanka (2005) Eric Gauthier (2011)<br />
(Foto: Charles Tandy)<br />
(Foto: Leslie Spatt)<br />
(Foto: Regina Brocke
Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />
Jubiläums-Gala zur Verleihung des<br />
30. Deutschen Tanzpreises<br />
Gegensätze ziehen sich an. Und Gegensätze erzeugen Spannung. Was könnte also besser passen, als die Reife mit Frische zu<br />
kombinieren, lebenskluge Erfahrung mit jugendlichem Elan. Und so kann das Programm der 30. Gala zur Preisverleihung der<br />
Deutschen Tanzpreise am 2. März 2013 mit sämtlichen Namen aufwarten, die als Tanzpreisträger »ZUKUNFT« ausgezeichnet<br />
wurden. Darum wurde diese Jubiläumsgala zur Verleihung des 30. Deutschen Tanzpreises 2013 als ein Festival der Jugend<br />
sämtlicher bisheriger Tanzpreisträger »ZUKUNFT« konzipiert, von denen alle uns und sich die Hoffnung auf eine außergewöhnliche<br />
Karriere erfüllten! Ein wohl einmaliges Feuerwerk großartigsten tänzerischen Könnens wird uns mit dieser Gala<br />
auf der schönen Bühne des Aalto-Theaters Essen, der traditionellen Heimat der Verleihung der Tanzpreise erwarten – und<br />
großer Dank erfüllt uns, dass alle bisherigen Preisträger »ZUKUNFT« großzügigerweise sofort zu einer Teilnahme an diesem<br />
Jubiläumsfest der Jugend bereit waren – und dieses »Fest der Jugend« erhält noch einen weiteren Jugendakzent durch<br />
die Verleihung des Deutschen Tanzpreises »ZUKUNFT« an das Bundesjugendballett.<br />
Lassen wir uns – lassen Sie sich – hinreißen, bezaubern von den Preisträgern:<br />
2005: Polina Semionova – Erste Solotänzerin, American Ballet Theatre, New York<br />
Flavio Salamanka – Erster Solist, Badisches Staatstheater Karlruhe<br />
Thiago Bordin – Erster Solist, Hamburg Ballett John Neumeier<br />
2006 Alicia Amatriain – Erste Solistin, Stuttgarter Ballett<br />
Jason Reilly – Erster Solist, Stuttgarter Ballett<br />
Christian Spuck – Direktor, Zürcher Ballett<br />
2007 Katja Wünsche – Erste Solistin, Zürcher Ballett<br />
Marian Walter Erster Solist, Staatsballett Berlin<br />
Terence Kohler – »choreographer in residence«, Bayerisches Staatsballett München<br />
2009 Marijn Rademaker – Erster Solist, Stuttgarter Ballett<br />
2010 Iana Salenko – Erste Solotänzerin, Staatsballett Berlin<br />
2011 Daniel Camargo – Solist, Stuttgarter Ballett<br />
Eric Gauthier – Gauthier Dance – Theaterhaus Stuttgart<br />
2012 Gözde Özgür – Demi-Solo, Bayerisches Staatsballett München<br />
2013 Bundesjugendballett – Hamburg<br />
Tickets:<br />
Eintrittskarten für die Gala<br />
kosten zwischen 38,50 € und<br />
88,00 €, der Empfang kostet<br />
38,50 € und muss gesondert<br />
gebucht werden.<br />
Tickets für Preisverleihung<br />
und Empfang erhältlich über:<br />
tickets@theater-essen.de<br />
Tel.: 0201/81 22–200<br />
Weitere Informationen beim<br />
Förderverein <strong>Tanzkunst</strong>:<br />
www.fvtk.de<br />
Den Deutschen Tanzpreis »ZUKUNFT« in der Kategorie<br />
Choreographie erhielten: Thiago Bordin (2005, links –<br />
Foto: privat), Christian Spuck (2006 – Foto: Bettina Stöß)<br />
und Terence Kohler (2007, oben – Foto: Jochen Klenk)<br />
Deutscher Tanzpreis 2013 – Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />
Die Gala zur Verleihung des<br />
Deutschen Tanzpreises 2013 an <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>, des<br />
Deutschen Tanzpreises »ZUKUNFT« 2013 an das Bundesjugendballett Hamburg<br />
und des Anerkennungspreises 2013 an Tobias Ehinger<br />
findet am 2. März 2013 im Aalto Theater Essen statt, Beginn 18:00 Uhr
Deutscher Tanzpreis 2013<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />
von Dagmar Ellen Fischer<br />
1983 wurde der DEUTSCHE<br />
TANZPREIS ins Leben gerufen,<br />
um Persönlichkeiten zu ehren,<br />
die sich um den Tanz verdient<br />
gemacht haben. Dabei wollte<br />
das »Deutsche« im Namen der<br />
Auszeichnung keineswegs suggerieren,<br />
dass es sich in erster<br />
Linie um in <strong>Deutschland</strong> erworbene Verdienste handelt – Tanz<br />
ist ohne Internationalität gar nicht erfahr- und denkbar. Dennoch<br />
sollte es im Leben der geehrten Person möglichst eine<br />
Beziehung zur deutschen Tanzszene geben, ob kurzzeitige<br />
Wirkungsstätte oder langfristiger Aufenthalt. Mit der Verleihung<br />
des Deutschen Tanzpreises 2013 an <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> wird<br />
nun eine Persönlichkeit ausgezeichnet, die tatsächlich die<br />
deutsche Tanzlandschaft so gründlich geprägt, verändert und<br />
mitgestaltet hat, wie vermutlich keiner der Geehrten vor ihm.<br />
Nie zuvor konnte ein Tanzpreisträger vielfältigere Bezüge zur<br />
deutschen Tanzszene aufweisen, und nie zuvor würdigte der<br />
Deutsche Tanzpreis damit ein Lebenswerk, das derart viel für<br />
den Tanz hierzulande in Bewegung brachte.<br />
Das klingt nach Quantität. Und einerseits ist es auch die<br />
enorm hohe Anzahl der Arbeitsfelder, in denen sich <strong>Ulrich</strong><br />
<strong>Roehm</strong> seit Jahrzehnten engagiert und die der Tanzlandschaft<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> in »Variation Symphonique«, Choreographie: Valentina<br />
Belova (1958) (Fotos: Archiv <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>)<br />
Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />
in <strong>Deutschland</strong> immer wieder neue Impulse geben. Doch andererseits<br />
wird unermüdliches Wirken nur gewürdigt, wenn es<br />
qualitativ hochwertig und kompetent eingebracht wird: Die<br />
Liste der Gremien und Institutionen, in denen <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />
Ämter und (auch nicht-klassische) Positionen bekleidet, gibt<br />
hierzu beredte Auskunft.<br />
Dass der Initiator des Deutschen Tanzpreises höchstpersönlich<br />
ausgezeichnet werden soll, kursierte erstaunlicherweise in<br />
den vergangenen Jahren schon mehrfach als Gerücht. Wahr<br />
wird es nun, da es bestens passt: im 80. Lebensjahr des Preisträgers<br />
und zum 30-jährigen Jubiläum der renommierten Auszeichnung.<br />
Damit ist <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> – den wenigen Unregelmäßigkeiten<br />
in der Abfolge von drei Jahrzehnten Preisverleihung<br />
zum Trotz – auch der 30. Preisträger.<br />
1933 in Essen geboren, stand das Berufsziel des Waldorf-<br />
Schülers <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> früh fest: Tänzer wollte er seit dem<br />
zwölften Lebensjahr werden, nachdem er Rudolf Steiners Bewegungskunst<br />
Eurythmie kennen gelernt hatte. Auf die Ausbildung<br />
an der Folkwangschule in Essen folgte die Meisterklasse bei Kurt<br />
Jooss, der seit 1949 erneut die Folkwang-Tanzabteilung leitete.<br />
Das erste Engagement führte <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> von 1957 bis 1961<br />
zum heutigen »Ballet Royal de Wallonie« als Premier Danseur<br />
Etoile. Hier interpretierte er unter internationalen Choreographen<br />
wie George Skibine die männlichen Hauptrollen in großen<br />
klassischen Balletten wie »Giselle«, »Romeo und Julia« und<br />
»Schwanensee«; mit dieser Compagnie tanzte er auch für König<br />
Baudouin und Königin Fabiola. Von 1961 bis 1969 trat er als<br />
Solist des »Folkwang Ballett« bei Gastspielen unter anderem in<br />
Berlin (West und Ost), Paris, Brüssel, London, Rom und Venedig<br />
auf, im berühmten »Der Grüne Tisch«, aber auch in weiteren<br />
Jooss-Werken sowie in Choreographien von Lucas Hoving und<br />
Anthony Tudor. Zeitgleich war er als Erster Solist im Ballett der<br />
Städtischen Bühnen Essen engagiert sowie am neu gegründeten<br />
Folkwang-Ballett als ständiger Gastsolist; ferner trat er als Gast<br />
weiterhin mit dem »Ballet Royal de Wallonie«, dem Staatsopernballett<br />
Zagreb auf sowie an zahlreichen Bühnen in Nordrhein-<br />
Westfalen. 1968 wirkte er in der Kurt Jooss-Produktion »Rappresentazione<br />
di Anima e di Corpo« bei den Salzburger Festspielen<br />
mit. Ein Jahr später folgte er einem Angebot des National Ballet<br />
of Canada und ging, zusammen mit seiner Frau Renate und den<br />
Töchtern Christine und Ariane, nach Toronto.<br />
In Kanada begann <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>s tanzpädagogische Tätigkeit,<br />
innerhalb eines Jahres baute er in Toronto drei Ballettstudios<br />
auf, die nach dem damals vor allem in der englischsprachigen<br />
Tanzwelt verbreiteten System der Royal Academy of<br />
Dance, RAD ® , unterrichteten und ausbildeten. So absolvierte<br />
er im März 1970 innerhalb von nur fünf Tagen im Londoner<br />
Zentrum der RAD ® die professionellen Prüfungen »Intermediate«<br />
und »Advanced« – bis heute sicher eine Einmaligkeit in der<br />
Geschichte der Academy. 1973 kehrte er nach <strong>Deutschland</strong> zurück<br />
und eröffnete in Essen sein eigenes Tanzstudio, ebenfalls<br />
fußend auf dem Konzept der RAD ® ; deren ARAD (Associated<br />
Member of the Royal Academy of Dance) er seit 1970 ist. 1975<br />
gründete er als Initiator den Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik<br />
e. V. und wurde Erster Vorsitzender des Verbandes.<br />
Ebenso 1975 beauftragte die Direktion der RAD ® London<br />
ihn mit dem Aufbau der RAD ® -Organisation für <strong>Deutschland</strong>,<br />
die er innerhalb weniger Jahre in die erste Reihe der erfolg-<br />
Ballett Intern 5/2012 1
Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />
reichsten zehn von insgesamt fast 80 Länderm der Academy<br />
katapultierte.<br />
Nicht nur von Kanada nach <strong>Deutschland</strong> importierte <strong>Ulrich</strong><br />
<strong>Roehm</strong>, auch in anderen Ländern und Nationen ließ er sich<br />
inspirieren, griff Ideen auf und brachte Menschen zusammen,<br />
sofern es einem Fortschreiten der heimischen Tanzszene diente.<br />
Bereits Ende der 1970er Jahre wurde er eines der nur wenigen<br />
deutschen Mitglieder des CID (Conseil International de<br />
la Danse der UNESCO) noch lange bevor es eine Sektion in<br />
<strong>Deutschland</strong> gab. Mit ihm waren damals unter anderem auch<br />
Pina Bausch und Kurt Peters Mitglied.<br />
Seit 1985 war es sein Bestreben, in enger Zusammenarbeit<br />
mit dem damaligen Präsidenten der GDBA und Tanzpreisträger<br />
des Jahres 2005, Hans Herdlein, eine Einigung der zersplitterten<br />
Tanz-Szene in <strong>Deutschland</strong> zu erreichen, was sich<br />
nun erst 20 Jahre später mit der Gründung des »Dachverbands<br />
Tanz <strong>Deutschland</strong>« realisierte.<br />
1985 gründete er im Auftrag des Kulturministeriums der<br />
Autonomen Regierung Süd-Tirols das Festival »Ballettsommer<br />
Bozen/Bolzanodanza (heute »Bozen tanzt«) und war für 22<br />
Jahre dessen künstlerischer Leiter.<br />
Ebenfalls auf seine Initiative hin entstand 1985 in Zusammenarbeit<br />
mit der Stadt Essen das »1. Folkwang Festival der<br />
Künste« mit dem ersten Folkwang-Tanzpreis an Urs Dietrich.<br />
Mitte der 1990er Jahre war es sein Anliegen, die »Transition-Idee«<br />
Philippe Braunschweigs (Deutscher Tanzpreis<br />
1997), die in einem großen internationalen Symposion in Lausanne<br />
vorgestellt wurde mit der Gründung der »International<br />
Organisation of the Transition of Professional Dancers/IOTPD«,<br />
ebenfalls in <strong>Deutschland</strong> zu etablieren. Doch das war zehn<br />
Jahre zu früh. Erst der »Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong>« hat<br />
dieses Thema wieder aufgegriffen und nun mit dem »Transition-Zentrum<br />
<strong>Deutschland</strong>« realisiert.<br />
Während eines Aufenthalts in Hawaii suchte er den Kontakt<br />
zur dortigen Tanzszene, um Dozenten für einen Workshop<br />
nach <strong>Deutschland</strong> einzuladen. Doch auch in umgekehrter<br />
Richtung, quasi exportierend, kamen ihm seine zahlreichen<br />
Kontakte in <strong>Deutschland</strong> zu Gute: Intensive tanzkulturelle<br />
Kontakte seit Beginn der 1990er Jahre mit der Botschaft der<br />
Volksrepublik China führten 2001 zur Ernennung zum »Ballet<br />
Consultant« des großen »China Shanghai International Arts<br />
Festivals« – und zum<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />
als Prinz<br />
Siegfried in<br />
»Schwanensee«,<br />
Choreographie<br />
und Einstudierung:<br />
George<br />
Skibine 1963<br />
10-jährigen Jubiläum<br />
dieses Festivals<br />
zu dem Auftrag der<br />
Organisation einer<br />
Jubiläums-Eröffnungs-Gala<br />
unter<br />
der Beteiligung der<br />
Ersten Solisten zehn<br />
internationaler Ballett-Compagnien<br />
sowie deren Direktoren.<br />
Diese Beispiele<br />
– die beliebig<br />
erweitert werden<br />
könnten – stehen<br />
für den eher pragmatischen Anteil in <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>s lebenslangem<br />
Engagement. Der nicht minder umfangreiche Einsatz<br />
für die Belange von Tanzschaffenden auf gesellschaftspolitischer<br />
und somit theoretischer Ebene nimmt einen inzwischen<br />
noch größeren Raum ein. Das beginnt mit der nun seit 1977<br />
im 35. Jahr kontinuierlich erscheinenden Mitgliederzeitschrift<br />
BALLETT INTERN mit den jahrelangen zähen Kämpfen um<br />
bessere Konditionen für Tanzpädagogen und Ballettschulbesitzer<br />
an (z.B. GEMA, GVL, KSK, Berufsschutz und aktuell<br />
die Mehrwertsteuer-Befreiung), setzt sich über das Engagement<br />
im Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> fort und hört bei<br />
der alljährlichen Organisation zur Verleihung der Deutschen<br />
Tanzpreise noch lange nicht auf. Den gemeinsamen Nenner<br />
hinter all‘ diesen Aktivitäten, der für <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> auch Antrieb<br />
ist, formuliert er selbst wie folgt: »Dem Tanz in seiner<br />
ganzen Vielfalt zu einer deutlich besseren Wahrnehmung zu<br />
verhelfen und ihm damit jene gesellschaftliche Anerkennung<br />
zu verschaffen, die er verdient.«<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> bildet eine Art Quersumme bisheriger Tanzpreisträger:<br />
Er fördert den Nachwuchs, er unterrichtet, er<br />
publiziert, er initiiert und kreiert. Eine Compagnie hat <strong>Ulrich</strong><br />
<strong>Roehm</strong> bislang noch nicht geleitet – es sei denn, man betrachtet<br />
die Mitglieder des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik<br />
als durchaus kreatives Ensemble! ■<br />
Laudatorin Dr. Iris Jana Magdowski<br />
Iris-Jana Magdowski wurde in Gelsenkirchen<br />
geboren. Als Jugendliche<br />
galt ihre große Leidenschaft<br />
dem Ballett – bis zur aktiven Teilnahme<br />
am täglichen Training des<br />
Gelsenkirchener Ballett ensembles.<br />
Hier lernte sie jedoch bald ihre<br />
tänzerischen Grenzen kennen –<br />
geblieben aber ist die Faszination<br />
für die große Disziplin und Konzentration,<br />
die die Grundlagen für<br />
die Ausübung des Tänzerberufs<br />
bilden. Es folgte das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften<br />
sowie der Philosophie. Nach der Promotion 1979 zog es sie<br />
in eine Anwaltspraxis nach Südafrika.<br />
Im Alter von 32 Jahren wurde durch die Berufung zur Kulturdezernentin<br />
nach Bielefeld die Kultur wieder zum Lebens mittelpunkt.<br />
Es folgten Jahre als Kulturdezernentin in Duisburg<br />
(1992–1997) unter dem großen Freund der Künste und des<br />
Tanzes, Oberbürgermeister Josef Krings, wo ihr auch 1997 für<br />
besondere Verdienste der »Goldene Stadtring« verliehen wurde.<br />
1997 führte sie der Weg für acht Jahre als Kulturbürgermeisterin<br />
nach Stuttgart, wo sie – weiterhin als große Förderin des Tanzes<br />
– unter anderem Mitglied im Kuratorium der damals gegründeten<br />
Tanzstiftung Birgit Keil wurde.<br />
Weitere Tätigkeiten waren: stellvertretende Vorsitzende des Tarifausschusses<br />
des Deutschen Bühnenvereins; Vorstandsmitglied<br />
der »Schiller-Stiftung 1859«; Lehraufträge, etwa für Kulturmanagement,<br />
an Hochschulen in Bukarest, Münster, Speyer; Gastprofessorin<br />
auf Lebenszeit an der Technischen Universität in<br />
Wuhan (China), seit 2005 sie Mitglied der Deutschen UNESCO-<br />
Kommission, seit 2009 Beigeordnete für Bildung, Kultur und<br />
Sport der Landeshauptstadt Potsdam.<br />
2 Ballett Intern 5/2012
Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />
Bundesjugendballett<br />
Hamburg<br />
von Daniela Rothensee<br />
Der Deutsche Tanzpreis »ZUKUNFT« geht 2013 an das<br />
Bundesjugendballett. Und damit an acht junge Tänzerinnen<br />
und Tänzer gleichzeitig – das hat es zuvor nicht<br />
gegeben.<br />
Das Bundesjugendballett<br />
spannt ein Netz aus<br />
junger, kreativer Energie<br />
durch die Bundesrepublik.<br />
Der rote Faden verbindet<br />
den Arbeitsort der<br />
Compagnie – das Ballettzentrum<br />
John Neumeier<br />
in Hamburg – mit Schulen, Seniorenresidenzen und<br />
einer Diskothek im ehemaligen Bunker auf dem Heiligengeistfeld,<br />
mit Musikfestivals in Heidelberg und<br />
Esslingen, mit einer Haftanstalt in Rottenburg am Neckar,<br />
mit dem Berliner Konzerthaus, einer Turnhalle in<br />
Worpswede und einem leergepumpten Schwimmbad<br />
in Otterndorf nahe der Nordsee. Ohne Pause arbeiten<br />
die acht Tänzerinnen und Tänzer seit einem Jahr daran,<br />
ihren Auftrag in die Tat umzusetzen: Das Ballett an<br />
neue, ungewöhnliche Orte zu bringen und vor allem<br />
junge Zuschauer zu begeistern. Ihre Botschafterfunktion<br />
nehmen sie auch über die Grenzen des Landes hinaus<br />
wahr: Gerade führte eine erste Auslandstournee<br />
für drei Vorstellungen nach China. Sie selbst kommen<br />
aus sechs Nationen: Aus Japan, Brasilien, Kanada, den<br />
Niederlanden, <strong>Deutschland</strong> und der Schweiz. Der Intendant<br />
des Bundesjugendballetts, John Neumeier,<br />
hatte den Wunsch einer jungen Compagnie seit über<br />
25 Jahren: »Manchmal träumt man von etwas, und<br />
dann entpuppt sich die Erfüllung des Traums als nicht<br />
so besonders. Beim Bundesjugendballett war das ganz<br />
anders. Der Geist dieser Compagnie wächst täglich –<br />
ihre Kreativität entwickelt sich immer weiter«. Der<br />
Künstlerische und Pädagogische Leiter des Bundesjugendballetts<br />
ist Kevin Haigen. Unter seiner Anleitung<br />
lernen die acht Mitglieder zwischen 18 und 23 Jahren,<br />
für die das Bundesjugendballett meist das erste Engagement<br />
nach der Berufsausbildung ist, die Arbeit<br />
einer Ballettcompagnie kennen und entwickeln nicht<br />
nur ihre klassische Technik weiter, sondern arbeiten<br />
an stilistischer Vielseitigkeit und der Ausbildung ihrer<br />
künstlerischen Persönlichkeit. Denn das Einzigartige<br />
ist: Hier sind die Tänzer Erste Solisten und Gruppentänzer<br />
gleichzeitig. Während sie in größeren Compagnien<br />
als Mitglieder des Corps de Ballet für jede kleine<br />
Rolle dankbar sein müssten, stehen sie im Bundesjugendballett<br />
permanent im Rampenlicht. Bei nur acht<br />
Mitgliedern kann sich niemand hinter dem anderen<br />
verstecken. Dem Künstlerischen Leiter ist Yohan Stegli<br />
Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />
Grußwort<br />
Am Anfang stand Kreativität – ohne<br />
die eine Kunst keine Zukunft hat. Aus<br />
diesem Grund freue ich mich über<br />
die Auszeichnung für das BUNDESJU-<br />
GENDBALLETT mit dem Tanzpreis »ZU-<br />
KUNFT« ganz besonders. Sie würdigt<br />
einen wichtigen Teil unseres Wirkens<br />
und meiner künstlerischen Vision. Die<br />
Compagnie aus acht jungen Tänzern<br />
und den dazu notwendigen künstlerischen<br />
sowie organisatorischen Mitarbeitern<br />
nahm zu Beginn der Spielzeit<br />
2011/12 ihre Arbeit auf. Schnell hat sie sich zu einer künstlerischen<br />
Gemeinschaft entwickelt und innerhalb kürzester Zeit unter Beweis<br />
gestellt, wie notwendig ihr Bestehen ist.<br />
Doch neben der Forderung von Kreativität der jungen Tänzer<br />
war es für mich von vornherein ebenso wichtig, dass wir Ballett<br />
dahin bringen, wo unsere Kunstform kaum zu finden ist: in sozialen<br />
Einrichtungen wie Senioren- oder Ausländerheimen, Schulen<br />
oder Justizvollzugsanstalten, die für mich ebenso zum Herzen der<br />
Gesellschaft gehören.<br />
Ballett soll mit anderen Lebenswirklichkeiten in Berührung kommen,<br />
aus dem Schatten seiner herkömmlichen Wirkungsstätten<br />
heraustreten und Kontakt aufnehmen mit weiteren Lebenswelten.<br />
Tanz muss sich dem Leben stellen, es von anderer Richtung in<br />
Bewegung setzen, in Schwingung bringen und für neue Impulse<br />
sorgen. Das kann nur in einem tatsächlichen Aufeinandertreffen<br />
gelingen. In diesem Sinne ist die Begegnung mit klassischer Musik<br />
und vor allem mit jungen Musikern sehr wichtig. Wir tanzen so oft<br />
wie möglich zu live gespielter Musik, ob es mit Rap in Gefängnissen<br />
ist oder mit Beethoven in Clubs.<br />
Nach 15 Monaten Arbeit lässt sich feststellen, dass sich in den<br />
sozialen Hotspots, die das BUNDESJUGENDBALLETT inzwischen<br />
aufgesucht hat, durch Tanz Gemeinschaft stiften lässt und ein<br />
intensives Wir-Gefühl entsteht, getragen von Menschen unterschiedlicher<br />
Herkunft und Prägung. In kurzer Zeit ist ein eigenes<br />
Repertoire von neuen Balletten entstanden, das neben jungen,<br />
teilweise unbekannten oder auch international erfolgreichen<br />
Choreographen größtenteils von den Tänzern der Compagnie<br />
selbst kreiert worden ist. Das BUNDESJUGENDBALLETT ist nicht<br />
Instrument meiner choreographischen Arbeit wie das HAMBURG<br />
BALLETT. Gleichwohl versuche ich gelegentlich, einzelne Aspekte<br />
meines künstlerischen Schaffens in die junge Compagnie hineinzutragen<br />
– beispielsweise der work in progress von Beethovens<br />
Streichquartett. Ich denke nämlich, dass es von Zeit zu Zeit für die<br />
jungen Tänzer wichtig ist, mit einem etablierten Choreographen<br />
zusammenzuarbeiten.<br />
Mit einem solchen Repertoire, das Gefühl, Bewusstsein und<br />
Ideen der jungen Generation kreativ spiegelt, will das BUNDES-<br />
JUGENDBALLETT auch weiterhin zwischen Jugendkultur, Hochkultur<br />
und Bevölkerung vermitteln. Dass unsere Arbeit, die auf einen<br />
offenen Austausch setzt, mit dem diesjährigen, wunderbar treffenden<br />
Titel Tanzpreis »ZUKUNFT« gewürdigt wird, spornt unser<br />
Engagement zusätzlich an!<br />
Dafür danke ich aus vollem Herzen. John Neumeier<br />
Ballett Intern 5/2012 3<br />
(Foto: Holger Badekow)
Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />
Das Bundesjugendballett mit dem Künstlerischem Leiter Kevin Haigen<br />
und Ballettmeister Yohan Stegli vor der Kuppel des Reichstags in Berlin<br />
(Foto: Marcus Renner)<br />
als Ballettmeister an die Seite gestellt. Ein Organisatorischer<br />
Leiter ist verantwortlich für die Auftritte und Tourneen, die<br />
Finanzen und die allgemeine Projektplanung. Eine Pianistin,<br />
zwei Techniker und ein Freiwilliger im Rahmen des Freiwilligen<br />
Sozialen Jahres im Bereich Kultur gehören außerdem<br />
zum Team. Diese kleine Mannschaft macht das Projekt flexibel<br />
und gegenüber dem oft starren Apparat größerer Ballettcompagnien<br />
eher unkompliziert. Den bunt bedruckten<br />
und von VW gesponserten Tourbus fährt der Ballettmeister<br />
oder der Organisatorische Leiter, die Kostüme kaufen oder<br />
leihen sich die Tänzer selbst. Den Wunsch ihres Intendanten<br />
John Neumeier, dass sie als kleine und flexible Compagnie nie<br />
»Nein« sagen mögen, nehmen sie sich zu Herzen.<br />
Ein Markenzeichen sind Projekte geworden, die Live-<br />
Musik und Tanz gleichberechtigt auf die Bühne bringen und<br />
den Austausch zwischen jungen Musikern und Tänzern in<br />
den Fokus rücken. Kooperationen mit Stipendiaten der »lied<br />
akademie des Heidelberger Frühlings«, dem europäischen<br />
Musikfestival »Podium« in Esslingen oder dem Berliner Klassikfestival<br />
»Young Euro Classic« brachten Werke von Peteris<br />
Vasks, Franz Schubert und Ludwig van Beethoven auf die<br />
Bühne, neben Auftragswerken zeitgenössischer Komponisten.<br />
Die Choreographien schufen Nachwuchstalente wie<br />
Robert Binet aus Kanada und der Italiener Sasha Riva, aktuell<br />
Gruppentänzer im Hamburg Ballett. Außerdem kreierte Natalia<br />
Horecna vom Nederlands Dans Theater I eine Choreographie<br />
mit der Compagnie. Damit übernimmt das Bundesjugendballett<br />
eine wichtige Funktion als Auftraggeber für<br />
junge Choreographen, die am Anfang ihrer Karriere stehen.<br />
Beim »Internationalen Wettbewerb für Choreographen« in<br />
Hannover stiftete das Bundesjugendballett erstmals einen<br />
Produktionspreis: Der Gewinner wird ein Ballett für das Ensemble<br />
schaffen. So entstehen ständig neue Werke. Auch<br />
die Tänzer entwickeln Choreographien, eines der wichtigsten<br />
Elemente bei der Audition war das unter Beweis stellen<br />
des eigenen schöpferischen Potentials in der Improvisation.<br />
Nach maximal zwei Jahren endet für die Tänzer das Engagement<br />
im Bundesjugendballett. Dem ersten Jahrgang stellt<br />
sich bereits jetzt die Frage nach einer Zukunft nach der Zeit<br />
im Ensemble. Für jeweils vier neue Mädchen und Jungen<br />
beginnt im kommenden September die zweijährige Reise.<br />
Aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages<br />
und mit vier Mal 700.000 Euro fördert der Beauftragte der Bundesregierung<br />
für Kultur und Medien das Bundes jugendballett<br />
als Pilotprojekt für vier Spielzeiten (2011/12 bis 2014/15).<br />
Eine Anschlussfinanzierung ist bislang nicht gesichert. �<br />
Bundesjugendballett<br />
Intendant: John Neumeier<br />
Künstlerischer und Pädagogischer Leiter: Kevin Haigen<br />
Organisatorischer Leiter: Lukas Onken<br />
Ballettmeister: Yohan Stegli<br />
Pianistin: Patrycja Krawczynska<br />
Techniker: Tim-Oliver Thede, Werner Maul<br />
Freiwilliges Soziales Jahr Kultur: Julius Palm<br />
Compagnie: Vier Tänzerinnen und vier Tänzer zwischen<br />
18 und 23 Jahren mit abgeschlossener Berufsausbildung<br />
Spielzeit 2012/13: Winnie Dias (Brasilianerin), Gabriela Finardi<br />
(Brasilianerin), Madoka Sugai (Japanerin, Preisträgerin<br />
des „Prix de Lausanne 2012“), Yukino Takaura (Japanerin),<br />
Patrick Eberts (Deutscher), Graeme Fuhrman (Kanadier),<br />
Maurus Gauthier (Schweizer), Daan van den Akker (Niederländer)<br />
4 Ballett Intern 5/2012
Anerkennungspreis 2013<br />
Tobias Ehinger<br />
Manager Ballett Dortmund<br />
Im Jubiläumsjahr 2013 wird erstmalig<br />
mit Tobias Ehinger vom Ballett<br />
Dortmund ein Tanzmanager für<br />
seine »herausragenden Leistungen<br />
beim Aufbau von erfolgreichen<br />
Strukturen und der Vermittlung des<br />
künstlerischen Bühnentanzes« ausgezeichnet.<br />
Gerade in Zeiten kultureller Sparmaßnahmen<br />
bedarf die Kunstsparte<br />
Tanz starker Strukturen, einer eigenen<br />
Stimme für ein öffentliches und<br />
politisches Bewusstsein und einer<br />
gleichberechtigten Selbständigkeit<br />
gegenüber den anderen etablierten Sparten Oper, Orchester<br />
und Schauspiel. Meist ist der Tanz noch immer untergeordneter<br />
Bestandteil städtischer und staatlicher Bühnen und fällt –<br />
trotz wirtschaftlicher Widersinnigkeit – den Sparmaßnahmen<br />
zuerst zum Opfer. Gegen den allgemeinen Trend ist es Ehinger<br />
innerhalb kürzester Zeit in Dortmund gelungen, aus einem<br />
von Einsparungen gefährdeten und den Bedürfnissen<br />
der Oper untergeordneten Ballettensemble eine erfolgreiche<br />
autonome Sparte aufzubauen und diese mit der Gründung<br />
des Ballettzentrums Westfalen dauerhaft abzusichern.<br />
Die Ehrung macht gleichzeitig darauf aufmerksam, wie<br />
wichtig das kreative Zusammenspiel von künstlerischen und<br />
infrastrukturellen sowie marktwirtschaftlichen Komponenten<br />
für den Erfolg einer Institution ist: für den Erfolg vor Ort, also<br />
der kulturellen Nahversorgung einer Kommune, sowie für die<br />
überregionale Wirkung und die Etablierung künstlerischer<br />
Ideen im Kulturbewusstsein.<br />
Tobias Ehinger, 1979 in Tübingen geboren, hat selbst eine<br />
tänzerische Laufbahn hinter sich. Sein Studium absolvierte<br />
er an der Stuttgarter John Cranko Schule, der Académie de<br />
Danse Classique Monte Carlo und an der Akademie des Tanzes<br />
Mannheim.<br />
2004 holte Ballettdirektor Xin Peng Wang den damals<br />
25-jährigen Tänzer des Aalto Ballett Theater Essen (Direktor:<br />
Martin Puttke) nach Dortmund, um seine Vision einer eigenen<br />
Sparte Ballett umzusetzen.<br />
Durch die Optimierung von kreativen Potentialen wandelte<br />
sich das Ballett Dortmund zum Modell für Stärke und<br />
Eigenständigkeit der Kunstform Tanz: Den Visionen Xin Peng<br />
Wangs folgend, bewirkte der Einsatz von Tobias Ehinger als<br />
Manager, dass 2007 die Mitglieder des Ballett Dortmund tariflich<br />
eingruppiert und 2008 die Satzung des Theater Dortmund<br />
dahingehend geändert wurde, dass das Ballett vom<br />
übrigen Musiktheater abgekoppelt wurde und sich als eigenständige<br />
Sparte mit Programm- und Finanzhoheit innerhalb<br />
des Spartenverbandes positionieren konnte. Ein Jahr später<br />
gelang es mit Hilfe von Sponsorenmitteln, im Dortmunder<br />
Westfalenpark das Ballettzentrum Westfalen als Trainings-<br />
Deutscher Tanzpreis 2013 / Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013<br />
(Foto: Theater Dortmund)<br />
zentrum und kulturelle Begegnungsstätte zu eröffnen. Damit<br />
hat die Kommune ein bundesweites Zeichen gesetzt und ein<br />
Bekenntnis zum großen Erfolg des Ballett Dortmund erbracht.<br />
Mit der Gründung eines eigenen Seniorentanztheaters und<br />
dem Jugendtanztheater des Ballett Dortmund erfolgten weitere<br />
wichtige Meilensteine der kommunalen Verankerung.<br />
Durch den Aufbau internationaler Netzwerke erwirkte<br />
Ehinger kontinuierlich eine steigende überregionale Aufmerksamkeit<br />
des Ballett Dortmund: Seit 2004 kamen in insgesamt<br />
17 verschiedenen Ballettgalas zahlreiche Tanzgrößen<br />
renommierter Häuser aus der ganzen Welt nach Dortmund,<br />
sie führten nicht zuletzt zu einer engen Verbundenheit mit<br />
dem Royal Ballet in London. Zusammen mit Benjamin Millepied<br />
entstand im Projekt »Dance Concertantes« ein Netzwerk<br />
mit dem New York City Ballet, dem American Ballet<br />
Theatre und der Opéra de Paris. Eine langjährige Kooperation<br />
verbindet Dortmund mit dem Hong Kong Ballet, die aktuell<br />
in der gemeinsamen Koproduktion »Der Traum der Roten<br />
Kammer« ihren Höhepunkt findet.<br />
In der Direktionszeit Xin Peng Wangs und seines Managers<br />
Tobias Ehingers erarbeitete sich das Ballett Dortmund<br />
ein breites Repertoire von über 50 Balletten, darunter 21 Uraufführungen<br />
und Werke renommierter Choreographen wie<br />
William Forsythe, Hans van Manen, George Balanchine, Mauro<br />
Bigonzetti, Christian Spuck, Benjamin Millepied, Edwaard<br />
Liang oder Cayetano Soto. Gastspiele brachten die Compagnie<br />
in die Nationaltheater von Prag, Brünn und Budapest und<br />
in den Königlichen Palast in Stockholm.<br />
Hervorzuheben ist die Gründung der »Sommerakademie<br />
des Ballett Dortmund« im Jahr 2011, zu der sich renommierte<br />
Dozenten und Studenten aus der ganzen Welt im Ballettzentrum<br />
Westfalen treffen.<br />
Auch außerhalb seiner Aufgaben in Dortmund zeigt Tobias<br />
Ehinger großes Engagement für die <strong>Tanzkunst</strong>, so ist er<br />
u. a. Mitglied des Verwaltungsrats der Bayerischen Versorgungskammer,<br />
Gruppenrat Tanz und Stellvertretender Beiratsvorsitzender<br />
der GDBA und als Beisitzer beim Bühnenoberschiedsgericht<br />
tätig. ■<br />
Ballett Intern 5/2012 5
Interview mit Bertram Müller<br />
tanzhaus nrw:<br />
Der Name ist<br />
Programm<br />
Interview mit Bertram Müller<br />
von Dagmar Ellen Fischer<br />
Tanzhaus – der Name ist Programm.<br />
In der Renaissance waren Tanzhäuser<br />
ein Treffpunkt der Bürger in der sich<br />
allmählich etablierenden städtischen<br />
Kultur: Seit dem 14. Jahrhundert<br />
wurden in vielen deutschen Städten<br />
Tanzhäuser gebaut, meist im Zentrum<br />
und in unmittelbarer Nähe zum<br />
Rathaus gelegen, fanden hier Zunfttänze,<br />
aber auch Hochzeitstänze öffentlich<br />
statt. Ein offenes Haus – das<br />
lag auch Bertram Müller am Herzen, als er in den 1970er<br />
Jahren zum Impulsgeber in Düsseldorf wurde. Seit 35 Jahren<br />
leitet er nun das »tanzhaus nrw«, das aus dem Vorgängermodell<br />
»die werkstatt« hervorging. Wenn Bertram Müller, Jahrgang<br />
1946, im nächsten Jahr die Intendanz an seine Nachfolgerin<br />
Bettina Masuch abgibt und in eine Art Ruhestand geht,<br />
übergibt er ein Zentrum für Tanz und Kunst, das in <strong>Deutschland</strong><br />
einzigartig ist und einen festen Platz im europäischen<br />
Tanznetz hat.<br />
Dagmar Ellen Fischer: Hast Du jemals selbst getanzt?<br />
Bertram Müller: Tanz hat mich schon immer fasziniert.<br />
Jegliche Art von Tanz, allerdings habe ich erst in den letzten<br />
Jahren Zugang zum Ballett gefunden. In meiner Zeit als Schüler<br />
gab es nur Gesellschaftstanz. In den Anfangszeiten der<br />
Werkstatt lernte ich New Dance und Modern Dance als gelegentlicher<br />
Amateurtänzer kennen. Während meiner Aufenthalte<br />
in Afrika fand ich leicht den Zugang zu afrikanischem<br />
Tanz.<br />
DEF: Du hast Philosophie und Theologie in Heidelberg studiert,<br />
wie kam es dazu, dass Du Gründungsmitglied der<br />
Düsseldorfer Werkstatt wurdest, dem Vorläufer des Tanzhauses?<br />
BM: Ich war in den 1970er Jahren protestantischer Pfarrvikar<br />
in einer Stadtteilgemeinde von Düsseldorf, wo sich<br />
Tänzer, Schauspieler, Musiker und Maler daran machten, ein<br />
größeres ehemaliges Werkstattgelände zu übernehmen. Das<br />
endete bald in einem Chaos, was ich schade fand. Ich engagierte<br />
mich, es neu zu organisieren. So initiierte ich die<br />
Gründung eines gemeinnützigen Vereins. Wir wurden damit<br />
zuschussfähig für die ersten geringen Fördermittel der Stadt.<br />
Die Gebäude wurden wenig später abgerissen, wohl auch<br />
aus Angst, wir könnten die gesamte Fabrik besetzen.<br />
DEF: Dennoch hast Du Deinen Abschluss als Diplom-Psychologe<br />
gemacht, obwohl absehbar war, dass Du in diesem<br />
Beruf nicht arbeiten würdest?<br />
BM: In den Gründungsjahren der Werkstatt<br />
e. V. habe ich nicht mehr als Pfarrer, sondern<br />
als Religionslehrer gearbeitet, was den Vorteil<br />
hatte, dass ich ein Einkommen und abends Zeit<br />
hatte. Darüber hinaus habe ich nicht nur ein<br />
Diplom in Psychologie, sondern eine Fachausbildung<br />
in Psychotherapie. Diese auszuüben<br />
habe ich nie aufgehört. Die Heilung des Psychischen<br />
ist ein ko-kreativer Vorgang, die daraus<br />
erwachsende Kenntnis hat mir sehr geholfen<br />
im Verständnis von kreativen, schöpferischen<br />
Arbeitsprozessen von Choreographen sowie<br />
auch dem Verständnis ihres Scheiterns. Ich<br />
habe die beiden Gebiete Psychotherapie und<br />
Kunst immer getrennt gehalten und nicht verbunden,<br />
wie das beispielsweise in der Tanztherapie<br />
geschieht – das kam für mich nie in Frage,<br />
weil es meiner Meinung nach nur für eine<br />
recht begrenzte Zielgruppe nützlich erscheint.<br />
DEF: Du hast zahllose Initiativen gestartet, Ausbildungsprojekte<br />
initiiert, Festivals gegründet. Vieles existiert heute<br />
noch, einiges brannte nur kurz wie ein Strohfeuer. Woran<br />
lag es beispielsweise, dass ein Festival mit dem berühmten<br />
Clown Jango Edwards nur kurze Zeit überlebte?<br />
BM: Die »Fools Festivals« in den Anfangsjahren der Werkstatt<br />
dienten der Verstärkung der öffentlichen, kulturpolitischen<br />
Wahrnehmung. Es hat seine spätere Fortsetzung gefunden<br />
in den »Düsseldorfer Strandtheatertagen«, für die wir<br />
jedoch weder genügend Geld noch wiederholt die Rheinwiesen<br />
zur Verfügung gestellt bekamen. Der inzwischen berühmt<br />
gewordene »Düsseldorfer Altstadtherbst« ist die spätere, jedoch<br />
unabhängige Nachfolge. Wir mussten uns nach Abbruch<br />
der Gebäude in der Grafenberger Allee konzentrieren: auf das<br />
Überleben des Vereins, auf unsere künstlerischen und kunstpädagogischen<br />
Ziele sowie auf die Suche nach einem geeigneten<br />
Gebäude und die notwendige Finanzierung. Unsere langjährigen<br />
Versuche mit dem Schauspielhaus, die Rheinische Tanz-<br />
und Theaterschule (drei Jahre) zu etablieren, die später als Teil<br />
des »European Dance Development Center« (EDDC) in Zusammenarbeit<br />
mit der Hochschule in Arnheim (über acht Jahre)<br />
fortgesetzt wurde und was viele neue Impulse in der professionellen<br />
Ausbildung setzte, musste im neu eröffneten »tanzhaus«<br />
nach vier Jahren aus finanziellen Gründen aufgegeben<br />
werden – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass es in Nordrhein<br />
Westfalen drei Hochschulausbildungen im Bereich Tanz<br />
gab, damals jedoch keine für zeitgenössischen Tanz mit visionärer<br />
Ausrichtung. Die von mir mit initiierte World Dance Alliance<br />
Europe war insofern erfolgreich, als dass wir unser neues<br />
Haus mit einem »Global Dance Festival« unter Beteiligung von<br />
36 Compagnien aus aller Welt eröffnen konnten. Nachdem ich<br />
2002 beim WDA Europe mein Amt niederlegte, konnte diese<br />
weltumspannende Struktur von Marc Jonkers offenbar nicht<br />
erfolgreich fortgesetzt werden, bedauerlicherweise.<br />
DEF: Bildet die Öffnung zu anderen Kulturen den roten<br />
Faden in Deinem Engagement? Oder steht der Tanz im Verhältnis<br />
zu den anderen Künsten für Dich im Mittelpunkt?<br />
6 Ballett Intern 5/2012
BM: Ich hatte immer eine unstillbare Neugier nach der<br />
in der Welt existierenden Vielfalt von Tanzkulturen und das,<br />
was ihre jeweiligen zeitgenössischen Vertreter als künstlerisch<br />
gestaltete Interpretation ihrer Lebensauffassung anzubieten<br />
hatten. <strong>Tanzkunst</strong> auf Ballett zu beschränken, war für<br />
mich inakzeptabel. Die Verbindung des Tanzes mit anderen<br />
Künsten war für mich eine Selbstverständlichkeit, jedoch auf<br />
künstlerischer, ökonomisch autonomer Basis und nicht als Ersatzrad<br />
in der Programmatik eines Stadttheaterbetriebs. Für<br />
mich entscheidend ist, ob der Künstler sich als Choreograph<br />
identifiziert, d. h. sich mit der künstlerischen Gestaltung das<br />
Verhältnis von Raum und Zeit »ad hominem« auseinandersetzt.<br />
DEF: Wie würdest Du das übergeordnete Ziel Deiner Arbeit<br />
formulieren?<br />
BM: Als künstlerischer Leiter, aber auch Psychotherapeut,<br />
interessiert mich die künstlerisch geformte Konkretion innerseelischer<br />
und äußerer Konflikte einer Einzelperson oder<br />
einer Gruppe, sofern sie sich mit den aktuellen Gegebenheiten<br />
und Konflikten auseinandersetzt. Zeitgenössische Kunst<br />
ist für mich eine Objektivierung dieser inneren und äußeren<br />
Konflikte. <strong>Tanzkunst</strong> ist Auseinandersetzung und Überwindung<br />
der in unserer Tanzkultur vorgegebenen ästhetischen<br />
Sprache. Am Tanz interessiert mich vor allem, dass es jemand<br />
vermag, nicht nur Material (geschulter Tänzer) eines schöpferischen<br />
Willens (Choreograph) zu sein, sondern in einem<br />
vergänglichen, selbstbeantwortenden fortlaufenden Prozess<br />
durch den eigenen Leib von Moment zu Moment, in Anwesenheit<br />
von Publikum, letztendlich eine Wiedervereinigung<br />
von Schöpfer und Geschöpf im selbstschöpferischen Künstler,<br />
dem meine ganze Bewunderung gilt.<br />
DEF: Worauf bist Du stolz?<br />
BM: Darauf, dass eine postmoderne Idee der Vielfalt der<br />
Wahrheiten auch in der <strong>Tanzkunst</strong> im »tanzhaus nrw« seine<br />
täglich erlebbare, lebendige Form gefunden hat, dass unsere<br />
Interview mit Bertram Müller<br />
Graswurzelinitiative überlebt hat und sogar lokal und überregional<br />
nach vielfältig erlebten Abwertungen schließlich Anerkennung<br />
gefunden hat, wir inzwischen mehr als 3.000 Besucher<br />
jede Woche zufrieden nach Hause schicken und, last but<br />
not least, rund 100 Personen, inklusive Dozenten, einen dauerhaften<br />
und Sinn gebenden Arbeitsplatz gefunden haben.<br />
DEF: Ein konkretes Beispiel aus dem Unterrichtsangebot,<br />
was steckt hinter »Ladies Attack«?<br />
BM: Das Konzept »Ladies Attack« ist Ausdruck unserer Bemühungen,<br />
die von der jungen Generation weltweit initiierte<br />
Hip-Hop-Bewegung, die bisher überwiegend eine männliche<br />
Domäne war, als Tanzform für Frauen zugänglich zu machen<br />
bzw. deren inzwischen eigenständige Ästhetik ernst zu nehmen<br />
und öffentlich zu präsentieren.<br />
DEF: 2013 wird Dein finales Jahr als Intendant am »tanzhaus<br />
nrw«, wie wurde die Nachfolge geregelt?<br />
BM: Auf meine Initiative hin wurde durch den Vorstand<br />
des Trägervereins eine Findungskommission eingesetzt, die<br />
aus Choreographen, Pädagogen, aber auch kulturpolitischen<br />
Vertretern des Landes NRW und der Stadt zusammengesetzt<br />
war. Von dieser wurde Bettina Masuch einstimmig empfohlen.<br />
Diese Empfehlung wurde nicht nur von unserem Vorstand,<br />
sondern auch von mir und unserem Team mit voller<br />
Überzeugung bestätigt. Als Gründer und seit 35 Jahren Leiter<br />
von »die werkstatt e. V.«, ab 1998 tanzhaus nrw, war mir bewusst,<br />
dass das programmatisch breit aufgestellte »tanzhaus<br />
nrw« mit seinen vier Abteilungen Bühne, Bildung, Produktion<br />
und kulturelle Kommunikation sowie der Abteilung »Tanz für<br />
junges Publikum«, mit seiner internationalen Vernetzung und<br />
vor allem als freier Träger mit sehr begrenzten öffentlichen<br />
Mitteln nicht einfach zu besetzen ist. Dass dies rechtzeitig<br />
und überzeugend gelungen ist, erleichtert mir Ende 2013,<br />
mein Amt abzugeben – um danach zu entdecken, wer ich<br />
sonst noch bin und wohin in der Tanzwelt meine Neugier<br />
mich treibt. ■<br />
(Fotos: tanzhaus nrw e.V.)<br />
Ballett Intern 5/2012 7
Interview mit Bertram Müller / Herbsttagung des Dachverbands Tanz <strong>Deutschland</strong><br />
Warum Tanz? Darum!<br />
von Bertram Müller<br />
Weil zeitgenössischer Tanz heute mehr denn je<br />
Poesie und Verdichtung des Lebens ist.<br />
Weil sich im Tanz der Körper, die Psyche und der<br />
Geist des Menschen auf einen gegenwärtigen<br />
Moment zu konzentrieren und sich so die Vielseitigkeit<br />
des Menschen ganzheitlich zu integrieren<br />
und dadurch stimmig zu entfalten vermag.<br />
Weil sich die im Tanz innewohnende Integrität,<br />
Unmittelbarkeit und Verletzlichkeit kaum für<br />
oberflächliche Kompromisse bei der künstlerischen<br />
Darstellung eignet.<br />
Weil Tänzerinnen und Tänzer weitgehend ohne<br />
theatralische Schutzmechanismen, wie z.B. Rollen,<br />
Masken und Erzählungen wagen, ihre Persönlichkeit,<br />
ihre Sexualität, ja sogar ihre Intelligenz<br />
ganz unmittelbar auf der Bühne vor anderen<br />
zu entblößen.<br />
Weil Tänzer auf der Grundlage jahrelanger konsequenter<br />
Praxis unvorstellbare Leistungen des Erinnerns<br />
und Darstellens von äußerst komplizierten<br />
Bewegungsabläufen vollbringen.<br />
Weil der Tanz in der Regel eine kollektive Kreation<br />
von mehreren ist, die höchste „Team-Play«-Qualitäten<br />
erfordert und diese nachhaltig zu bilden<br />
vermag.<br />
Weil Tanz uns die kompliziertesten und oft noch<br />
unausgegorensten Ideen und Konflikte unserer<br />
Zeit ganz unmittelbar durch einen bewegten Körper<br />
kunstvoll/konkret vor Augen führt, die auf andere<br />
Weise nicht vermittelbar wären.<br />
Weil es das ureigenste Thema der <strong>Tanzkunst</strong> ist,<br />
das innige Verhältnis von Raum und Zeit, von Körpern,<br />
Form und Dynamik, immer wieder neu am<br />
eigenen Leib zu erforschen und uns damit auf immer<br />
neue Weise hilft, die rapid sich verändernde,<br />
multilokal und multitemporal gewordene Welt<br />
begreifbar und in Würde lebbar werden lässt.<br />
Weil von allen Künsten noch am ehesten der<br />
Tanz live und ganz real mit der äußerst rasanten<br />
Geschwindigkeit und Verdichtung der Bilder der<br />
digitalen Medien zu konkurrieren vermag.<br />
Weil der Tanz über kulturelle Grenzen hinweg die<br />
Substanz der verschiedensten kulturellen Identitäten<br />
vermittelt und diese ohne sprachliche Übersetzung<br />
ganz unmittelbar verständlich machen<br />
kann.<br />
Weil <strong>Tanzkunst</strong> zu erleben und selbst zu tanzen<br />
uns verbindet, herausfordert, spontan gerne<br />
glücklich macht und einfach gesund ist. ■<br />
Bertram Müller 08/07, Text basierend auf einem Interview mit John<br />
Ashford, ehemals The Place London, mit dem Titel »IDEE: Defining<br />
the Undefinable« in der Fachzeitschrift »Theater der Zeit«<br />
Jung, stark, selbstbewusst<br />
Herbsttagung des Dachverbands Tanz <strong>Deutschland</strong><br />
von Günther Rebel<br />
Mit dem Appell »Eine Stimme für den Tanz!« lud der Dachverband<br />
Tanz <strong>Deutschland</strong> (DTD) seine Mitglieder zur Herbsttagung in das<br />
tanzhaus nrw nach Düsseldorf ein. Das volle Zwei-Tage-Programm<br />
bestand aus einem umfangreichen Themenkatalog, von der sozialen<br />
Lage der Tänzer über das Kulturerbe Tanz bis hin zur kulturellen Bildung.<br />
Vorstellungen des gleichzeitig stattfindenden Festivals »Frash<br />
Tracks Europe« standen ebenso auf dem Programm wie die jährliche<br />
Mitgliederversammlung und die Neuwahl des Vorstands.<br />
Zu den Themen schreibt der DTD in seiner Zusammenfassung<br />
vom 26.10.2012 in einem Rundbrief an die Mitglieder: »Die Verbände,<br />
herausragende Institutionen und Persönlichkeiten des Tanzes<br />
diskutierten aktuelle Entwicklungen im Tanz – insbesondere<br />
im Bereich kulturelle Bildung. Hier hat der Bundesverband Tanz<br />
in Schulen (in Kooperation mit dem DTD) erfolgreich den Antrag<br />
»Chance Tanz« beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung<br />
platzieren können und wird in den nächsten fünf Jahren<br />
bis zu 6 Millionen Euro für lokale Projekte erhalten. Zugleich zeigt<br />
die äußerst erfolgreiche Petition zur weiteren Befreiung der Musik-<br />
und Tanzschulen von der Mehrwertsteuer (96.567 Stimmen),<br />
welche vom Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik (DBfT<br />
e. V.) initiiert und vom DTD weiter verbreitet wurde, die Stärke des<br />
Tanzbereichs.« Zum Erfolg der Petition muss unbedingt gesagt<br />
werden, dass neben dem DTD vielleicht nicht nur sporadisch eine<br />
Solidargemeinschaft entstanden ist, der z. B. auch der Beirat Tanz<br />
im Deutschen Kulturrat, der Musikschulverband und die Royal Academy<br />
of Dance ® angehörten.<br />
Sehr engagiert berichtete Linda Müller über das Projekt »Chance<br />
Tanz« und regte zugleich einen spontanen Gedankenaustausch über<br />
die Nachhaltigkeit von gut gemeinten, aber nicht unbedingt sinnvollen<br />
Projekten an. Zwei Wochen vor dieser Diskussion äußerte sich<br />
interessanter Weise bereits der Deutsche Bühnenverein zu diesem<br />
Thema mit folgender Pressemitteilung:<br />
Dachverband Tanz<br />
Ständige Konferenz Tanz<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
PRESSEMITTEILUNG – Köln, den 11. Oktober 2012<br />
Künstlerischer Ausschuss des Bühnenvereins kritisiert<br />
zunehmende Projektförderung im Kulturbereich<br />
Anlässlich seiner Sitzung am 9. und 10. Oktober 2012 in Köln kritisiert<br />
der künstlerische Ausschuss im Deutschen Bühnenverein,<br />
dass sich die Finanzierung von Kunst und Kultur zunehmend in die<br />
Projektförderung verlagert. Im Gegensatz zur institutionellen Förderung<br />
mangele es Projektförderungen vor allem im pädagogischen<br />
Bereich an der notwendigen Nachhaltigkeit; sie seien zudem unüberschaubar<br />
und oft unkoordiniert und bürokratisch. Auch erlaubten<br />
sie kein kontinuierliches Arbeiten. Dies zeige sich insbesondere<br />
8 Ballett Intern 5/2012
im Tanz, der institutionell als Sparte am meisten gefährdet<br />
ist. »Es ist doch absurd, dass beispielsweise gerade in Münster<br />
der Tanz als Sparte in der Diskussion steht, obwohl die<br />
pädagogische Bedeutung des Tanzes überall zunimmt«, so<br />
Holger Schultze, Vorsitzender des Künstlerischen Ausschusses<br />
und Intendant des Theaters Heidelberg. Diese Entwicklung<br />
sei widersinnig.<br />
Dennoch kann man dem Bundesverband Tanz in Schulen<br />
zu seinem Antragserfolg gratulieren! Projektkritiker weisen<br />
zwar immer auf die Schwachstellen von Projekten hin, haben<br />
aber bislang noch keine Alternativvorschläge entwickelt. Fest<br />
steht, nachhaltige Erfolge hängen nicht nur vom Geld, sondern<br />
vor allem von der Qualität einzelner Projekte ab. Nachhaltig<br />
bedeutet, in den Köpfen und Körpern der Teilnehmer<br />
einer Zielgruppe – bei diesem Projektplan sozialschwache<br />
Kinder und Jugendliche – ist etwas in Bewegung geraten und<br />
der Gestaltungsspielraum für die Zukunft wird erweitert.<br />
Da der DBfT seit 2012 eng mit dem Bundesverband<br />
Tanz in Schulen zusammen arbeitet, werden auch die im<br />
» BEruFSrEgISTEr des DBfT« eingetragenen Mitglieder,<br />
falls sie an Projekten interessiert sind, von diesem Plan profitieren.<br />
Weitere Informationen werden auf der Website des<br />
DBfT veröffentlicht, sobald der Bundesverband Tanz in Schulen<br />
die Förderrichtlinien bekannt gegeben hat.<br />
Ein weiterer Beitrag, der große Beachtung und Anerkennung<br />
fand, war das Statement Heide-Marie Härtels vom<br />
Tanzfilminstitut Bremen zum »Kulturerbe«. Mit einem unvorbereiteten<br />
Vortrag – von der Bitte um einen Bericht überrascht<br />
– trug sie Fakten und Zahlen vor, mit denen sie sehr<br />
sympathisch und bewegend die Rettungsversuche der von<br />
Vernichtung bedrohten Dokumenten (Bücher, Filme, Fotos),<br />
den Kampf um finanzielle Mittel und auch den Kampf gegen<br />
die Zeit, die den oft unzureichend gesicherten Materialien<br />
durch Zerstörung droht. Härtels Appell zur noch engeren<br />
digitalen Vernetzung der künstlerischen Einrichtungen stieß<br />
auf offene Ohren.<br />
Am Nachmittag des zweiten Tages fand die Mitgliederversammlung<br />
2012 und Neuwahl des Vorstandes statt. Den<br />
neuen Vorstand bilden Claudia Feest (Berlin), Heide-Marie<br />
Härtel (Tanzfilminstitut Bremen), Bea Kießlinger (TanzSzene<br />
Baden Württemberg), Bertram Müller (tanzhaus nrw Düsseldorf),<br />
Martin Puttke (Förderverein <strong>Tanzkunst</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
Essen/Berlin), <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> (Deutscher Berufsverband<br />
für Tanzpädagogik, Essen), Anja Schmalfuß (Sasha Waltz &<br />
Guests, Berlin), Christiane Theobald (Staatsballett Berlin) und<br />
Bettina Wagner-Bergelt (Bayerisches Staatsballett München).<br />
Die Geschäftsführung liegt weiterhin in den Händen von Michael<br />
Freundt (Berlin), der dank der Unterstützung durch das<br />
Internationale Theaterinstitut/Zentrum <strong>Deutschland</strong> sein Arbeitspensum<br />
für den DTD weiter ausbauen kann.<br />
Die kollegiale, fast familiäre Atmosphäre und der mit prallem<br />
Tanzleben gefüllte Veranstaltungsort, das tanzhaus nrw,<br />
mit seinem geschätzten Gastgeber Bertram Müller verlockte<br />
zu Bemerkungen, die DTD-Meetings auch künftig dort stattfinden<br />
zu lassen. Ein besonderer, gewollter Effekt solcher<br />
Veranstaltungen ist auch der, am Rande des Treffens Kontakte<br />
zu knüpfen, die den Stimmen für den Tanz in naher<br />
Zukunft zunehmend Gehör verschaffen. �<br />
Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> / Kulturfrühstück der FDP<br />
Düsseldorfer<br />
Kulturfrühstück der FDP<br />
»Europa als Kulturraum«<br />
von Anja Körber-Giovanelli und <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />
Wie das Interview mit Bertram Müller, der Bericht über diverse<br />
Sitzungen und Mitgliederversammlungen sowie Get-<br />
Together-Aktionen des Dachverbands Tanz <strong>Deutschland</strong> im<br />
tanzhaus nrw aufzeigen, ist dieses Tanzhaus für alle tanzkulturellen<br />
und kulturpolitischen Aktivitäten ein offenes<br />
Haus! Dies Dank der besonderen Persönlichkeit des langjährigen<br />
Gründungsdirektors Bertram Müller, der mit unermüdlicher<br />
Energie für die breite Skala des künstlerischen Tanzes<br />
aus kleinsten Anfängen dieses inzwischen rund zwölfeinhalb-<br />
Millionen-Euro Projekt nach langen Jahren im Zentrum Düsseldorfs<br />
mit Hilfe des Landes NRW realisieren konnte.<br />
Am 19. und 20. Oktober fanden dort zum wiederholten<br />
Male Vorstandssitzung und Mitgliederversammlung des Dachverbands<br />
Tanz <strong>Deutschland</strong>/DTD statt (siehe BALLETT INTERN<br />
4/2012). Am folgenden Wochenende, dem 28. Oktober, war<br />
das ›tanzhaus nrw‹ offen für eine ganz besondere kulturpolitische<br />
Veranstaltung. Die Bundestags-Fraktion der FDP, Gisela<br />
Piltz als Stellvertretende Vorsitzende dieser Fraktion und das<br />
tanzhaus nrw luden ein zu einem Kultur-Frühstück: »Europa<br />
als Kulturraum« mit Bundesaußenminister Dr. Guido<br />
Westerwelle als Keynote-Sprecher.<br />
Der Wettergott meinte es sehr gut mit dieser Veranstaltung,<br />
strahlender Sonnenschein durchflutete die repräsentativ<br />
ausgestatteten Räume an diesem »Sonn«-Tag-Morgen. Über<br />
mangelndes Interesse konnten sich weder Gisela Piltz noch<br />
Bertram Müller beklagen, und so stimmten die »Old Times Serenaders«<br />
das äußerst zahlreich erschienene Publikum auf die<br />
Ankunft des hohen Ehrengastes entsprechend ein.<br />
Äußerst pünktlich (wie selten bei Politikern) rollten um<br />
11:15 Uhr die drei Staatskarossen in den Vorhof des ›tanzhaus<br />
nrw‹ ein, und schwungvoll entstieg Westerwelle einer<br />
der Limousinen, ein Choreograph hätte den Auftakt nicht<br />
besser inszenieren können. »Europa als Kulturraum« – Wester-<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> trifft Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle beim Kulturfrühstück<br />
der FDP im »tanzhaus nrw« (Foto: Claudia Herms)<br />
Ballett Intern 5/2012 9
Kulturfrühstück der FDP mit Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle<br />
welle referierte über den aktuellen Kulturwandel im Kontext<br />
zur globalen Weltentwicklung und den damit verbundenen<br />
Herausforderungen, die nationale und kulturelle Identität zu<br />
bewahren. Denn durch das Internet und die präsente Medienlandschaft<br />
rückten die Kulturen Europas, ja der ganzen<br />
Welt mehr und mehr zusammen. Um diesem fortschreitenden<br />
Prozess auch im Sinne der Identitätsbewahrung soweit<br />
wie möglich Rechnung zu tragen, wäre es wichtig, Europa als<br />
eine gemeinsame Schicksals- und Kulturgemeinschaft zu betrachten.<br />
So betonte er, dass <strong>Deutschland</strong> zwar in Europa groß<br />
dasteht, aber in Relation zur globalen Welt doch eher klein<br />
wirke. Westerwelle sieht die Essenz der europäischen Kultur<br />
als eine Kultur der Freischaffenden und der Persönlichkeitsentwicklung,<br />
die für ihn vor den materiellen Werten stehen. In<br />
seinen Augen sind wir sozusagen die Opposition zu den Ländern,<br />
die sich durch die Konsumflatrate vom Entwicklungsland<br />
zur Wirtschaftsmacht entwickelt haben, wie z. B. China oder<br />
Indien, wo weniger oder gar nicht Freiheit und Selbstentfal-<br />
Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle im Gespräch mit dem Initiator<br />
des »tanzhauses nrw« Bertram Müller (Foto: Claudia Herms)<br />
tung gefördert wird, wo die monetäre vor der persönlichen<br />
Entwicklung stehe. Westerwelle kam ins Schwärmen, als er<br />
über die intellektuelle Vielfalt <strong>Deutschland</strong>s sprach, welche<br />
phantastischen Möglichkeiten unserer Sprache, geprägt durch<br />
Goethe und Schiller, uns zum Ausdruck künstlerischen Schaffens<br />
zur Verfügung stehen.<br />
Denn wer von Bildung spricht, darf über Kultur nicht<br />
schweigen, denn ohne Kultur sehe er eine angemessene Lebensqualität<br />
in unserem Lande nicht! Kultur sei für unsere<br />
Städte ein unverzichtbarer Bestandteil des Lebens! Es würde<br />
so viel von »Daseins-Fürsorge« in der Politik gesprochen, aber<br />
dies nur in Bezug auf Autobahnen, Straßenverkehr, Flughäfen<br />
und ähnlichem, doch die kulturell so bedeutende, reiche Theaterlandschaft<br />
<strong>Deutschland</strong>s wird nicht erwähnt! Sein Wort<br />
in die Ohren der an der Theater- und Tanz-Kultur sparenden<br />
Stadt-Kämmerer, sei es aktuell wieder in Hamburg, Hagen<br />
oder in Düsseldorf! Aber Kultur ist eben bedauerlicherweise<br />
immer noch keine Pflichtaufgabe als »Daseins-Fürsorge« –<br />
nur bescheidene 1,9´% des Bundeshaushalts sind der Kultur<br />
gewidmet! Hier wiederholte Westerwelle Angela Merkels<br />
Ausspruch: »Ausgaben für Kultur sind keine Subventionen,<br />
sondern Investitionen in die Lebensqualität und in die<br />
Zukunft!«<br />
Westerwelle sieht jedoch auch positive Seiten der heutigen<br />
Zeit: <strong>Deutschland</strong> ist das einzige Land in Europa, das den Kulturhaushalt<br />
nicht gestrichen, sondern sogar erhöht hat! Auch<br />
wurde die Künstlersozialversicherung/KSK stabilisiert, soziale<br />
Verbesserungen durch sozusagen kämpferischen Einsatz gegen<br />
das Finanzministerium durchgesetzt (wie auch die erfolgreiche<br />
Petition gegen die MWSt.-Erhöhung für künstlerischen<br />
Unterricht sowie für Choreographen, siehe BALLETT INTERN<br />
4/2012, Seiten 7 und 8 – Anm. der Red.).<br />
Nun läge ja die Kultur in unserem föderalistischen Staat in<br />
der Kultur-Hoheit der Länder, doch ist die Kultur im internationalen<br />
Feld Sache des Bundesaußenministeriums, u. a. auch<br />
durch das allen bekannte international wirkende Goethe-Institut.<br />
(Bedauerlicherweise zeigten vorhergehende Außenminister,<br />
wie z. B. Joschka Fischer, hier in kultureller Hinsicht kein zu<br />
großes Interesse. – Anm. der Redaktion). Heute hat sich diese<br />
föderalistische Situation jedoch etwas entschärft, bei allen<br />
Bundesländern wird die Mitarbeit des Bundes bei kulturellen<br />
Themen zum großen Teil inzwischen akzeptiert. So war es äußert<br />
interessant und wichtig, einmal diese Aussagen unseres<br />
Bundesaußenministers in Sachen »Europa als Kulturraum«<br />
zu erleben.<br />
Nach herzlichem, dankbarem Applaus für seine ausführlichen,<br />
interessanten und erfreulicherweise von keinerlei Partei-<br />
Politischen Bemerkungen getrübten Ausführungen eröffneten<br />
Gisela Piltz und Bertram Müller die anschließenden, äußerst<br />
interessanten und lebendigen, vielen kulturellen und kulturpolitischen<br />
Themen gewidmeten Diskussionen in einer brillanten<br />
Experten-Runde. Um 13.00 Uhr verabschiedete sich Guido<br />
Westerwelle, der sich erstaunlicherweise die Zeit hatte nehmen<br />
können, dieser Veranstaltung bis zum Abschluss beizuwohnen,<br />
nach einigen Autogrammen und Pressefotos rollte<br />
die Politiker-Karawane zum nächsten Termin. ■<br />
Kulturstaatsminister Bernd Neumann:<br />
Erleichterung im Jahressteuergesetz<br />
2013 bedeutet für Bühnenregisseure und<br />
Choreographen existenziell wichtige Regelung<br />
Die Bundesregierung hat heute den Entwurf des Jahressteuergesetzes<br />
2013 beschlossen. Darin ist eine Erleichterung<br />
für selbständig tätige Regisseure und Choreographen enthalten.<br />
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Umsätze von Bühnenregisseuren<br />
und Bühnenchoreographen an Theatern der öffentlichen<br />
Hand und gleichartigen Einrichtungen steuerfrei<br />
sind, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass<br />
deren künstlerische Leistungen diesen Einrichtungen unmittelbar<br />
dienen. Dies war zuvor von den Gerichten und den<br />
Finanzverwaltungen unterschiedlich gehandhabt worden,<br />
teilweise waren die Umsätze steuerbefreit, teilweise ermäßigt<br />
und teilweise war der volle Steuersatz von 19 Prozent<br />
erhoben worden.<br />
Kulturstaatsminister Bernd Neumann betonte: »Ich bin<br />
froh, dass es mir gelungen ist, diese zwar kleine, aber kul-<br />
10 Ballett Intern 5/2012
575.000 Euro<br />
Bundesförderung für<br />
»Initiative Tanz«<br />
von Karin Schmidt-Feister<br />
Der Kultur-Etat steigt 2013 um rund 8 % auf 1,28 Milliarden<br />
Euro. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) spricht von<br />
einem »Glückstag« für die Kultur mit Signalwirkung an die<br />
Länder, auch in finanziell schwierigen Zeiten nicht an Kultur<br />
zu sparen.<br />
Davon profitieren unter anderem das Denkmalsonderprogramm<br />
(31 Mio.), sie Stiftung Klassik Weimar (9,84 Mio.)<br />
sowie Förderung nationale Kultureinrichtungen in Ostdeutschland<br />
(4 Mio.), Sanierung Haus der Kulturen der Welt<br />
Berlin (10 Mio.), Erhöhung der Filmförderung um 10 Mio. auf<br />
70 Mio. sowie Förderprogramm zur Digitalisierung kleinerer<br />
Kinos und die Barenboim-Said Akademie in Berlin. Die Kulturstiftung<br />
des Bundes wird mit zusätzlichen knapp 5 Mio. Euro<br />
in die Lage versetzt, mehr innovative Projekte bundesweit zu<br />
fördern. Dies stärkt auch den Fonds Darstellende Künste mit<br />
600.000 Euro und somit die freie Theater- und Tanzszene in<br />
ganz <strong>Deutschland</strong>.<br />
Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat<br />
in seiner Sitzung (8.11.2012) erstmals erhebliche Mittel für<br />
die Spitzenförderung von Tanzprojekten aus <strong>Deutschland</strong><br />
freigegeben. Wie der Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> (DTD)<br />
auf einer Pressekonferenz in Berlin mitteilte, wird die »Initiative<br />
Tanz« im Jahr 2013 mit insgesamt 575.000 Euro aus dem<br />
Etat des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und<br />
Medien (BKM) unterstützt.<br />
Der Dachverband hatte dem Bund in seinem Konzept für<br />
die »Initiative Tanz« vorgeschlagen, durch eine Erhöhung<br />
des Haushalts des BKM ein neues Förderprogramm für den<br />
turpolitisch wichtige Regelung in den Gesetzentwurf einzubringen.<br />
Für die Betroffenen ist diese Frage der Umsatzbesteuerung<br />
teilweise existenziell. Die unsichere Situation, die<br />
bislang aufgrund von Abweichungen zwischen Theorie und<br />
Praxis bestand, ist nun zugunsten der Kreativen beendet.<br />
Mir ist bewusst, dass Betroffene laufender Verfahren von<br />
dieser Neuregelung nur sehr eingeschränkt profitieren. Für<br />
die Zukunft ist indes Klarheit geschaffen. Mit der Regelung<br />
tragen wir dem immensen Stellenwert von Regie- und Choreographieleistungen<br />
für Theater, Musik- und Tanztheater<br />
Rechnung, ungeachtet, ob sie in selbständiger oder abhängiger<br />
Tätigkeit erfolgen. Dies entspricht dem Geist der<br />
europarechtlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung. Wir<br />
rücken damit endlich von der veralteten Abgrenzung zwischen<br />
Akteuren auf der Bühne und Akteuren hinter der Bühne<br />
ab, die fachlich schon lange nicht mehr vertretbar war.«<br />
Der Bundesfinanzhof hatte im Mai 2011 entschieden,<br />
dass die Leistungen von Regisseuren an öffentlichen Theatern<br />
nicht steuerbefreit sind.<br />
Die neue Regelung wird voraussichtlich zum 1.1.2013 in<br />
Kraft treten. (aus »die bühnengenossenschaft«, 8-9/2012)<br />
Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong><br />
Ständige Konferenz Tanz<br />
Tanz aufzubauen, um Mittel der Länder und Kommunen<br />
sowie von Ko-Produzenten und Sponsoren zu bündeln. Die<br />
Förderung der freien Ensembles und herausragender Produktionen<br />
für den internationalen Wettbewerb bleibe ein drängendes<br />
Thema, so der DTD, der sich bereits seit 2010 auf<br />
Bundesebene für ein derartiges Programm einsetzt. Michael<br />
Freundt (Geschäftsführer DTD) betonte: »Unser Konzept,<br />
dass wir in den letzten Monaten intensiv mit der Politik diskutiert<br />
haben, zielt darauf, mehr Mittel der Länder und Kommunen,<br />
auch von Koproduzenten und Stiftungen durch die<br />
Bundesmittel zu bündeln und so größere (wieder mehr Ensemble-<br />
als Solo produktionen) auf den Weg zu bringen und<br />
längere, fair honorierte Gastspiele zu realisieren. Dies würde<br />
auch die soziale Lage der Beteiligten stabilisieren helfen.«<br />
Rüdiger Kruse (MdB, CDU), Berichterstatter für Kultur und<br />
Medien im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages,<br />
sagte zur nun erfolgten Freigabe der Haushaltsmittel: »Ich<br />
freue mich, dass es uns gelungen ist, mit der ›Initiative Tanz‹<br />
ein innovatives Fördermodell auf den Weg zu bringen, das<br />
für den Tanz in <strong>Deutschland</strong> mehr Kontinuität in der künstlerischen<br />
Arbeit und größere internationale Ausstrahlung<br />
sichert.«<br />
Der Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> (DTD) arbeitet seit<br />
2006 als offizielle, bundesweite Plattform des künstlerischen<br />
Tanzes in <strong>Deutschland</strong>. Gegründet aus dem Bewusstsein<br />
der Akteure, dass der Tanz in der politischen<br />
Landschaft der Bundesrepublik mit einer Stimme sprechen<br />
muss, funktioniert der Dachverband Tanz heute als Verbund<br />
der herausragenden Verbände und Institutionen<br />
für den Tanz. Er erarbeitet Positionspapiere und Konzeptionen<br />
für die Förderung des Tanzes in <strong>Deutschland</strong>, realisiert<br />
Kampagnen und Initiativen und setzt diese, begleitet<br />
durch intensive Lobbyarbeit, in seinen Projekten um.<br />
Nach dem Auslaufen der Nationalen Performance Netz<br />
(NPN)-Koproduktionsförderung Ende 2010 als ein wichtiges<br />
Förderinstrument, das aus Mitteln des Tanzplan <strong>Deutschland</strong><br />
der Kulturstiftung des Bundes die Lücke zwischen den Aktivitäten<br />
des Fonds Darstellende Künste und der Allgemeinen<br />
Projektförderung der Kulturstiftung des Bundes im Bereich<br />
Tanz und Performance schließen konnte, setzen sich NPN<br />
und Dachverband Tanz weiterhin für eine dauerhafte Etablierung<br />
dieser international einzigartigen Förderstruktur im<br />
Etat des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und<br />
Medien ein. Das 2013 beginnende Fördermodell »Initiative<br />
Tanz« ist dazu ein wichtiger Schritt.<br />
Das neue, längerfristig konzipierte Fördermodell »Initiative<br />
Tanz« ist offen für freischaffende Künstler und Stadttheater.<br />
Bis Ende November werden die Ausschreibungskriterien<br />
konkretisiert. Zu erwarten sind eine Vielzahl von Bewerbungen,<br />
da ein hoher Anteil der Kosten nun vom Bund getragen<br />
werden kann, die freien Compagnien und Ensembles in den<br />
Kommunen könnten flexibler werden, da sie nicht mehr in so<br />
hohe Vorleistungen gehen müssen und durch eine effizientere<br />
Ko-Finanzierung gesicherte Produktionszeiträume möglich<br />
werden. ■<br />
Weitere Informationen unter:<br />
www.dachverband-tanz.de<br />
Ballett Intern 5/2012 11
Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong><br />
Ständige Konferenz Tanz<br />
Tanz im Dialog<br />
mit der Politik<br />
von Michael Freundt<br />
Politischer Dialog – ein Exkurs<br />
in die kurze Geschichte<br />
des Dachverbandes<br />
Der Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong><br />
kann auf gut acht Jahre ernsthaften Wirkens für die Tanzszene<br />
in <strong>Deutschland</strong> blicken. Erstmalig trafen sich Tanzverbände<br />
im Oktober 2004 am Rande der Internationalen Tanzmesse<br />
NRW in Düsseldorf und verstanden sich forthin als Ständige<br />
Konferenz Tanz. In diesem unverbindlichen Arbeitskreis bestand<br />
bald die Auffassung, dass man sich eine verbindliche<br />
Form geben sollte. Die Arbeit an einer Satzung begann schon<br />
2005 und mündete am 12./13. März in die offizielle Vereinsgründung.<br />
Seit dieser Zeit bis heute hat sich der Verband aktiver<br />
Interessensvertreter für den Tanz verstanden, wissend,<br />
dass andere »Tänzer auf dem kulturpolitischen Parkett« unterwegs<br />
sind. Aber es geht nicht darum, Gegenspieler zu<br />
sein, sondern verschiedene Interessen zu verbinden; auch<br />
mit anderen Interessensgruppen zu kooperieren. Insofern<br />
haben wir seither aktiv mit dem Bundesverband Freier Theater<br />
kooperiert, dem Rat für Darstellende Künste und Tanz<br />
(und seinem Beirat Tanz) mehrfach die Kooperation angeboten<br />
und einen allgemeinen Austausch gepflegt sowie mit<br />
dem Tanzplan <strong>Deutschland</strong> schließlich immer besser auch an<br />
konkreten Projekten gearbeitet. Und im Lichte des Tanzplans<br />
<strong>Deutschland</strong> (2006–2010) sichtbar zu werden, dies war nicht<br />
einfach.<br />
Im Jahr 2009 wurden umfangreiche Satzungsänderungen<br />
verabschiedet, die sowohl eine Erweiterung der Mitgliedschaft<br />
ermöglichten sowie die Namenänderung vollzogen.<br />
Mit dem Namen Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong>, auch<br />
wenn dies manchen »teutonisch« anmuten mag (Zitat Norbert<br />
Lammert), kommunizieren wir auch im Titel, was wir<br />
sein wollen und wie wir agieren.<br />
Über die Jahre haben wir vor allem in stetem Bemühen<br />
eine Verständigung in der Tanzszene aufgebaut, eine Kultur<br />
des Dialogs ist entstanden. Ich persönlich sehe da einen großen<br />
Unterschied zur Vergangenheit. Der Dachverband will<br />
übergreifend über ästhetische Richtungen, Produktionsweisen<br />
sowie regionale und berufsspezifische Interessen für den<br />
Tanz wirken. Und er hat zahlreiche Themen identifiziert, auf<br />
die sich Akteure im Dachverband geeinigt haben. Ob sich die<br />
Akteure in der Tanzszene durch den Dachverband vertreten<br />
fühlen, ist vor allem eine Frage, ob der Dachverband auch in<br />
ihrem Sinne wirkt.<br />
Neben den ersten Runden Tischen, öffentlichen Foren,<br />
Kampagnen und kleineren Projekten wurde der Politische<br />
Dialog aufgebaut. Schon bald wurde der Kontakt zum Referat<br />
K22 beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur<br />
und Medien (BKM) aufgenommen, Gespräche mit Politikern<br />
auf Bundesebene und auf der Ebene der Länder folgten.<br />
Ein wirklicher Wandel trat in 2010 ein, als der Dialog mit<br />
dem Haus des BKM neue Belebung erfuhr, erste Projekte<br />
unterstützt wurden und Gespräche mit fast allen Parteien<br />
im Deutschen Bundestag begannen. Ende Mai 2011 empfing<br />
Kulturstaatsminister Bernd Neumann den Vorstand des<br />
Dachverbands im Bundeskanzleramt, im Juli 2012 hatten wir<br />
die Ehre, gemeinsam mit Staatsminister Neumann, zu einem<br />
Empfang für den Tanz einzuladen. Rund 50 wichtige Akteure<br />
für den Tanz in <strong>Deutschland</strong> verbanden ihre vielfältigen Themen<br />
in einem anregenden, ja beflügelnden Austausch.<br />
Mit dem Jahr 2013 beginnt eine langfristig geplante Förderung<br />
des Dachverbandes als einer bundesweiten Infrastruktur<br />
für den Tanz durch den BKM. Und schließlich wird<br />
auf Betreiben des Dachverbandes die »Initiative Tanz«, ein<br />
mehrjähriges Förderprogramm, durch den Bund 2013 mit bis<br />
zu 575.000 Euro gefördert. Auf dieser Basis soll die Arbeit<br />
weiter gehen!<br />
Was haben wir bei unseren Themen erreicht?<br />
In der Gründungphase 2006 haben wir die »10 Handlungsmaxime<br />
für den Tanz« erarbeitet – ein grundlegendes Papier.<br />
Prioritäten und praktische Schritte blieben zu erarbeiten. In<br />
den letzten Jahren haben wir mit dem BKM vier Kernpunkte<br />
fokussiert: Soziale Lage, Förderung, Vernetzung, kulturelles<br />
Erbe. Die weiteren Themenfelder nehmen wir schrittweise in<br />
den Blick.<br />
Thema Soziale Lage der Tanzschaffenden: Hier hat sich<br />
die Stiftung TANZ aus dem Dachverband heraus etabliert, die<br />
das zentrale Thema Transition bearbeitet. Erst jüngst haben<br />
sich mehrere Bundesländer auf eine gemeinsame Förderung<br />
der Geschäftsstelle der Stiftung geeinigt, der Stiftungsstock<br />
ist im Aufbau. Der Dachverband begleitet diese Arbeit, wo<br />
gewünscht. Zentrale Frage bleibt jedoch die Anerkennung<br />
des beruflichen Status‘ der Tänzer und Tanzpädagogen.<br />
Thema Förderung: Die aktuelle Förderung für die »Initiative<br />
Tanz« sehe ich vor allem als Signal für unsere Gespräche<br />
mit den Ländern, zu einer wirklichen Systematik in<br />
der Tanzförderung zu kommen. Der im Konzept »Bund-Länder-Initiativ<br />
Tanz« beschriebene Angang bringt strukturiert<br />
alle Player in der Tanzförderung zusammen und versucht, ein<br />
langfristiges rahmenkonzept für die Tanzförderung zu<br />
etablieren, das sich an den Bedürfnissen der Kunst orientiert.<br />
Ausgangspunkt sind hier die Papiere, die durch die Arbeitsgruppe<br />
Künstlerförderung (Bea Kießlinger, Bertram Müller,<br />
Christiane Theobald) erarbeitet wurden. Engmaschige Koordination,<br />
eine übergreifende Architektur der Tanzförderung<br />
sind hier die Stichworte sowie eine enge Abstimmung mit<br />
dem Bund, die auch auf Bundesebene zu einem langfristigen<br />
Engagement führen soll. Denn das Interesse auf Bundesebene,<br />
mehr für den Tanz zu tun, wird immer wieder signalisiert,<br />
die Initiative muss aber von den Ländern ausgehen. Und als<br />
Initiator und Impulsgeber ist der Dachverband gefragt. So<br />
sollten wir vorangehen und einen Arbeitskreis etablieren, der<br />
alle Ebenen (von den Kommunen bis zum Bund) einbezieht<br />
und Arbeitsprozesse auf den verschiedenen Ebenen strukturieren.<br />
Eine langfristige Arbeit, bei welcher der Tanzkongress<br />
2013 und die Tanzplattform 2014 als Meilensteine auf dem<br />
Weg dienen können.<br />
12 Ballett Intern 5/2012
Thema Vernetzung des Tanzbereichs: Noch 2009/10<br />
schienen die Stichworte »Nationales Tanzbüro« oder »Deutsches<br />
Informationszentrum Tanz« die erfolgversprechenden<br />
Konzepte, um für die bundesweite Arbeit für den Tanz auch<br />
mit Förderung Anerkennung zu finden. Aber es gab immer<br />
im Verband Stimmen, die für die Etablierung einer Geschäftsstelle<br />
als den richtigen Schritt plädierten. Inhaltlich war<br />
weitgehend dasselbe gemeint. Die Frage blieb, mit welchen<br />
Ideen wir Länder und Bund als Förderer gewinnen können.<br />
Durch die Entscheidung des BKM, den Dachverband aus seinem<br />
Etat so zu fördern, dass er arbeitsfähig wird und für den<br />
Tanz in <strong>Deutschland</strong> wirken kann, hat diese Thematik eine<br />
erste Klärung erfahren.<br />
Die notwendigen Aufgaben in der Vernetzung der regionalen<br />
Akteure nehmen wir in unseren Projekten auf, insbesondere<br />
haben wir hierzu die Projektlinie »InfoPlus«, in<br />
der die regionalen Tanzbüros, Informationsstellen<br />
und Ansprechpartner für den Tanz gestärkt werden<br />
sollen, etabliert: Erste Treffen haben 2012 begonnen, für<br />
2013 sind weitere geplant. Begleitet wird diese Arbeit von<br />
der redaktionellen Arbeit an übergreifenden Informationen<br />
dazu. Die Projektleitung liegt bei Bea Kießlinger.<br />
Schließlich dient aber unser Rechercheprojekt »Reichweite<br />
des Tanzes in die Gesellschaft«, das wir 2012 begonnen<br />
haben, auch zu einer Verständigung über alle Bereiche von<br />
der Ausbildung über die kulturelle Bildung zu einem gemeinsamen<br />
Sammeln von Erkenntnissen und Argumenten für den<br />
Tanz. Also auch das eine Form der – inhaltlichen – Vernetzung.<br />
Thema Kulturelles Erbe: Dass der Tanz in <strong>Deutschland</strong>,<br />
dass seine Archive über einen reichen Schatz des kulturellen<br />
Erbes verfügt, darüber besteht kein Zweifel. Dass es hier eine<br />
nationale Aufgabe der Bewahrung und Sichtbarmachung<br />
gibt, hat der BKM erkannt. Die Kulturstiftung des Bundes<br />
und der BKM haben sich für erste Schritte einer Bestandsaufnahme<br />
und Analyse von Datenbanken und weiteren Arbeitsschritten<br />
engagiert, diese mit insgesamt 80.000 € (über die<br />
Akademie der Künste und den Dachverband) gefördert. Das<br />
voraussichtliche Volumen der Kosten für ein Erhaltungs- und<br />
Digitalisierungsprojekt belaufen sich auf über 8 Millionen<br />
Euro. Jetzt steht ein Antrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
auf der Tagesordnung, auch die KSB hat ihre<br />
Unterstützung signalisiert. Die weiteren Schritte müssen über<br />
den Verbund der Tanzarchive, dessen fünf Archive alle Mitglieder<br />
im Dachverband sind, strukturiert werden. Der Dachverband<br />
begreift dies als wichtiges Arbeitsfeld und sollte<br />
auch als Antragsteller/Projektträger neben der Akademie der<br />
Künste bereit stehen.<br />
Thema Aus- und Weiterbildung: In den letzten Jahren<br />
haben wir mit Tanzplan <strong>Deutschland</strong> eine Studie zu den Arbeitsfeldern<br />
in der Tanzpädagogik realisiert. Die Studie liegt<br />
vor, sie ist im kleinen Kreis diskutiert; wie wir damit weiter<br />
verfahren, ist noch offen. Eine Expertenrunde ist geplant,<br />
wann sie aber stattfinden kann, ebenfalls noch offen. Dass<br />
die Hochschulen (z. B. über die Ausbildungskonferenz Tanz)<br />
enger in den Dachverband eingebunden werden, ist sehr gewünscht,<br />
aber noch nicht konkret realisiert.<br />
Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong><br />
Ständige Konferenz Tanz<br />
Thema Kulturelle Bildung: Zentrales Thema war hier<br />
die Antragstellung beim Programm des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung »Kultur macht stark!«. Nach einiger<br />
Diskussion im Vorstand wurde entschieden, dass der<br />
Bundesverband »Tanz in Schulen« in Kooperation mit dem<br />
Dachverband sein Konzept »ChanceTanz« als Antrag stellen<br />
soll. Der Antrag war sehr erfolgreich, nun geht es für den<br />
Bundesverband »Tanz in Schulen« darum, das Projekt in den<br />
nächsten Jahren zu realisieren, für den Dachverband darum,<br />
die Kooperation auszugestalten. Tanz für und mit Kindern<br />
und Jugendlichen bleibt ein Arbeitsthema.<br />
Thema Tanz und mediale Öffentlichkeit: Wir arbeiten<br />
an ersten Visualisierungen zur Tanzentwicklung und zu Strukturen,<br />
Künstlern, Produktionsorten im Tanz. Diese Landkarten<br />
und Grafiken lösen Fragen aus, wecken Interesse. Anfang<br />
2013 werden wir dies als kleine Publikation vorlegen können.<br />
Mit ersten Pressemitteilungen und Pressegesprächen bauen<br />
wir einen langfristigen Kontakt zur Presse auf, um unsere<br />
Themen zu kommunizieren. Die Tanzkritik als solche zu<br />
qualifizieren, Tanz wieder stärker in die mediale Öffentlichkeit<br />
zu bringen, bleibt ein eigenes Thema. Immer wieder gab es<br />
Überlegungen zu einem Symposium auf diesem Feld.<br />
Der Dachverband hat eine Kooperation mit tanznet.de<br />
gestartet, regelmäßig erreichen die Newsletter von Dachverband<br />
und tanznetz.de nun 15.000 bis 20.000 Empfänger.<br />
Der Relaunch der Website www.dachverband-tanz.de ist<br />
für Anfang 2013 geplant, die englische Version soll Mitte Februar<br />
2013 folgen.<br />
Von immer mehr Tanzkünstlern, Tanzschulen, Tanzorten<br />
wird der Welttanztag (29. April) als Aktionstag für den<br />
Tanz genutzt. Seit drei Jahren unterstützen wir auch die Initiativen<br />
unseres Mitglieds dance and the Child international,<br />
in Berlin haben verschiedene Aktionen mit Kindern und<br />
Jugendlichen stattgefunden. Der Rat für Darstellende Künste<br />
(im Deutschen Kulturrat) hat sich auf eine Deutsche Tanzwoche<br />
um diesen Termin herum verständigt. Was aber immer<br />
noch fehlt, ist, die vielfältigen Aktionen – vom lokalen Ereignis<br />
bis zum internationalen Event – in eine gemeinsame Sichtbarkeit<br />
zu bringen. Hier hat die Geschäftsstelle Kontakt für Medienpartnerschaften<br />
zur Zeitschrift »tanz« und zu tanznetz.de<br />
aufgenommen und arbeitet an einer visuellen Präsenz dieser<br />
vielfältigen Aktionen. Auch eine Werbekampagne u. a. wäre<br />
denkbar, muss aber eher langfristig entwickelt werden.<br />
Zu überlegen wäre für den Welttanztag 2014 ein<br />
Thema wie z. B. »Inklusion« anzugehen. Das setzt einen<br />
konkreten Akzent und liefert auch den Ansatz, um mit anderen<br />
Verbänden (z. B. aus dem Rat für Darstellende Künste<br />
und Tanz) zusammenzuarbeiten.<br />
Thema Tanz und Wissenschaft: Im Rechercheprojekt<br />
»Reichweite des Tanzes in die Gesellschaft« arbeiten wir derzeit<br />
mit einer Tanzwissenschaftlerin an einer konkreten Übersicht<br />
zu den aktuellen Themen in der Tanzwissenschaft und<br />
wollen davon ausgehend Kontakte zu den Akteurinnen in<br />
der Wissenschaft anbahnen. Ziel kann es sein, langfristig gemeinsame<br />
Forschungsprojekte zur »reichweite« auf<br />
den Weg zu bringen. ■<br />
Ballett Intern 5/2012 13
»Sieh’ mal an …« – Die Kolumne von Ralf Stabel<br />
HEUTE: Preiset!<br />
von Ralf Stabel<br />
Wer es in unserem Land im Tanz zu<br />
etwas gebracht hat, kann mitunter<br />
mit einer angemessenen Auszeichnung<br />
rechnen. Allen voran gibt es<br />
den »Deutschen Tanzpreis«, aber<br />
auch den »Faust«, es wird der Titel<br />
»Kammertänzer« verliehen –<br />
zumindest in Berlin – und sogar<br />
das Bundesverdienstkreuz. Für die<br />
Tanzwissenschaft gab es bereits<br />
den »Leibniz-Preis« und regelmäßig<br />
werden der »Tanzwissenschaftspreis«<br />
und der »Kurt-Jooss-Preis« vergeben. So mancher Tänzer<br />
aus <strong>Deutschland</strong> ist auch im Ausland zum Weltbesten mit<br />
dem »Prix Benois de la Danse« gekürt worden. Es gibt auch diverse<br />
Landes- und Städteverdienstorden, Honorarprofessuren<br />
und Ehrendoktorwürden und unsensiblen Unsinn wie den Titel<br />
»Jahrtausendtänzer«. Zu allen fallen uns Namen ein. Meist<br />
die der ganz Großen. Es ist fraglos ebenso gut wie richtig für<br />
die Anerkennung unserer Kunst, wenn diejenigen, die etwas<br />
geschafft und für den Tanz etwas geschaffen haben, an dieser<br />
Stelle ihrer Karriere gewürdigt werden!<br />
Doch wie sieht es eigentlich an einer anderen Stelle der<br />
Karriere mit der Förderung aus: am Beginn? Denn im Tanz<br />
braucht eine für unsere Ausbildungs- und Studienlandschaft<br />
ganz untypische Gruppe Anerkennung: Kinder, Jugendliche<br />
und junge Erwachsene aus der ganzen Welt.<br />
Für Schüler gibt es die Möglichkeit des Schüler-Bafögs bereits<br />
ab der Jahrgangsstufe 10, das meist nicht zurückgezahlt<br />
werden muss! Studierende erhalten Studenten-Bafög, das zur<br />
Hälfte als Darlehen bewilligt wird, dessen Rückzahlung aber<br />
mit guten Leistungen minimiert und bei fehlender Einkommenssituation<br />
ausgesetzt werden kann. Für die Finanzierung<br />
des Übergangs in den zweiten Berufsweg bietet sich ein Meister-Bafög<br />
an, überwiegend als Darlehen vergeben. Auch ausländische<br />
Schülerinnen und Studierende können über dieses<br />
Instrumentarium gefördert werden. Insbesondere, wenn sie<br />
EU-Bürger sind bzw. sich nach anderen geltenden rechtlichen<br />
Regelungen hier aufhalten. (Genaueres regelt § 8 des Bafög.)<br />
Auch die Studienkredite der KfW-Bank werden (ebenso über<br />
andere Bankinstitute) zu besonders günstigen Zinskonditionen<br />
nach eben solchen Kriterien vergeben.<br />
Neben dieser staatlichen und staatlich geförderten Ausbildungsunterstützung<br />
gibt es auch privates und bürgerschaftliches<br />
Engagement, das meist über Stiftungen Stipendien<br />
an begabte Nachwuchstalente vergibt. Eine – mir nicht bekannte<br />
– Auflistung dieser engagierten Helfer würde sicher<br />
mit Begeisterung in der Welt der Tanzausbildung aufgenommen<br />
werden. Denn im Gegensatz zur etablierten Förderung<br />
von z. B. Bildender Künstler, ist es schon besonders,<br />
etwas zu fördern, was man nicht mit nach Hause nehmen,<br />
behalten und später gegebenenfalls wieder veräußern kann.<br />
Denn all das geht mit einer heranwachsenden Ballerina nicht.<br />
Wer im Rahmen seiner Möglichkeiten die Gelegenheit hat, da-<br />
rüber mitzuentscheiden, ob es nicht auch einmal ein/e Tanzschüler/in<br />
sein könnte, der/dem das nächste Stipendium zuteil<br />
wird, den bitte ich ernsthaft, dies zu tun. Mir persönlich sind<br />
z. B. die Proskenion-Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung<br />
und die Alfred-Töpfer-Stiftung F. V. S., die Heinz-Bosl-Stiftung,<br />
die Tanzstiftung Birgit Keil und die Bundeskulturstiftung mit<br />
dem »Tanzplan <strong>Deutschland</strong>« bekannt, die sich bereits um<br />
den tänzerischen Nachwuchs gekümmert haben und kümmern.<br />
Ich kann an dieser Stelle nur hoffen, dass bei der<br />
BALLETT-INTERN-Redaktion eine Vielzahl von Zuschriften mit<br />
den Hinweisen auf Preise und Stipendien für junge Tanzstudierende<br />
eingehen, die diese dann hier veröffentlichen kann.<br />
Nun hatte die Bundesbildungsministerin eine gute Idee, bürgerschaftliches<br />
Engagement weiter zu aktivieren, mit der Installierung<br />
des <strong>Deutschland</strong>-Stipendiums. Aber leider scheint<br />
dies ein Instrument zu sein, das sich nicht »spielen« lässt und<br />
damit wertlos ist. Und das ist sehr ärgerlich, weil es so notwendig<br />
wäre. Die Idee ist so einfach wie gut: Das <strong>Deutschland</strong>-Stipendium<br />
beträgt 300 € monatlich. 150 € von einem<br />
privaten Geldgeber werden mit weiteren 150 € aus dem Haushalt<br />
des Bundes aufgestockt. Zur Verfügung stehen immerhin<br />
sage und schreibe: 36,6 Millionen €! Aber leider kann dieses<br />
Stipendium nur an Studierende, nicht an Schüler vergeben<br />
werden. Damit bleiben z. B. die Ballettschüler, die ihre Ausbildung<br />
im Rahmen einer Berufsfachschule absolvieren, leider<br />
außen vor. Aber auch für die Studierenden sieht es eigenartig<br />
aus: Von den 388 Hochschulen des Landes beteiligen sich<br />
nur 263. Und von diesen wiederum schaffen es nur 104, die<br />
angestrebte Förderquote von 1 % auszuschöpfen. Ab 1. August<br />
2012 soll sie bei 1,5 % liegen. So erhalten in diesem Jahr<br />
lediglich 11.000 Studierende das Stipendium. Das sind aber<br />
Ausgaben von »nur« 17 Mio €. Mehr als die Hälfte wird nicht<br />
genutzt – in diesem Jahr. Im vergangen Jahr betrug die Zahl<br />
der Stipendiaten gerade einmal die Hälfte dieses Jahres. Da<br />
wurden also Dreiviertel des Geldes nicht ausgegeben.<br />
Und leider ist es so, dass es keine Ausgleichsmöglichkeiten<br />
gibt. So erlebe ich den Fall, dass es in Berlin für die Fachrichtung<br />
Bühnentanz durchaus private Förderer gibt, die Fördergrenze<br />
von 1 % aber bereits erreicht ist und das <strong>Deutschland</strong>-<br />
Stipendium in diesen Fällen nicht gewährt werden kann. So<br />
greift diese gute kluge Regelung aus diesen zwei Gründen<br />
nicht: Schüler werden nicht gefördert, und wenn die Förderhöchstquote<br />
einer kleinen künstlerischen Hochschule erreicht<br />
ist, kann man sich keine Stipendien von Universitäten »borgen«,<br />
auch wenn diese ihre Kontingente bei weitem nicht<br />
ausschöpfen.<br />
Das ist besonders schade vor dem Hintergrund, dass die<br />
Krise in Europa in der Tanzausbildung in <strong>Deutschland</strong> durchaus<br />
angekommen ist. Kaum eine andere Studienrichtung ist so<br />
international wie der Tanz; in kaum einer anderen sind die Studierenden<br />
so jung und damit unvermögend wie im Tanz; und<br />
kaum eine andere Studienrichtung fordert den ganzen jungen<br />
Menschen so wie der Tanz, sodass sich Nebenjobs geradezu<br />
verbieten. So wird bürgerliches Engagement ausgebremst und<br />
staatliche Förderung nicht genutzt und – wie oben beschrieben<br />
– nicht nutzbar. Sieh‘ mal (leider) an…! ■<br />
Sieh’ mal an …<br />
Sieh’ mal an …<br />
Sieh’ mal an …<br />
Prof. Dr. ralf Stabel ist Tanzhistoriker, Autor und Direktor der Staatlichen<br />
Ballettschule Berlin und Schule für Artistik<br />
14 Ballett Intern 5/2012
Performance Course<br />
Bonn 2012<br />
von Christine Eilks<br />
Bereits zum 14. Mal jährte sich der Performance Course<br />
Bonn, organisiert von Step Ahead e. V. – Verein für darstellende<br />
Künste und Tanzpädagogik, in den nordrhein-westfälischen<br />
Herbstferien im Theater der Brotfabrik Bonn Beuel. Ein<br />
Projekt von internationaler Bedeutung, wie ein Rückblick in<br />
die Geschichte der Veranstaltung zeigt:<br />
Anne Christine Rogers (1. Vorsitzende Step Ahead e. V.),<br />
Tänzerin, Tanzpädagogin und Choreographin, entwickelte<br />
in den 1990er Jahren den Gedanken, jugendlichen Tanzstudenten<br />
die Möglichkeit zu eröffnen, neben ihrem regelmäßigen<br />
Unterricht auch gezielt Erfahrung in der Bühnenarbeit<br />
zu sammeln. Auf diese Weise erleben sie ihr Wissen um<br />
den Tanz mit einem neuen Fokus, in einem Raum und einer<br />
Gemeinschaft, die das Leben in und mit den darstellenden<br />
Künsten reflektieren.<br />
1998 nahm ein komplexes Unternehmen dann erstmals<br />
Gestalt an und der 1. Performance Course Bonn fand unter<br />
der Leitung des damaligen Landesverbands der Royal Academy<br />
of Dance NW e. V. in Bonn statt. Er wurde gleichzeitig<br />
Pilotprojekt für den mittlerweile in London und weltweit an<br />
verschiedenen Orten jährlich mit außerordentlichem Erfolg<br />
stattfindenden Performance Course der Royal Academy of<br />
Dance (RAD ® ). Ein wunderbares Beispiel, wie eine außergewöhnliche<br />
Idee große Früchte tragen kann.<br />
Seit den Anfangsjahren wurden die Kursinhalte immer<br />
weiter modifiziert und an die Bedürfnisse der heutigen Tanzausbildung<br />
angepasst. Neben täglichem klassischem Training<br />
und der Arbeit im Bereich des klassischen Repertoires, sind<br />
mittlerweile Contemporary und Jazz, Musical Theatre und<br />
Step Ahead e.V.<br />
Performance Coure 2013<br />
21. Oktober bis 2. November<br />
Anmeldeformulare erscheinen<br />
in Kürze. Bitte wenden Sie<br />
sich dafür an die angegebenen<br />
Kontaktdaten:<br />
Kontakt<br />
Anne Christine Rogers<br />
coda-rogers@t-online.de<br />
Tel.: 0228 / 28 22 80<br />
Fax.: 0228 / 28 29 45<br />
Christine Eilks<br />
ceilks@t-online.de<br />
(Fotos: Michael Seppeler)<br />
Step Ahead e.V. – »Immer einen Schritt voraus!«<br />
Gesang feste Bestandteile des Stundenplans. Die Studenten<br />
gestalten gemeinsam mit einem sorgfältig ausgewählten<br />
Team von international renommierten Dozenten und<br />
Musikern individuelle Choreographien in dieser Vielfalt von<br />
Tanzdisziplinen. So erfahren sie unmittelbar, was es heißt,<br />
Teil eines kreativen Entwicklungsprozesses zu sein. Sorgfältige<br />
Arbeit an den Inhalten ist dabei ebenso wichtig wie das<br />
soziale Miteinander und die Erfahrung, Teil eines größeren<br />
Ganzen zu sein.<br />
Höhepunkt des Performance Course sind die öffentlichen<br />
Abschlussvorstellungen auf der Hauptbühne des Theaters.<br />
Die große Anerkennung, die Step Ahead e. V. und sein<br />
Projekt genießen, zeigt sich unter anderem in der Kooperation<br />
mit dem Performers College England, das bereits zum<br />
zweiten Mal einen Teil des Dozententeams stellte. Im Anschluss<br />
an den Performance Course fanden in Köln Auditions<br />
für die dreijährige Ausbildung an diesem Institut statt<br />
und mehrere deutsche Studenten haben nun die Chance,<br />
an einem der führenden Colleges in England zu studieren.<br />
Weiterhin stellt das Performers College Stipendien für die<br />
Teilnahme an der jährlichen Oster- bzw. Sommerschule zur<br />
Verfügung.<br />
Der Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik e. V., bei<br />
den Abschlussvorstellungen vertreten durch den künftigen<br />
Ehrenvorsitzenden <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>, zollt seine Anerkennung<br />
ebenfalls durch die Bereitstellung von Stipendien für die<br />
Tanztage in Worpswede und Bregenz.<br />
Im kommenden Jahr feiert der Performance Course Bonn<br />
sein 15. Jubiläum. Auf besondere Überraschungen darf man<br />
gespannt sein. Traditionell findet die Veranstaltung in den<br />
Herbstferien in Nordrhein-Westfalen (21. Oktober bis 2. November)<br />
statt.<br />
Neben diesem Großprojekt bietet Step Ahead e. V. im Jahresverlauf<br />
eine Vielzahl von Fortbildungsveranstaltungen für<br />
Kinder, Jugendliche und Pädagogen an. ■<br />
Ballett Intern 5/2012 15
17. Internationale Sommertanzwoche Bregenz 2012<br />
Internationale Begegnungen<br />
am Bodensee<br />
Die 17. Internationale Sommertanzwoche Bregenz<br />
von Jens Siebeneicher<br />
Das letzte Lied klingt aus. Lachen, Sprechen, Schweigen.<br />
Hektik und Aufbruchstimmung machen sich breit. So viele<br />
andere Gesichter, in denen man die Erlebnisse der vergangenen<br />
Woche abzulesen versucht. Anstrengung, Freude –<br />
Freude auch darüber, Eltern und Familie noch vor wenigen<br />
Minuten sein ganzes Können gezeigt zu haben – aber auch<br />
Traurigkeit. Eine Woche, die mit neugierigen, fragenden und<br />
vielleicht auch ablehnenden Blicken begann, endet abrupt.<br />
Plötzlich sind Worte unwichtig.<br />
Sieben Tage zuvor begann die 17. Internationale Sommertanzwoche<br />
in Bregenz, die wie in den vergangenen Jahren<br />
von Mona Brandenburg und <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> vom Deutschen<br />
Berufsverbandes für Tanzpädagogik (DBfT) organisiert wurde.<br />
Das Team der Tanzwoche erreichte Bregenz: Die Betreuer<br />
trudelten ein, die Dozenten – Angela Reinhardt, Viktoria<br />
Zaripova, Selatin Kara, Jean-Hugues Assohoto, Christine Hasting,<br />
Günther Rebel, Rachel Jackson-Weingärtner und Andy<br />
Lemond – und die Pianisten ebenfalls. Eltern kamen, brach-<br />
Die Tänzerinnen der Little Star Arts Group mit ihren Betreuerinnen haben viel Spaß mit dem<br />
Dozenten Selatin Kara (alle Fotos: Jürgen Schultz)<br />
ten ihre Kinder, manche schon wie gewohnt, zum Gästehaus<br />
am Bodensee, unweit davon die Seebühne, die man noch<br />
besuchen sollte, das Seebad, das wieder einmal Anziehungspunkt<br />
für Freizeitaktivitäten wurde. Es ist bemerkenswert, wie<br />
schnell die Jungen und Mädchen Gemeinsamkeiten entdecken,<br />
Sympathien entwickeln und Unterschiede überwinden.<br />
Nachdem die kleinen und großen Tänzer ihre Zimmer bezogen<br />
hatten, kam auch der von vielen mit Neugier erwartete<br />
Bus an. Schweigend wurde zugeschaut, wie 30 schwarzhaarige<br />
Mädchen, den gleichen Rucksack und die gleichen Hemden<br />
tragend, müde und wortkarg ausstiegen: Chinesinnen im<br />
Alter zwischen neun und 14 Jahren aus Shanghai.<br />
Zimmer beziehen war kein Problem, zum Essen anstellen<br />
ebenso wenig, tanzen am nächsten Morgen schon gar nicht.<br />
Doch die »Little Star Arts Group«, wie sie in ihrer Heimat<br />
genannt wird, schien dennoch so richtig noch nicht angekommen<br />
zu sein. Es könnte vielleicht daran gelegen haben,<br />
dass sie bis zu diesem Zeitpunkt den übrigen Teilnehmern der<br />
Sommertanzwoche ihre Leidenschaft, ihren eigenen Tanzstil,<br />
von chinesischer Folklore bis zum klassischen Ballett, noch<br />
gar nicht hatten vorstellen können. Wie sollte man sie denn<br />
auch verstehen, ohne dass man ihre <strong>Tanzkunst</strong> kennt?<br />
Es verging der erste Tag nach dem langen Flug und der<br />
Ankunft, ohne dass die Little Stars verstanden worden wären,<br />
dachte man. Bei der abendlichen Tanzveranstaltung<br />
der Gruppe allerdings rückten Unterschiede<br />
schon etwas beiseite. Endlich konnten<br />
die von weither angereisten Tänzerinnen in<br />
einem 60-minütigen Programm ihre traumhaften<br />
Kostüme in einer tanzkulturellen Reise<br />
durch die traditionelle chinesische Kultur,<br />
aber auch durch die kulturelle Vielfalt des<br />
Landes präsentieren. Und tatsächlich – von<br />
diesem Moment an schienen das Eis und die<br />
Fremdheit zu schmelzen.<br />
Am nächsten Trainingstag wurde lauthals<br />
auf Deutsch und Chinesisch bis zehn<br />
gezählt, und im Laufe der Woche kamen<br />
sich die Ballerinen immer näher. Die Zeit zwischen<br />
den Kursen wurde genutzt, um bei<br />
den Little Stars – aber auch anderen Gruppen<br />
– zuzuschauen, im Speisesaal verbrachte<br />
man gemeinsam die Mittagspause und dank<br />
beiderseitiger Englischkenntnisse kamen die<br />
16 Ballett Intern 5/2012
Mädchen sogar miteinander ins Gespräch. Der Höhepunkt<br />
der Woche war für viele auch in dieser Hinsicht sicherlich die<br />
gemeinsame Bodenseefahrt. Namen wurden übersetzt, Vokabeln<br />
bei den Dozenten und Betreuern nachgefragt und Fotos<br />
geschossen. Viele Fotos. Und es wurden E-Mail-Adressen<br />
ausgetauscht.<br />
Mit neuen Bekanntschaften, Namen und Gesichtern bestritten<br />
die Teilnehmer die kommenden und schließlich auch<br />
letzten Tage ihrer Sommertanzwoche in Bregenz. Ballett,<br />
Tanztheater, Zeitgenössischer Tanz, Hip-Hop, Funky Jazz,<br />
Jazz, Musical, Modern Dance und Folklore wurden mit Blick<br />
auf die Abschlussveranstaltung intensiv trainiert, um der Familie<br />
am Samstag Technik, Ausdruck und Choreographie von<br />
der besten Seite zeigen zu können. Nachmittags und abends<br />
wurde die Choreographie nicht selten auf dem Zimmer oder<br />
auch woanders noch perfektioniert – sofern die Tänzer nicht<br />
in der Oper oder mit der Pfänderbahn unterwegs waren.<br />
Daneben standen auch Tretbootfahrten und Seebadbesuche<br />
hoch im Kurs – kein Wunder, bei dem herrlichen Wetter<br />
während dieser Sommertanzwoche.<br />
Zwar absehbar, doch viel zu früh, hieß es am Freitagabend<br />
schon wieder Koffer packen, um am Samstagmorgen<br />
pünktlich zur Generalprobe im Bundesgymnasium zu sein.<br />
Konzentration, Korrektur, Positionen, und alles noch einmal –<br />
Aufregung, Anspannung und Vorfreude; dieser letzte große<br />
Aufführungstag ist wahrlich ein Wechselbad der Gefühle.<br />
Dann geht es los, die Musik setzt ein und – gäbe es einen<br />
17. Internationale Sommertanzwoche Bregenz 2012<br />
Vorhang, er öffnete sich genau in diesem Moment, in dem<br />
Nervosität in Glück und Bewegungsfreude umschlägt. Beifall<br />
und Lob bleiben bei den gekonnt getanzten Choreographien<br />
natürlich nicht aus. Auch die Little Stars zeigten mit einigen<br />
Stücken ihres Repertoires, was sie vorher schon konnten und<br />
was die engagierten Dozenten ihnen während dieser einen<br />
Woche beizubringen vermochten.<br />
Die Tänzer verbeugen sich, genießen den durchdringenden<br />
Beifall des zahlreich erschienenen Publikums. Schlussapplaus,<br />
alle Teilnehmer sind auf der Bühne. Den Dozenten wird<br />
gedankt, den Pianisten und den Betreuern ebenfalls. Beifall<br />
für die Kulturagentin Minghui Kong, <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> und für<br />
Gunnar Breuer vom Kulturamt Bregenz für ihre Kooperation.<br />
Zuspruch jedoch vor allem für Mona Brandenburg, die diese<br />
wunderbare Begegnung am Bodensee mit unermüdlichem<br />
Einsatz organisierte. Zuspruch von allen Seiten, bis die aus<br />
den Boxen tönenden Worte wohlbekannten Klängen weichen.<br />
Ein erstes und vermutlich letztes Mal nehmen alle gemeinsam<br />
auf der Bühne den Rhythmus und die Melodie in<br />
sich auf und tragen sie durch ihre Bewegungen und Gefühle<br />
nach außen.<br />
»Es ist die Musik, die jeder von uns so sehr liebt – nichts<br />
gibt uns so viel wie die Musik«. (Textzeile aus »Wir lieben die<br />
Musik«, Song aus dem Film »Rock it«, zu dem Selatin Kara<br />
eine Choreographie kreierte.) Blicke treffen sich im bittersüßen<br />
Moment des Abschieds – wenn doch diese Woche nie<br />
enden könnte. ■<br />
Ballett Intern 5/2012 17
Inge Stoffers ist 90<br />
Viel Rauch um<br />
eine Ballettschule<br />
Inge Stoffers zum 90. Geburtstag<br />
von Dagmar Ellen Fischer<br />
»Lieber Gott, ich möchte bis 30 tanzen, bitte nicht<br />
heiraten!« (Zitate aus: Alice Wanke, Inge Stoffers,<br />
»Ich war so beschäftigt mit der Tanzerei«, Erinnerungen<br />
an ein Leben mit dem Tanz, Münster 2008; S. 18)<br />
So klang das Nachtgebet der Inge Stoffers, als sie ein kleines<br />
Mädchen war. Tatsächlich ging dieser Wunsch – sie heiratete<br />
im Alter von 32 Jahren – in Erfüllung, wie so manch‘ anderer<br />
Traum auch. Am 17. Oktober 2012 feierte die Tänzerin und<br />
Tanzpädagogin ihren 90. Geburtstag in ihrer Heimatstadt<br />
Wilhelmshaven.<br />
Das Lieblingsspiel der kleinen Inge war die Beschäftigung<br />
mit sogenannten Sammelbildern, die Zigarettenpackungen<br />
beilagen. Auch zu Tanz und Ballett gab es Bilderserien, und<br />
hier begegnete sie erstmals den Tänzerinnen Fanny Elßler<br />
und Anna Pavlova auf Briefmarkengroßen Schwarz-Weiß-<br />
Fotographien. Ihre Mutter nähte Kostüme, um das Haushaltsgeld<br />
der Familie aufzubessern, und zwischen diesen drapierten<br />
Kleidern ließ sich wunderbar umher springen, bis die<br />
Stoffe flogen. Diesen Flattertanz sah eines Tages die Leiterin<br />
der Tanzschule Klemmsen, die eigentlich Kostüme in Auftrag<br />
geben wollte; sie lud die Fünfjährige spontan zu einer Probestunde<br />
in ihr Kinderballett ein. Inge Stoffers sagte zu, »obwohl<br />
ich gar nicht wusste, was Tanzen war«,(S. 21) erinnert<br />
sie sich Jahrzehnte später. Aber es gefiel ihr, und so nahm sie<br />
Ballettunterricht, noch bevor sie eingeschult wurde. Sie blieb<br />
dabei und tanzte während ihrer Grundschulzeit sowie später,<br />
als sie aufs Gymnasium ging. Ihre Mitschüler erfuhren von<br />
ihrer Tanzleidenschaft durch öffentliche Aufführungen der<br />
Schule und bewunderten sie, von ihrem Mathematik-Lehrer<br />
hörte sie hingegen eine abfällige Bemerkung wie »Ja, ja, Inge<br />
Stoffers, Spitzentanz ist leichter als Mathe.« (S. 23) Fast zehn<br />
Jahre konnte Inge Stoffers trainieren, ohne einen Pfennig bezahlen<br />
zu müssen, aufgrund ihrer Begabung wurde sie gefördert:<br />
»Meine Eltern hätten den Unterricht auch gar nicht<br />
bezahlen können.« (S. 27)<br />
Im Alter von 14 Jahren ergab sich über Inges Vater ein<br />
Kontakt zu Lisa Parsick, Ballettmeisterin am Stadttheater Wilhelmshaven.<br />
Sie bot ihr nicht nur an, gemeinsam mit den<br />
professionellen Tänzern kostenlos zu trainieren, sondern<br />
sogar einzuspringen, wenn eine Tänzerin des nur sechsköpfigen<br />
Ballett-Ensembles ausfiel. Solche Einsätze ergaben<br />
sich ausschließlich kurzfristig und gingen ziemlich hektisch<br />
über die Bühne; Inge Stoffers wurde mit einem Taxi abgeholt<br />
und ins Theater chauffiert. »Da geschah dann Folgendes:<br />
Ich wurde in die Garderobe geschickt, geschminkt, und<br />
während ich geschminkt wurde, zeigte mir meine Lehrerin<br />
den ersten Tanz, (…). Ich wurde ins Kostüm gesteckt und<br />
schon musste ich raus auf die Bühne, ohne Probe. Ich tanzte,<br />
kam dann wieder in die Garderobe und wurde umgezogen<br />
für den nächsten Tanz. Die Lehrerin zeigte mir wieder die<br />
Schritte und so ging das immer weiter.« (S. 28) Das ist nur<br />
machbar mit einer Tänzerin, die über viel Talent,<br />
eine schnelle Auffassungsgabe, Musikalität und die<br />
nötige Portion Besessenheit verfügt.<br />
Die Pädagogin Lisa Parsick nahm Inge Stoffers<br />
im Sommer des Jahres 1937 mit nach Berlin und<br />
stellte sie Tatjana Gsovsky vor. Die berühmte Tänzerin,<br />
Ballettmeisterin und Choreographin erlaubte<br />
ihr zunächst, während der Sommerferien unent-<br />
Inge Stoffers, 2007 geltlich am Unterricht in ihrer renommierten Ballettschule<br />
teilzunehmen. »Es ist unglaublich, wenn<br />
man aus einer kleinen Stadt wie Wilhelmshaven in die Hauptstadt<br />
Berlin kommt. Dazu dann die ganze Atmosphäre in der<br />
Ballettschule. Dort waren ja alle schon fertige professionelle<br />
Tänzer, Schüler gab es kaum.« (S. 37) Nach Ablauf des<br />
Sommerkurses bietet Gsovsky der talentierten Schülerin eine<br />
Ausbildung an, ebenfalls unentgeltlich. Und so beginnt Inge<br />
Stoffers ein Jahr später in Berlin die Ausbildung zur Tänzerin;<br />
ihre schulische Laufbahn beendet sie im Alter von 16 Jahren<br />
nach der zehnten Klasse. Was folgt, ist eine harte Zeit, mit<br />
mehrstündigem Training am Vormittag und Nachmittag und<br />
allabendlicher Erschöpfung.<br />
Kurz vor Inge Stoffers‘ 17. Geburtstag bestand ihr Vater<br />
– gegen Gsovskys Rat und Einschätzung – darauf, seine<br />
Tochter zur Prüfung anzumelden, sie soll als Tänzerin engagiert<br />
werden und zum Unterhalt der Familie beitragen. Am<br />
26. August 1939 bestand sie die Prüfung, die allerdings mit<br />
Ballett wenig zu tun hatte. Der theoretische Teil beinhaltete<br />
Fragen wie »wo wohnt der Führer? – die erwartete Antwort<br />
»im Herzen aller Deutschen« hatte sich zum Glück unter den<br />
Prüflingen herum gesprochen. Im praktischen Teil des Fachs<br />
Klassischer Tanz war es dem linientreuen Prüfer gelungen,<br />
die französischen Fachbegriffe zu eliminieren, so hieß ein petit<br />
jeté beispielsweise »kleines Steh’« – ohne Worte!<br />
Der Zweite Weltkrieg veränderte den Alltag und das Leben<br />
vieler Menschen ab September 1939. Dennoch gelang es Tatjana<br />
Gsovsky, 1940 eine Tanzgruppe zusammen zu stellen,<br />
der auch Inge Stoffers angehörte. Mit ihrem ersten Auftritt im<br />
Oktober 1940 im berühmten Berliner Varieté » Wintergarten«<br />
datiert Inge Stoffers den Start ihrer professionellen Karriere.<br />
Engagements in Magdeburg und Salzburg schlossen sich an.<br />
Absurde Blüten trieb die politische Marschrichtung auch in<br />
der Kunst, so musste sich das »Tatjana-Gsovsky-Ballett« in<br />
Fünf Tänzerinnen des »Preciosa«-Ensembles, der von Inge Stoffers in den<br />
1950er Jahren gegründeten Compagnie<br />
18 Ballett Intern 5/2012
»Egon-Wüst-Ballett« umbenennen (nach dem Manager und<br />
Ersten Solisten der Truppe), weil der Name der Gründerin<br />
zu Russisch klang; auch der »Ungarische Tanz« wurde beim<br />
Gastspiel in Rumänien kurzerhand aus dem Programm genommen,<br />
um keine Angriffsfläche zu bieten. Gern genommen<br />
wurden dagegen italienisch klingende Künstlernamen,<br />
und so mutierte Müller umgehend zu Mulinari.<br />
Auf eine Tournee durch Polen folgten 1941 KdF-Engagements,<br />
also Auftritte im Rahmen des nationalsozialistischen<br />
Kulturprogramms »Kraft durch Freude«. Diese Vorstellungen<br />
fanden manchmal in gut ausgestatteten Theatern statt, mitunter<br />
aber auch auf losen Brettern, die notdürftig über Fässer<br />
gelegt waren und von denen bei den Spitzentanzsequenzen<br />
konkrete Verletzungsgefahr ausging. Mit der Einberufung zur<br />
Wehrmacht des Managers Egon Wüst blieben weitere Engagements<br />
aus, und nach dreimonatiger Tanz- und Tatenlosigkeit<br />
wechselte Inge Stoffers zum Kammerballett Erwin Hoffmann –<br />
was Tatjana Gsovsky ihr verübelte. Auf einer sechswöchigen<br />
Tournee durch <strong>Deutschland</strong>, Frankreich und Belgien erlebte<br />
sie Unfälle durch Abstürze aufgrund morschen Untergrunds<br />
und andere Abenteuer wie ungeheizte Zimmer, fehlende Orchester,<br />
abschüssige Bühnenböden und marode Busse. Einen<br />
Höhepunkt bildete das Gastspiel in Paris, der »Stadt unserer<br />
Sehnsucht«, wie sie Inge Stoffers nannte; dort besuchte sie<br />
auch die Opéra: »Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich ein<br />
richtiges Ballett. In <strong>Deutschland</strong> gab es das nicht. Ich hatte nie<br />
ein richtiges Ballett auf der Bühne gesehen!« (S. 72)<br />
1942 macht sich Inge Stoffers selbständig, im Berliner<br />
Kabarett der Komiker wird sie als Solistin engagiert; das bedeutete<br />
nicht selten zwei Shows am Tag, an Wochenenden<br />
manchmal auch drei. Im nächsten Jahr wirkte sie beim frisch<br />
gegründeten Filmballett mit, das auf Anregung von Propagandaminister<br />
Goebbels gegründet wurde. Im August 1944<br />
wird auch diese Truppe aufgelöst, die Theater geschlossen.<br />
Inge Stoffers wird zur Arbeit in der Rüstungsindustrie eingeteilt.<br />
Als auch dieser Betrieb bombardiert wird, schaffen es<br />
Inge und ihre Mutter quasi in letzter Minute, aus Berlin zu<br />
fliehen: Eine Odyssee Richtung Westen über Hamburg nach<br />
Schleswig-Holstein endet schließlich in Flensburg. Nach der<br />
Kapitulation gelang es ihr dort, ab Juli 1945 im Rahmen der<br />
Army Welfare Services, der Truppenbetreuung der Engländer,<br />
in »Officers Clubs« als Tänzerin aufzutreten, dort erhielt sie<br />
eine kleine Gage und Essen, das ihr und ihrer Mutter das<br />
Überleben sicherte. Über diese Kontakte ergaben sich bald<br />
auch Tourneen durch Norddeutschland, gemeinsam mit ihrem<br />
Tanzpartner Kurt Paudler, einem Mary Wigman-Schüler.<br />
Auf einer dieser Gastspiele entdeckte Inge Stoffers einen<br />
Kleiderschrank voller Zigaretten – Zigaretten waren DIE Währung<br />
der Nachkriegszeit. Es gelang ihr, das Zahlungsmittel<br />
mithilfe ihrer Mutter aus dem Hotel zu schmuggeln und nach<br />
Wilhelmshaven zu transportieren; ins dortige Haus der Großmutter<br />
hatten beide inzwischen Zuflucht genommen. »Mit<br />
diesen ‚organisierten‘ Zigaretten haben wir später unser Studio<br />
aufgebaut. Für Zigaretten bekam man alles. Wir tauschten<br />
dafür unter anderem Sand und Steine und konnten die<br />
Handwerker auch noch mit Essen versorgen. Es waren wirklich<br />
so viele Zigaretten, dass man alles davon finanzieren<br />
konnte.« (S. 106)<br />
Inge Stoffers ist 90<br />
Nach dem extrem strengen Winter 1945/46 entstand<br />
im Laufe des Jahres 1946 in <strong>Deutschland</strong> wieder so etwas<br />
wie ein bescheidenes kulturelles Leben. Im Wilhelmshavener<br />
Werftspeisehaus fanden erste Tanzaufführungen statt; auch<br />
ein Training konnte vormittags organisiert werden, und am<br />
Nachmittag unterrichtete Inge Stoffers mitunter junge Schülerinnen<br />
dort. Das brachte sie auf die Idee, selbst eine Ballettschule<br />
zu eröffnen. Einen Raum fand sie in der Ballettschule<br />
Klemmsen, in der sie selbst viele Jahre Unterricht genommen<br />
hatte. »Frau Klemmsen hatte ja immer im Stillen gehofft, dass<br />
ich eines Tages ihren Sohn heiraten würde. Dieser Wunsch<br />
erfüllte sich zwar nicht, aber ich hatte ein freundschaftliches<br />
Verhältnis zu ihm.« (S. 115) Und so konnte sie einen kleinen<br />
Raum in der vertrauten Schule nutzen und mit Ballettunterricht<br />
beginnen: Die Ein-Raum-Ballettschule war gegründet!<br />
Am 2. Januar 1947 fand ein erstes Treffen statt, zuvor hatte<br />
Inge Stoffers eine Anzeige aufgegeben. »Wir trainierten zunächst<br />
mit Stühlen, die in den Raum gestellt wurden. Später<br />
wurde eine Stange angebracht. Weil wir in den ersten Tagen<br />
keine Musikbegleitung hatten, sang ich zu den Übungen,<br />
Drei Schülerinnen der Ballettschule Stoffers, die eine professionelle Laufbahn<br />
einschlugen, v.l. Katja Lim, Siggi Zilm, Birgit Gabriel<br />
aber dann mietete ich ein Klavier.« (S. 116) Jede Schülerin<br />
musste ein Stück Heizmaterial zum Unterricht mitbringen.<br />
Im schlechtesten Fall brachten sie schneenassen Torf mit.<br />
Um den Kanonenofen im Tanzraum zu befeuern, musste in<br />
Rauch und Qualm getanzt werden. Auch Trainingskleidung<br />
war so gut wie nicht aufzutreiben, von richtigem Schuhwerk<br />
ganz zu schweigen.<br />
Inge Stoffers allererste Schülerin war 33 Jahre alt und wollte<br />
ausschließlich in Stepptanz unterrichtet werden. Kurze Zeit<br />
später kamen jüngere Schüler, bald darauf auch Kinder zum<br />
Ballettunterricht. Schon ein Jahr nach Schulgründung organisierte<br />
sie erste Aufführungen, erwartungsgemäß reichte der<br />
kleine Unterrichtsraum bald nicht mehr aus. Das Haus der<br />
Tanzschule Klemmsen bot eine geeignete Alternative: Ballettsaal<br />
und Wohnung entstanden dort unter einem Dach – und<br />
dieser Dachausbau wurde mit den gefundenen Zigaretten<br />
aus dem Hotelzimmerschrank beglichen. Die Schule expandierte,<br />
und bald schon gehörten Proben und Aufführungen –<br />
sowohl der Schülerinnen als auch der Schulleiterin – zum regelmäßigen<br />
Stundenplan.<br />
Ballett Intern 5/2012 19
Inge Stoffers ist 90<br />
Im Sommer des Jahres 1951 gastierte eine Gruppe besonders<br />
ehrgeiziger und begabter Mädchen im Alter zwischen<br />
13 und 17 Jahren auf der Insel Borkum; der Schauspieler<br />
Gert Fröbe moderierte diesen gemischten Abend und war<br />
derart begeistert von den Tänzerinnen, dass er seinen eigenen<br />
Agenten bat, das Ensemble unter Vertrag zu nehmen.<br />
Das gab den Anstoß zur Gründung der eigenen Compagnie,<br />
die einige Monate später unter dem Namen »Preciosa« eine<br />
rege Gastspieltätigkeit aufnahm. Das Ensemble existierte bis<br />
1962, mit wechselnder, aber immer ausschließlich weiblicher<br />
Besetzung. Anfang der 1960er Jahre setzte sich das Fernsehen<br />
in <strong>Deutschland</strong> durch, vor allem eine Unterhaltungskunst<br />
Inge Stoffers unterrichtet ihre jüngsten Schülerinnen.<br />
Ian Owen (Mitte), Nachfolger von Inge Stoffers und heutiger äußerst<br />
erfolgreicher Leiter der »Ballettakademie am Meer«, nimmt dankbar zusammen<br />
mit seinem Geschäftsführer Ludwig Jürgens (links) einen Spenden-Scheck<br />
des Lions Club Wilhelmshaven durch den Vorsitzenden Dr.<br />
Hans-Joachim Gottschalk, Staatssekretär a.D., entgegen.<br />
wie das Varieté verlor in diesem Zusammenhang viele Zuschauer,<br />
die Tänzerinnen damit ihre Auftrittsmöglichkeiten.<br />
Im Laufe der Jahre fanden Schülerinnen von Inge Stoffers<br />
Engagements an der Deutschen Oper in Berlin, in Stuttgart,<br />
Mainz, Nürnberg, Graz und Chemnitz.<br />
Inge Stoffers erinnert sich an die Vorbereitungen, die zur<br />
Gründung des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik<br />
führten: »Im Jahr 1974 war ein Treffen der deutschen<br />
Ballettpädagogen in Stuttgart. Da sollte ein Pädagogenverein<br />
gegründet werden. Und wir fuhren alle hin. Es wurde ein<br />
Lehrplan vorgestellt, nach dem alle Ballettschulen einheitlich<br />
unterrichten sollten. Das war eine ganz seriöse Sache.«<br />
(S. 143) Dachte sich seinerzeit die Ballettschulbesitzerin, als<br />
sie Konzept und Methode der Royal Academy of Dance kennenlernte.<br />
»Nun war es so, dass die Art meines Unterrichts<br />
ganz anders als die der RAD war. Aber ich war interessiert<br />
und besuchte die angebotenen Kurse.« (S. 143) Und ihr<br />
Leben veränderte sich, als sie nach vielen Jahren Erfahrung<br />
noch einmal eine Ausbildung absolvierte. »Ich wusste, wie<br />
es gemacht wird, aber ich konnte meinen Schülerinnen keine<br />
Zusammenhänge erklären oder ihnen sagen, was man mit<br />
welchem Muskel machen muss.« (S. 144) Als der Deutsche<br />
Berufsverband für Tanzpädagogik 1975 ins Leben gerufen<br />
wird (damals noch unter dem Namen Verein Deutscher Bal-<br />
Inge Stoffers und Ian Owen anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der<br />
Ballettschule im Jahr 2007 (alle Fotos: privat)<br />
lettschulen e. V.), ist Inge Stoffers eines der Gründungsmitglieder.<br />
Als Pädagogin sorgte sie regelmäßig dafür, dass zum einen<br />
sie selbst, aber zum anderen auch ihre Schüler neuen Input<br />
und die Gelegenheit bekommen, an Seminaren teilzunehmen.<br />
1985 während der Ostertanzwoche der RAD in München sah<br />
sie den jungen Ian Owen in einem Kurs trainieren. Von der<br />
Eleganz seiner Bewegungen beeindruckt, nahm Inge Stoffers<br />
Kontakt auf und lud ihn ein, in ihrer Schule in Wilhelmshaven<br />
zu unterrichten. Aus diesem zufälligen Erstkontakt entstand<br />
eine Zusammenarbeit, die im Jahr 2000 in der Übernahme<br />
der Schule durch Ian Owen gipfelte: Der Engländer vom Royal<br />
Ballet – Tänzer, Ballettpädagoge und Tanztherapeut – ging<br />
1998 zunächst als künstlerischer Leiter der Ballettschule Stoffers<br />
nach Wilhelmshaven, zwei Jahre später übernahm er<br />
ganz und gab der Institution den Namen »Tanzakademie am<br />
Meer«. Inge Stoffers unterrichtete bis 2002 noch regelmäßig,<br />
seither nur noch sporadisch. Doch zum eigenen Training geht<br />
sie weiterhin mehrmals pro Woche, bis zu vier Mal. Tanz gehört<br />
zu Inge Stoffers Leben seit sie denken kann, und das wird<br />
sich nicht ändern: Die heute Neunzigjährige und die Vierjährige,<br />
die durch den Flur zwischen den Kostümen ihrer Mutter<br />
tanzt, haben vieles gemeinsam. Jedes Jahr zur Weihnachtszeit<br />
treffen sich Ehemalige bei ihr zu Hause: »Frühere Schülerinnen<br />
erzählen dann, wie es beruflich weiter gegangen ist und<br />
wie Ballett ihr Leben beeinflusst hat. Das ist eine große Befriedigung<br />
für mich und ich glaube, das ist das, was man ein<br />
erfülltes Leben nennt, oder?« (S. 149) �<br />
20 Ballett Intern 5/2012
Ärztin im Hauptberuf,<br />
und doch Tänzerin<br />
Porträt Nina Steckel<br />
von Dagmar Ellen Fischer<br />
So manches Wochenende ist<br />
vollkommen belegt, da hat<br />
Nina Steckel überhaupt keine<br />
Zeit: Als Oberärztin in der<br />
Universitätsklinik Essen hat<br />
sie mitunter von Freitag bis<br />
Sonntag Bereitschaftsdienst.<br />
Da passen in die wenigen<br />
zeitlichen Lücken ausschließlich<br />
Essen und Schlafen. Im<br />
Wochenverlauf ist das jedoch<br />
anders: Drei Abende hält sie<br />
sich frei, um ins Ballettstudio<br />
Nina Steckel als Großmutter im<br />
Ballett »Der Nußknacker«, 2010<br />
zu gehen. »Das versuche ich immer durchzuziehen. Denn<br />
das Training ist für mich eine wichtige Abwechslung«, sagt<br />
die heute 36-jährige Medizinerin. »In der Stunde im Ballettsaal<br />
konzentriere ich mich ganz auf das Tanzen, schon beim<br />
Stangentraining und beim Hören der Musik kann ich komplett<br />
vom Alltagsstress abschalten. Ob es schwierige Patienten<br />
oder Ärger mit den Kollegen waren, während dieser Zeit<br />
vergesse ich alles und fühle mich nach dem Training immer<br />
besser!«<br />
Katharina Matyssek, Nina Steckel, Anais Lueken, 2003 (von links)<br />
(alle Fotos: Archiv Nina Steckel)<br />
Im Alter von elf Jahren begann Nina Steckel auf dem<br />
Helmholtz-Gymnasium in Essen mit Rhythmischer Sportgymnastik.<br />
Im Rahmen dieses wöchentlichen Trainings gab<br />
es auch jeweils eine Einheit klassischen Tanz. Das gefiel ihr<br />
zwar auf Anhieb, aber erst zwei Jahre später traute sie sich<br />
ihren Eltern zu sagen, dass sie Ballett »gerne richtig« lernen<br />
wolle. Die erste Ballettschule war auch gleich die passende,<br />
das Ballettstudio <strong>Roehm</strong>. »Ich durfte in einer Stunde zuschauen,<br />
in der zwölf gleichaltrige Mädchen nach dem damaligen<br />
Lehrplan der RAD den Grad 2 erlernten. Ich entschied mich<br />
Ärztin und Tänzerin – Nina Steckel im Porträt<br />
schnell für diese Schule, und meine Eltern meldeten mich im<br />
Februar 1989 dort an. Schon im selben Jahr im November<br />
durfte ich die erste Prüfung der RAD ablegen – mit der Note<br />
»past plus«.<br />
Leider musste sie ein Jahr später aufgrund einer Schulsportverletzung<br />
für mehrere Monate auch mit dem Tanzen<br />
aussetzen, die Prüfung in Grad 3 Prüfung konnte sie folglich<br />
nicht absolvieren. Nach der Zwangspause stieg sie in einer<br />
anderen Gruppe wieder ein. »In dieser Gruppe waren die<br />
Mädchen viel jünger als ich: Ich war seinerzeit 18 und die<br />
meisten anderen vier, fünf Jahre jünger. Aber in den folgenden<br />
Jahren wuchsen hieraus richtige Freundschaften. Und<br />
heute fällt es gar nicht mehr auf, dass meine Freundin, die<br />
auch immer noch dabei ist, sechs Jahre jünger ist. Die Grad<br />
4-Prüfung haben wir dann gemeinsam nach dem neuen<br />
Lehrplan gemacht.«<br />
Nach dem Abitur im Jahr 1994 musste Nina Steckel erneut<br />
kurzzeitig den Tanz aussetzen, ein freiwilliges soziales Jahr in<br />
Bonn stand an. Da es aber mit dem Studienplatz in Medizin<br />
doch früher als erwartet in Essen klappte, meldete sie sich sofort<br />
wieder in ihrem Ballettstudio an. »Allerdings konnte ich<br />
die Prüfung in Grad 5 und 6 leider doch nicht mitmachen, da<br />
ich nur einmal in der Woche trainieren konnte. Bei der Grad-<br />
7-Prüfung im Dezember 1997 war ich wieder dabei und habe<br />
mit »Merit« bestanden.« Die Stufenleiter des RAD-Systems<br />
weiter aufwärts zu klettern, das hat sie nie aus den Augen<br />
verloren, es blieb ein Anreiz, sich zu erproben und zu beweisen.<br />
Und so lieferte auch während des Medizin-Studiums<br />
das regelmäßige Training weiterhin eine willkommene Ab-<br />
Laurie Tomschütz, Nina Steckel, Annemarie Bocklenberg, Anais Lueken,<br />
2003 (von links)<br />
wechslung vom Schreibtisch. »Ein gewisser Ehrgeiz ist dabei,<br />
gestellte Aufgaben für sich selbst gut zu bewältigen. Wir sagen<br />
zwar oft, dass wir gar nicht den entsprechenden Körper<br />
haben, aber man ist schon stolz, wenn man gute doppelte<br />
Pirouetten schafft und umgekehrt auch frustriert, wenn es<br />
mal an einem Tag gar nicht funktioniert.«<br />
Ob langjährig oder frisch, üblicherweise werden sämtliche<br />
Schüler eines Ballettstudios in Aufführungen involviert.<br />
»1993 tanzte ich zum ersten Mal auf einer Bühne, im Grillo-<br />
Theater mit insgesamt vier Vorstellungen.« Damals stan-<br />
Ballett Intern 5/2012 21
Ärztin und Tänzerin – Nina Steckel im Porträt<br />
Bei der Grad 8 Prüfung 2011: Sophia Elisabeth Kowalski, Nina Steckel,<br />
Cheryl Leslie-Spinks, Laurie Tomschütz (von links)<br />
den sehr unterschiedliche stilistische Beiträge auf dem Programm,<br />
choreographiert von den Pädagogen der Schule,<br />
um die Vielfalt des Unterrichtsangebotes zu zeigen.<br />
War es als Schülerin für Nina Steckel noch einfacher,<br />
zusätzliche Proben für Vorstellungen in den eigenen Wochenplan<br />
zu integrieren, so hatte sie als Studentin deutlich<br />
weniger Zeit. »Ich weiß noch, dass ich sogar bei Aufführungen<br />
mit meinen Karteikarten in der Ecke saß und gelernt<br />
habe. Wir waren damals eine sehr verschworene Gemeinschaft<br />
und haben auch privat viel miteinander unternommen.<br />
Auch unsere Lehrer waren häufig dabei. So war es<br />
beispielsweise Tradition, im Sommer und zu Weihnachten<br />
gemeinsam zum Lieblingsitaliener zu gehen.« Seit einigen<br />
Jahren sieht sie ihre Mitwirkung an solchen Aufführungen<br />
durchaus kritisch, »jedes Mal sage ich mir, dass es nun das<br />
letzte Mal sei, weil es mir merkwürdig vorkommt mit Mädchen<br />
auf der Bühne zu stehen, die teilweise meine Töchter<br />
sein könnten. Aber auch in diesem Jahr konnte ich nicht<br />
nein sagen, als ich gefragt wurde …«<br />
Seit 2001 arbeitet Nina Steckel als Ärztin in Essen in der<br />
Klinik für Knochenmarktransplantation, seit 2009 als Fachärztin<br />
für Innere Medizin, Hämatologie und internistische<br />
Grad 8 Prüfung 2011: Nina Steckel (links) und Laurie Tomschütz<br />
Annemarie Bocklenberg, Laurie Tomschütz, Nina Steckel (von links) in<br />
einer Aufführung aus dem Jahr 2006<br />
Onkologie; und seit 2011 ist sie Oberärztin. »Mir war es immer<br />
wichtig, auch nach Beendigung meines Studiums 2001<br />
neben meinem Beruf tanzen zu können.« 2011 hatte sie,<br />
gemeinsam mit einer Freundin, eine »verrückte Idee«, wie<br />
sie es nennt: Im sogenannten hohen Alter doch noch die<br />
Prüfung in Grad 8 zu absolvieren. »Wir träumten davon, endlich<br />
einmal ein ‚Distinction‘ in der Bewertung zu bekommen,<br />
und so haben wir uns dem Stress ausgesetzt, neben unserem<br />
Beruf das regelmäßige Training und auch die Zusatzproben<br />
wahrzunehmen. Und wir haben uns unseren Traum erfüllt:<br />
Distinction!«<br />
In den nunmehr rund 24 Jahren Tanz trainierte Nina<br />
Steckel hauptsächlich Ballett, zwischenzeitlich einige Jahre<br />
auch Zeitgenössischen Tanz, und seit einem Jahr regelmäßig<br />
Jazz-Dance, eine stilistische Richtung, die sie zuvor nur<br />
im Rahmen von Aufführungen mitgemacht hatte. »In das<br />
Ballettstudio zu gehen, ist nach so vielen Jahren für mich<br />
etwas ganz Vertrautes, fast Familiäres geworden.« Trotz Lehrer-<br />
und Schulleitungswechsel im vergangenen Vierteljahrhundert,<br />
denn die Konstante bleibt: Das Tanzen und all‘ jene<br />
sinnlichen Erlebnisse, die in dieser Welt jenseits des Alltags<br />
möglich sind. �<br />
Aufführung 2010: Laurie Tomschütz (links) und Nina Steckel<br />
22 Ballett Intern 5/2012
Highlights des<br />
Keil-Imperiums<br />
Gala der Tanzstiftung Birgit Keil<br />
am 9. November 2012<br />
von Carola Mezger<br />
»Der Weg nach oben ist leichter, wenn man die richtige Unterstützung<br />
hat!« Dies könnte das Motto der alle zwei Jahre stattfindenden<br />
Gala der Tanzstiftung Birgit Keil im Ludwigsburger<br />
Forum sein. Dort bringt Birgit Keil, ehemalige Starsolistin des<br />
Stuttgarter Balletts, regelmäßig aufstrebende Tanztalente, Stipendiaten<br />
von einst und internationale Tanzstars zusammen,<br />
um ein rauschendes Tanzfest der Extraklasse zu feiern. Es geht<br />
ihr dabei um die einmalige Chance für ihre Stipendiaten, von<br />
den Stars zu lernen. »Das Erlebnis, das diese jungen Menschen<br />
mit den Stars haben, ist das Ziel meiner Arbeit«, beschreibt<br />
Birgit Keil die inspirierende Kraft der Ballettgala.<br />
Seit 1995 hat Birgit Keil mit ihrer Tanzstiftung mehr als<br />
200 jungen Tänzern eine Ausbildung ermöglicht. Ehemalige<br />
Stipendiaten findet man in vielen führenden Compagnien<br />
Europas. Und die Gala ist eine wunderbare Gelegenheit, sich<br />
zu treffen und voneinander zu lernen. Nicht verwunderlich,<br />
dass Keil ehemalige, in ihre eigene Compagnie übernommene<br />
Stipendiaten besonders gern präsentiert: Sowohl Pablo<br />
dos Santos und Moeka Katsuki in »Santanella Pas de deux«<br />
als auch Bruna Andrade mit Admill Kuyler als Hora Paar aus<br />
Gala der Tanzstiftung Birgit Keil<br />
»Momo« standen letztes Jahr noch als Stipendiaten auf der<br />
Bühne. Heute sind sie Mitglieder des Staatsballetts Karlsruhe.<br />
Mit einem riesigen Dankeschön wandte sich Birgit Keil in<br />
ihrer kleinen Eröffnungsrede an die Sponsoren und Projektförderer,<br />
allen voran die Firmen Würth und Bosch, die durch<br />
großzügige finanzielle Unterstützung das Zustandekommen<br />
der Gala überhaupt möglich gemacht haben.<br />
Belohnt wurden Publikum und Sponsoren von einer Vielfalt<br />
der <strong>Tanzkunst</strong>, wie man es bei Birgit Keil bisher noch nicht<br />
sah. Da wurde Klassischer Tanz, Akrobatik und Expression in<br />
dem drei Stunden dauernden Programm aufs Schönste in 20<br />
choreographischen Episoden miteinander verbunden. Gleich<br />
mit drei Uraufführungen wurde das begeisterte Publikum<br />
verwöhnt.<br />
Die Mannheimer Studierenden eröffneten mit der Uraufführung<br />
»Vier Jahreszeiten« von Selatin Kara souverän den<br />
Abend und, wie so häufig bei den Studierenden der Akademie<br />
des Tanzes, vermochte man den Unterschied zu den<br />
ausgebildeten Kollegen kaum auszumachen.<br />
Das Nationaltheater Prag war mit Miho Ogimoto und Filip<br />
Veverka in »Paganini« und »Spring Waters« eher im klassischen<br />
Bereich vertreten, genauso wie das Staatsballett Berlin<br />
mit den Tanzpreisträgern »ZUKUNFT« Iana Salenko und ihrem<br />
Partner Marian Walter.<br />
Im Grand Pas de Deux aus »Raymonda« gab es ein Wiedersehen<br />
mit der einstigen Primaballerina aus Karlsruhe,<br />
Anais Chalendard, und dem Karlsruher Solist Flavio Salamanka,<br />
als ehemaligem Stipendiaten der Tanzstiftung und 2005<br />
Stipendiaten der Birgit Keil Stiftung<br />
in »Two 4 one« (Foto: Jochen Klenk)<br />
Ballett Intern 5/2012 23
Gala der Tanzstiftung Birgit Keil<br />
Birgit Keil<br />
Birgit Keil und<br />
Achim Thorwald<br />
»Eine deutsche Ballerina von Weltformat – die erste seit<br />
Fanny Elßler«, so nennt sie Clive Barnes, der Kritiker der<br />
New York Times, und setzt hinzu: »<strong>Deutschland</strong> hat lange<br />
auf eine Keil warten müssen.« Birgit Keil absolvierte ihre<br />
Ausbildung zur klassischen Tänzerin an der Ballettschule<br />
der Württembergischen Staatstheater und an der Royal<br />
Ballet School London. 1961 wurde sie, als John Cranko<br />
Direktor wurde, Mitglied des Stuttgarter Balletts. 1963<br />
avancierte sie zur Solistin und wenig später zur Ersten<br />
Ballerina. Unter seiner Leitung wurde sie durch Tourneen<br />
mit dem Ensemble und durch Sologastauftritte u. a.<br />
an der Opéra Paris, La Scala Milano, beim American Ballet<br />
Theatre New York, am Royal Ballet London und an<br />
der Wiener Staatsoper an der Seite von Rudolf Nureyev<br />
weltweit als »die deutsche Ballerina« bekannt. Als solche<br />
tanzte sie alle Hauptrollen des klassischen und modernen<br />
Repertoires. Ihre Interpretation inspirierte Choreographen<br />
wie u. a. Cranko, MacMillan, Wright, Tetley, Kylián,<br />
Neumeier, Spoerli, Scholz, Feld, van Manen und Haydée<br />
zu Kreationen für sie. 1980 erhielt sie den Titel »Kammertänzerin«.<br />
Im Herbst 1995 beendete Birgit Keil ihre<br />
aktive Bühnenlaufbahn. Zur gleichen Zeit rief sie die private<br />
Tanzstiftung Birgit Keil ins Leben. 1997 gab sie in<br />
Stuttgart ihr Schauspieldebüt. Seit 1997 ist sie Leiterin<br />
an der Akademie des Tanzes Mannheim, wo sie auch als<br />
Professorin lehrt. 2003/04 übernahm sie zusätzlich die<br />
Ballettdirektion des Staatstheaters Karlsruhe. Das unter<br />
Birgit Keil neu formierte Karlsruher Ballett findet durch<br />
das vielfältige Repertoire internationale Beachtung. Auszeichnungen<br />
u. a.: Verdienstmedaille des Landes Baden-<br />
Württemberg (1979), Preis des Verbandes der deutschen<br />
Kritiker (1981), Emmy Award (1984), John Cranko Medaille<br />
(1985), Bundesverdienstkreuz erster Klasse (1985),<br />
Deutscher Tanzpreis (1998), Großer Sudetendeutscher<br />
Kulturpreis (1999). ■<br />
Bruna Andrade<br />
und Admill Kuyler<br />
in »Momo«<br />
(Foto: Jochen Klenk)<br />
erstem männlichen Träger des Deutschen Tanzpreises »ZU-<br />
KUNFT« ein Paradebeispiel. Beide Tänzer konnte man im<br />
zweiten Teil der Gala nochmals in einer modernen Variation<br />
erleben, wobei die eigenartige Choreographie von Hubert<br />
Essakow, getanzt von Anais Chalendard, allgemeine Ratlosigkeit<br />
im Publikum hinterließ. Da konnte Flavio Salamanka<br />
in »Across the border« von Reginaldo Oliveira, eine der drei<br />
Uraufführungen, schon besser punkten: Ein Fabelwesen, nur<br />
als schattenhafter Umriss zu erkennen, dessen Pranken sich<br />
pulsierend in Schwingen verwandeln.<br />
Großen Applaus erntete der Koreaner Heung Won Lee in<br />
zwei modernen Choreographien, die mit Überschlägen und<br />
sportlich-akrobatischen Einlagen gespickt und ihm damit wie<br />
auf den Leib geschnitten waren.<br />
Den Jacques Brel Klassiker »Les Bourgeois« konnte man<br />
gleich in zwei Choreographien genießen , mit trockenem Humor<br />
getanzt von Viacheslav Tyutyukin und Yanelis Rodriguez<br />
Ferrer, beide vom Aalto Ballett Theater Essen.<br />
Kinder wecken beim Publikum immer besondere Sympathien.<br />
So ernteten die Kleinen vom Ensemble »Tchelkunchik«<br />
mit zwei Beiträgen begeisterten Applaus und demonstrierten,<br />
was man im zarten Grundschulalter mit Hingabe und Eifer<br />
tänzerisch erreichen kann. Positiv kam beim Publikum die musikalische<br />
Begleitung durch die Württemberger Philharmonie,<br />
Reutlingen an, bekommt man doch bei ähnlichen Tanzereignissen<br />
immer häufiger Musik aus der Retorte zu hören.<br />
Beim anschließenden Empfang mit Schnittchen und Leckereien<br />
wurden Birgit Keil und die Tänzer dann zu Recht<br />
gebührend gefeiert. Die Messlatte wurde mit dem vielseitigen<br />
Programm allerdings diesmal recht hoch gelegt. Umso<br />
gespannter wartet das Publikum auf die nächste Gala und<br />
weitere Highlights des Keil-Imperiums. ■<br />
24 Ballett Intern 5/2012
MÄRZ – JULI 13<br />
Daten und Fakten zu<br />
einer bewundernswerten<br />
Compagnie<br />
von Achim Thorwald<br />
Seit der Spielzeit 2003/04 steht das neu formierte Ballett des<br />
Badischen Staatstheaters Karlsruhe unter der Leitung<br />
der weltbekannten ehemaligen Ersten Ballerina des Stuttgarter<br />
Balletts Birgit Keil – seit 1997 Professorin und auch Leiterin<br />
der Akademie des Tanzes Mannheim – und Prof. Vladimir<br />
Klos, ehemaliger Erster Solist des Stuttgarter Balletts. Gleichzeitig<br />
zu seinen Aufgaben als Stellvertretender Ballettdirektor<br />
der Compagnie unterrichtet er als Professor an der Akademie<br />
des Tanzes Mannheim.<br />
30 Tänzer aus 15 Nationen gehören dieser jungen Compagnie<br />
an. Komplettiert wird das Ensemble durch Mitglieder<br />
des Ballettstudios des Badischen Staatstheaters Karlsruhe,<br />
die an der Akademie des Tanzes Mannheim im Master-Studiengang<br />
Tanz studieren. Mehr als die Hälfte des Ensembles<br />
wurde an der Akademie des Tanzes ausgebildet und erhielt<br />
Stipendien der privaten Tanzstiftung Birgit Keil. Neben der<br />
Zusammenarbeit mit etablierten Choreographen fördert Birgit<br />
Keil nachdrücklich junge Choreographen. Zu ihren Entdeckungen<br />
zählen u.a. Thiago Bordin, Terence Kohler, Tim<br />
Plegge, Flavio Salamanka sowie Humberto Teixeira.<br />
In der nun kommenden 10. Spielzeit seit 2003/04 wird<br />
die Compagnie ihre 26. Premiere mit mehr als 50 Balletten<br />
herausbringen. Das vielfältige Repertoire pflegt ebenso klassische<br />
wie moderne Werke, darunter in der Spielzeit 2011/12<br />
gleich zwei Uraufführungen abendfüllender Handlungsballette:<br />
»Siegfried« von Peter Breuer und »Momo« von Tim Plegge.<br />
Neben Gastspielen innerhalb <strong>Deutschland</strong>s wurde das Ballettensemble<br />
nach Spanien, China und Korea eingeladen.<br />
Zu Beginn der Spielzeit 2012/13 wurde der Compagnie<br />
der Titel »Badisches Staatsballett Karlsruhe«<br />
verliehen.<br />
Igone de Jongh mit Jozef Varga vom Het Nationale Ballet Amsterdam<br />
bei der Gala der Tanzstiftung (Foto: Jochen Klenk)<br />
Badisches Staatsballett Karlsruhe<br />
2006 rief Ballettdirektorin Birgit Keil die »Karlsruher Ballettwoche«<br />
ins Leben und begründete damit eine Tradition, die<br />
man sich nicht mehr aus dem Spielplan des Balletts wegdenken<br />
mag. Als Abschluss der Spielzeit und besondere Reverenz<br />
an das Publikum bietet diese Woche allen Ballettfreunden die<br />
Möglichkeit, Verpasstes nachzuholen oder Lieblingsstücke<br />
noch einmal zu genießen. Auch die persönlichen Begegnungen<br />
mit den Künstlern bei den Warm-Ups im Ballettsaal und<br />
zu den Autogrammstunden machen die Karlsruher Ballettwoche<br />
zu einem besonderen Ereignis. ■<br />
Auszug aus den Spielplänen seit 2003/04<br />
Abendfüllende Ballette (keine Uraufführungen)<br />
– Coppélia (Wright)<br />
– Don Quijote (Slavický)<br />
– Ein Sommernachtstraum (Vámos)<br />
– La Fille mal gardée (Ashton)<br />
– Gefährliche Liebschaften (Mannes)<br />
– Giselle (Wright)<br />
– In den Winden im Nichts (Spoerli)<br />
– Der Nussknacker – eine Weihnachtsgeschichte (Vámos)<br />
– Romeo und Julia (McMillan)<br />
– Schwanensee (Wheeldon)<br />
– Die Tempeltänzerin (Kohler)<br />
– Tschaikowsky (Breuer)<br />
Abendfüllende uraufführungen<br />
– Anna Karenina (Kohler)<br />
– Carmen (Barra)<br />
– Momo (Plegge)<br />
– Siegfried (Breuer)<br />
Sonstige Werke (keine Uraufführungen)<br />
– Adagio Hammerklavier (van Manen)<br />
– Andante (van Manen)<br />
– Apollo (Balanchine)<br />
– Ballet Pathetique (Uotinen)<br />
– Bits and Pieces (van Manen)<br />
– Chaconne (Spuck)<br />
– Concertante (van Manen)<br />
– Ein fremder Klang (Bordin)<br />
– Intermezzo for 20 (Kohler)<br />
– Just before Falling (Kohler)<br />
– Kindertotenlieder (Wherlock)<br />
– Klavierkonzert Es-Dur (Scholz)<br />
– Nocturnes (Spoerli)<br />
– Paquita (Petipa)<br />
– Solo (van Manen)<br />
– Sonate (Scholz)<br />
– Les Sylphides (nach Fokine)<br />
– Symphonie in C (Balanchine)<br />
– Tarantella (Balanchine)<br />
– transcended (Kohler)<br />
– Trois Gnossiennes (van Manen)<br />
– Tschaikowsky Pas de deux (Balanchine)<br />
– Variations Sérieuses (Wheeldon)<br />
– The Vertiginous Thrill of Exactitude (Forsythe)<br />
Ballett Intern 5/2012 25
Badisches Staatsballett Karlsruhe<br />
Liebeserklärung eines<br />
Generalintendanten an<br />
seine Ballettdirektorin<br />
von Achim Thorwald (Generalintendant<br />
des Badischen Staatstheaters Karlsruhe)<br />
Schon als junger Mann war ich ein großer Fan des Stuttgarter<br />
Balletts unter John Cranko und vor allem des von mir bewunderten<br />
Traumpaares Birgit Keil und Vladimir Klos.<br />
Durch meinen Vater, Staatskapellmeister Josef Dünnwald,<br />
wurde meine Begeisterung für das Ballett noch unterstützt.<br />
Er war sozusagen Lieblingsdirigent von John Cranko und von<br />
ihm gebeten, wenigstens immer wieder die Premieren und<br />
einige Vorstellungen des Balletts zu dirigieren. Diese Begeisterung<br />
für das Ballett habe ich dann während meiner Intendanzen<br />
an den Städtischen Bühnen Würzburg und Münster<br />
sowie am Staatstheater Wiesbaden den jeweiligen Tanz-<br />
Compagnien zugutekommen<br />
lassen. Im<br />
Gegensatz zu anderen<br />
Häusern, an denen allfällige<br />
Kürzungen des<br />
Etats meist zu Ungunsten<br />
des Balletts umgesetzt<br />
wurden, war es<br />
mir jeweils gelungen,<br />
die Compagnien zu erhalten<br />
bzw. sogar auszubauen.<br />
Nach meiner Wahl<br />
ans Staatstheater<br />
Karlsruhe habe ich<br />
auch dort die vorhandene<br />
Compagnie zu-<br />
erst einmal übernommen,<br />
allerdings stellte<br />
sich sehr rasch heraus,<br />
dass das Ballett in Karlsruhe in keinem guten Zustand war.<br />
Die Produktionen wurden vom Publikum nicht angenommen<br />
und ich selbst war mit der Qualität und der Stilrichtung der<br />
Compagnie nicht mehr einverstanden. Eine Änderung war<br />
dringend notwendig. Ich erinnerte mich wieder meiner großen<br />
Begeisterung für Birgit Keil und Vladimir Klos, beide inzwischen<br />
Professoren an der Tanzakademie der Musikhochschule<br />
Mannheim und Birgit Keil auch gleichzeitig als Leiterin<br />
dieser Tanzakademie. Ich rief Birgit Keil einfach an, um sie<br />
um Rat zu fragen, wer für die Leitung der Karlsruher Ballett-<br />
Compagnie in deutschen Landen infrage käme. Und während<br />
des Telefonats fragte ich sie spontan, ob sie nicht selber<br />
Lust hätte, Ballettdirektorin in Karlsruhe zu werden. Sie war<br />
zuerst sehr verblüfft, denn sie hatte selber nie mit dem Gedanken<br />
gespielt, eine Ballett-Compagnie zu leiten. Wir trafen<br />
uns zu ersten Gesprächen, natürlich zu dritt mit Vladimir Klos<br />
und spannen diesen Gedanken weiter, wobei die Wunschvorstellung<br />
war, dass Birgit Keil die Leitung der Tanzakademie<br />
beibehalten sollte und gleichzeitig Ballettdirektorin in Karls-<br />
MÄRZ – JULI 13<br />
ruhe sein könnte. Diese Konstellation war natürlich äußerst<br />
ungewöhnlich und es bedurfte der intensiven Mithilfe des<br />
damaligen Leiters des Theaterreferats im Ministerium für<br />
Wissenschaft und Kunst, Herrn Dr. Peter Selbach, um diese<br />
Wunschvorstellung zur Tatsache werden zu lassen. Übrigens<br />
eine Konstellation, die durch die enge Zusammenarbeit und<br />
Verzahnung von Tanzakademie und Badischem Staatstheater<br />
für beide Institutionen von hohem Wert war und ist.<br />
Birgit Keil als Ballettdirektorin und Vladimir Klos als ihr<br />
künstlerischer Berater bauten innerhalb kürzester Zeit eine<br />
völlig neue Compagnie auf, die schon mit ihrer ersten Premiere<br />
»Don Quijote« das Karlsruher Publikum zu Beifallsstürmen<br />
hinriss und im Nu die Herzen der Karlsruher im Sturm<br />
eroberte. Diese Begeisterung hat über 10 Jahre angehalten<br />
und ist fast noch gesteigert. Für mich war es faszinierend, zu<br />
beobachten, mit welcher Hingabe, ja geradezu Liebe für ihre<br />
Tänzerinnen und Tänzer, aber gleichzeitig auch mit unnachgiebiger<br />
Akribie Birgit Keil und Vladimir Klos auf die Entwicklung<br />
von Talent und Qualität ihrer Compagnie hinarbeiteten.<br />
So wie die beiden in<br />
jungen Jahren durch<br />
großes Talent, aber<br />
eben auch durch extremen<br />
Fleiß und Qualitätsbewusstsein<br />
zu<br />
einem Weltklassepaar<br />
wurden, so arbeiteten<br />
sie jetzt an und für die<br />
Compagnie. Und welches<br />
Gespür die beiden<br />
für Talente hatten<br />
und haben, zeigte sich<br />
auch daran, dass fast<br />
jedes Jahr Tänzerinnen<br />
und Tänzer zu Solisten<br />
heranwuchsen, die von<br />
Mal zu Mal größere<br />
Aufgaben übernehmen<br />
konnten. Dies waren<br />
zum Beispiel Anais Chalendard und natürlich der bis heute<br />
unnachahmliche Flavio Salamanka. Aber auch ihr Ehrgeiz,<br />
jungen Talenten in Sachen Choreographie Freiräume zu<br />
schaffen, brachte mich in die »Verlegenheit«, dem Ballett<br />
auch in dieser Hinsicht Produktionsmöglichkeiten und Präsentationsräume<br />
zu schaffen.<br />
Nachdem die Oper als Sparte vor allem durch die Arbeit<br />
meines künstlerischen Stellvertreters, Thomas Brux, wieder<br />
erstarkt war und das Schauspiel durch Knut Weber – inzwischen<br />
Intendant in Ingolstadt – zur gleichwertigen Sparte<br />
geworden war, wurde durch die Arbeit von Birgit Keil und<br />
Vladimir Klos mein Wunsch, drei gleichwertige Sparten an<br />
meinem Haus zu haben, Wirklichkeit. Diese Energie, diese<br />
Begeisterung und diese bewundernswerte Kraft haben in<br />
den zehn Jahren bei Birgit Keil nie nachgelassen. Ich bin sehr<br />
froh, dass mein Nachfolger, Peter Spuhler, die Compagnie<br />
nahtlos übernommen hat. Und so konnte und kann Birgit<br />
Keil die Compagnie hoffentlich noch lange weiterführen und<br />
weiterentwickeln. ■<br />
Birgit Keil und Achim Thorwald nach der Saison-Premiere von Peter Wrights »Giselle« umgeben<br />
von Mitgliedern der Compagnie (Foto: Badisches Staatsballett Karlsruhe)<br />
26 Ballett Intern 5/2012
10. Tanzolymp<br />
2013<br />
von Dagmar Ellen Fischer<br />
Zum zehnten Mal findet im kommenden<br />
Jahr der TANZ OLYMP statt, vom<br />
17. bis zum 21. Februar 2013. Seit der<br />
Erstausgabe im Jahr 2004 ist der Wettbewerb<br />
als Festival stetig gewachsen,<br />
an Dauer, Umfang, Teilnehmerzahl<br />
und im internationalen Maßstab auch<br />
in der Wahrnehmung. 2013 werden<br />
2000 Teilnehmer aus 40 Ländern erwartet,<br />
damit ist der TANZOLYMP das<br />
größte Tanztreffen der Jugend in Europa.<br />
Für Berlins Bürgermeister Klaus<br />
Wowereit, der 2012 ein Grußwort formulierte,<br />
»sticht der TANZOLYMP aus Berlins vielfältigem Angebot<br />
heraus. Workshops, Seminare und Wettbewerbe, die<br />
dem Austausch und der Förderung dienen, eine mitreißende<br />
Atmosphäre und die Gelegenheit – etwa bei der Abschlussgala<br />
– junge Talente aus der ganzen Welt zu erleben – das ist<br />
die Mischung, die dieses Festival für seine Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer sowie ihr Publikum so einzigartig macht. Für<br />
die Kultur- und Kreativmetropole Berlin gehört die Veranstaltung<br />
daher längst zu den besonderen Höhepunkten.« Mit<br />
2011 erhielt Constantine Allen<br />
nicht nur den »Grand Prix« des<br />
Tanzolymps sondern wurde auch<br />
für seine hervorragenden Leistungen<br />
als Schüler mit einem Preis<br />
des DBfT e.V. geehrt.<br />
(Foto: Günther Rebel)<br />
Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogiek e.V.<br />
1. PREIS<br />
Constantine Allen<br />
Für die hervorragendste Leistung eines Schülers<br />
eines professionellen Ausbildungsinstitutes<br />
für Künstlerischen Bühnentanz in <strong>Deutschland</strong><br />
während des<br />
TANZ OLYMP BERLIN 2011<br />
vergibt der<br />
Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik e.V.<br />
an<br />
Constantine Allen<br />
(John Cranko Schule Stuttgart)<br />
den<br />
1. PREIS<br />
mit einer Dotierung in Höhe von 1.000 Euro<br />
Berlin, den 19. Februar 2011<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />
Martin Puttke Günther Rebel<br />
TANZOLYMP 2013<br />
dem Initiator und Direktor, Oleksi Bessmertni,<br />
sprach Dagmar Ellen Fischer.<br />
DEF: Wie kamen Sie auf die Idee, den<br />
Tanzolymp in Berlin ins Leben zu rufen?<br />
OB: Eigentlich zufällig. Ich habe als Jurymitglied<br />
an einem europäischen Ballettwettbewerb<br />
teilgenommen, dabei<br />
bin ich plötzlich auf die Idee gekommen,<br />
dass ich etwas Vergleichbares,<br />
aber viel besser, selbst organisieren und<br />
auf die Beine stellen könnte! Gesagt –<br />
getan.<br />
DEF: Hatten Sie ein Vorbild, an dem<br />
Sie sich orientierten?<br />
OB: Nein, aber eine deutliche Vorstellung,<br />
wie das Ganze aussehen soll!<br />
DEF: Wurde Ihr Vorhaben zunächst<br />
skeptisch betrachtet oder sogar belächelt?<br />
OB: Ja, keiner wollte glauben, dass meine Idee auf einer soliden<br />
Basis steht und eine Zukunft hat. Vladimir Vassiliev vom<br />
Bolschoi Theater Moskau, den ich als Juryvorsitzenden zum<br />
ersten TANZOLYMP eingeladen habe, hat mich ausgelacht<br />
und gesagt, dass es schon Tausende solcher Wettbewerbe<br />
gäbe und ich kaum eine Chance hätte, ihn zu etablieren und<br />
durchzuhalten. Jetzt kommt er zum zehnten Mal nach Berlin<br />
als Juryvorsitzender des 10. TANZOLYMP.<br />
DEF: Welche Persönlichkeiten des Balletts und des Tanzes<br />
haben Sie dann doch von Ihrer Idee überzeugen können?<br />
OB: Vladimir Vassiliev war der Erste, dann kam Vladimir Malakhov<br />
dazu, danach viele andere mehr.<br />
DEF: Wie finanziert sich das Festival?<br />
OB: Ich finanziere alles aus eigenen Mitteln, dazu kommen<br />
Sponsorenbeiträge.<br />
DEF: Wie hoch war die Teilnehmerzahl des ersten Festivals,<br />
und wie ist es bis heute gewachsen?<br />
OB: Rund 380 Kinder haben am ersten Festival teilgenommen,<br />
in diesem Jahr sind es mehr als 2000!<br />
DEF: Hat Ihr aktueller Aufenthalt in Japan im November<br />
auch mit dem TANZOLYMP zu tun?<br />
OB: Ja, ich nehme in Japan auch an einem Tanzwettbewerb<br />
teil, als Jurymitglied und als Live-Botschafter des TANZ-<br />
OLYMPS, und ich hoffe, dass im Jahr 2013 viele Kinder und<br />
Jugendliche aus Japan nach Berlin kommen werden.<br />
DEF: Was liegt Ihnen zum zehnjährigen Jubiläum im nächsten<br />
Jahr besonders am Herzen?<br />
OB: Im Jubiläumsjahr veranstalte ich sogar drei Gala–Abende!<br />
Der erste Abend findet am 17. Februar im Admiralspalast<br />
statt, daran nehmen die Gewinner aller bisherigen<br />
TANZ OLYMP-Wettbewerbe teil, seit 2004 bis heute. Die<br />
zweite gala am 21. Februar wird, wie immer, ein Zusammenschnitt<br />
aus mehreren Gewinnern der jeweiligen Kategorien<br />
und den schönsten Beiträgen der Wettbewerbstage. Bei<br />
der dritten gala »Vivat TANZOLYMP« am 25. März in<br />
der Komischen Oper werden internationale Stargäste der<br />
Berliner Ballettszene – von Moskau bis Tokio, von München<br />
bis New York, von Berlin bis St. Petersburg – auftreten. ■<br />
Ballett Intern 5/2012 27
ACADEMY 1 – Bühnenkunstschule in Berlin Kreuzberg<br />
Energie für Körper<br />
und Geist<br />
ACADEMY 1 –<br />
Bühnenkunstschule in Berlin-Kreuzberg<br />
von Karin Schmidt-Feister<br />
Der Wunsch, junge Menschen verschiedener Nationalitäten<br />
im sozialen Brennpunkt Berlin durch künstlerische Arbeit zusammenzubringen<br />
und so den respektvollen Umgang miteinander<br />
lustvoll zu leben, führte auf Seiten des traditionsreichen<br />
Berliner Energieerzeugers GASAG dazu, neu über Sozialsponsoring<br />
im Kulturbereich nachzudenken. Die breite interkulturelle<br />
Arbeit des Kiez- und Nachbarschaftstreffs »Alte Feuerwache<br />
e. V.« in Kreuzberg schien der geeignete Ort, um das<br />
ambitionierte Konzept einer multidisziplinären Bühnenkunstschule<br />
mit Leben zu erfüllen. Jugendliche zwischen 13 und<br />
19 Jahren erproben hier ihre Talente in Schauspiel, Gesang<br />
und Tanz. »Die ACADEMY 1 starteten wir 2003. Nach einem<br />
Jahr haben wir den Etat aufgestockt«, so Birgit Jammes,<br />
GASAG Konzernkommunikation, die das Projekt mitinitiiert<br />
hat und seither leidenschaftlich begleitet. »Wir sind an einer<br />
langfristigen Förderung interessiert. Wir fördern und fordern<br />
Jugendliche über einen Zeitraum von einem Jahr. Wer hier für<br />
ein Jahr in den Gesangs-, Tanz- und Schauspielklassen dabei<br />
war, erkennt die eigenen Stärken, kann sich ausprobieren,<br />
gewinnt neue Freunde in toleranter und respektvoller Arbeit.<br />
Die ACADEMY – Bühnenkunstschule für Jugendliche in<br />
alle Fotos: ACADEMY 1<br />
Kreuzberg liegt uns sehr am Herzen. Jugendliche lernen sich<br />
zu präsentieren, sich auszudrücken. Sie stellen schließlich<br />
buchstäblich etwas dar – das sind Schlüsselqualifikationen,<br />
die ihnen im Leben enorm weiterhelfen.« Auch im zehnten<br />
Jahr des Bestehens der Bühnenkunstschule, die ohne öffentliche<br />
Gelder arbeitet, investiert die GASAG als Hauptsponsor<br />
in die kontinuierliche künstlerische Bildung von jungen Menschen<br />
– Energie mit Langzeitwirkung.<br />
Im September vergangenen Jahres bewarben sich erneut<br />
mehr als 200 theater-, tanz- und gesangsbegeisterte<br />
Jugendliche für einen der begehrten Plätze. 45 Jugendliche<br />
qualifizierten sich für den 9. Ausbildungsjahrgang. Bis zum<br />
Juni 2012 wurden sie in den drei künstlerischen Bereichen<br />
Tanz (Street Dance, New Dance), Gesang (Jazz, Pop, Musical)<br />
und Theater (Improvisation, Texttheater, Performance) gefördert<br />
und üben unter Anleitung von sieben professionellen<br />
Gesangs-, Tanz- und Schauspieldozenten (Praktiker von Konservatorien<br />
und Theaterpädagogen mit verschiedenen Techniken<br />
und Arbeitsansätzen) neben vielfältigen künstlerischen<br />
Techniken gleichzeitig gegenseitige Akzeptanz und Respekt<br />
im Umgang miteinander.<br />
»Wir wollen nicht MTV sein. Wir machen Kunst. Theater<br />
ist Kommunikation zwischen Bühne und Publikum«, betont<br />
Rachel Hameleers. Die niederländische Schauspieldozentin<br />
ist Mitinitiatorin und seit 2002 Künstlerische Leiterin. Gemeinsam<br />
mit ihrem engagierten Dozententeam qualifiziert<br />
sie die Begeisterung für Tanz, Gesang und Spiel durch eine<br />
professionellen Standards verpflichtete Ausbildung. Was Jugendliche<br />
bewegt, wird bewegend in Szene gesetzt. »Wir<br />
geben den Kids Futter für ihre eigene Kreativität und die Freiheit,<br />
alle Energie im Spiel, Tanz und Gesang rauszulassen«.<br />
Bei Casting-Workshops in den drei Disziplinen haben<br />
sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als 2000 junge<br />
Menschen beworben. Seit 2004 entwickelten sie in der ACA-<br />
DEMY-Ausbildung 15 Vorstellungen für die Bühne, die von<br />
mehr als 10.000 Besuchern erlebt und gefeiert wurden. Ein<br />
»Open-Stage« nach dem ersten Trimester, bei dem traditionsgemäß<br />
die unterschiedlichen Klassen beider Ausbildungsjahre<br />
erstmals voreinander auftreten, macht Anfängern wie<br />
Fortgeschrittenen deutlich, welche beachtenswerten Talente<br />
in jedem Jugendlichen stecken, die im leidenschaftlichen Miteinander,<br />
angetrieben vom Wunsch mit Körper und Stimme<br />
von den eigenen Wünschen, Ängsten, Sehnsüchten zu spre-<br />
28 Ballett Intern 5/2012
chen, vielgestaltigen Ausdruck finden können. »Entdecke<br />
Deine Fähigkeiten!« Das Motto ist Programm für die Probenarbeit,<br />
die in zwei Neuinszenierungen mündet.<br />
Das GASAG-Sozialsponsoring für dieses Integrationsprojekt<br />
erstreckt sich über zwei Akademie-Jahre. Beim Casting<br />
wird der Fokus auf eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen<br />
Talenten gelegt. Dann steht fest, wer in den neuen Klassen<br />
für Gesang, Tanz und Schauspiel ein Jahr lang von jeweils<br />
zwei Dozenten gefördert wird. 45 Jugendliche proben dann<br />
zweimal wöchentlich für zweieinhalb Stunden, zahlen als<br />
Zeichen der Wertschätzung selbst einen Obolus von 15 bzw.<br />
20 Euro monatlich. Unentschuldigtes Fehlen ist tabu. Ein<br />
Zeugnis attestiert die erworbenen künstlerischen Fähigkeiten.<br />
Wer nach erneuter Auswahl im zweiten Jahr weitermacht,<br />
kann sich in allen Künsten zugleich darstellerisch erproben<br />
und bringt sich in die Erarbeitung eines neuen Stückes ein,<br />
das zum Abschluss dieses interdisziplinären Probenprozesses<br />
unter professionellen Bühnenbedingungen aufgeführt wird.<br />
Im Mai 2012 waren 14 Jugendliche mit ihrer Show »Perfekt«<br />
in der Werkstatt der Kulturen der Welt lustvoll auf der Suche<br />
nach dem perfekten Menschen. Die Jugendlichen wissen genau,<br />
wovon sie singen, sprechen, tanzen und wie sie in immer<br />
neuen Facetten die begeisterte Aufmerksamkeit, Nachdenklichkeit,<br />
das Lachen und die Bewunderung der Zuschauer<br />
durch darstellerisches Können erringen. Wie nuanciert sie<br />
sich selbst und ihre ureigenen, unter den Nägeln brennenden<br />
Themen in Sketchen, Songs und Tänzen auf die Bühne<br />
brachten, elektrisierte das Publikum. Bin ich schön? Wie werde<br />
ich wahrgenommen, wer bin ich, in welcher Welt will ich<br />
ACADEMY 1 – Bühnenkunstschule in Berlin Kreuzberg<br />
leben? »Perfekt« – die 90-minütige Performance katapultiert<br />
Akteure wie Zuschauer in immer neue Casting-Runden voll<br />
fragendem Hintersinn. Auf dem Höhepunkt der Show ruft<br />
Derman Deniz ihren 13 Mitbewerbern zu: »Stopp! Wir rennen<br />
und wir lächeln bis zum Atemstillstand. Wir machen uns<br />
gegenseitig fertig«. Die neue Bühnenshow spiegelt facettenreich<br />
die Suche nach sich selbst in unserer reizüberfluteten<br />
gesellschaftlichen Realität! Die Zuschauer sind bis hinein in<br />
das interessante Programmheft als Diskussionspartner der<br />
Bühne gefordert. Was für ein Reichtum an Talenten! Alle Beiträge<br />
wirken frisch und gewinnen durch den darstellerischen,<br />
sprachlichen und stimmlichen Ausdruck emotionale und<br />
assoziative Kraft. Körpersprache, Aussprache, Intonation,<br />
Rhythmusgefühl, szenische Präsenz und Fantasie sind bemerkenswert.<br />
Die Jugendlichen treffen die schrillen und leisen<br />
Töne, beweisen Ensemble-Geist und haben enorme ganzkörperliche<br />
Präsenz mit ungekünstelter prägnanter Gestik.<br />
Auch der 9. Jahrgang der ACADEMY 1-Absolventen fieberte<br />
im Juni 2012 seinem Auftritt entgegen. Für ihre Abschluss-<br />
Show »Anpfiff« entwickelten junge Tänzer, Schauspieler und<br />
Sänger jeweils eigene Lieder, Szenen und Tanznummern,<br />
die temporeich und emotional das Thema Sport aufgreifen.<br />
Seit 2008 bereichert die »juniorACADEMY« als Kooperationsprojekt<br />
mit Hilfe zur Erziehung (HzE) zusätzlich das kulturelle<br />
Freizeitangebot. Diese konzentriert sich besonders auf die<br />
Einbeziehung des direkten sozialen Umfeldes der Alten Feuerwache<br />
in Berlin-Kreuzberg; die Kinderarmut liegt hier bei<br />
70 %, fast dreiviertel der Kinder unter 15 Jahren leben von<br />
Transferleistungen. Gemeinsames künstlerisches Lernen und<br />
Erleben fördert auch hier in jeweils achtwöchigen Schnupperkursen<br />
bei Gruppenarbeit in Tanz, Gesang und Spiel das<br />
Zusammenleben und stärkt die respektvolle Anerkennung<br />
der ACADEMY nachhaltig.<br />
Das Miteinander von Jugendlichen, verschieden in Herkunft,<br />
Alter und Bildungsstand, wird im ACADEMY-Projekt<br />
der soziokulturellen Jugendarbeit des Stadtteilzentrums »Alte<br />
Feuerwache« und der Berliner GASAG gelebt. ACADEMY –<br />
die Bühnenkunstschule für Menschen aller Kulturen zwischen<br />
13 und 19 Jahren in der Axel-Springer-Straße 40 ist ein<br />
lebendiger Ort voller Energie(n)!<br />
Inzwischen haben wieder 45 junge Menschen das Casting<br />
für den 10. ACADEMY-Jahrgang bestanden, präsentieren im<br />
Dezember 2012 die szenischen Ergebnisse ihrer ersten drei<br />
Probenmonate – singend – tanzend – spielend. »Jedes Jahr<br />
wächst man an Erfahrungen. In diese Jubiläums-Spielzeit<br />
nehmen wir alles mit, was wir gemeinsam gelernt haben«,<br />
freut sich Rachel Hameleers. Sie und ihr Team begeistert<br />
die Bandbreite der Jugendlichen. »Es ist erstaunlich und beeindruckend,<br />
wie weit die Teilnehmer bereit sind, für ihren<br />
künstlerischen Traum zu reisen. Sie kommen aus Marzahn,<br />
Potsdam, Reinickendorf, Neukölln, Kreuzberg.« Voller Elan<br />
proben sie gemeinsam mit Blick auf den Juni 2013 – Zehn<br />
Jahre ACADEMY-Bühnenkunstschule, was zünftig mit neuen<br />
Stücken – und hoffentlich einem Sommerferien-Spezial mit<br />
internationalen Gästen – gefeiert werden wird. �<br />
Information/Anmeldung zum ACADEMY-Casting unter:<br />
www.alte-feuerwache.de/academy<br />
Ballett Intern 5/2012 29
Porträt: Igor Zapravdin<br />
»I am crazy with ballet«<br />
Porträt: Igor Zapravdin<br />
von Ira Werbowsky<br />
Er hat sein Leben dem Ballett gewidmet:<br />
Igor Zapravdin ist Ballettkorrepetitor<br />
mit Herz und großer<br />
russischer Seele. Im Alter von sieben<br />
Jahren schickte ihn seine Mutter<br />
sowohl zum Klavier- als auch zum<br />
Ballettunterricht, da sie beides liebte. Der in Sewastopol aufgewachsene<br />
Igor entschied sich später allerdings für Klavier<br />
und setzte seine Ausbildung in Moskau am Konservatorium<br />
fort. In diesen vier intensiven Studienjahren gab es für den im<br />
Internat untergebrachten jungen Mann nichts als die Musik.<br />
Wenn er nicht am Tschaikowsky-Konservatorium Unterricht<br />
hatte, war er im Bolschoi Theater und sah fasziniert den Vorstellungen<br />
zu. Ballett hatte es ihm immer noch angetan. Wie<br />
konnte er diese beiden Leidenschaften künstlerisch und beruflich<br />
verbinden? Nach seinem Diplom in Klavier und Komposition<br />
wurde er am Stanislavski-Theater und am Nemirovich-Danchenko-Theater,<br />
dann am Moskauer Classical Ballet<br />
engagiert. Dort hat er erstmals als Korrepetitor Tänzer beim<br />
Training und in den Proben begleitet. Das war am Anfang<br />
keine leichte Aufgabe, verlangte es doch vom Pianisten, sich<br />
musikalisch den Wünschen und Bedürfnissen der Tänzer und<br />
der Ballettmeister unterzuordnen und die unendliche Vielfalt<br />
musikalischer Tempi anzupassen.<br />
Ein erster gravierender Einschnitt in diese harmonische<br />
Synthese aus Tanz und Klavierspiel kam durch den Armeedienst.<br />
Für anderthalb Jahre diente Igor Zapravdin im russischen<br />
Heer – das war eine harte Lebensschule, nur gemildert<br />
dadurch, dass sein Onkel, der als Admiral in Sewastopol<br />
bei der Flotte war, ihn zu sich holte. Nach dem Militärdienst<br />
kehrte er nach Moskau zurück und kam ans Russische Staatsballett,<br />
damals unter der Leitung von Wjatcheslaw Gordejew.<br />
Hier traf er auch auf Vladimir Malakhov, mit dem ihn seit<br />
damals eine künstlerische Freundschaft verbindet.<br />
Im Herbst 1992 begleitete er diese Compagnie zu einem<br />
Gastspiel nach Wien – und spielte aus eigener Initiative der<br />
damaligen Ballettchefin Elena Tschernischova vor. Er erhielt<br />
sogleich einen Vertrag! Seither ist er erfüllt von seinem Lebenstraum,<br />
seine beiden Lieblingsbereiche in der Kunst beruflich<br />
verbinden zu dürfen – in einer goldenen Balance, wie<br />
er sagt, teile er seine Liebe zwischen Musik und Ballett auf.<br />
»Das ist die optimale Kombination für mich!«<br />
Ballett und Musik sind lebensbestimmend<br />
Besonders stolz ist er auf seine Zusammenarbeit mit Mstislav<br />
Rostopowitsch, für den er 1996 ein Konzert für Klavier<br />
und Cello spielen durfte. Er hat berühmte Sänger wie Evgeny<br />
Nesterenko, Stella Grigorian oder Evgeny Dmitriev begleitet.<br />
Bei internationalen Ballettwettbewerben war er als Pianist im<br />
Einsatz, so u. a. in Budapest, Paris, Japan, Korea, Brasilien, Luxemburg,<br />
Moskau und St. Petersburg. Ebenfalls war er für das<br />
musikalische Arrangement von Vladimir Malakhovs Version<br />
der »Bajadere« sowohl in Wien als auch in Berlin zuständig.<br />
Bei den der berühmten österreichischen romantischen Tänzerin<br />
Fanny Elßler gewidmeten Gala-Abenden in Eisenstadt und<br />
Wien lag die musikalische Basis ebenfalls in seinen Händen.<br />
Im steten Bestreben, das Bestmögliche für den klassischen<br />
Tanz zu geben, hat er bereits mehrere CDs mit Ballettmusik<br />
als Begleitung für Trainingssequenzen herausgebracht. Sein<br />
neuestes Werk, das unter der Ägide von Mariella Ermini von<br />
der Accademia Nazionale dei Danza in Rom (mit ausführlicher<br />
Beschreibung der Übungen auf italienisch) entstand, wird im<br />
Herbst in Wien in englischer Fassung vorgestellt – die Präsentation<br />
in Italien fand bereits Ende August in Grado statt.<br />
Ballett lässt ihn niemals los. Sogar in den Theaterferien<br />
hat er sich in all den Jahren dem Tanz verschrieben. Statt<br />
Urlaub zu machen, ist er ein gefragter Pianist bei verschiedenen<br />
Ballett-Trainingskursen im Ausland. Im vergangenen<br />
Sommer kam er so nach einigen echten Urlaubstagen mit<br />
seiner Schwester in Ljubljana und Bled über »Klavierspiel-Tage«<br />
in Pescara, wo er in der Jury des Ballettwettbewerbs saß,<br />
nach Ischia/Napoli bis nach Sizilien, bevor er für zehn Tage in<br />
Igor Zapravdin spielt mit: Die Rolle des Pianisten in »The Concert« von<br />
Jérôme Robbins verlangt mehr als nur Einsatz an den Tasten. Von rechts<br />
umgarnt ihn Irina Zymbal. (Fotos: Wiener Staatsballett/Michael Pöhn)<br />
Moskau bei seiner Mutter Station machte, um anschließend<br />
zu seiner CD-Präsentation nach Grado zu reisen.<br />
Jubiläum: 20 Jahre in Wien an der Staatsoper<br />
Mittlerweile ist er seit 20 Jahren in Wien und hat als Ballettkorrepetitor<br />
neue Maßstäbe gesetzt. Er ist aus den Ballettsälen<br />
der Staatsoper nicht mehr wegzudenken. Von seiner<br />
Position am Flügel aus beobachtet er die Tänzer und sieht<br />
so, in welchen Entwicklungsprozessen die jeweiligen Choreographien<br />
entstehen und Schritt für Schritt Gestalt annehmen.<br />
Er ist sich seiner Bedeutung bewusst, wie er mit seinem<br />
Spiel die Atmung, die Bewegungsfolgen stützt und fördert.<br />
Daher ist er täglich schon lange vor Trainingsbeginn im Ballettsaal,<br />
um sich selbst optimal einzustimmen, sich auf das<br />
geforderte Programm vorzubereiten und sich so auf den jeweiligen<br />
Tag einzustellen. Mit sensiblem Gespür trägt er mit<br />
den entsprechenden Melodien die Tänzer zu Höhenflügen,<br />
hebt die Stimmung und steigert die Motivation. Er stellt sich<br />
auf die Vorlieben der jeweiligen Ballettmeister ein und spielt<br />
passend zur Situation, mal ist genaue Partitur, mal Improvisation<br />
gefragt; mal eher jazzig oder streng klassisch. Er ist<br />
30 Ballett Intern 5/2012
immer konzentriert und empfindet große Freude<br />
über die gelungenen Darbietungen der Tänzer bei<br />
den Vorstellungen auf der Bühne, er fiebert richtiggehend<br />
mit. Aktuell freut er sich über den Auftritt<br />
von Olga Esina in »Schwanensee« in Moskau<br />
am Bolschoi-Theater und darüber, dass die Ersten<br />
Solisten des Balletts der Wiener Staatsoper, Maria<br />
Yakovleva und Denys Cherevychko, im November<br />
2012 in »Don Quixote« mit dem Ballett der Pariser<br />
Oper an der Opéra Bastille gastierten – ist dies<br />
doch das erste Gastspiel von Tänzern aus Wien<br />
mit dem Ballett der Pariser Oper seit Fanny und<br />
Therese Elßler vor mehr als 170 Jahren. Diese<br />
Freude über die Erfolge »seiner« Tänzer ist ehrlich<br />
und kommt aus tiefstem Herzen.<br />
Oft wird Igor Zapravdin auch in den Aufführungen<br />
am Klavier eingesetzt. Sein feinfühliges Spiel<br />
der Chopin-Nocturnes perlte einschmeichelnd bei<br />
»In the Night« von Jérôme Robbins aus dem Orchestergraben.<br />
Bei »The Concert«, einer weiteren<br />
Robbins-Choreographie, ist er nicht nur Klavier<br />
spielend auf der Bühne, sondern stückbestimmend<br />
komödiantisch im Einsatz. Sein Debut in dieser Rollenfunktion<br />
gab er im Vorjahr beim Gastspiel des<br />
Wiener Staatsballetts in Monte Carlo. Und er ist<br />
sehr neugierig, was ihm die Zukunft an künstlerischen<br />
Herausforderungen noch bringen wird. Das<br />
nächste Highlight für ihn ist die Premiere von »Tanzperspektiven«<br />
am 20. Februar 2013 in der Wiener<br />
Staatsoper, dann wird er in »A Million Kisses To<br />
My Skin« von David Dawson das Klavierkonzert<br />
Nr. 1 in d-moll von Johann Sebastian Bach spielen.<br />
Von Vorfreude erfüllt ist er auch wegen der neuen<br />
Produktion »Kreation und Tradition« (Premiere<br />
am 20. April 2013), in der sich junge Talente und<br />
aufstrebende Choreographen der Compagnie auf<br />
der Volksopernbühne beweisen dürfen. Auch das<br />
dreiwöchige Gastspiel des Wiener Staatsballetts im<br />
Juli in Paris stimmt ihn erwartungsvoll.<br />
Vielen Dank, Wien!<br />
Porträt: Igor Zaparvdin Porträt: Der Clown David Larible<br />
Nach zwanzig reichen Berufsjahren an der Staatsoper<br />
in Wien ist es ihm ein Herzensanliegen, dieses<br />
Jubiläum mit allen Freunden gemeinsam zu<br />
feiern und in Demut, aber mit der ihm eigenen,<br />
aus tiefster Seele kommenden Überschwänglichkeit<br />
»Danke, Wien« zu sagen. Am 24. November<br />
lud er zu einer festlichen Veranstaltung ins österreichische<br />
Theatermuseum. Alle Solisten traten<br />
an diesem Abend nur für ihn auf und bedankten<br />
sich im Gegenzug auf diese Weise für die<br />
jahrelange wunderbare Klavierbegleitung. Auch<br />
Gesangstars der Oper sangen ihm zu Ehren ein<br />
Ständchen.<br />
Igor Zapravdin kann ohne Ballett und Musik<br />
nicht leben: »Zwei Lieben sind in meinem<br />
Herzen. Maybe I am crazy – but my heart<br />
and my soul are dedicated to ballet!« �<br />
Wie viel Tanz<br />
steckt im Clown?<br />
Porträt: David Larible<br />
von Dagmar Ellen Fischer<br />
Guter Zirkus ist ein Gesamtkunstwerk. Zu den Guten gehören der kanadische<br />
»Cirque du Soleil«, der längst zum weltweit florierenden Konzern mutierte,<br />
und Roncalli, immer noch als erweitertes Familien-Unternehmen von<br />
Bernhard Paul mit Hauptsitz in Köln geleitet. Hier wie dort rückt mit der Abschaffung<br />
von Tiernummern die virtuose Körperkunst in den Vordergrund:<br />
Kein Zirkus kommt ohne Tänzer aus. Selbst wenn sie nicht ausdrücklich als<br />
solche auftreten, haben die Artisten oft eine tänzerische Vergangenheit.<br />
So wie David Larible, von Beruf<br />
Clown. Seit sieben Jahren sorgt er im Zirkus<br />
Roncalli für die richtige Atmosphäre,<br />
also für jene magischen Momente, die<br />
im Gedächtnis des Publikums bleiben.<br />
David Larible spinnt mit seinen Auftritten<br />
den roten Faden des Abends, auf seine<br />
Nummern warten die Zuschauer. Mit<br />
dem von ihm entwickelten Charakter –<br />
jeder Clown etabliert in seiner Karriere<br />
eine möglichst unverwechselbare Figur,<br />
mit der er im Idealfall überall identifiziert<br />
wird – sieht sich der gebürtige Italiener<br />
in der Tradition der Commedia dell’<br />
Arte. »Ich habe eine kurze Geschichte,<br />
David Larible und Gensi Mestres<br />
als tanzende Engel (Fotos: Circus<br />
Roncalli)<br />
die ich erzählen will, jede Nummer hat<br />
eine Linie, aber dazwischen improvisiere<br />
ich, reagiere auf das Publikum, kreiere<br />
spontan neue Dinge. Das ist wichtig,<br />
damit es lebendig bleibt!« In einer sol-<br />
chen Szene spielt David Larible beispielsweise mit einem imaginären Ball,<br />
den er geräuschvoll auffängt und plötzlich auch ins Publikum wirft: Egal,<br />
wie klar die Körpersprache des Clowns sein mag, es gibt immer jemanden<br />
im Zuschauerraum, der ihn nicht versteht oder nicht mitspielen will – dann<br />
ist Improvisation gefragt, damit die Szene weitergeht.<br />
Was für jeden einzelnen Auftritt einer Vorstellung gilt, lässt sich auch auf<br />
das Artistenleben insgesamt übertragen: Ein Künstler braucht neue Herausforderungen.<br />
Am 8. Dezember wird David Larible zum letzten Mal mit dem<br />
Zirkus Roncalli aufgetreten sein, in der aktuellen Show »Time is Honey«.<br />
»Sieben Jahre sind genug! Wenn etwas zur Routine wird, ist das der Tod<br />
für einen Künstler.« In den vergangenen Jahren tourte Larible durch viele<br />
Länder, als Dreh- und Angelpunkt der Crew erlangte er einen Grad an Popularität,<br />
der ihm den Ruf des weltbesten Clowns einbrachte – und mit der<br />
Roncalli natürlich wirbt. Doch diese inoffizielle Auszeichnung bedeutet ihm<br />
nichts, im Gegenteil, fast scheint er sich bedroht zu fühlen durch diese Titulierung:<br />
»Es gibt keinen besten Clown. Es gibt den besten Boxer der Welt,<br />
der alle besiegt hat. Aber Kunst ist subjektiv, eine Geschmackssache. Wie<br />
könnte man sagen, dass Picasso besser ist als Dalí?« Sicher, er freut sich<br />
über Lob und Komplimente, es zeigt ihm, dass er auf dem richtigen Weg<br />
ist. »Aber wenn ich anfange zu glauben, dass ich der Beste bin, habe<br />
ich ein Problem. Dann bräuchte ich nichts mehr zu tun, dann wäre ich<br />
fertig, künstlerisch tot.« Und er hat eine schöne Metapher parat, die seine<br />
Haltung zum Leben spiegelt: Im Film »Limelight« tritt Charlie Chaplin in der<br />
Rolle des alternden Clowns Calvero in einer Spelunke auf, obwohl er ein ge-<br />
Ballett Intern 5/2012 31
Porträt: Der Clown David Larible<br />
feierter Künstler ist; sein Impresario fragt ihn entrüstet, warum<br />
er in dieser Kneipe spiele, wie ein Amateur. Darauf antwortet<br />
der Clown, dass alle Menschen Amateure seien, weil niemand<br />
lange genug lebe, um professionell zu werden. »Das ist meine<br />
Philosophie!« Bekennt David Larible strahlend, und Charlie<br />
Chaplin ist sein Vorbild. »Er war ein Genie, war Schauspieler,<br />
Regisseur, Autor, sogar die Musik zu seinen Filmen hat er<br />
komponiert. Aber noch wichtiger ist: Er wurde überall auf der<br />
Welt verstanden, sein Humor ist international.«<br />
So wie auch die Körpersprache eines Clowns sein muss, international.<br />
Beweglich bleiben, im dreifachen Sinn: mit einem gut<br />
trainierten Körper, einem agilen Geist, und der Bereitschaft, für<br />
die unterschiedlichen Engagements mobil und ständig unterwegs<br />
zu sein. Das gilt für die gesamte Familie: David Laribles Frau ist Zirkusartistin,<br />
seine Tochter Trapezkünstlerin, sein Sohn Jongleur. Ein<br />
sogenanntes Zuhause existiert zwar, aber dort ist die Familie fast<br />
nie anzutreffen. »Das ist hart, aber ich kenne es nicht anders.«<br />
David Larible, 1957 in Verona geboren, stammt aus einer<br />
typischen Artistenfamilie, schon sein Urgroßvater Pierre Larible<br />
taucht in einem Dokument aus dem Jahr 1881 als Akrobat und<br />
Tänzer auf, sein Großvater war Clown, sein Vater Trapezkünstler.<br />
»Seit Generationen lernen Kinder von den Eltern, mein Vater<br />
war mein Lehrer und unterrichte mich am Trapez. Aber ich wollte<br />
Clown sein. Und als ich acht Jahre alt war, sagte ich das meinem<br />
Vater.« Der war nicht begeistert und versuchte, es seinem<br />
Sohn auszureden, indem er ihm wahrheitsgetreu erklärte, es<br />
sei das Schwierigste, Menschen zum Lachen zu bringen. »Denn<br />
ein Clown müsse alle Jobs gut machen, ein Akrobat sein und<br />
ein Jongleur, ein Musiker und ein Tänzer. Aber ich wollte es<br />
unbedingt …« Also bekam der junge David Gesangsunterricht,<br />
lernte Instrumente spielen, übte jonglieren und ließ sich als Akrobat<br />
ausbilden. Und tanzte: »Ich habe fünf Jahre klassischen<br />
Tanz studiert. Ballett hat mir sehr geholfen in meiner Karriere,<br />
denn es gibt meinen Bewegungen die Harmonie. Auch die Bewegungen<br />
eines Clowns müssen harmonisch und koordiniert<br />
sein, und das hat mir der Tanz gegeben.« Außerdem spielt<br />
David Larible sechs Instrumente, spricht fünf Sprachen und beherrscht<br />
so ziemlich jedes Handwerk im Zirkus-Gewerbe. »Ich<br />
habe als Akrobat angefangen und eine akrobatische Rollschuhnummer<br />
gezeigt, dann war ich Jongleur, später habe ich einen<br />
argentinischen Gaucho-Tanz entwickelt. Am Trapez war ich zu<br />
sehen und in einer Pferdenummer – ich habe wirklich alles gemacht.<br />
Aber in meinem Kopf war immer: Ich will Clown sein!«<br />
Einige Jahre sprang er immer dort ein, wo Not am Artist war.<br />
Endlich wurde auch einmal ein Clown krank, und David Larible<br />
bekam seine große Chance. Er war 16, und er machte seine<br />
Sache so gut, dass ihm sogar ältere Artisten-Kollegen nach seinem<br />
Debüt gratulierten. »Du kannst einiges lernen, was ein<br />
Clown braucht, die Technik der Pantomime zum Beispiel,<br />
aber du kannst nicht lernen, lustig zu sein!« David Larible<br />
war lustig.<br />
Das Wichtigste, weiß der erfolgreiche Clown, ist das Timing,<br />
wie im Tanz. »Ohne Timing kann man kein Clown sein. Alles<br />
steckt im Timing. Mache ich das entscheidende Gesicht eine<br />
Sekunde zu früh oder zu spät, funktioniert nichts. Der berühmte<br />
Schweizer Clown Grock hat gesagt, eine Clown-Nummer ist<br />
wie eine Uhr.« Was keineswegs bedeutet, das einmal gefundene<br />
Timing sei eine feste Größe. Denn jedes Publikum ist anders,<br />
Clio Togni<br />
und David<br />
Larible<br />
das gilt es bei jedem Live-Auftritt zu erspüren. »Der Rhythmus<br />
des Lebens wechselt, und deshalb muss auch das Timing<br />
ständig wechseln. Jeden Abend, in jedem Moment. Der Artist<br />
wächst in jeder Vorstellung mit dem Publikum. Das kann man<br />
nicht sehen, das geschieht automatisch.«<br />
Ballettunterricht nahm David Larible in seiner italienischen<br />
Heimat. Später lernte er auch Jazztanz, studierte eine Weile Flamenco<br />
und nahm Unterricht in Stepptanz – letzteres inspirierte<br />
ihn zu einer Tap-Nummer in riesigen Schuhen. In den 1980er<br />
Jahren war er der Star der Fernsehserie »Circus – Tiere, Stars<br />
und Akrobaten«, auch in den Sendungen »Stars in der Manage«<br />
konnte man ihn regelmäßig erleben. 15 Jahre lang lebte und arbeitete<br />
er in den USA, dort trat er im größten US-amerikanischen<br />
Zirkus, »Ringling Bros. and Barnum & Bailey«, täglich vor rund<br />
20.000 Menschen auf. Mit Jerry Lewis stand er vor der Kamera,<br />
im Film »Ocean’s Eleven« übernahm er eine kleine Rolle. 1999<br />
wurde er beim Internationalen Circusfestival in Monte Carlo mit<br />
dem »Goldenen Clown« ausgezeichnet, dem Oscar der Manege.<br />
So unterschiedlich das Publikum in Japan und den USA auch<br />
sein mag, eines stellte der Live-Entertainer fast überall fest: Es<br />
fehlt eine Altersgruppe. »Kinder gehen gern in den Zirkus,<br />
aber nur bis zum Alter von ungefähr zwölf Jahren. Dann wird<br />
Zirkus uncool. Und sie kommen als Zuschauer erst zurück,<br />
nachdem sie über 20 sind.« Es ist genau die Altersgruppe, die<br />
auch als freiwillige Theatergänger so gut wie nicht existiert und<br />
ebenso als Tanz- und Ballettschüler am schnellsten schrumpft.<br />
Ein Neuanfang steht für David Larible 2013 an. Er wird seine<br />
Solo-Show wieder aufnehmen, die er vor einigen Jahren<br />
entwickelte. Darin erzählt er die Geschichte eines Mannes,<br />
der täglich ein Theater putzt, aber heimlich davon träumt, als<br />
Clown im Rampenlicht zu stehen. Und für eine Nacht wird sein<br />
Traum wahr, er darf nicht nur Clown werden, sondern »The<br />
Clown of Clowns« sein, der Beste – wie der Titel der anderthalbstündigen<br />
Show heißt. »Ich möchte damit sagen, dass jeder<br />
etwas Großartiges leisten kann, wenn er nur am richtigen<br />
Platz ist,« so David Larible über seine persönliche Motivation.<br />
»The Clown of Clowns« kann sich überall auf der Welt zeigen,<br />
denn er kommt ganz ohne Text aus. »Wir werden heutzutage<br />
bombardiert mit Worten, über Text wird das meiste kommuniziert.<br />
Ich glaube, dass es sehr schön und geradezu erfrischend<br />
sein kann, jemanden im Theater zu sehen, der viel<br />
erzählt, aber ohne Worte. Nur mit dem Gefühl, mit Gesten<br />
und mit Musik. Ich singe, ich spiele und ich tanze.« ■<br />
32 Ballett Intern 5/2012
»Vorgestellt« – ein neuer<br />
Dialog geht in Serie<br />
Ivan Liška, Ballettdirektor des<br />
Bayerischen Staatsballetts, informierte<br />
Studenten der Staatlichen Ballettschule Berlin<br />
über seine Münchner Compagnie<br />
von Volkmar Draeger<br />
Die Idee ist so einfach wie naheliegend. Fast muss man sich<br />
wundern, weshalb niemand vor ihnen darauf gekommen ist.<br />
Nun gebührt das Primat der Staatlichen Ballettschule Berlin.<br />
Denn sie hat eine neue, schulinterne Reihe mit hoffentlich<br />
großer Wirkung initiiert. »Vorgestellt: Ballettdirektoren und<br />
ihre Ensembles« verfolgt gleich mehrere Ziele. <strong>Deutschland</strong><br />
verfügt, einzigartig in der Welt, über rund 70 professionelle<br />
Ballett- und Tanztheatercompagnien, ob an Staats- und<br />
Stadttheatern, im Friedrichstadtpalast, bei zwei Fernsehsendern<br />
oder in Eigenregie wie Sasha Waltz & Guests. Was für<br />
Tänzer aller Länder ein Segen ist, bietet auch Absolventen<br />
staatlicher und privater Schulen gute Chancen, ein Engagement<br />
zu bekommen. Allein: Wie findet man die Truppe, die<br />
zu einem passt und die gerade auch auf einen wartet? Es<br />
verschlingt viel Geld, an Auditions teilzunehmen, besonders<br />
wenn man europaweit sucht. Von der aufzuwendenden Zeit<br />
gar nicht erst zu reden, zumal in die intensivste Reisephase<br />
der Kandidaten oft auch die schriftlichen und praktischen<br />
Prüfungen fallen. Um das ohnehin schmale Geldsäckel der<br />
Absolventen zu entlasten und auch ihren Zeitfonds zu schonen,<br />
hatte die Leitung der Schule einen zündenden Einfall.<br />
Wie wäre es, wenn man Ballettchefs, die zumeist ja auch<br />
Choreographen sind, in die Schule einlüde? Zum einen können<br />
sie interessierten Studenten Rede und Antwort stehen;<br />
zum anderen werden sie gewiss, immer auf der Suche nach<br />
potenziellen Ensemblemitgliedern, gern auch mal in die letzten<br />
Klassen schauen.<br />
Ein Vortrag von Schulleiter Ralf Stabel in München stellte<br />
den Kontakt zu Ivan Liška her, und der reagierte sofort positiv<br />
auf den Vorschlag, die neue Reihe in der Berliner Schule zu<br />
eröffnen. Das tat er vor vollbesetztem Auditorium im Theatersaal<br />
der Schule nicht allein. Zur Verstärkung hatte er sich<br />
Stellvertreterin und Dramaturgin Bettina Wagner-Bergelt mitgebracht.<br />
Beide gehören dem 1989 formierten Bayerischen<br />
Staatsballett seit langem an und wissen, worüber sie reden,<br />
wenn sie hinter die Kulissen der täglichen Arbeit blicken lassen.<br />
Das taten sie zur Freude der neugierigen Studenten so<br />
charmant wie zwanglos im Dialog, dass Berührungsängste<br />
gar nicht erst aufkamen. Vieles erfuhren die jungen Zuhörer<br />
über die Stadt an der Isar und ihr Ballett: dass es auf eine<br />
350-jährige Tradition zurückblicken kann; dass der italienische<br />
Komponist Orlando di Lasso, vom Kaiser geadelt, bis<br />
zu seinem Tod 1594 weit mehr als 30 Jahre dort Hofkapellmeister<br />
war; und dass das Staatsballett über zwei Spielstätten<br />
verfügt, die Bayerische Staatsoper mit 2000 Plätzen und<br />
das etwas kleinere Prinzregententheater. Die 68 Planstellen<br />
der Compagnie seien, sagt Liška, gerade ausreichend, um<br />
Häuser dieser Größe zu bespielen, mit zwischen 70 und 85<br />
Ivan Liška zu Gast an der Staatlichen Ballettschule Berlin<br />
Ivan Liška bei seinem Vortrag in Berlin – im Hintergrund seine Stellvertreterin<br />
und Dramaturgin Bettina Wagner-Bergelt (Fotos: Heckel)<br />
Vorstellungen pro Saison. Denn auch die Gastspiele rechnen,<br />
und zudem gibt es bereits die dritte Spielzeit eine Juniorcompagnie<br />
mit 16 Mitgliedern, neun Volontären und sieben Stipendiaten<br />
der Bosl-Stiftung, die hier ihre ersten Erfahrungen<br />
sammeln können und dennoch unter fachkundiger Führung<br />
bleiben.<br />
Eingeleitet hatte der Direktor den Nachmittag mit Komplimenten<br />
an die Gaststadt. In Berlin habe er als Student mit 15<br />
an der Lindenoper Lilo Grubers »Dornröschen« gesehen, mit<br />
einem Star wie Claus Schulz. Oft sei er danach an der Spree<br />
gewesen, habe Tatjana Gsovsky erlebt und Gert Reinholm<br />
und, spätestens dann in München, die Gsovsky-Schülerin<br />
Konstanze Vernon. Dass er hier auch gastiert hat, etwa in<br />
Gerhard Bohners Rekonstruktion des »Triadischen Balletts«,<br />
sei angefügt. Doch was die Schüler besonders interessierte,<br />
waren aktuelle Informationen zu seiner Compagnie in<br />
München. Wie breit das dortige Repertoire ist, von der traditionellen<br />
Klassik bis zur heutigen Moderne, wusste er nicht<br />
nur zu berichten: Er hatte Videoausschnitte vorbereitet. Sie<br />
zeigten eben jene Spannweite des Spielplans, von der vielgelobten<br />
Rekonstruktion des »Corsaire« nach den in Boston<br />
verwahrten Stepanov-Notaten des Petipa-Originals über Frederick<br />
Ashtons nirgendwo sonst in unserer Republik getanz-<br />
Ballett Intern 5/2012 33
Ivan Liška zu Gast in Berlin 20. Münsteraner Tanzfestival<br />
Zwei Tanzpreisträger: Ivan Liška zu Gast bei Gregor Seyffert in Berlin<br />
ten »Scènes de ballet« und Hans van Manens »Five Tangos«<br />
bis zu »Das Mädchen und der Messerwerfer« in der zeitgenössischen<br />
Choreographie von Simone Sandroni. Und bis zu<br />
einer der sensationellen Choreographien von Nacho Duato:<br />
»Vielfältigkeit. Formen von Stille und Leere« zu Musik Bachs.<br />
Viele Hinweise erhielten die Berliner Studenten so en<br />
passant. Dass es im Theater immer auch Kampf der Sparten<br />
gebe, Hindernisse aber da seien, um überwunden zu werden;<br />
dass Tänzer sich die Klassiker zu »ihrem« Stück machen<br />
müssen, um nicht Museum zu präsentieren; dass solides<br />
klassisches Fundament unabdingbar, heute aber nicht mehr<br />
ausreichend sei, um im Theater mit seinen vielen Stilistiken<br />
zu bestehen; dass eine Compagnie zwar keine Versorgungseinrichtung<br />
für Solisten sei und dennoch ihr Repertoire an<br />
der Besetzbarkeit ausrichte. Etwa 70 Stücke mache es derzeit<br />
aus, man studiere gerade eine Choreographie von Merce<br />
Cunningham ein, mit einem speziellen Training für die<br />
Besetzung. So koste Glücklichsein eben auch Schweiß – und<br />
eine Sieben-Tage-Arbeitswoche. Anstrengung sei ein Zeichen<br />
von Wert. Auf seine angenehme, höchst informative<br />
Weise reiste das Duo von der Isar nach eigenen Worten »in<br />
75 Minuten durch die Welt des Tanzes, wie sie in München<br />
Alltag ist«. Das Bayerische Staatsballett dürfte damit nicht<br />
nur in <strong>Deutschland</strong>, sondern auch europaweit ein Repertoire<br />
besitzen, das dem der Pariser Oper an Vielfalt kaum<br />
nachsteht. Als besonderes Geschenk hatte Ivan Liška, der<br />
tschechische Elegant und Preisträger des Deutschen Tanzpreises<br />
2012, ein Tänzerpaar mitgebracht, kaum älter als die<br />
Berliner Studenten. Mai Kono und Olzhas Tarlanov zeigten,<br />
was Jirˇí Kylián einst für Birgit Keil und Vladimir Klos kreiert<br />
hatte: »Nuages« zur Musik von Claude Debussy. Wie nach<br />
dem Ende der Veranstaltung in kleinen Gruppen diskutiert<br />
wurde, wie man mit den Münchener Gästen ins Gespräch<br />
kam, bestätigte den Erfolg jener Premiere. Je nach Terminplan<br />
der Angefragten wird es, so Schulleiter Ralf Stabel zufrieden,<br />
in unregelmäßiger Folge Fortsetzungen des direkten<br />
Dialogs zwischen Ballettdirektoren und Berliner Studenten<br />
geben. Zur Nachahmung ausdrücklich empfohlen! ■<br />
»… eine irrsinnig<br />
lebendige Tanzszene«<br />
Das 20. Münsteraner Tanzfestival<br />
von Marieluise Jeitschko<br />
Aus dem einstigen kleinen Festival in einer Münster’schen<br />
Discothek wurde ein großes Fest im städtischen Theater. Aber<br />
der Name ist geblieben und die vorbildliche Organisation von<br />
Ingrid Heid ebenfalls. Heute gehört das »Münsteraner Tanzfestival«<br />
zu den »Highlights im Kulturkalender«, konstatiert<br />
Kulturdezernentin Dr. Andrea Hanke. Am 4. November fand<br />
es zum 20. Mal statt und füllte das Große Haus des Theaters<br />
wieder bis auf den letzten Platz. Fast drei Stunden dauerte<br />
der schwungvolle Abend mit vier Ballettschulen und zehn<br />
Gruppen als Repräsentanten einer »irrsinnig lebendigen und<br />
üppigen freien Tanzszene«, so Moderator Matthias Bongard.<br />
Waren beim 10. Festival Modest Mussorgskys »Bilder einer<br />
Ausstellung« musikalisches Bindeglied der Beiträge gewesen,<br />
so geleiteten diesmal Antonio Vivaldis »Vier Jahreszeiten«<br />
durch den ersten Teil des Programms, sehr unterschiedlich<br />
gestaltet von den traditionsreichsten Ballettschulen der<br />
Stadt: Le Ballet Sattler (Frühling), Rebel Dance Company<br />
(Sommer), Tanztheater Orosz (Herbst) und Tanzprojekte Heidi<br />
Sievert (Winter). Ganz klassisch fing es an mit den kleinen<br />
Schneeglöckchen in wippenden Tüll-Tutus und Schläppchen.<br />
Vier fortgeschrittene Elevinnen von Eleonore H. Sattler tanzten<br />
bunte Frühlingsboten auf Spitze, und sogar ein Ballerino<br />
sprang und wirbelte durch den Frühling.<br />
Vor der Projektion der glutrot untergehenden Sonne ist<br />
die Silhouette eines Kapuzenmanns zu sehen. Eine Stimme<br />
(Fotos: Tatjana Jentsch)<br />
34 Ballett Intern 5/2012
ezitiert aus einem Jahreszeitengedicht. Davor entspinnt sich<br />
Günther Rebels Sommernachtsliebelei von zwei Paaren und<br />
Freunden, die sich handfest modern bis akrobatisch tanzend<br />
umschmeicheln, über Kreuz mit dem Gegenüber flirten und<br />
schließlich den Partner wechseln.<br />
Zum malerischen Tableau an barocker Tafel mit überquellenden<br />
Obstschalen und Kandelabern posieren acht Herbst-<br />
Schönheiten in edlen Roben, Herbstlaub in die kunstvollen<br />
Frisuren geflochten. Zart gestikulieren sie, biegen kokett die<br />
Hälse, lächeln und strahlen im Bewusstsein ihrer Reize. Als<br />
Folklore sich mit Vivaldis Klängen und Rhythmen verbindet,<br />
tanzen sie ausgelassen, andere mischen sich ein. Manche erstarren<br />
wieder zum Tableau. Während Wind und Regen rauschen,<br />
endet die poetische Szene sehr sinnlich im roten Schimmer.<br />
Eine meisterliche Miniatur boten Lajos Orosz und seine<br />
Compagnie mit zauberhafter Ausstrahlung. In Svenja Gasches<br />
Choreographie des Winters heben sich anfangs vier Hügel aus<br />
dem diffusen Licht weiß ab. Gestalten schälen sich aus Baumstümpfen,<br />
tappen barfuß, den Kopf zwischen den Schultern<br />
wie in Trance zur motorischen Musik. Modern Dance und Ausdruckstanz<br />
gehen eine harmonische Allianz ein.<br />
Zehn freie Gruppen sorgten nach der Pause für Abwechslung<br />
und gute Laune. Wie seit Jahren eröffnete »Schrittwechsel«,<br />
eine Gruppe der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger<br />
Behinderung, das Potpourri. Ein Mosaik aus Beiträgen früherer<br />
Jahre setzten die Frauen und Männer zu Stevie Wonders<br />
»Happy Birthday« zusammen. Die ganze Palette populärer<br />
Tanzrichtungen von Stepptanz und Jazz Dance über HipHop<br />
und Breakdance bis zu Swing der 1950er Jahre und folkloristischem<br />
Flamenco fächerten<br />
die anderen Gruppen auf. Am<br />
Ende vereinten sich alle zur<br />
pompösen Musik von Edward<br />
20. Münsteraner Tanzfestival<br />
Elgars »Pomp and Circumstance« auf der Bühne in einer riesigen<br />
Umarmung – eine rührend-symbolische Geste für den<br />
Zusammenhalt der Münsteraner Szene, trotz mancher Rivalitäten<br />
und Konkurrenz im Alltag.<br />
Plädoyer für den Tanz<br />
Die Geschichte des Festivals spiegelt das vielfältige, nimmermüde<br />
Plädoyer für den Tanz in Münster wider. »Das Interesse<br />
am Tanz zu stärken und für seine Vielfalt in dieser<br />
Stadt zu werben, war unser ambitioniertes Ziel«, sagt<br />
Ingeborg Kölling, Mitgründerin der Initiative neben Günther<br />
Rebel, Heidi Sievert und Eleonore H. Sattler. Fünf freie Gruppen<br />
holten die vier Schulen 1989 zum ersten zweitägigen<br />
Festival mit ins Boot. Es sei damals auch ein Hilfeschrei gewesen,<br />
erinnert der Mitorganisator Hery Klas: »Wir wollten auf<br />
unzureichende Auftrittsbedingungen und fehlende finanzielle<br />
Förderung aufmerksam machen«.<br />
Das ist vollauf gelungen, die finanzielle Unterstützung<br />
von heute 10.000 Euro pro Jahr allerdings bescheiden. 1992<br />
bestritten bereits acht Ballettschulen und 20 freie Gruppen<br />
drei Abende im Kleinen Haus des Theaters und zwei,<br />
wie zuvor, im »Jovel«, Münsters Disco in einer ehemaligen<br />
Brauerei. Rund 2.500 Laien zählte die Szene damals in der<br />
Stadt. Seit 1994 ist das Festival auf einen einzigen Abend<br />
reduziert und im Großen Haus zu Gast. Allerdings gründete<br />
die Kooperative damals den »Verein Tanzspektrum«. Er verwaltet,<br />
laut Heid, »als ideeller Vertreter der örtlichen Tanzszene«<br />
den städtischen Zuschuss. »Tanzspektrum« organisiert<br />
jährlich acht bis zehn Auftritte, die meisten im Kleinen Haus<br />
des Theaters, und sorgt für Werbung und Abrechnung. Das<br />
Modell funktioniert nur, erläutert Heid nachvollziehbar, »weil<br />
die Mitglieder von Tanzspektrum ganz viele ehrenamtliche<br />
Arbeitsstunden investieren«. �<br />
Ballett Intern 5/2012 35
Nachruf: Hans Werner Henze<br />
Komponierender Chronist<br />
Nachruf: Hans Werner Henze<br />
von Klaus Geitel<br />
Blättert man flüchtig in Henzes knapp hundertseitigem<br />
Werkverzeichnis, dann will es einem auf Anhieb erscheinen,<br />
es müssten sich unter dem Namen Henze gleich mehrere,<br />
allesamt fruchtbare Komponisten vereinen. Vier annähernd<br />
monumentale Opern und ein abendfüllendes Ballett noch<br />
dazu in nur sechs Jahren im Alleingang zu schreiben und<br />
zur Uraufführung zu bringen, grenzt nahezu an ein Wunder.<br />
Aber für Wunder und Wunderwerke hat sich Henze stets mit<br />
schier unerschütterlichem Fleiß stark gemacht.<br />
»Gehen Sie und tun Sie ihre Pflicht«, hatte ihn einst in der<br />
Jugend sein Wiesbadener Opernintendant angeherrscht, und<br />
Henze war prompt als Dirigent in eigener Sache ans Pult getreten,<br />
eine wahrhaft unzumutbare Pflicht zu erfüllen: eines<br />
seiner Frühwerke aufzuführen, aus dem man hinterrücks alle<br />
Solo-Instrumente herausgestrichen hatte.<br />
Eine künstlerische Demütigung erster<br />
Klasse, überboten später nur noch durch<br />
das Niederknüppeln seiner Musik durch<br />
die Hamburger Polizei bei der Uraufführung<br />
vom »Floß der Medusa« im stürmischen<br />
Revolutions-Dezember 1968 in<br />
Hamburgs Lustgarten »Planten un Blomen«,<br />
den Henze mit dem erzkapitalistischen<br />
Sündenbock »Blohm und Voss«<br />
verwechselt hatte. Man kann schließlich<br />
als Komponist auch nicht alles wissen.<br />
Soviel aber wusste Henze immerhin<br />
schon, dass man dem Opfer namens Rudi<br />
Dutschke beispringen müsse. Er nahm<br />
den auf offener Berliner Straße Niedergeschossenen<br />
und Schwerverletzten in seiner<br />
italienischen Villa auf, in die sich zur<br />
Überwachung der verdächtigen Vorgänge<br />
vorsichtshalber auch noch ein Trupp<br />
italienischer Polizisten einquartierte. Henze,<br />
entschlossen nicht nur ein guter Kom-<br />
Margot Fonteyn (Undine) und Michael Somes (Palemon) in Frederick<br />
Ashtons Ur-Inszenierung von Henzes »Undine«, London 1948<br />
(Foto: Artur Rank Cooperation)<br />
ponist, sondern gleichzeitig eine Art politischer Gutmensch zu<br />
sein, blieb unbeirrbar auf der Seite welchen Aufstands auch<br />
immer. Er war in seiner Jugend stark genug geduckt worden,<br />
um sich später einen extra starken Nacken zuzulegen. Der<br />
wurde tatsächlich gebraucht. Auch musikalisch.<br />
Henze hat sich ja nie wohlüberlegt ausgesucht, was er als<br />
nächstes komponieren würde. Er wurde von den Ideen der<br />
unterschiedlichsten Herkunft geradezu angesprungen und<br />
von ihnen über den Haufen gerannt. Er verfügte überdies<br />
über Verbindungen, die sich andere nur erträumen konnten.<br />
Er wusste Ingeborg Bachmann als Librettistin an seiner Seite,<br />
aber auch Jean Cocteau und W. H.<br />
Auden, den großen anglo-amerikanischen<br />
Lyriker. Und in <strong>Deutschland</strong>, der<br />
alten Heimat, natürlich alle, die einen<br />
Bleistift halten und mit ihm schreiben<br />
konnten.<br />
Mitunter schien es sogar, als könne<br />
das Übermaß der fruchtbaren Kreuz-<br />
und Querverbindungen Henzes unerschöpfliche<br />
Originalität bedrängen.<br />
Doch keine Angst: sie hielt Stand.<br />
Henze wusste kompositorisch immer<br />
genau, was er wollte. Er komponierte<br />
nie ins Blaue hinein. Er hatte das<br />
Jahrhundert, in dem er lebte, immer<br />
vor Augen. Mit einem Wort: er schrieb<br />
Jahrhundertmusik. Sein musikalisches<br />
Oeuvre hat die Welt, wie wir sie<br />
durchlebt und durchlitten haben, fest<br />
im Griff. Er ist, ohne Tag und Stunde<br />
je aufzuzeichnen, ihr Chronist geworden.<br />
En musique! �<br />
36 Ballett Intern 5/2012
Ballettkomponist –<br />
Auszeichnung,<br />
nicht Schimpfwort<br />
Nachruf: Hans Werner Henze<br />
von Dagmar Ellen Fischer<br />
»Der Tod hat einen Klang, wie er sich schon im Vorspiel zu<br />
diesem letzten Akt andeutete, lautes schmerzvolles Rufen,<br />
das hier nun schnell verebbt, die abschließende ganz leise<br />
Ekloge vorbereitend, eine unbewegte Musik, (…)« 1 So lautet<br />
ein Tagebucheintrag Hans Werner Henzes zur letzten Szene<br />
seiner Ballettkomposition »Undine«. Damals komponierte er<br />
den Tod, damit er getanzt werden kann. Am 27. Oktober<br />
2012 starb der bedeutendste zeitgenössische deutsche Komponist<br />
im Alter von 86 Jahren in Dresden. Kurz zuvor, am<br />
13. September 2012, fand mit der Aufführung seiner Oper<br />
»We come to the River« die erste Premiere der Spielzeit in der<br />
Semperoper statt – in Anwesenheit des Künstlers.<br />
Sein musikalisches Schaffen brachte weit über 300 Werke<br />
hervor, darunter allein zehn Sinfonien. Und: Er war Ballettkomponist,<br />
eine Bezeichnung, die er keineswegs als Schimpfwort<br />
empfand – wie noch Tschaikowsky nur wenige Jahrzehnte<br />
vor ihm. Am 27. Oktober 1958 wurde seine »Undine«<br />
in London mit dem Royal Ballet uraufgeführt, das Auftragswerk<br />
entstand in enger Abstimmung mit dem englischen<br />
Choreographen Frederick Ashton, Margot Fonteyn tanzte<br />
damals das filigrane Wasserwesen. Eigene Choreographien<br />
zu Henzes Komposition schufen Tatjana Gsovsky (1959),<br />
Erich Walter (1962), Tom Schilling (1970), Heinz Spoerli<br />
(1978) und John Neumeier (1994). Das zweite abendfüllende<br />
Werk für Ballett komponierte Henze 1979: »Orpheus« wurde<br />
mit dem Stuttgarter Ballett uraufgeführt, William Forsythe<br />
choreographierte. Und auch diese Musik regte zu weiteren<br />
tänzerischen Interpretationen an, Ruth Berghaus gestaltete<br />
sie 1986 in Wien, und erneut Heinz Spoerli in Basel 1988.<br />
Dessen Version des Stoffes stand 2001 auf dem Programm,<br />
als Hans Werner Henze den Deutschen Tanzpreis erhielt, und<br />
zwar mit folgender Begründung: »Mit seinem unter den<br />
Komponisten unserer Zeit selten gewordenen Bekenntnis<br />
zum Bühnentanz als künstlerischer Ausdrucksform und mit<br />
seinem Streben nach einer zeitgemäßen Ballettmusik hat<br />
sich Hans Werner Henze in außerordentlicher Weise um<br />
den künstlerischen Tanz verdient gemacht.«<br />
Als Sohn eines Dorfschullehrers wurde Hans Werner Henze<br />
am 1. Juli 1926 im westfälischen Gütersloh geboren, als<br />
erstes von sechs Kindern. Sein Vater, ein bekennender Nationalsozialist,<br />
soll die Homosexualität seines jugendlichen<br />
Sohnes mit den Worten kommentiert haben, so etwas wie er<br />
gehöre ins KZ. Dass gleichgeschlechtliche Beziehungen auch<br />
in den Nachkriegsjahren weiterhin unter Strafe standen, veranlassten<br />
den Künstler 1953, seinen Wohnsitz nach Italien<br />
zu verlegen. Dort lernte er, so heißt es, seinen Lebensgefährten<br />
Fausto Moroni in einem Antiquitätenladen kennen; der<br />
1944 geborene Italiener wurde von Henze adoptiert. Nach<br />
Jahrzehnte langer Partnerschaft starb Moroni nur 63-jährig<br />
im Jahr 2007. Bemerkenswert ist Henzes Zusammenarbeit mit<br />
der Dichterin Ingeborg Bachmann – mit der ihn auch eine<br />
tiefe Freundschaft verband – bei der Entstehung der Opern<br />
»Der Prinz von Homburg« (1958/59) und »Der junge Lord«<br />
(1964) sowie bei den Musikdramen »Elegie für junge Liebende«<br />
(1959–61) und »Die Bassariden« (1964/65).<br />
Henze trat in seiner Wahlheimat in die Kommunistische<br />
Partei Italiens ein, das brachte ihm international feindselige<br />
Resonanz; in <strong>Deutschland</strong> boykottierten Künstler 1968 sogar<br />
die Uraufführung seines Oratoriums »Das Floß der Medusa«.<br />
Zeit seines Lebens verstand sich Henze als Linker, ließ es sich<br />
dennoch nicht nehmen, bestimmte großbürgerliche Gewohnheiten<br />
zu pflegen. Er ist der meistgespielte zeitgenössische<br />
Komponist deutscher Herkunft, dem es ein Anliegen<br />
war, Musik als angewandte Kunst verstanden zu wissen, und<br />
eben nicht als elitäres Medium. Das Theater war für ihn von<br />
großer Bedeutung, denn er konnte »im Theater, dem härtesten<br />
Prüfstein zwischen Künstler und Publikum, den Höhepunkt<br />
künstlerischer Aussage sehen…« 2 Vielleicht ergeht es<br />
Hans Werner Henze wie seiner berühmtesten Bühnenfigur,<br />
dem Wassergeist Undine, »(…) immer wieder den Tod besiegend,<br />
mit einem Lied.« 3 ■<br />
Anmerkungen<br />
Nachruf: Hans Werner Henze<br />
Judith Domys und Wolfgang Leistner in Tatjana Gsovskys »Undine«, Berlin<br />
1959 (Foto: Hans Rama)<br />
1 Hans Werner Henze, Undine – Tagebuch eines Balletts, München 1959, S. 70<br />
2 Ebd., S. 51<br />
3 Ebd., S. 69<br />
Ballett Intern 5/2012 37
Vor 20 Jahren verstarb Gerhard Bohner Nachruf: Dietmar Fritzsche<br />
Auf dem Weg<br />
der Erkenntnis<br />
Die Akademie der Künste Berlin erinnerte<br />
an Gerhard Bohner zu seinem 20. Todestag<br />
von Volkmar Draeger<br />
Ein bitterer Tag für den Tanz, der 13. Juli 1993. Zwar war<br />
Gerhard Bohners AIDS-Erkrankung zumindest Eingeweihten<br />
bekannt, dennoch traf sein Tod viele schmerzlich. Bis kurz zuvor<br />
war man ihm, dem bereits sichtlich Geschwächten, noch<br />
als Zuschauer bei Gastspielen in der Akademie der Künste begegnet.<br />
Selbst tanzen konnte er da längst nicht mehr, schien<br />
im Gesicht noch herber, kantiger als gewohnt; sein Interesse<br />
am Tanz und an Gesprächen darüber indes war nach wie vor<br />
lebendig. Es war die Akademie am Hanseatenweg, die der<br />
Ausnahmefigur unter <strong>Deutschland</strong>s wenigen Solokünstlern in<br />
für dieses Genre schwerer Zeit künstlerisches Asyl, Aufträge<br />
und Auftrittsmöglichkeiten bot. Zum 20. Todestag erinnerte<br />
unter der Rubrik »Archivfenster« eine Ausstellung an seine<br />
wohl intensivste, ertragreichste Phase. Nicht in seiner angestammten<br />
Akademie im Tiergarten waren die drei gehaltvollen<br />
Vitrinen zu besichtigen, sondern in der Dependance am Pariser<br />
Platz. In drei Teile, wie sie für Bohners Entwicklung wichtig<br />
waren, gliederte sich die kleine Schau und erfasste dennoch<br />
ein ganzes Leben für den Tanz. »Vom Tänzer zum Choreographen<br />
zum Tänzer« führte ihn gleichsam sein Weg.<br />
Um die Anfänge kreiste die erste Vitrine. Prägende Pädagogen<br />
für den 1936 in Karlsruhe Geborenen wurden Mary Wigman,<br />
deren Berliner Studio er besuchte, und Tatjana Gsovsky.<br />
Sie, damals Chefchoreographin an der Deutschen Oper, in<br />
ihrer Leistung lange unterschätzt, holte ihn 1961 in ihr Ensemble,<br />
setzte ihn zehn Jahre vielseitig ein. Als libellenhaft<br />
flatternder Zauberer in »Labyrinth der Wahrheit« ist er im Foto<br />
zu sehen und als König Marke in »Tristan«, hier in seiner Ausdruckskraft<br />
schon eher Fremdkörper neben dem Ballett-Étoile<br />
Gerd Reinholm. In einem Brief mit demonstrativer Kleinschreibung<br />
widmet Bohner seine erste wichtige Choreographie seiner<br />
Mentorin Gsovsky, von der er sich immerhin unter Protest<br />
getrennt hatte. Jene »Folterungen der Beatrice Cenci« nach einem<br />
Kriminalfall von 1598 zeigten, wie Tortur den Menschen<br />
manipuliert, suchten Bezug zur Gegenwart, wurden als »Ballett<br />
der Grausamkeit« ein veritabler Erfolg: Einstudierungen<br />
auch in München, Darmstadt und Bremen, mit insgesamt 46<br />
Aufführungen Rang 5 der Spielplanstatistik 1973/74.<br />
Freilich interessierte Bohner keine historische Reminiszenz;<br />
in Jeans hantieren Männer mit der Gefolterten, die in einem<br />
Käfig herabsinkt, mit Bohner selbst unter den radikalen Schergen.<br />
Die Kritik ging wenig gnädig auch mit dem Choreographen<br />
um, was sein Schicksal lebenslang sein sollte. Schlaksiger,<br />
schwarzhaariger Mittdreißiger ist er da, notiert sich<br />
Schrittfolgen in eigener Schreibweise, Bühnen- und Beleuchtungsskizzen,<br />
einen Ablaufplan in 15 Punkten. Zur Choreographie<br />
hatte es Gerhard Bohner bereits 1964 gezogen; sie ließ<br />
ihn fortan nicht mehr los und brach sich bis 1989 in 22 meist<br />
an der Akademie der Künste uraufgeführten Werken Bahn.<br />
In seine Zeit als Chefchoreograph in Darmstadt von 1972 bis<br />
1975 fällt Bohners Hinwendung zu Oskar Schlemmer und dessen<br />
tänzerischen Experimenten am Bauhaus. Den 2. Preis beim<br />
Choreographen-Wettbewerb Köln sowie den Preis vom Verband<br />
der Deutschen Tanzkritiker hatte er da schon erhalten. In<br />
seiner Interpretation lebten Schlemmers Recherchen um den<br />
Menschen im Raum, begrenzt und gleichermaßen verstärkt<br />
durch Requisiten wie Reifen und Stäbe, neu auf. »Bohner tanzt<br />
Schlemmer« hieß eines der bühnenpraktischen Ergebnisse,<br />
»Bauhaustänze – Abstrakte Tänze« dann die um eigene Kreationen<br />
erweiterte Version. Auch hier reagierte im Unterschied<br />
zum Publikum die Kritik negativ. Bohners Rekonstruktion des<br />
»Triadischen Balletts«, Schlemmers berühmtester Schöpfung,<br />
erlebte von 1977 bis 1989 im In- und Ausland 81 Aufführungen.<br />
Wer jenes faszinierende Zusammenspiel von Form und<br />
Bewegung gesehen hat, mit renommierten Interpreten wie<br />
Ivan Liška und Colleen Scott, wird sich gern erinnern.<br />
Bohners produktivste Phase begann 1981, als er Bremen,<br />
wo er mit Reinhild Hoffmann das Tanztheater leitete, zugunsten<br />
von Berlin verließ. Als freier Choreograph brillierte er fortan<br />
mit Soloprogrammen, Interpret seiner eigenen Erfindung.<br />
Kein Tänzer zwinge ihn mehr zu Änderungen, äußerte er, auch<br />
kein Zeitdruck fordere ihm Zugeständnisse ab. Kompromisslos<br />
fiel aus, was er präsentierte, beginnend mit »Schwarz weiß<br />
zeigen« 1983, weniger Tanz als sichtbar gemachte Vorstellung<br />
von Choreographie, wie er selbst sagte. Sein Solo »Im (Goldenen)<br />
Schnitt I – III« von 1989 in jeweils anderem Bühnenraum,<br />
wie Künstler ihn für Bohner entwarfen, wurde nachgerade<br />
künstlerisches Vermächtnis, ein 24-teiliger Zyklus von maximaler<br />
Formstrenge, zudem eine grandiose Zusammenschau einfachster<br />
Bewegungsmöglichkeiten, reduziert auf tänzerische<br />
Urbewegung. In der eigen gearteten Wiederaufnahme durch<br />
den Spanier Cesc Gelabert lebt der Zyklus fort. �<br />
Bescheidenheit in Person<br />
Nachruf auf den Tanzjournalisten Dietmar Fritzsche<br />
von Hartmut Regitz<br />
Dietmar Fritzsche erklärte sich seinen<br />
Namen als Nachkomme des Alten<br />
Fritz. Daraus allerdings eine Führungsrolle<br />
abzuleiten, lag ihm fern. Lieber<br />
stellte er sich in den Dienst der Sache,<br />
und anstatt deren Macher verächtlich<br />
zu machen, was heute offenbar zum<br />
kritischen Ton gehört, fühlte er sich<br />
erst einmal in ihre Arbeit ein, bevor<br />
er sie kritisch beäugte. Das setzte natürlich eine geschärfte<br />
Beobachtungsgabe voraus, ein Wissen um die Zusammenhänge<br />
und vor allem Maßstäbe, die seinen Lesern als Orientierung<br />
dienten.<br />
Über all‘ das verfügte der gebürtige Dresdner aufgrund<br />
einer »bewegten« Geschichte. Zwei Jahre lang war Fritzsche<br />
Musiklehrer, nachdem er zuvor erst Schulmusikerziehung<br />
in Weimar und anschließend Musikwissenschaft in<br />
Halle studiert hatte. Einschlägige Theaterpraxis sammelte er<br />
als Musikdramaturg in Freiberg und Cottbus, und die war<br />
ihm später als Erfahrungswert beim Berliner Henschel Verlag<br />
38 Ballett Intern 5/2012<br />
(Foto: privat)
Nachruf: Gerd Maier<br />
Nachruf Gerd Maier<br />
von <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />
Vor 37 Jahren, am 1. Januar 1976, wurden Gerd Maier und<br />
seine Lebenspartnerin Christa op ten Höfel Mitglieder des<br />
noch sehr jungen DBfT e.V. Als Diplom-Kauffrau übernahm<br />
Christa op ten Höfel bereits ein Jahr später zunächst kommissarisch<br />
das Amt der Schatzmeisterin. Gerd Maier, immer<br />
begleitet von Christa op ten Höfel, war über die Jahrzehnte<br />
seiner Mitgliedschaft wohl auf fast allen Pädagogischen<br />
Seminaren des Verbandes zu<br />
finden. In den späten 1970er<br />
Jahren gründete er sein eigenes<br />
Ballett-Studio, das unter<br />
dem Namen STUDIO M<br />
bekannt wurde, und in dem<br />
über Jahre viele Wochenend-<br />
Seminare des Verbandes zu<br />
Gast waren. Unermüdlich<br />
widmeten sich beide bis ins hohe Alter dem Tanzunterricht<br />
und waren jederzeit bereit, neue Tendenzen des Tanzes in<br />
das Unterrichtsprogramm aufzunehmen.<br />
Gerd Maier unerwartet im September dieses Jahres verstarb.<br />
Im Gedenken an unser langjähriges treues Mitglied gerd<br />
Maier spricht der Vorstand des »Deutschen Berufsverbandes<br />
für Tanzpädagogik« Christa op ten Höfel sein tiefstes<br />
Mitgefühl zu diesem Verlust aus.<br />
mehr als hilfreich. Dort engagierte sich Fritzsche zunächst als<br />
Dramaturg und Lektor in der Musiktheaterabteilung, bevor<br />
er bei der Zeitschrift »Theater der Zeit« sein eigentliches Betätigungsfeld<br />
entdeckte und unermüdlich als Redakteur den<br />
Tanz in seinen vielfältigen Erscheinungsformen bearbeitete.<br />
Das war mehr als genug, auch wenn das Ballettgeschehen<br />
in der DDR überschaubar blieb. Neugierig nahm er nicht allein<br />
das war, was von außen an Anderem in das »demokratische«<br />
<strong>Deutschland</strong> eingebracht wurde, sondern sammelte<br />
auf Studienreisen von Budapest bis San Francisco wichtige<br />
Erkenntnisse, die er der Einschätzung des Eigenen zugrunde<br />
legte. Vergleichend konnte er so Schlüsse aus dem Gezeigten<br />
ziehen, die auch außerhalb der DDR interessierten. Nicht<br />
zuletzt auch deshalb war Fritzsche lange Zeit Mitarbeiter der<br />
bundesdeutschen Ballettjahrbücher.<br />
Dass er aktiv an Modern-Dance-Kursen teilgenommen<br />
hatte und Tanz- bzw. Musikgeschichte an der Ballettschule<br />
der Oper Leipzig und an der Dresdener Palucca-Schule<br />
unterrichtete, entnehme ich einem Nachruf von Volkmar<br />
Draeger, dessen kritische Karriere Fritzsche entscheidend<br />
befördert hat. Sich damit zu brüsten, wäre ihm nicht mal<br />
im Traum eingefallen. Er war vielmehr die Bescheidenheit<br />
in Person, liebenswürdig, überaus herzlich im Umgang mit<br />
anderen – und viel zu gutmütig, um sich vor Ausbeutung<br />
schützen zu können. An den Folgen einer Virus-Infektion<br />
und einer langjährigen Leukämie-Erkrankung ist Dietmar<br />
Fritzsche am 28. September, wenige Wochen vor seinem<br />
76. Geburtstag, in Berlin verstorben. Wir werden ihn sehr,<br />
sehr vermissen. �<br />
(Foto: Archiv <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>)<br />
Der Vorstand des DBfT informiert …<br />
Mitgliederbefragung<br />
2012<br />
des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik<br />
Liebe Mitglieder des Verbandes,<br />
viele von Ihnen haben schon im Laufe der letzten Wochen an<br />
unserer ersten Mitgliederbefragung teilgenommen, die wir in<br />
Folge jährlich wiederholen möchten.<br />
Die Mitglieder, die wir bisher noch nicht erreichen konnten,<br />
möchten wir auf diesem Wege einladen, ebenfalls teilzunehmen.<br />
Ihre Zufriedenheit liegt uns sehr am Herzen.<br />
Sie haben bis zum 27. Dezember 2012 die Möglichkeit,<br />
uns über Ihre Eindrücke und Wünsche zu informieren. Ihre<br />
Meinung hilft uns, unsere Verbandsaktivitäten sowie unsere<br />
Qualifizierungsangebote laufend zu bewerten und gezielt für<br />
Sie zu verbessern.<br />
Diese Mitgliederbefragung wurde als Online-Fragebogen<br />
konzipiert, erfolgt anonym und dauert nur ca. 5 Minuten.<br />
Bitte geben Sie dazu den nachfolgenden Link, der Sie direkt<br />
zur Befragung führt, in Ihren Internetbrowser ein:<br />
alpha-survey.de/?q=50646e9eb1360<br />
Selbstverständlich werden wir Sie nach der Auswertung über<br />
die Ergebnisse informieren und an den daraus abgeleiteten<br />
Verbesserungsmaßnahmen beteiligen.<br />
Für Ihre Mitarbeit möchten wir uns schon jetzt bei Ihnen bedanken!<br />
Es grüßt herzlich Ihr Vorstand<br />
PS: Gerne stellen wir Ihnen auf Anfrage die Mitgliederbefragung<br />
auch in Papierform zur Verfügung.<br />
Aktivitäten des Vorstands<br />
Internationale Tanzmesse<br />
28.8. bis 1.9.2012 in Düsseldorf:<br />
Verantwortliche: Silke Hester, Katharina Szöke<br />
– Wir hatten über die drei Besuchstage hinweg ca. 85 Besucher<br />
an unserem Stand.<br />
– Es wurden zwölf Anträge auf Mitgliedschaft herausgegeben<br />
und viele Fragen diesbezüglich beantwortet.<br />
– Wir haben Unterschriftenlisten für die Petition gegen die<br />
Umsatzsteueränderung 2013 herausgegeben und Unterschriften<br />
gesammelt.<br />
– Es kamen viele Anfragen für Anzeigen in der Zeitschrift<br />
BALLETT INTERN.<br />
– Weitere Kontakte zu interessierten Dozenten für Seminare<br />
aus dem In- und Ausland wurden geknüpft.<br />
Sitzung des Dachverbands Tanz <strong>Deutschland</strong><br />
10.10.2012 in Berlin:<br />
Verantwortlicher: Günther Rebel<br />
– Gespräche mit Sabine Gehm, der Organisatorin des Tanzkongresses<br />
2013, über die Beteiligung des DBfT am Tanzkongress.<br />
Der DBfT wird am Tanzkongress teilnehmen.<br />
– Informationen zum Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> unter<br />
dachverband-tanz.de<br />
Ballett Intern 5/2012 39
Der Vorstand des DBfT informiert …<br />
Sitzung des Beirats Tanz der Sektion<br />
„Rat für darstellende Kunst und Tanz“<br />
des Deutschen Kulturrats 11.10.2012 in Köln:<br />
Verantwortliche: Günther Rebel, Heidi Sievert<br />
– Gespräche über die Teilnahme des DBfT am Tanzkongress<br />
2013<br />
– Informationen zur Welttanzwoche Ende April 2013<br />
– Informationen zum Beirat Tanz unter:<br />
– dbt-remscheid.de/beirat-tanz.html<br />
Fachtagung der Bundesvereinigung<br />
Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V.<br />
am 5. und 6.10. 2012 in der Akademie Remscheid:<br />
Verantwortliche: Mona Brandenburg<br />
Thema: KÜNSTE – SINNE – BILDUNG<br />
– Wie gelingt ästhetisches Lernen?<br />
– »Der Diskurs über die Besonderheit des ästhetischen Lernens<br />
ist Bestandteil und Voraussetzung jeder Qualitätsdebatte,<br />
die nicht nur die Qualität von Strukturen und<br />
Methoden der Kulturellen Bildung im Blick hat, sondern<br />
auch die Qualität der Bildungsprozesse des Individuums.«<br />
Treffen mit der Direktorin der Tanzakademie<br />
Arnheim (ArtEZ) Netty van den Bosch<br />
17.10.2012 in Arnheim<br />
Verantwortliche: Heidi Sievert<br />
– Netty van den Bosch ist ebenfalls die 1. Vorsitzende des<br />
niederländischen Ballettpädagogenverbandes (NBDK)<br />
– Möglichkeiten der Kooperation zwischen dem DBfT und<br />
dem NBDK<br />
– Ähnliche Probleme wie in <strong>Deutschland</strong>, junge Pädagogen<br />
für den Verband und damit Politik für den Tanz zu begeistern.<br />
Einschub: In dieser Zeit gab es ebenfalls einen E-Mail-Kontakt<br />
zu der Österreichischen Berufsvereinigung für<br />
Zeitgenössische Tanzpädagogik, die auch an einer<br />
Vernetzung der Verbände interessiert ist. Günther<br />
Rebel plant für 2013 ein Arbeitstreffen mit Verbandskollegen<br />
aus der Schweiz, den Niederlanden,<br />
Frankreich und Österreich, um sich mit ihnen<br />
über Ausbildung und berufliche Qualifikation auszutauschen.<br />
Mitgliederversammlung des<br />
Dachverbands Tanz <strong>Deutschland</strong> e.V.<br />
20.10.2012 in Düsseldorf<br />
Verantwortliche: Günther Rebel, <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />
– <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> wurde wieder als Vertreter des DBfT in den<br />
Vorstand des Dachverbandes gewählt.<br />
– Günther Rebel wurde, als Nicht-Mitglied, von Michael<br />
Freundt eingeladen, an den Vorstandssitzungen des<br />
Dachverbands teilzunehmen.<br />
Sitzung der Jury des<br />
<strong>Fördervereins</strong> <strong>Tanzkunst</strong> <strong>Deutschland</strong> e.V.<br />
7.11.2012 in Essen<br />
Jurymitglied: Günther Rebel als Vertreter des DBfT<br />
– Festlegung der Preisträger des Tanzpreises 2013<br />
– Informationen zum Förderverein <strong>Tanzkunst</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
unter fvtk.de<br />
Jahrestagung der Gesellschaft für Tanzforschung<br />
10.11.2012 in Bochum<br />
Verantwortlicher: Günther Rebel<br />
– Günther Rebel nahm als Vertreter des DBfT an der Jahrestagung<br />
teil.<br />
– Informationen zur GTF unter gtf-tanzforschung.de<br />
Sitzung des „Rats für Darstellende Kunst<br />
und Tanz“ des Deutschen Kulturrats<br />
19.11.2012 in Köln<br />
Verantwortliche: Heidi Sievert<br />
– Gespräche bezüglich des Tanzkongresses 2013 und der<br />
Welttanzwoche 2013<br />
– weitere Informationen unter kulturrat.de<br />
Reaktionen auf die gute Nachricht zur »MWSt«<br />
Den Dank unserer Mitglieder geben wir gerne weiter an unseren rechtsanwalt Jürgen Werner, der einen<br />
großen Anteil an diesem Erfolg hat, sowie an den Dachverband Tanz <strong>Deutschland</strong> (DTD) und die royal<br />
Academy of Dance (rAD ® ) für die effektive Zusammenarbeit bei dieser Leistung: Einigkeit macht stark!<br />
Lieber Herr <strong>Roehm</strong><br />
Das ist echt ein toller Sieg! Gratuliere!<br />
Bettina Wagner-Bergelt<br />
Stellvertretende Ballettdirektorin<br />
des Bayerischen Staatsballetts<br />
Lieber Herr <strong>Roehm</strong>,<br />
wir haben diese großartige News gestern natürlich sofort<br />
veröffentlicht!<br />
Herzlichen Glückwunsch zu diesem Sieg, auf dessen Weg die<br />
tanznetz-User Sie tatkräftig unterstützt haben. …<br />
Danke für Ihren unermüdlichen Einsatz für den Tanz,<br />
mit den besten Grüßen aus München<br />
Nina Hümpel (www.tanznetz.de)<br />
Lieber Günther<br />
Großen herzlichen Dank für Eure Arbeit, meine Hochachtung,<br />
ich bin persönlich dankbar für den Zusammenhalt und die Unterstützung<br />
des Verbandes.<br />
Ich werde es in meiner Ballettschule aushängen.<br />
Das motiviert mich weiterzuarbeiten.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Martina Erdenberger<br />
Hallo,<br />
HUURRRRAAAA – und DANKE!<br />
Herzliche Grüße,<br />
Vicky Gabriel<br />
40 Ballett Intern 5/2012
Hallo Günther,<br />
das sind tolle News!<br />
Liebe Grüße<br />
Selatin Kara<br />
Das stand schon am Samstag in der Süddeutschen Zeitung.<br />
Leider waren nur die Musikschulen erwähnt.<br />
Scheint so, als würde der Tanz mal wieder vergessen oder<br />
nicht so wichtig sein, da haben wir noch einen langen<br />
Weg vor uns.<br />
Herzlichst<br />
Chetan Karla Bosák<br />
(Leitung Tanzstudio Ammersee)<br />
Tolle Nachricht, Danke auch allen für das Engagement!!!!!!!!<br />
Wandsbeker Ballettstudio<br />
Christa Festge<br />
(www.klassikballett.de – Mitglied im DBfT)<br />
Sehr geehrte Damen und Herren des DBfT,<br />
ich möchte mich für Ihr Engagement und<br />
den für uns alle wichtigen Erfolg recht<br />
herzlich bedanken. Ich kann nur hoffen,<br />
dass wir auch zukünftig von unserem<br />
Berufsverband derart positiv vertreten<br />
werden.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Siegfried Matheis<br />
Guten Tag,<br />
wir gratulieren zu diesem Erfolg und freuen uns sehr, dass wir<br />
Terminsache – Bitte beachten!<br />
Nachweise über Fort-<br />
und Weiterbildungen<br />
Liebe Mitglieder des DBfT,<br />
bitte denken Sie daran, die Nachweise Ihrer Fort- und<br />
Weiterbildungen aus dem Jahr 2012 im Rahmen des Fort-<br />
und Weiterbildungskonzeptes des DBfT bis zum 31. Januar<br />
2013 einzureichen. Ein Merkblatt und das Formular<br />
zur Eintragung der Nachweise stehen auf unserer Homepage<br />
zum Download bereit; das Formular kann auch auf<br />
Papier bei der Geschäftsstelle angefordert werden.<br />
Der<br />
Vorstand<br />
des DBfT<br />
und die<br />
BALLETT-<br />
INTErNredaktion<br />
wünschen allen Mitgliedern<br />
und denen,<br />
die es werden wollen,<br />
erholsame Feier tage und<br />
ein erfolgreiches Jahr 2013!<br />
»Der Tanz ist die Kunst,<br />
die die Seele<br />
des Menschen<br />
am meisten bewegt.«<br />
(Platon)<br />
Der Vorstand informiert …<br />
2013 weiter eine hochwertige Ausbildung zu einem fairen Preis<br />
anbieten können. Durch die tolle Verbandsarbeit können wir<br />
allen Einkommensschichten die Tanz- und Musikkunst näherbringen.<br />
Hoffentlich ist das Signal auch in der Politik angekommen,<br />
dass der Bedarf nach Kunst und Kultur ungebrochen stark<br />
ist und gefördert werden muss.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Elena Helfrich und Oliver Kiechle<br />
Ein Supererfolg! Herzlichen Dank an alle, die daran mitgearbeitet<br />
haben!<br />
Die kreative Ballettschule<br />
Ilona Harf<br />
Hallo Herr Rebel,<br />
mein Gott – wie klasse!!!!<br />
Wir danken!!!!<br />
Mit besten Grüßen auch an Herrn Werner!<br />
Christiane Böhm<br />
Liebes Team<br />
des Deutschen Berufsverbandes,<br />
ich möchte mich an dieser Stelle ganz<br />
herzlich für Euer Engagement und Eure<br />
Unterstützung bedanken.<br />
Weiter so und ein großes Kompliment<br />
an Euch alle!!!!!<br />
Herzliche Grüße<br />
Anke Full<br />
und das Team der Tanzschule Dance Steps<br />
Ballett Intern 5/2012 41
Buchempfehlung<br />
Hohe Qualitätsstandards sind für die kulturelle Bildung von<br />
besonderer Bedeutung. Aus diesem Grund habe ich auch<br />
die Entstehung des vorliegenden »Handbuchs Kulturelle Bildung«<br />
gern unterstützt. Es setzt anregende Impulse für die<br />
unterschiedlichsten Felder der Kulturellen Bildung zwischen<br />
Kunst, Kultur, Jugendarbeit und Schule. Kulturelle Bildung<br />
verstehe ich als eine lebenslange Aufgabe – und als eine lebenslange<br />
Chance. Dementsprechend gibt es eine Fülle von<br />
Menschen und Institutionen, die mit ihrem Engagement<br />
dazu beitragen können, dass sich die Rahmenbedingungen<br />
für kulturelle Bildung produktiv entwickeln.<br />
Welche besondere Verantwortung der öffentlichen Hand<br />
auf allen Ebenen – bundesweit, föderal und kommunal –<br />
zukommt, hat der Schlussbericht der Enquête-Kommission<br />
»Kultur in <strong>Deutschland</strong>« des Deutschen Bundestages überzeugend<br />
herausgearbeitet. Dabei wurde auch unterstrichen,<br />
dass es sich bei diesem Feld um eine Querschnittsaufgabe<br />
handelt, die Kunst- und Kulturpolitik, Jugend- und<br />
Sozialpolitik, Schul- und Wissenschaftspolitik gleichermaßen<br />
berührt.<br />
Der vorliegende Band des »Handbuchs Kulturelle Bildung«<br />
soll Ihnen in diesem heterogenen Feld Orientierung<br />
bietet, Sie verlässlich über Grundlagen, aktuelle Diskussionen<br />
und vorbildliche Konzepte informieren – neugierig<br />
machen auf mögliche neue Kooperationspartner. Vor Ihnen<br />
liegt ein spannendes Angebot. Bitte machen Sie reichlich<br />
Gebrauch davon.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Bernd Neumann<br />
Staatsminister bei der Bundeskanzlerin<br />
Der Beauftragte der Bundesregierung<br />
für Kultur und Medien<br />
Hildegard Bockhorst,<br />
Vanessa-Isabelle Reinwand<br />
und Wolfgang Zacharias<br />
(Hrsg.):<br />
Handbuch<br />
Kulturelle Bildung,<br />
kopaed-Verlag, 1080 S.,<br />
broschiert,<br />
ISBN 978-3-86736-330-3,<br />
EUR 44,00<br />
Editorial<br />
Editorial<br />
Liebe Leser,<br />
liebe Mitglieder des Deutschen Berufsverbandes<br />
für Tanzpädagogik<br />
sowie des <strong>Fördervereins</strong> <strong>Tanzkunst</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
immer wieder erreichen uns sehr willkommene Komplimente<br />
zu unserer Tanz-Zeitschrift BALLETT INTErN,<br />
sei es »… das war ja wieder eine sehr interessante Ausgabe«;<br />
»… wie gut, dass BALLETT INTERN immer über<br />
den Tellerrand schaut und man einen Einblick bekommt,<br />
was in der Welt des Tanzes geschieht«; bis zu der von<br />
sehr befugter Seite übermittelten Beurteilung, »…dass<br />
BALLETT INTERN die seriöseste Zeitschrift in Bezug auf<br />
die Tanz-Berichterstattung unseres Landes sei«. Beim internationalen<br />
Symposion des Conseil International de<br />
la Danse CID/uNESCO in Athen vor etwa vier Wochen<br />
urteilte eine Gruppe von Teilnehmern, BALLETT INTERN<br />
sei wohl die beste internationale Tanz-Zeitschrift in<br />
Bezug auf umfassende Berichterstattung, Themen, Aufmachung<br />
– innerhalb eines rund 20 cm hohen Stapels<br />
ausliegender internationaler Zeitschriften! Wir möchten<br />
betonen, dass diese sehr erfreulichen Rückmeldungen<br />
und Beurteilungen interessierter Leser außenstehende<br />
Meinungen sind, die uns als Feedback erreichen, das wir<br />
verständlicherweise gerne zur Kenntnis nehmen!<br />
BALLETT INTErN als Zeitschrift des Deutschen Berufsverbandes<br />
für Tanzpädagogik wird von Ihrer<br />
Redaktion von Beginn an nicht limitiert auf die PÄDA-<br />
GOGIK des Tanzes, des Tanzens, des Tanzunterrichts, des<br />
tänzerischen Trainings etc. interpretiert, sondern in weit<br />
gefasstem Sinne zur Pädagogik des breiten Spektrums<br />
der heutigen Tanzszene, in unserem Lande wie<br />
selbstverständlich auch international. In diesem Sinne<br />
wollen wir beispielsweise die seit Jahren kontinuierliche<br />
Serie der Vorstellung professioneller Tanzausbildungsinstitute<br />
verstanden wissen, seien es beispielsweise Texte<br />
zu<br />
– 350 Jahre Ecole de la Danse de l’Opera de Paris,<br />
– 250 Jahre Akademie des Tanzes Mannheim,<br />
– 60 Jahre Königliche Ballettschule Antwerpen,<br />
– 50 Jahre Tanzabteilung der Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst Frankfurt,<br />
– 40 Jahre Cranko Ballett-Akademie Stuttgart,<br />
– 30 Jahre Heinz-Bosl-Stiftung München<br />
und viele andere mehr.<br />
Unter diesem Aspekt werden selbstverständlich auch unsere<br />
Mitglieder vorgestellt, soweit sie uns von ihren nennenswerten<br />
Jubiläen rechtzeitig unterrichten und entsprechendes<br />
Material zukommen lassen, so zum Beispiel<br />
42 Ballett Intern 5/2012
– 90 Jahre gründungsmitglied Inge Stoffers,<br />
– 40 Jahre Ballettschule Heidi Sievert Münster,<br />
– 35 Jahre Ballettschule Zurhausen Bottrop,<br />
– 20 Jahre Ballettschule grabbe Kiel.<br />
Eine weitere unseres Erachtens interessante Serie haben<br />
wir begonnen mit der Vorstellung von Personen, die<br />
als Kinder in einer künstlerischen Tanz unterrichtenden<br />
Schule begannen und heute, bereits seit Jahren in einem<br />
anderen Beruf stehend, immer noch der Kunst Terpsichores<br />
huldigen, sei es als Staatsanwältin, Oberärztin,<br />
Apothekerin … oder, nicht fachfremd, als Schulleiterin,<br />
wie z. B. in der Ballettschule Zurhausen nun<br />
in der 3. generation.<br />
Auch gelungene Transitions stellen wir regelmäßig<br />
vor, wie unlängst im Porträt der jetzigen Ballettmeisterin<br />
des Staatsballetts Berlin Alessandra Pasquali. Auch<br />
hier werden wir über weitere gelungene Beispiele informieren,<br />
in diesem Zusammenhang bietet sich zum Beispiel<br />
die Laufbahn des Annerkennungspreisträgers<br />
2013, Tobias Ehinger, Ballett Manager des Dortmunder<br />
Balletts, im Rahmen der Verleihung des Annerkennungspreises<br />
des Deutschen Tanzpreises 2013 an.<br />
Unter diesem informativ-pädagogischen Aspekt berichten<br />
wir ebenfalls über Themen wie<br />
– 15 Jahre »tamed«,<br />
– 15 Jahre »tanznetz«,<br />
– 30 Jahre Deutscher Kulturrat und<br />
– 35 Jahre Ballettfreunde Hamburg.<br />
Doch auch über die uNESCO-Konvention zum Schutz<br />
der kulturellen Vielfalt und weitere international wie<br />
national den Tanz betreffende kulturpolitische Aktivitäten<br />
finden sie (un)regelmäßige Berichte in BALLETT<br />
INTErN. Das begann vor nunmehr 22 Jahren im September<br />
1990 mit dem vom DBfT gemeinsam mit der<br />
Semper oper Dresden initiierten und organisierten<br />
1. Deutsch-Deutschen Symposion in Dresden und<br />
unserem Ehrengast und Eröffnungsredner, dem heutigen<br />
Präsidenten des Deutschen Bundestages Prof.<br />
Dr. Norbert Lammert, über weitere Symposien des<br />
Verbandes zu Beginn dieses Jahrtausends im Ratssaal<br />
der Stadt Essen unter dem Motto: Politik für Tanz /<br />
Tanz für Politik, Moderation wiederum Prof. Dr. Norbert<br />
Lammert, bis zum heutigen Dachverband Tanz<br />
<strong>Deutschland</strong>, dessen Darstellung wir in der Ausgabe<br />
4/2012 breiten Raum gaben.<br />
Auch in dieser Ausgabe finden Sie noch einmal unter<br />
dem Leitmotiv Politik für Tanz / Tanz für Politik Texte<br />
zu diesem Thema, beispielsweise über das Lebenswerk<br />
Editorial<br />
des Begründers und Intendanten des tanzhaus nrw,<br />
Bertram Müller.<br />
Eben dieses tanzhaus nrw war Ende September<br />
2012 Gastgeber eines Kulturfrühstücks der FDP:<br />
Der Bundesaußenminister Dr. guido Westerwelle<br />
sprach zum Thema »Europa als Kulturraum« – wen<br />
sollte es nicht interessieren, wenn eine der wichtigsten<br />
Persönlichkeiten der derzeitigen Bundesregierung in einem<br />
Tanz-rahmen über nationale wie internationale<br />
Kultur spricht! Zwar ist die Kultur in unserer föderalistischen<br />
Demokratie eine Aufgabe der Länder, doch ist<br />
der Außenminister allein schon durch das internationale<br />
goethe-Institut für viele kulturelle Belange unseres<br />
Landes zuständig. Exportierend präsentierten deutsche<br />
Ballett-Ensembles auf den Reisen des Bundespräsidenten<br />
deutsche Kultur.<br />
Eine Woche vor dieser kulturpolitischen Veranstaltung<br />
der FDP im tanzhaus nrw war der Dachverband<br />
Tanz <strong>Deutschland</strong> dort zwei Tage zu Gast mit einer<br />
Vorstandssitzung und seiner herbstlichen Mitgliederversammlung.<br />
Hierzu finden Sie in der vorliegenden<br />
Ausgabe von BALLETT INTERN mehrere Berichte sowie<br />
Gedanken des Geschäftsführers des Dachverbandes,<br />
Michael Freundt, der zum Aufgabenbereich des DTD<br />
sowohl Rückschau hält als auch einen Ausblick gibt.<br />
Dass durch den DTD eine weitere Förderung des Tanzes<br />
in Höhe von € 575.000 erreicht werden konnte,<br />
spricht äußerst positiv über die wachsende Bedeutung<br />
dieser gesamt-deutschen Vereinigung des Tanzes sowie<br />
es ebenfalls Zeugnis ablegt für die zunehmende Anerkennung<br />
der <strong>Tanzkunst</strong> durch kulturverantwortliche<br />
Politiker – und hier möchte ich zum Abschluss dieses<br />
Editorials aus einem persönlichen Schreiben des<br />
Staatsministers für Kultur und Medien, Bernd<br />
Neumann, an mich zitieren: »… und ich danke Ihnen<br />
dafür, dass Sie in Ihren Publikationen über<br />
meine kultur politischen Anliegen und vor allem<br />
auch über die Arbeit des Dachverbandes Tanz berichtet<br />
haben. Uns ist in den letzten eineinhalb<br />
Jahren ein großer Schritt voran gelungen; diesen<br />
Impuls möchte ich auch für die Zukunft weitertragen.«<br />
Lassen Sie mich mit dieser so positiven Aussage für den<br />
Tanz dieses letzte Editorial in BALLETT INTErN 2012<br />
schließen und ebenso positiv und hoffnungsvoll in die<br />
Zukunft des neuen Jahres 2013 schauen.<br />
ulrich roehm<br />
und Ihre redaktion BALLETT INTErN<br />
Ballett Intern 5/2012 43
Buchempfehlungen<br />
Horst Koegler: Heinz<br />
Spoerli – Weltbürger<br />
des Balletts, Verlag<br />
Neue Zürcher Zeitung,<br />
206 S.,Großformat, durchgeh.<br />
farbig, Festeinband,<br />
ISBN 978-3-03823-720-4,<br />
EUR 43,20<br />
Horst Koegler schildert<br />
den künstlerischen Werdegang<br />
Heinz Spoerlis,<br />
dem es als erstem<br />
Schweizer gelungen ist,<br />
das Schweizer Ballett international<br />
konkurrenzfähig zu machen. In Basel geboren<br />
und als Tänzer ausgebildet, hat er seine Lehrjahre in Köln,<br />
Winnipeg, Montreal und Genf absolviert, bevor er 1973 nach<br />
Basel zurückgekehrt ist und das Basler Ballett in 18 Jahren an<br />
die Spitze der Schweizer Opernballettkompanien geführt hat.<br />
Als Künstlerischer Direktor und Chefchoreograph in Düsseldorf/Duisburg<br />
schuf er mit den Goldberg-Variationen<br />
1993 das experimentelle innovative Ballett, das zum Aushängeschild<br />
seines choreographischen Œuvres geworden ist. Ab<br />
1996 baute er dieses als Chef des Zürcher Balletts mit zahlreichen<br />
Bach-Kreationen aus auf der Basis einer umfangreichen<br />
Klassikerpflege und zahlreichen Eigenkreationen. Immer bot<br />
er auch prominenten Gastchoreographen Raum.<br />
»Es bleibt Heinz Spoerli vorbehalten, als erster und bisher<br />
einziger Schweizer eine Weltkarriere im Ballett gemacht zu<br />
haben. Sicher nicht ganz ohne Koketterie nennt er sich, in<br />
bester Schweizer Handwerkertradition, Tanzmacher.«<br />
Horst Koegler<br />
»Heinz Spoerli has taste!« Martin Schläpfer<br />
»Was immer er tut – die Liebe zum Publikum verliert er nie<br />
aus dem Auge.« Chris Jensen<br />
Horst Koegler: John<br />
Neumeier – Bilder eines<br />
Lebens/Pictures from a<br />
Life, Edel-Verlag, 160 S.,<br />
100 Duoton-Bilder, Festeinband,<br />
ISBN 978-3-94137-<br />
872-8, EUR 29,95<br />
Weltweit ist Ballett fest verknüpft<br />
mit dem Namen John<br />
Neumeier, der die Szene<br />
prägt und fördert wie kein<br />
anderer. Nun zeichnet Horst<br />
Koegler, einer der größten<br />
Kenner des internationalen<br />
Balletts, Neumeiers Schaffen in der autorisierten Biografie<br />
»John Neumeier – Bilder eines Lebens« eindrucksvoll nach.<br />
Seit nunmehr 40 Jahren ist der gebürtige US-Amerikaner Ballettchef<br />
in Hamburg. Als Professor und Intendant gebietet<br />
Neumeier über ein ganzes Ballettimperium mit Kompanie,<br />
Schule, Museum, Sammlung und Stiftung. Das hat es in diesem<br />
Ausmaß noch nie zuvor in der Ballettgeschichte gegeben<br />
– weder in Paris, noch in St. Petersburg oder New York. Allein<br />
darin spiegelt sich die Bedeutung des Multitalents Neumeier,<br />
der sich lange nicht entscheiden konnte, ob er Schauspieler,<br />
bildender Künstler oder Tänzer werden sollte.<br />
Horst Koegler, der Neumeier seit über 40 Jahren kennt und<br />
journalistisch begleitet hat, legt mit diesem Buch eine sehr<br />
persönliche Würdigung vor. Herausgegeben von der Stiftung<br />
John Neumeier und ausgestattet mit rund 100 bisher unveröffentlichten<br />
Fotos aus dem privaten Archiv John Neumeiers,<br />
gibt die Biografie einen intimen Einblick in das Leben und die<br />
Arbeit des Weltstars.<br />
Ursula Kaufmann: Pina<br />
Bausch und das Tanztheater<br />
Wuppertal,<br />
Edition Panorama, Format<br />
30×40 cm, Festeinband,<br />
320 S. über 380 farb. Abb.<br />
Mit Texten in Deutsch und<br />
Englisch von Pina Bausch,<br />
Gudrun Norbisrath, Jürgen<br />
Flimm, <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong>,<br />
Marieluise Jeitschko und<br />
Malve Gradinger<br />
ISBN 978-3-89823-451-1<br />
EUR 78,00<br />
Der nun vorliegende Band zu Leben und Arbeit der weltberühmten<br />
Choreographin, Trägerin des Deutschen Tanzpreises<br />
1995 und des Kyoto-Preises Pina Bausch ist nicht nur die<br />
umfassendste Dokumentation zu ihrem Leben und Werk,<br />
sondern auch eine besondere Hommage an eine herausragende<br />
Avantgardistin des modernen Ausdruckstanzes. Zusammen<br />
mit dem nach ihr benannten Wuppertaler Ensemble<br />
inszenierte sie weltweit anerkannte Stücke und beeinflusste<br />
nachhaltig die internationale Tanzszene. Die Fotografin Ursula<br />
Kaufmann beschäftigt sich seit 1984 mit der Tanz-, Ballett-<br />
und Theaterfotografie und hat die Aufführungen Pina<br />
Bauschs, die sie auch persönlich kannte, über Jahre hinweg<br />
begleitet. Für dieses Buch hat sie die besten Momentaufnahmen<br />
aus 40 Tanzstücken zusammengestellt, die in einem einzigen,<br />
auf Film festgehaltenen Zeitpunkt den Charakter des<br />
ganzen Stückes widerspiegeln. Den Bildern sind neben einer<br />
Biografie Bauschs und einem Werkverzeichnis eine Einleitung<br />
und begleitende Texte von Gudrun Norbisrath beigestellt.<br />
Die Essener Fotografin Ursula Kaufmann ist seit langem mit<br />
dem Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. verbunden:<br />
Seit vielen Jahren ist sie für die fotografische Begleitung<br />
der Galas und der anschließenden Feierlichkeiten anlässlich<br />
der Verleihung des Deutschen Tanzpreises verantwortlich.<br />
44 Ballett Intern 5/2012
BALLETT INTERN 5/2012<br />
Jubiläumsgala zur Verleihung<br />
des 30. Deutschen Tanzpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umschlag<br />
Deutscher Tanzpreis 2013: <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />
von Dagmar Ellen Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />
Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013:<br />
Bundesjugendballett Hamburg<br />
von Daniela Rothensee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
Grußwort zum Tanzpreis »ZUKUNFT«<br />
von John Neumeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
Anerkennungspreis 2013: Tobias Ehinger . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
tanzhaus nrw: Der Name ist Programm<br />
Interview von Dagmar Ellen Fischer mit Bertram Müller . . . . . . . . . . 6<br />
Warum Tanz? Darum! – von Bertram Müller . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
Jung, stark, selbstbewusst – Herbsttagung des DTD<br />
von Günther Rebel � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 8<br />
Düsseldorfer Kulturfrühstück der FDP<br />
von Anja Körber-Giovanelli und <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> � � � � � � � � � � � � � 9<br />
Erleichterung im Jahressteuergesetz 2013 bedeutet<br />
existenziell wichtige Regelung<br />
von Kulturstaatsminister Bernd Neumann . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
575.000 Euro Bundesförderung für »Initiative Tanz«<br />
von Karin Schmidt-Feister � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 11<br />
Tanz im Dialog mit der Politik<br />
von Michael Freundt � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 12<br />
»Sieh’ mal an …« – Die Kolumne von Ralf Stabel<br />
HEUTE: Preiset! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
Step Ahead e.V. – Performance Course Bonn 2012<br />
von Christine Eilks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
Internationale Begegnungen am Bodensee<br />
Die 17. Internationale Sommertanzwoche Bregenz<br />
von Jens Siebeneicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
Viel Rauch um eine Ballettschule – Inge Stoffers zum 90.<br />
von Dagmar Ellen Fischer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 18<br />
Ärztin im Hauptberuf, und doch Tänzerin: Nina Steckel<br />
von Dagmar Ellen Fischer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 21<br />
Highlights des Keil-Imperiums<br />
Gala der Tanzstiftung Birgit Keil am 9. November 2012<br />
von Carola Mezger � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 23<br />
Impressum<br />
Herausgeber: Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e. V. – Heft 104 – 35. Jg. – Nr. 5/Dezember 2012 – ISSN 1864–1172<br />
1983 30 Jahre 2013<br />
Deutscher Jubiläums-Tanzpreis<br />
Deutscher Tanzpreis 2013<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong><br />
Anerkennungspreis<br />
2013:<br />
Tobias Ehinger<br />
Manager Ballett<br />
Dortmund<br />
Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2013:<br />
Bundesjugendballett Hamburg<br />
BALLETT INTERN ISSN 1864–1172<br />
ist die Mitgliederzeitschrift des Deutschen Berufsverbandes<br />
für Tanzpädagogik e. V. (DBfT) und erscheint ab 2013<br />
vier Mal im Kalenderjahr (März, Juni, September und Dezember).<br />
Die Zeitschrift geht den Mitgliedern des Verbandes<br />
kostenlos zu. Nichtmitglieder können BALLETT INTERN<br />
abonnieren: <strong>Deutschland</strong> € 40,00, europäisches Ausland<br />
€ 60,00 (jeweils inkl. Porto/Versand und MWSt.) pro Jahresabonnement.<br />
Redaktion dieser Ausgabe: <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> (verantwortl.),<br />
Dagmar Ellen Fischer (dagmar.ellen.fischer@ballett-intern.de),<br />
Frank Münschke dwb<br />
Autoren dieser Ausgabe: Oleksi Bessmertni (Berlin), Christine Eilks (Münster), Volkmar<br />
Draeger (Berlin), Dagmar Ellen Fischer (Hamburg), Michael Freundt (Berlin), Klaus<br />
Geitel (Berlin), Marieluise Jeitschko (Münster), Anja Körber-Giovanelli (Düsseldorf),<br />
Bertram Müller (Düsseldorf), Carola Mezger (Stuttgart), Bernd Neumann (Berlin), John<br />
Neumeier (Hamburg), Hartmut Regitz (Berlin/Stuttgart), Günther Rebel (Münster),<br />
<strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> (Essen), Daniela Rothensee (Hamburg), Karin Schmidt-Feister (Berlin),<br />
Jens Siebeneicher (Münster), Ralf Stabel (Berlin), Achim Thorwald (Karlsruhe), Ira Werbowsky<br />
(Wien)<br />
Birgit Keil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24<br />
Badisches Staatsballett Karlsruhe<br />
Daten und Fakten zu einer bewundernswerten Compagnie<br />
von Achim Thorwald � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 25<br />
Auszug aus den Spielplänen seit 2003/04 . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
Liebeserklärung eines Generalintendanten<br />
an seine Ballettdirektorin<br />
von Achim Thorwald � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 26<br />
10. Tanzolymp 2013<br />
von Dagmar Ellen Fischer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 27<br />
Energie für Körper und Geist<br />
Academy 1 – Bühnenkunstschule in Berlin-Kreuzberg<br />
von Karin Schmidt-Feister � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 28<br />
»I am crazy with ballet« – Portrait Igor Zapravdin<br />
von Ira Werbowsky � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 30<br />
Wie viel Tanz steckt im Clown? – Porträt: David Larible<br />
von Dagmar Ellen Fischer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 31<br />
»Vorgestellt« – ein neuer Dialog geht in Serie<br />
Ivan Liška, Ballettdirektor des Bayerischen Staatsballetts,<br />
informierte Studenten der Staatlichen Ballettschule Berlin<br />
über seine Münchner Compagnie<br />
von Volkmar Draeger � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 33<br />
»… eine irrsinnig lebendige Tanzszene«<br />
Das 20. Münsteraner Tanzfestival<br />
von Marieluise Jeitschko � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 34<br />
Komponierender Chronist – Nachruf: Hans Werner Henze<br />
von Klaus Geitel � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 36<br />
Ballettkomponist – Auszeichnung, nicht Schimpfwort<br />
Nachruf: Hans Werner Henze<br />
von Dagmar Ellen Fischer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 37<br />
Auf dem Weg der Erkenntnis<br />
Die Akademie der Künste Berlin erinnerte an Gerhard Bohner<br />
zu seinem 20. Todestag<br />
von Volkmar Draeger � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 38<br />
Bescheidenheit in Person<br />
Nachruf auf den Tanzjournalisten Dietmar Fritzsche<br />
von Hartmut Regitz � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 38<br />
Nachruf: Gerd Maier<br />
von <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 39<br />
Der Vorstand informiert / Aktivitäten des Vorstands . . . . . . 39<br />
Reaktionen auf die gute Nachricht zur »MWSt« . . . . . . . . . . 40<br />
Editorial<br />
von <strong>Ulrich</strong> <strong>Roehm</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
Buchempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redak tion<br />
oder des Herausgebers wieder. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist ohne ausdrückliche<br />
Genehmigung der Redaktion nicht gestattet. Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />
und für Terminangaben wird keine Gewähr übernommen. Die Redaktion behält sich das<br />
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Heft 1/2013 erscheint 15. März 2013<br />
Redaktionsschluss: 23. Februar 2013<br />
Anzeigenschluss: 23. Februar 2013<br />
Annahmeschluss Beilagen: 1. März 2013