Ulrich Roehm - Fördervereins Tanzkunst Deutschland
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Porträt: Igor Zapravdin<br />
»I am crazy with ballet«<br />
Porträt: Igor Zapravdin<br />
von Ira Werbowsky<br />
Er hat sein Leben dem Ballett gewidmet:<br />
Igor Zapravdin ist Ballettkorrepetitor<br />
mit Herz und großer<br />
russischer Seele. Im Alter von sieben<br />
Jahren schickte ihn seine Mutter<br />
sowohl zum Klavier- als auch zum<br />
Ballettunterricht, da sie beides liebte. Der in Sewastopol aufgewachsene<br />
Igor entschied sich später allerdings für Klavier<br />
und setzte seine Ausbildung in Moskau am Konservatorium<br />
fort. In diesen vier intensiven Studienjahren gab es für den im<br />
Internat untergebrachten jungen Mann nichts als die Musik.<br />
Wenn er nicht am Tschaikowsky-Konservatorium Unterricht<br />
hatte, war er im Bolschoi Theater und sah fasziniert den Vorstellungen<br />
zu. Ballett hatte es ihm immer noch angetan. Wie<br />
konnte er diese beiden Leidenschaften künstlerisch und beruflich<br />
verbinden? Nach seinem Diplom in Klavier und Komposition<br />
wurde er am Stanislavski-Theater und am Nemirovich-Danchenko-Theater,<br />
dann am Moskauer Classical Ballet<br />
engagiert. Dort hat er erstmals als Korrepetitor Tänzer beim<br />
Training und in den Proben begleitet. Das war am Anfang<br />
keine leichte Aufgabe, verlangte es doch vom Pianisten, sich<br />
musikalisch den Wünschen und Bedürfnissen der Tänzer und<br />
der Ballettmeister unterzuordnen und die unendliche Vielfalt<br />
musikalischer Tempi anzupassen.<br />
Ein erster gravierender Einschnitt in diese harmonische<br />
Synthese aus Tanz und Klavierspiel kam durch den Armeedienst.<br />
Für anderthalb Jahre diente Igor Zapravdin im russischen<br />
Heer – das war eine harte Lebensschule, nur gemildert<br />
dadurch, dass sein Onkel, der als Admiral in Sewastopol<br />
bei der Flotte war, ihn zu sich holte. Nach dem Militärdienst<br />
kehrte er nach Moskau zurück und kam ans Russische Staatsballett,<br />
damals unter der Leitung von Wjatcheslaw Gordejew.<br />
Hier traf er auch auf Vladimir Malakhov, mit dem ihn seit<br />
damals eine künstlerische Freundschaft verbindet.<br />
Im Herbst 1992 begleitete er diese Compagnie zu einem<br />
Gastspiel nach Wien – und spielte aus eigener Initiative der<br />
damaligen Ballettchefin Elena Tschernischova vor. Er erhielt<br />
sogleich einen Vertrag! Seither ist er erfüllt von seinem Lebenstraum,<br />
seine beiden Lieblingsbereiche in der Kunst beruflich<br />
verbinden zu dürfen – in einer goldenen Balance, wie<br />
er sagt, teile er seine Liebe zwischen Musik und Ballett auf.<br />
»Das ist die optimale Kombination für mich!«<br />
Ballett und Musik sind lebensbestimmend<br />
Besonders stolz ist er auf seine Zusammenarbeit mit Mstislav<br />
Rostopowitsch, für den er 1996 ein Konzert für Klavier<br />
und Cello spielen durfte. Er hat berühmte Sänger wie Evgeny<br />
Nesterenko, Stella Grigorian oder Evgeny Dmitriev begleitet.<br />
Bei internationalen Ballettwettbewerben war er als Pianist im<br />
Einsatz, so u. a. in Budapest, Paris, Japan, Korea, Brasilien, Luxemburg,<br />
Moskau und St. Petersburg. Ebenfalls war er für das<br />
musikalische Arrangement von Vladimir Malakhovs Version<br />
der »Bajadere« sowohl in Wien als auch in Berlin zuständig.<br />
Bei den der berühmten österreichischen romantischen Tänzerin<br />
Fanny Elßler gewidmeten Gala-Abenden in Eisenstadt und<br />
Wien lag die musikalische Basis ebenfalls in seinen Händen.<br />
Im steten Bestreben, das Bestmögliche für den klassischen<br />
Tanz zu geben, hat er bereits mehrere CDs mit Ballettmusik<br />
als Begleitung für Trainingssequenzen herausgebracht. Sein<br />
neuestes Werk, das unter der Ägide von Mariella Ermini von<br />
der Accademia Nazionale dei Danza in Rom (mit ausführlicher<br />
Beschreibung der Übungen auf italienisch) entstand, wird im<br />
Herbst in Wien in englischer Fassung vorgestellt – die Präsentation<br />
in Italien fand bereits Ende August in Grado statt.<br />
Ballett lässt ihn niemals los. Sogar in den Theaterferien<br />
hat er sich in all den Jahren dem Tanz verschrieben. Statt<br />
Urlaub zu machen, ist er ein gefragter Pianist bei verschiedenen<br />
Ballett-Trainingskursen im Ausland. Im vergangenen<br />
Sommer kam er so nach einigen echten Urlaubstagen mit<br />
seiner Schwester in Ljubljana und Bled über »Klavierspiel-Tage«<br />
in Pescara, wo er in der Jury des Ballettwettbewerbs saß,<br />
nach Ischia/Napoli bis nach Sizilien, bevor er für zehn Tage in<br />
Igor Zapravdin spielt mit: Die Rolle des Pianisten in »The Concert« von<br />
Jérôme Robbins verlangt mehr als nur Einsatz an den Tasten. Von rechts<br />
umgarnt ihn Irina Zymbal. (Fotos: Wiener Staatsballett/Michael Pöhn)<br />
Moskau bei seiner Mutter Station machte, um anschließend<br />
zu seiner CD-Präsentation nach Grado zu reisen.<br />
Jubiläum: 20 Jahre in Wien an der Staatsoper<br />
Mittlerweile ist er seit 20 Jahren in Wien und hat als Ballettkorrepetitor<br />
neue Maßstäbe gesetzt. Er ist aus den Ballettsälen<br />
der Staatsoper nicht mehr wegzudenken. Von seiner<br />
Position am Flügel aus beobachtet er die Tänzer und sieht<br />
so, in welchen Entwicklungsprozessen die jeweiligen Choreographien<br />
entstehen und Schritt für Schritt Gestalt annehmen.<br />
Er ist sich seiner Bedeutung bewusst, wie er mit seinem<br />
Spiel die Atmung, die Bewegungsfolgen stützt und fördert.<br />
Daher ist er täglich schon lange vor Trainingsbeginn im Ballettsaal,<br />
um sich selbst optimal einzustimmen, sich auf das<br />
geforderte Programm vorzubereiten und sich so auf den jeweiligen<br />
Tag einzustellen. Mit sensiblem Gespür trägt er mit<br />
den entsprechenden Melodien die Tänzer zu Höhenflügen,<br />
hebt die Stimmung und steigert die Motivation. Er stellt sich<br />
auf die Vorlieben der jeweiligen Ballettmeister ein und spielt<br />
passend zur Situation, mal ist genaue Partitur, mal Improvisation<br />
gefragt; mal eher jazzig oder streng klassisch. Er ist<br />
30 Ballett Intern 5/2012