Ulrich Roehm - Fördervereins Tanzkunst Deutschland
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Porträt: Der Clown David Larible<br />
feierter Künstler ist; sein Impresario fragt ihn entrüstet, warum<br />
er in dieser Kneipe spiele, wie ein Amateur. Darauf antwortet<br />
der Clown, dass alle Menschen Amateure seien, weil niemand<br />
lange genug lebe, um professionell zu werden. »Das ist meine<br />
Philosophie!« Bekennt David Larible strahlend, und Charlie<br />
Chaplin ist sein Vorbild. »Er war ein Genie, war Schauspieler,<br />
Regisseur, Autor, sogar die Musik zu seinen Filmen hat er<br />
komponiert. Aber noch wichtiger ist: Er wurde überall auf der<br />
Welt verstanden, sein Humor ist international.«<br />
So wie auch die Körpersprache eines Clowns sein muss, international.<br />
Beweglich bleiben, im dreifachen Sinn: mit einem gut<br />
trainierten Körper, einem agilen Geist, und der Bereitschaft, für<br />
die unterschiedlichen Engagements mobil und ständig unterwegs<br />
zu sein. Das gilt für die gesamte Familie: David Laribles Frau ist Zirkusartistin,<br />
seine Tochter Trapezkünstlerin, sein Sohn Jongleur. Ein<br />
sogenanntes Zuhause existiert zwar, aber dort ist die Familie fast<br />
nie anzutreffen. »Das ist hart, aber ich kenne es nicht anders.«<br />
David Larible, 1957 in Verona geboren, stammt aus einer<br />
typischen Artistenfamilie, schon sein Urgroßvater Pierre Larible<br />
taucht in einem Dokument aus dem Jahr 1881 als Akrobat und<br />
Tänzer auf, sein Großvater war Clown, sein Vater Trapezkünstler.<br />
»Seit Generationen lernen Kinder von den Eltern, mein Vater<br />
war mein Lehrer und unterrichte mich am Trapez. Aber ich wollte<br />
Clown sein. Und als ich acht Jahre alt war, sagte ich das meinem<br />
Vater.« Der war nicht begeistert und versuchte, es seinem<br />
Sohn auszureden, indem er ihm wahrheitsgetreu erklärte, es<br />
sei das Schwierigste, Menschen zum Lachen zu bringen. »Denn<br />
ein Clown müsse alle Jobs gut machen, ein Akrobat sein und<br />
ein Jongleur, ein Musiker und ein Tänzer. Aber ich wollte es<br />
unbedingt …« Also bekam der junge David Gesangsunterricht,<br />
lernte Instrumente spielen, übte jonglieren und ließ sich als Akrobat<br />
ausbilden. Und tanzte: »Ich habe fünf Jahre klassischen<br />
Tanz studiert. Ballett hat mir sehr geholfen in meiner Karriere,<br />
denn es gibt meinen Bewegungen die Harmonie. Auch die Bewegungen<br />
eines Clowns müssen harmonisch und koordiniert<br />
sein, und das hat mir der Tanz gegeben.« Außerdem spielt<br />
David Larible sechs Instrumente, spricht fünf Sprachen und beherrscht<br />
so ziemlich jedes Handwerk im Zirkus-Gewerbe. »Ich<br />
habe als Akrobat angefangen und eine akrobatische Rollschuhnummer<br />
gezeigt, dann war ich Jongleur, später habe ich einen<br />
argentinischen Gaucho-Tanz entwickelt. Am Trapez war ich zu<br />
sehen und in einer Pferdenummer – ich habe wirklich alles gemacht.<br />
Aber in meinem Kopf war immer: Ich will Clown sein!«<br />
Einige Jahre sprang er immer dort ein, wo Not am Artist war.<br />
Endlich wurde auch einmal ein Clown krank, und David Larible<br />
bekam seine große Chance. Er war 16, und er machte seine<br />
Sache so gut, dass ihm sogar ältere Artisten-Kollegen nach seinem<br />
Debüt gratulierten. »Du kannst einiges lernen, was ein<br />
Clown braucht, die Technik der Pantomime zum Beispiel,<br />
aber du kannst nicht lernen, lustig zu sein!« David Larible<br />
war lustig.<br />
Das Wichtigste, weiß der erfolgreiche Clown, ist das Timing,<br />
wie im Tanz. »Ohne Timing kann man kein Clown sein. Alles<br />
steckt im Timing. Mache ich das entscheidende Gesicht eine<br />
Sekunde zu früh oder zu spät, funktioniert nichts. Der berühmte<br />
Schweizer Clown Grock hat gesagt, eine Clown-Nummer ist<br />
wie eine Uhr.« Was keineswegs bedeutet, das einmal gefundene<br />
Timing sei eine feste Größe. Denn jedes Publikum ist anders,<br />
Clio Togni<br />
und David<br />
Larible<br />
das gilt es bei jedem Live-Auftritt zu erspüren. »Der Rhythmus<br />
des Lebens wechselt, und deshalb muss auch das Timing<br />
ständig wechseln. Jeden Abend, in jedem Moment. Der Artist<br />
wächst in jeder Vorstellung mit dem Publikum. Das kann man<br />
nicht sehen, das geschieht automatisch.«<br />
Ballettunterricht nahm David Larible in seiner italienischen<br />
Heimat. Später lernte er auch Jazztanz, studierte eine Weile Flamenco<br />
und nahm Unterricht in Stepptanz – letzteres inspirierte<br />
ihn zu einer Tap-Nummer in riesigen Schuhen. In den 1980er<br />
Jahren war er der Star der Fernsehserie »Circus – Tiere, Stars<br />
und Akrobaten«, auch in den Sendungen »Stars in der Manage«<br />
konnte man ihn regelmäßig erleben. 15 Jahre lang lebte und arbeitete<br />
er in den USA, dort trat er im größten US-amerikanischen<br />
Zirkus, »Ringling Bros. and Barnum & Bailey«, täglich vor rund<br />
20.000 Menschen auf. Mit Jerry Lewis stand er vor der Kamera,<br />
im Film »Ocean’s Eleven« übernahm er eine kleine Rolle. 1999<br />
wurde er beim Internationalen Circusfestival in Monte Carlo mit<br />
dem »Goldenen Clown« ausgezeichnet, dem Oscar der Manege.<br />
So unterschiedlich das Publikum in Japan und den USA auch<br />
sein mag, eines stellte der Live-Entertainer fast überall fest: Es<br />
fehlt eine Altersgruppe. »Kinder gehen gern in den Zirkus,<br />
aber nur bis zum Alter von ungefähr zwölf Jahren. Dann wird<br />
Zirkus uncool. Und sie kommen als Zuschauer erst zurück,<br />
nachdem sie über 20 sind.« Es ist genau die Altersgruppe, die<br />
auch als freiwillige Theatergänger so gut wie nicht existiert und<br />
ebenso als Tanz- und Ballettschüler am schnellsten schrumpft.<br />
Ein Neuanfang steht für David Larible 2013 an. Er wird seine<br />
Solo-Show wieder aufnehmen, die er vor einigen Jahren<br />
entwickelte. Darin erzählt er die Geschichte eines Mannes,<br />
der täglich ein Theater putzt, aber heimlich davon träumt, als<br />
Clown im Rampenlicht zu stehen. Und für eine Nacht wird sein<br />
Traum wahr, er darf nicht nur Clown werden, sondern »The<br />
Clown of Clowns« sein, der Beste – wie der Titel der anderthalbstündigen<br />
Show heißt. »Ich möchte damit sagen, dass jeder<br />
etwas Großartiges leisten kann, wenn er nur am richtigen<br />
Platz ist,« so David Larible über seine persönliche Motivation.<br />
»The Clown of Clowns« kann sich überall auf der Welt zeigen,<br />
denn er kommt ganz ohne Text aus. »Wir werden heutzutage<br />
bombardiert mit Worten, über Text wird das meiste kommuniziert.<br />
Ich glaube, dass es sehr schön und geradezu erfrischend<br />
sein kann, jemanden im Theater zu sehen, der viel<br />
erzählt, aber ohne Worte. Nur mit dem Gefühl, mit Gesten<br />
und mit Musik. Ich singe, ich spiele und ich tanze.« ■<br />
32 Ballett Intern 5/2012